
- 298 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Die radikale Botschaft des Herz-Sutra, eines der berühmtesten Texte des Buddhismus, ist ein Angriff auf alles, was uns lieb und teuer ist: unsere Schwierigkeiten, die Welt, wie wir sie kennen, und sogar die Lehren des Buddha selbst. In seinen Kommentaren führt Karl Brunnhölzl durch dieses "verrückte" Sutra zu der Weisheit und dem Mitgefühl, die seinen Kern ausmachen.
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Information
DER KOMMENTAR ZUM HERZ-SŪTRA
Lassen Sie uns jetzt die Worte des Herz-Sūtra selbst betrachten. Meine Kommentare basieren auf allen indischen Kommentaren zu diesem Sūtra wie auch auf mehreren tibetischen und einigen modernen Kommentaren (siehe für die Details die Bibliographie). Es gibt im Grunde zwei verschiedene Versionen des Herz-Sūtra. Die eine, die wir hier betrachten, hat einen Prolog (oder eine Einleitung), einen Epilog (oder einen Schlussteil) und enthält auch das Prajñāpāramitā-Mantra. In der anderen Version fehlen die Einleitung und der Schlussteil, und meist fehlt auch das Mantra.
DIE BÜHNE UND DIE HAUPTDARSTELLER
Um die Struktur des Sūtra kurz zu umreißen: Es beginnt mit einer Einleitung, die den Schauplatz des Sūtra bestimmt; uns wird mitgeteilt, wo es sich zutrug, wann es sich zutrug, wer der Lehrer war und wer sonst noch anwesend war (die üblichen Verdächtigen). Das Besondere am Herz-Sūtra ist, dass diese Einleitung aus zwei Teilen besteht. Es gibt zum einen den üblichen Rahmen des Sūtra, der sich in allen Prajñāpāramitā-Sūtren findet und mit den Worten beginnt: »Folgendes habe ich gehört. Einst weilte der Bhagavān zusammen mit einer großen Gemeinde …« Die spezielle Einleitung des Herz-Sūtra berichtet davon, dass sowohl der Buddha als auch Avalokiteśvara in Samādhi ruhen, während Śāriputra seine Frage stellt. Der eigentliche Hauptteil des Sūtra besteht aus Avalokiteśvaras kurzer und langer Antwort, gefolgt vom Mantra. Schließlich kommt der Schlussteil, in dem der Buddha im Grunde »Gute Arbeit!« zu Avalokiteśvara sagt und die Zuhörerschaft sich im Folgenden daran erfreut, was sich zugetragen hat.
Wie wir zuvor besprochen haben, ist dies das einzige Prajñāpāramitā-Sūtra, in dem der Bodhisattva Avalokiteśvara eine Rolle spielt. Er tritt jedoch nicht nur auf, sondern er ist der Hauptlehrende, was ein implizites Zeichen dafür ist, dass die Lehren über Mitgefühl und den Pfad auch im Herz-Sūtra enthalten sind, obwohl sie nicht explizit erwähnt werden. Avalokiteśvara symbolisiert das Mitgefühl aller Buddhas und dadurch den gesamten Pfad, der auf Mitgefühl als seiner grundlegenden Motivation gründet. Im Buddhismus beinhaltet Mitgefühl den Wunsch, dass alle Lebewesen frei von Leid sein mögen, was zugleich die zentrale Bedeutung von Bodhicitta ist. Bodhicitta fügt diesem Wunsch den Aspekt hinzu, Buddhaschaft zu erlangen, um persönlich in der Lage zu sein, die Lebewesen in effektiver Weise von Leid zu befreien. Somit hat Bodhicitta zwei Elemente – Mitgefühl als den reinen Wunsch, dass alle Lebewesen frei von Leid sein mögen, und, als eine Konsequenz dieses Wunsches, das Streben, Buddhaschaft zum Wohl aller Wesen zu erlangen. Das heißt, Bodhicitta macht es zu unserer persönlichen Verantwortung, alle Lebewesen dadurch von Leid zu befreien, dass wir tatsächlich selbst Buddha werden.
