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- German
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Der 30-Jährige Krieg
Über dieses Buch
Was ursprünglich als Religionskrieg begonnen hatte, entwickelte sich rasch zu einer blutigen, nationalen Auseinandersetzung europäischer Großmächte. Deutschland wurde zum Schlachtfeld der Franzosen, Spanier, Österreicher und Schweden.
Als die Waffen nach 30 Jahren endlich schwiegen und in Münster und Osnabrück 1648 der Westfälische Frieden geschlossen wurde, war die Mitte Europas verwüstet. Es sollte Generationen dauern, bis sich das Land von der Katastrophe des Krieges erholte.
Das große Sterben begann im Mai 1618, als sich böhmische, protestantische Adelige gegen den katholischen Kaiser Ferdinand in Wien erhoben und seine Bevollmächtigten aus einem Fenster der Prager Burg stürzten. Der bayerische Feldherr Tilly und der Böhme Wallenstein kämpften für die kaiserliche Sache. Der charismatische schwedische König Gustav Adolf ergriff die Partei der Protestanten und eilte, bis zu seinem Tod in der Schlacht von Lützen, von Sieg zu Sieg.
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Information
Prag, 23. Mai 1618. Ein großer Menschenauflauf vor der Prager Burg. Unter der Führung von Heinrich Matthias von Thurn stürmen die protestantischen Stände Böhmens den Regierungssitz. Man hört empört Rufe und böse Forderungen: „Hängt sie auf!“ „Schlagt sie tot!“ „Nieder mit dem Kaiser!“ „Auf den Scheiterhaufen mit den Pfaffenknechten!“
Den beiden Statthaltern des katholischen Kaisers Matthias, die dem Pöbel bei ihrem Aufstand in die Hände gefallen waren, wurde kurzerhand der Prozess gemacht. Man verurteilt sie nach einer Blitz-Verhandlung dazu, aus dem Fenster gestürzt zu werden. Zu der damaligen Zeit war das eine Art „sanftes“ Todesurteil. Schließlich könnte die Güte Gottes die Verurteilten den Sturz aus 17 Metern Höhe aufs harte Pflaster überleben lassen…
Der Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 war für sich genommen eine kuriose Episode in einer Provinz des riesigen Habsburgerreiches. Aber er hatte eine weltgeschichtliche Dimension. Er war der Auslöser für einen 30 Jahre langen Krieg. So furchtbar wie ihn der europäische Kontinent zuvor noch nie erlebt hatte. Er kostete Millionen von Menschenleben. Als schließlich Frieden geschlossen wurde, lag Mittel-europa verwüstet und ausgeplündert am Boden. Um Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte waren Wirtschaft und Fortschritt zurückgeworfen. Es dauerte Generationen, bis sich der Kontinent von diesem ungeheuren Aderlass erholt hatte. Über Jahrhunderte blieb in den Köpfen der Menschen die Furcht vor solch einem Krieg und dessen grausamen Folgen.
Wie kam es zu den dramatischen Ereignissen? Das Königreich Böhmen war zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein kleines, dafür aber reiches Land. Hier reiften frühzeitig Bestrebungen nach religiöser Unabhängigkeit, nationaler Geschlossenheit und politischer Freiheit, wie sie in Europa immer mehr Mode wurden.
Die Tschechen, voller Selbstvertrauen und erfinderisch, hatten sich durch wirtschaftliche Tüchtigkeit frühzeitig einen guten Ruf auf dem Kontinent erworben. Zum Christentum waren sie von byzantinischen Missionaren bekehrt worden, hatten aber die Form des Gottesdienstes ihren Bedürfnissen angepasst. Als sie später in der katholischen Kirche aufgingen, behielten sie im Gottesdienst ihre Muttersprache bei und erwählten zu ihrem Schutzpatron nicht einen der üblichen Heiligen des Christentums, sondern ihren eigenen König Wenzeslaus, dessen Heiligkeit auf der Liebe seines Volkes beruhte.
Die Tschechen gehörten zu den ersten Gegnern des Papstes in Rom. Zwei ihrer großen Kirchenlehrer, Jan Hus und Hieronymus von Prag, wurden 1415 beziehungsweise 1416 in Konstanz als Ketzer verurteilt und verbrannt. Die Reformatoren waren zwar tot, ihre Lehren aber überlebten. Eine Generation später machte Georg von Podiebrad, der erste nichtkatholische König Europas, die hussitische Lehre in Böhmen zur Staatsreligion und ließ über dem Tor jeder Kirche als Sinnbild der neuen Jahre einen gemeißelten Kelch anbringen. 50 Jahre später brandete die deutsche Reformation quer durch Europa und brachte das Luthertum nach Böhmen, danach folgte der Calvinismus.
Um diese Zeit fiel das Königreich Böhmen den Habsburgern zu. Ein Edelstein in der Krone. So reich war Böhmen, dass die von Wien eingenommenen Steuern mehr als die Hälfte der Verwaltungskosten des ganzen Reiches deckten.
Schwer verständlich, warum die freiheitsliebenden Tschechen sich so lange den habsburgischen Herrschern fügten.
Schließlich war die Monarchie hier nicht erblich, in Böhmen wurde der König von den Adligen gewählt. Aber das Land war im späten 16. Jahrhundert zerrissen. Während die Anhänger der verschiedenen Glaubensrichtungen untereinander um Privilegien kämpften, setzten die habsburgischen Herrscher den Katholizismus wieder als Staatsreligion ein und duldeten lediglich die anderen Konfessionen.
Nicht weniger als 1.400 Adelsfamilien teilten das Land untereinander auf und jede von ihnen beanspruchte eine gesellschaftliche Sonderstellung. Die meisten dieser Familien waren lutherisch, aber aus Furcht vor der fanatischen calvinistischen Minderheit hielten sie sicherheitshalber zur habsburgischen Regierung, obwohl diese katholisch war. Diese inneren Spaltungen wiegten Wien in einer trügerischen Sicherheit.
Aber die Uhr lief gegen die Habsburger. Ihr Macht-Rezept funktionierte immer schlechter. Die alte, auf Landbesitz beruhende Wertordnung löste sich langsam aber stetig auf. Eine Krise brachte die Böhmen dann schließlich doch dazu, gemeinsam an einem Strang zu ziehen: Als im Jahre 1609 Kaiser Rudolf versuchte, den Protestanten die Duldung zu entziehen, protestierte sogar der katholische Adel wegen dieser Privilegsverletzung. Ein drohender allgemeiner Aufstand zwang den Kaiser, den so genannten „Majestätsbrief“ zu gewähren, mit dem das Recht auf einen protestantischen Gottesdienst verbürgt wurde.
Kaiser Rudolf, ein Habsburger, interessierte sich für allerlei, aber nicht für Politik. Er machte Prag zu seiner Haupt- und Residenzstadt und verbrachte hier in einem selbst geschaffenen Wolkenkuckucksheim inmitten von Astrologen und Himmelskarten sowie in der Gesellschaft zahlloser Alchimisten die letzten Jahre seiner Regierung. Er füllte seinen Marstall mit Pferden, die er niemals ritt, und die kaiserlichen Gemächer mit Konkubinen, die er selten sah und niemals berührte. Er schloss sich stundenlang mit seinen Astrologen und Astronomen ein, während Verordnungen und Depeschen wochenlang unerledigt auf seinem Schreibtisch lagen und Staub sammelten. Der lutherische Adel in Böhmen erzwang schließlich die Absetzung von Rudolf und brachte seinen Bruder Matthias auf den Thron.