Das Hauptziel von Bodhisattvas ist es, Lebewesen von Leid zu befreien, wohingegen die Erlangung der Buddhaschaft ein Mittel zum Zweck ist. Mit anderen Worten ist die Buddhaschaft eher so etwas wie ein Nebenprodukt des Bodhicitta oder des Bodhisattva-Pfads. Üblicherweise wird Buddhaschaft als das Endresultat des Pfades dargestellt, wodurch oft der eigene Nutzen in den Vordergrund gerückt wird, da sie die erfolgreiche Aufgabe aller Verschleierungen und die Erkenntnis der Buddha-Weisheit mit ihren zahlreichen Qualitäten bedeutet. Da es jedoch der eigentliche Sinn von Bodhicitta ist, anderen zu nutzen, ist das wahre Resultat des Bodhisattva-Pfads die erleuchtete Aktivität, die ein Buddha zum Wohle aller Wesen ausübt. Und da eine solche Aktivität nur einem Buddha möglich ist, streben Bodhisattvas danach, diesen Zustand zu erlangen. In buddhistischen Begriffen ausgedrückt repräsentiert der Dharmakāya unter den drei Kāyas eines Buddha das eigene Wohlergehen im Sinne von absolutem Loslassen und höchster Erkenntnis, was der formlosen und dimensionslosen Sphäre des Geistes eines Buddha entspricht. Das Wohl anderer besteht aus den zwei Form-Kāyas – Sambhogakāya und Nirmāṇakāya –, in denen das Wohlergehen der Bodhisattvas auf den Bhūmis bzw. das Wohlergehen aller Arten von gewöhnlichen Wesen vorangebracht wird. Kurz gesagt, wie alle Prajñāpāramitā-Sūtren lehrt das Herz-Sūtra die Einheit von Leerheit und geschicktem Verhalten (oder Prajñā und geschickten Mitteln), wobei letzteres von Avalokiteśvara verkörpert wird.
Was im Herz-Sūtra im Vergleich zu anderen Prajñāpāramitā-Sūtren fehlt, sind gewisse explizite polemische Äußerungen gegen die buddhistischen Grundlehren. Es gibt keine Debatten zwischen Śrāvakas und Bodhisattvas, in denen die Śrāvakas als diejenigen dargestellt werden, die es nicht kapieren. Nichtsdestotrotz wird dieses Element implizit von Śāriputra repräsentiert, der die Frage stellt, wie man Prajñāpāramitā praktizieren sollte.
Im Allgemeinen wird »das Wort des Buddha« in dreifacher Weise unterschieden. Es gibt die Worte, die der Buddha selbst direkt spricht, aber daneben gibt es auch »Buddha-Worte aufgrund von Segen« und »Buddha-Worte aufgrund von Erlaubnis«. Das Herz-Sūtra enthält alle drei Arten. Die Einleitung, der Rahmen des Sūtra, ist offensichtlich keine Beschreibung des Buddha, sondern wurde später von den Kompilierern hinzugefügt. Sie wird jedoch trotzdem als Worte des Buddha aufgrund von Erlaubnis angesehen. Gleiches gilt für den Epilog am Ende des Sūtra. Der Hauptteil des Sūtra besteht aus den Worten des Buddha aufgrund seines Segens. Am Anfang des Sūtra tritt der Buddha in einen speziellen Samādhi ein, und aufgrund der Kraft dieses Samādhi zieht Śāriputra seine Frage aus dem Hut und Avalokiteśvara antwortet. Alles, was Avalokiteśvara sagt, wird daher als eigene Worte des Buddha angesehen, was am Ende zweimal vom Buddha bestätigt wird, wenn er sagt: »Gut, gut, Sohn aus edler Familie. So ist es, Sohn aus edler Familie, so ist es.« Diese Worte repräsentieren die dritte Art der Worte des Buddha, also das, was er direkt sagt. Vielleicht dachte der Buddha manchmal: »Dieses Mal werde ich jemand anderen die Arbeit tun lassen und bloß meine Zustimmung geben.« Somit haben wir in diesem Sūtra alle drei Arten von Buddha-Worten – seine tatsächliche direkte Rede, die, die von einer anderen Person aufgrund seines Segens gesprochen werden, und jene, die eine andere Person aufgrund einer Erlaubnis spricht.