Unmut in Böhmen
Die lutherische Partei erwartete von dem neuen Herrscher eine gewisse Dankbarkeit. Schließlich war sie es gewesen, die Matthias die Kaiserwürde verschafft hatte. Aber die katholische Tradition der Habsburger war zu mächtig. Es dauerte nicht lange bis Matthias gegen den Geist des Majestätsbriefes verstieß, wenn auch nicht gegen die tatsächlichen Bestimmungen. Außerdem verlegte er seine Residenz nach Wien und verstärkte so die Empörung seiner Untertanen. Adel und Bürgertum fühlten sich verraten und argwöhnten, ihr Land solle zu einer bloßen Provinz Österreichs degradiert werden. Zur Vergeltung erließ der Landtag in Prag Gesetze, die jedermann, der nicht tschechisch sprach, das Wohnrecht im Lande nahm und die tschechische Staatsbürgerschaft verwehrte.
Der böhmische Landtag setzte sich aus drei Gruppen zusammen: den Adeligen, den Bürgern und den Bauern. Nur Erstere hatten das Wahlrecht, die beiden anderen Stände fungierten als beratende Körperschaften. Die Rechte des Adels beruhten einzig auf Landbesitz, dessen Verlust die Einbuße aller Beratungs- und Wahlrechte nach sich zog. Umgekehrt erwarb ein Mann zugleich mit Landbesitz auch die Vorrechte des Grundherrn.
So bestand der böhmische Landtag aus 1.400 adeligen Grundherren, die alle Entscheidungen für das Land trafen, beraten von Ausschüssen der Bürger und Bauern. England, das eine weitaus größere Bevölkerung hatte, leistete sich ein Parlament, dessen Mitgliederzahl, Lords und Gemeine zusammen genommen, nicht halb so groß war.
Kaiser Matthias war kinderlos geblieben, und sein Nachfolger in Böhmen wie im Reich sollte Erzherzog Ferdinand von Steiermark werden. Der war für seine politisch abseitigen und streng katholischen Ansichten berüchtigt. Niemand zweifelte daran, dass er mit dem Protestantismus und der volkstümlichen Regierung in Böhmen ebenso rücksichtslos verfahren würde, wie er es bereits in seinem Stammland, der Steiermark, getan hatte.
Sogar die spanische Linie der Habsburger kritisierte die Kandidatur mit dem Argument, die Bewerbung Ferdinands könnte die Dynastie schädigen. Allerdings wollte man damit auch die eigenen Söhne des spanischen Königs als Nachfolger lancieren. Die aber, alle noch Knaben, wären dem protestantischen Böhmen nicht weniger unlieb gewesen.
Im Juni 1617 erklärte sich die Madrider Regierung mit der Bewerbung Ferdinands dann doch einverstanden. Im Gegenzug sollte der Erzherzog sein Anrecht auf die habsburgischen Lehen im Elsass zugunsten der spanischen Krone aufgeben. Dies war in einem berüchtigten geheimen Abkommen geregelt. In ihm wurde die Unterstützung der Dynastie für Ferdinand unter der Voraussetzung gewährt, dass er als König von Böhmen und später als Kaiser spanischen Truppen den Durchzug durch Deutschland erlauben würde, damit deren Heere die aufrührerischen Niederländer in ihre Schranken weisen könnten.
Auf diese Weise bot die Kandidatur des Erzherzogs Ferdinand den böhmischen Protestanten und den Feinden der Habsburger in ganz Europa die Gelegenheit, gegen deren Übermacht Front zu machen. Christian von Anhalt, der einflussreiche Berater des jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz und selbst ernannter Führer der Protestanten in Deutschland, witterte eine historische Chance und schickte seine Boten aus, um bei den Böhmen vorzufühlen, den Kurfürsten zum Herrscher von Böhmen zu machen.
Friedrich V. war Calvinist, unerfahren und ohne Ansehen unter den europäischen Fürsten. Die hauptsächlich aus Lutheranern bestehende protestantische Partei in Böhmen war deshalb von der Aussicht nicht allzu sehr begeistert, ihn zum König zu bekommen. Aber der einzig andere mögliche Kandidat war der benachbarte Fürst Johann Georg von Sachsen. Als Lutheraner und gereifter, toleranter Herrscher wäre er annehmbar gewesen. Aber da er alle entsprechenden Angebote ausschlug, war es unmöglich, ihn vorzuschlagen. Hätte er sich zum König von Böhmen wählen lassen – die Geschichte Europas wäre ganz sicher anders verlaufen.