DER TITEL
Transzendente Weisheitsdame voller Qualitäten
Der vollständige Titel des Herz-Sūtra lautet:
Das Sūtra des Herzens der Glorreichen Dame Prajñāpāramitā.
Der Sanskrit-Titel Bhagavatīprajñāpāramitāhṛdayasūtra bedeutet wörtlich »Das Sūtra des Herzens (oder der Essenz) der Bhagavatī Prajñāpāramitā«. Die Bedeutungen von Prajñāpāramitā und Sūtra wurden bereits weiter oben ausführlich besprochen. Bhagavat bedeutet »vom Schicksal begünstigt«, »wohlhabend«, »glorreich«, »berühmt«, »göttlich«, »bewundernswert« oder »ehrwürdig«. Im Sanskrit ist Prajñāpāramitā ein weibliches Wort und somit bedeutet der entsprechende weibliche Begriff Bhagavatī so etwas wie »Ihre göttliche glorreiche Damenhaftigkeit«. Im Buddhismus wird Weisheit als weiblich angesehen, während Mitgefühl oder Geschick in den Mitteln als männlich betrachtet wird. Somit wird Prajñāpāramitā gewöhnlich als eine weibliche Gottheit dargestellt, die auch »die Mutter aller Buddhas« genannt wird. In der Tat ist sie nicht nur die Mutter aller Buddhas, sondern all jener Praktizierenden des buddhistischen Pfades, die traditionellerweise als »die vier Arten von Erhabenen« beschrieben werden, nämlich Śrāvakas, Pratyekabuddhas, Bodhisattvas und Buddhas. Natürlich ist Prajñāpāramitā nicht in einem körperlichen Sinne ihre Mutter, wie etwa bei einer menschlichen Mutter und ihren Kindern. Vielmehr ist es die Erkenntnis dessen, was Prajñāpāramitā ist (nichtgedankliche, nichtduale Weisheit); sie ruft die Geisteszustände hervor, die durch die Begriffe Arhat, Bodhisattva bzw. Buddha bezeichnet werden.
Wenn wir die Worte des Sūtra-Titels genauer betrachten, so ist Bhagavat ein übliches Beiwort des Buddha (wie es am Anfang des Herz-Sūtra steht) und somit wird Prajñāpāramitā als ein weiblicher Buddha angesehen. Bhaghavat wird oft als »der Gesegnete« übersetzt, aber über die oben erwähnten Bedeutungen hinaus hat der Begriff im Sanskrit noch weitere Konnotationen. In den Kommentaren wird der Ausdruck so interpretiert, dass er drei Bedeutungen hat – »zerstören«, »versehen sein mit« und »transzendieren«. Sie spiegeln sich auch in der tibetischen Übersetzung des Ausdrucks wider. Was zerstört Prajñāpāramitā? Sie zerstört unsere Verschleierungen und die Aktivitäten der māras, welche sich auf alle möglichen äußeren und inneren Hindernisse und Widerstände beziehen.
Außerdem ist sie mit sechsfachem Wohlstand oder Reichtum versehen. Die erste dieser Arten von Wohlstand ist »Herrschaft« oder »Meisterschaft«, was sich darauf bezieht, alle Verschleierungen (die Geistesplagen und die Verschleierungen der Allwissenheit) überwunden zu haben und die alleinige Herrscherin oder Meisterin des erleuchteten Geistes zu sein.