In dieser kritischen Zeit fiel die Führung der protestantischen Partei Böhmens in die Hand des Grafen Schlick. Um nicht eine gefährliche Krise herauf zu beschwören, stimmte er bei der Wahl am 17. Juni 1617 ohne Widerspruch für Ferdinand als böhmischen König. Der protestantische Adel des Landes war bestürzt, folgte ihm aber mehrheitlich.
Mit Ausnahme von Jaroslav Martinitz und Wilhelm Slavata, die beide fanatische Katholiken waren, forderten die Mitglieder der Stände am nächsten Tag, dass auch Ferdinand den ihnen so wichtigen, von den Kaisern Rudolf und Matthias bereits anerkannten Majestätsbrief garantiere. Slavata dagegen drängte Ferdinand, sich dieser Forderung zu verweigern. Seine Begründung war, dass das außergewöhnliche Verhalten Schlicks nicht der allgemeinen protestantischen Meinung entsprach. Er hielt den Augenblick für gekommen, Härte zu zeigen und einen endgültigen, vernichtenden Schlag gegen die protestantischen Ketzer in Böhmen zu führen.
Kaiser Matthias und sein friedfertiger Berater Kardinal Khlesl waren anderer Meinung. Beide befürworteten, dass Ferdinand den Majestätsbrief garantiere. Selbst wenn er die Protestanten später angreifen wollte, so argumentierten sie, wäre es nicht nötig, seine Absichten an die große Glocke zu hängen.
Ferdinand zögerte. Er dachte nicht einen Augenblick daran, sich jemals an den Majestätsbrief zu halten. Aber er war sich nicht sicher, ob schon jetzt der richtige Augenblick für eine offene Konfrontation gekommen war. Allein der Gedanke, den Ketzern auch nur formale Zugeständnisse zu machen, bereitete ihm echte Schwierigkeiten. Ein Gespräch mit seinem Beichtvater bestärkte ihn schließlich darin, dass die politische Notwendigkeit solch eine Notlüge rechtfertige. Am folgenden Tag garantierte er den Majestätsbrief in aller Form.
Im Herbst nach der Wahl Ferdinands wurden zwei Verordnungen erlassen, die beide erkennen ließen, wie sehr der neue König von Böhmen Einfluss auf die Regierung nehmen wollte. Die erste gab den Richtern des Königs das Recht, bei allen Versammlungen anwesend zu sein. Die zweite bestimmte, dass jedes für den Druck bestimmte Manuskript in Prag der königlichen Zensur vorgelegt werden musste. Als Kaiser Matthias kurz nach diesen Verordnungen Prag verließ, ernannte er fünf Statthalter, unter ihnen Slavata und Martinitz.
Protestanten gegen Katholiken
In dieser von Argwohn geprägten Atmosphäre standen zwei Streitfälle zur gerichtlichen Entscheidung an. In Klostergrab, einem Dorf des Erzbischofs von Prag, bauten die Protestanten eine Kirche. Sie beriefen sich dabei darauf, dass sie freie Einwohner eines königlichen Gebietes und nicht Untertanen des Erzbischofs seien. Die Forderung nach Gewissensfreiheit wurde so auf gefährliche Weise mit dem Anspruch auf Bürgerrechte verquickt.
Eine ähnliche Situation ergab sich in dem Städtchen Braunau, wo die Protestanten nicht nur eine Kirche bauten, sondern das Holz dafür von den benachbarten Klostergütern stahlen. In beiden Fällen beriefen sie sich darauf, dass sie Kirchen auf königlichem Boden bauten und dass der Majestätsbrief ihnen dieses Recht ausdrücklich zugesichert hatte. Die Regierung entgegnete, dass es zwar Protestanten gestattet sei, auf königlichem Boden zu bauen, der Majestätsbrief hindere jedoch den König nicht daran, den Landbesitz auf andere zu übertragen. Und da er diesen Besitz der Kirche geschenkt habe, seien die Rechte der Protestanten erloschen.