Die zweite Art von Wohlstand besteht darin, »mit den Dharmas versehen zu sein«, das heißt, mit den Qualitäten eines Buddha, wie etwa den zehn Kräften, den vier Furchtlosigkeiten und den achtzehn einzigartigen Qualitäten. Unter den fünf Buddha-Weisheiten ist dies nichts anderes als die Dharmadhātu-Weisheit, die den grundlegenden Raum repräsentiert, in dem die anderen vier Weisheiten spielen. Wenn wir hier über den Dharmadhātu sprechen, so ist dies kein Synonym für bloße Leerheit, sondern der Begriff bezieht sich auf die Natur unseres Geistes, also die erfahrungsmäßige Einheit von Bewusstheit und Leerheit. Diese Natur unseres Geistes ist mit zweifacher Reinheit versehen. An sich ist sie immer in einer natürlichen und ihr innewohnenden Art und Weise rein. Was jedoch das Resultat der Buddhaschaft betrifft, geht es um einen weiteren Punkt, denn Buddhaschaft bedeutet, dass diese Natur unseres Geistes auch rein von allen hinzugetretenen Makeln ist, die sie zuvor zu verschleiern schienen. Obwohl die Natur des Geistes uranfänglich vollkommen rein ist, scheint es aus der Perspektive der Lebewesen, die ihre Reinheit nicht erkennen, am Ende des Pfades eine zusätzliche Reinheit zu geben, nämlich die, dass die Natur des Geistes nun sowohl natürlicherweise rein als auch zusätzlich rein von hinzugetretenen Makeln ist. Zum Beispiel ist die Sonne, selbst wenn sie hinter den Wolken ist, an sich immer unverschleiert. An einem grauen Tag ist sie jedoch aus unserer Perspektive, die wir uns unter den Wolken befinden, verschleiert. Dies scheint aber nur aus unserer Perspektive der Fall zu sein, aber nicht aus der Perspektive der Sonne selbst. Sobald die Wolken verschwinden, sehen wir die Sonne, und es wirkt auf uns so, als wäre sie von den Wolken frei geworden. Könnten wir die Sonne jedoch fragen, ob sie sich verschleiert oder in ihrer Helligkeit gemindert gefühlt habe, würde sie nur sagen: »Wovon redest du eigentlich? Ich bin immer schon frei von Wolken gewesen. Es ist dein Problem, wenn du denkst, dass ich verschleiert war.« Ebenso ist die Natur unseres Geistes ihrer Natur nach immer rein und ohne irgendwelche Probleme oder Verschleierungen, aber vom Gesichtspunkt unserer Verwirrung oder Unwissenheit aus scheinen zuerst Verschleierungen vorhanden zu sein und dann scheint es die Freiheit von Verschleierungen zu geben, was die zweite Art von Reinheit ist. Aus der Sicht der Natur des Geistes selbst ist jedoch nichts von alledem jemals geschehen, was die erste Art von Reinheit – natürliche Reinheit – ist.
Die dritte Art von Wohlstand ist »Ruhm«, was sich auf die zwei Form-Kāyas eines Buddha bezieht. Die eben erwähnte Eigenschaft des doppelt reinen Dharmadhātus repräsentiert den Dharmakāya, der für jeden außer einem Buddha völlig unzugänglich und nicht wahrnehmbar ist. »Ruhm« verweist darauf, wie Buddhas in der Welt bekannt sind, nämlich nicht aufgrund des Dharmakāyas, sondern aufgrund der Form-Kāyas. Unter den fünf Weisheiten entspricht diese Qualität der spiegelgleichen Weisheit.
Die vierte Art von Wohlstand oder Reichtum ist »Pracht« und bezieht sich auf die Weisheit der Gleichheit. Die fünfte ist »Weisheit«, was sich konkret auf die unterscheidende Weisheit bezieht. Die sechste schließlich ist »Anstrengung« und steht für die alleserfüllende Weisheit.
Kurz, die sechs Arten von Wohlstand oder Reichtum der Bhagavatī Prajñāpāramitā bestehen aus den fünf Weisheiten eines Buddha und der Freiheit von allen Verschleierungen (die erste Art von Wohlstand). Somit repräsentieren diese sechs Qualitäten eine ausführlichere Version der zwei klassischen Qualitäten der Buddhaschaft – vollkommenes Aufgegebenhaben und vollkommene Erkenntnis, wobei letztere in die fünf Weisheiten unterteilt ist.
Unter diesen fünf Weisheiten ist die Dharmadhātu-Weisheit nichts anderes als die grundlegende Natur des Geistes, so wie sie ist, nämlich untrennbare Geräumigkeit und lichte Klarheit. In dem Ausdruck »Dharmadhātu-Weisheit« steht »Dharmadhātu« für die unendliche Offenheit, in der es nichts gibt, woran wir uns festhalten könnten, während sich »Weisheit« auf die Qualität von klarer Bewusstheit oder Wachheit bezieht.