In diesem Konflikt ging es nicht nur um den Streit zwischen Protestant und Katholik, sondern auch zwischen Untertan und Herrscher. Hatte der König wirklich das Recht, Land ohne Zustimmung der Untertanen zu übertragen? Die protestantischen Böhmen waren der Meinung, dass dem nicht so sei. Ihr Widerstand war nicht zuletzt deswegen so energisch, weil Matthias während der letzten fünf Jahre auf diese Weise 132 Pfarrgemeinden wieder allein der Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Prag unterstellt hatte.
Bei seiner Abreise nach Wien hatte Matthias befohlen, dass den zu erwartenden Widerständen der Einwohner von Klostergrab und Braunau konsequent entgegen getreten werden müsse, wenn nötig mit Gewalt. Die katholischen Statthalter interpretierten diese Instruktion mit aller Härte und ließen etliche der widerspenstigen Bürger einkerkern.
Dieses Vorgehen einte wie automatisch die zuvor gegeneinander arbeitenden Kräfte Böhmens: Die Protestanten waren ungehalten über die Missachtung ihrer Privilegien, die Stadtbevölkerung fühlte sich durch den Angriff auf die Rechte freier Bürger vor den Kopf gestoßen, und der Adel wollte die Gelegenheit nutzen, die Macht und den Grundbesitz der Kirche zu beschneiden.
Heinrich Matthias Graf Thurn, ein deutschsprachiger Edelmann, hatte sich in dieser Situation zum Sprecher der Protestanten aufgeschwungen. Er berief eine Zusammenkunft von protestantischen Beamten und Vertretern aus ganz Böhmen ein und verlangte die Freilassung der Gefangenen. Als diese Kundgebung zunächst wirkungslos versandete, drängte er auf eine noch größere Protestantenversammlung. Diese zweite Zusammenkunft war für den Mai 1618 anberaumt. Jetzt war es März. In der Folgezeit gingen beide Parteien daran, die Stimmung der Menschen, speziell in Prag, aufzuheizen.
Trotz unterschwelliger kaiserlicher Drohungen versammelten sich die Protestanten am 21. Mai 1618 in Prag. Unter den Adeligen, Gutsbesitzern und Bürgern aus allen Teilen des Landes brodelte der Unmut. Die kaiserlichen Statthalter befahlen vergeblich die Auflösung der Versammlung. Erst jetzt erkannten die Katholiken Slavata und Martinitz die Gefahr, in der sie schwebten. Am Abend des 22. Mai entsandten sie – in Verkleidung – einen ihrer Schreiber, um in Wien unverzüglich Hilfe zu erbitten.
Doch es war zu spät. In der gleichen Nacht forderte Thurn die führenden Adligen auf, endlich aktiv zu werden. Er setzte sich über alle Einsprüche hinweg, verlangte die Hinrichtung von Slavata und Martinitz und die Einsetzung einer provisorischen protestantischen Regierung. Die Ereignisse hatten die Menschen in Prag radikalisiert.
Der Prager Fenstersturz
Als am folgenden Morgen die Abordnung der Protestanten unterwegs zur königlichen Burg auf dem Hradschin war, folgte ihr eine große Volksmenge. Durch die Tore, die mit ausgebreiteten Schwingen der habsburgische Adler krönte, strömten die aufgebrachten Menschen in den Schlosshof, die Treppe hinauf, durch den Audienzsaal in das kleine Gemach, in dem die Statthalter saßen. Zwischen dem Ratstisch und der Wand eingeschlossen, saßen Slavata und Martinitz in der Falle. Ihre letzte Stunde schien geschlagen zu haben.
Hundert Hände zerrten sie nach dem Blitzverfahren zu dem hohen Fenster, rissen die Flügel auf und hoben sie hinauf. Martinitz kam zuerst dran, aus dem Fenster geworfen zu werden. „Jesus, Maria!“ schrie er und stürzte über den Fenstersims. Slavata leistete länger Widerstand, rief ebenfalls die Heilige Jungfrau an und krallte sich unter einem Hagel von Schlägen an dem Fensterrahmen fest, bis ihn ein Hieb bewusstlos machte und die blutenden Hände sich lösten. Der zitternde Schreiber der beiden hängte sich schutzsuchend an Schlick. In ihrem Rasen warf die Menge ihn seinen Herren hinterher.
Einer der Rebellen beugte sich über das Sims und schrie höhnisch: „Wir wollen doch sehen, ob ihm seine Maria hilft!“ Dann, nach einer Sekunde etwa, in einem Gemisch aus Zorn und Erstaunen: „Bei Gott, seine Maria hat ihm geholfen.“ Denn Martinitz regte sich. Plötzlich wurde eine Leiter aus einem nahen Fenster herab gelassen. Martinitz und der Schreiber strebten unter einem Schauer von schlecht gezielten Wurfgeschossen auf sie zu. Einige von Slavatas Dienern widersetzten sich und stiegen hinunter, um ihrem Herrn zu helfen. Sie trugen ihn den anderen nach. Er war bewusstlos, aber er lebte.
Der außerordentliche Zufall, dass das Leben der Drei gerettet wurde, war angeblich ein Fingerzeig Gottes. Oder besser: es war die Inszenierung eines politischen Possenspiels. Denn die Herren waren relativ weich auf einem Misthaufen gelandet.
Martinitz floh verkleidet in der Nacht des 23. Mai 1618, Slavata blieb verletzt und gefangen in dem Haus, in das man ihn getragen hatte. Am selben Abend tat seine Frau vor der Gräfin Thurn einen Kniefall und flehte für das Leben ihres Mannes. Eine Bitte, welche die Dame unter der pessimistischen Bedingung gewährte, dass die Gräfin Slavata ihr nach der nächsten böhmischen Revolution den gleichen Dienst erweisen möge.
Auch wenn es zu dieser Zeit doch keine Toten gab – der Staatsstreich war vollzogen. Und man versäumte keine Zeit, den Staatsapparat umzukrempeln. Alle Beamten, die zur Anerkennung der neuen Macht bereit waren, wurden in ihren Stellungen bestätigt. Die protestantische Versammlung setzte eine provisorische Regierung von 13 Direktoren ein, die flugs die Aufstellung eines Heeres von 16.000 Mann unter dem Befehl Thurns zu Lasten des Landes beschloss. Nachdem so für die Weiterführung der Zivilregierung und gegen die Möglichkeit eines Überfalls Vorsorge getroffen war, wurde die Versammlung fünf Tage nach dem Aufstand und zehn Tage nach der ursprünglichen Eröffnung aufgelöst.
In seiner Schnelligkeit, Wirksamkeit und Mäßigung war es ein geradezu vorbildlicher Aufstand. Aber unter der Oberfläche verbarg der neue Staat widersprüchlichste Elemente. Zu unterschiedlich waren die Strömungen in den Parteien, die sich unter Druck zusammengeschlossen hatten. War es nun ein Aufstand für Religionsfreiheit, für die nationale, böhmische Freiheit oder für die Rechte der Untertanen gegenüber dem Herrscher? So genau wusste das niemand. Aber jede Partei war bereit, die Interessen der anderen zu opfern, um ihre eigenen zu befördern.
Der Waffenstillstand mit den Katholiken wurde schnell gebrochen. Noch vor dem Hochsommer griff Thurn das katholische Krummau an und unterwarf es, am 9. Juni wurden die Jesuiten aus dem Lande verwiesen.
Von seinem friedf...
Inhaltsverzeichnis
- Geschichts-Daten
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- Unmut in Böhmen
- Protestanten gegen Katholiken