Spiegelgleiche Weisheit bedeutet, dass die Weisheit eines Buddha in der Lage ist, alles sehr klar und unvermischt zu sehen. Alle Phänomene werden in dieser spiegelgleichen Weisheit wie in einem Spiegel reflektiert. Ähnlich einem Spiegel ist diese Weisheit völlig unvoreingenommen allem gegenüber, was in ihr erscheint, und versucht auch nicht, sich irgendetwas davon anzueignen. Sie denkt nicht: »Das bin ich«, »Das ist mein«, »Das ist etwas anderes«, »Das ist gut« oder »Das ist schlecht«. Spiegelgleiche Weisheit zeigt einfach nur auf, was da ist, sie ist eine panoramische Art reiner Bewusstheit.
Die Weisheit der Gleichheit unterstreicht die Idee des Unvoreingenommenseins noch weiter. In der Weisheit eines Buddha gibt es kein ich oder andere, kein gut oder schlecht und kein Subjekt oder Objekt. Diese Weisheit beinhaltet nicht nur die kognitive Qualität des Unvoreingenommenseins, sondern auch die emotionale oder affektive Komponente von Gleichheit. Dabei geht es darum, gegenüber allen Lebewesen einen gleichwertigen Geisteszustand zu haben, ohne zwischen einem selbst und anderen oder liebenswerten und nicht liebenswerten Wesen zu unterscheiden. Anders gesagt steht dies für ein referenzloses allumfassendes Mitgefühl.
Unterscheidende Weisheit bedeutet, dass es eine kristallklare Unterscheidungsfähigkeit jedes Details aller Phänomene gibt, ohne Voreingenommenheit in Bezug auf das, was in der spiegelgleichen Weisheit erscheint. In der Tat ist es genau jenes Unvoreingenommensein, das diese scharfe Klarheit der Wahrnehmung ermöglicht und verstärkt, was sich auch in unserer gewöhnlichen Erfahrung zeigt. Nehmen wir an, wir haben irgendeine fixe, voreingenommene Idee über jemanden; sobald wir dieser Person begegnen, achten wir noch nicht einmal mehr in angemessener Weise auf die Details ihrer Erscheinung, sondern unser Blickwinkel verengt sich sofort auf unser eigenes voreingenommenes Bild von ihr. Das spiegelt natürlich nicht wirklich wider, wie diese Person tatsächlich ist. Wenn wir jedoch keinerlei Voreingenommenheiten oder fixen Vorstellungen über jemanden oder eine Sache haben, dann können wir klar sehen, was in jeder Situation vor sich geht. Wir erkennen dann auch, was im Geist anderer Lebewesen geschieht und was sie brauchen. Bis zu diesem Punkt können diese vier Weisheiten in die beiden Kategorien von Wissen und Motivation zusammengefasst werden.
Die letzte – die alleserfüllende Weisheit – ist das, was Buddhas dazu veranlasst, tatsächlich etwas gegen das Leiden der Wesen zu unternehmen. Sie sehen alles sehr klar und präzise, ohne jede Voreingenommenheit. Weil sie die Gleichheit zwischen sich selbst und anderen sehen, erkennen sie auch, dass die Lebewesen aufgrund von Unwissenheit über ihren wahren Zustand leiden, was die Buddhas wiederum veranlasst, etwas gegen dieses Leid zu unternehmen. Daher besteht die Weisheit eines Buddha nicht nur darin, alles über alles zu wissen, und sich dann zurückzulehnen und das Leben vorbeiziehen zu lassen. Buddha-Weisheit bedeutet, alles über Glück und Leid einschließlich der Ursachen zu wissen, die Motivation zu haben, anderen durch dieses Wissen zu nutzen, und auch über die Fähigkeit zu verfügen, diesen Nutzen tatsächlich zu bewirken. Diese drei Elemente müssen zusammenkommen, ansonsten würde Buddha-Weisheit nichts Gutes bewirken. Lediglich allwissend zu sein, hilft niemandem. Und selbst wenn wir die Motivation haben, anderen Wesen zu helfen, so hilft ihnen das alleine auch nicht wirklich, sondern wir müssen sowohl das Wissen als auch die Mittel haben, dies in einer kraftvollen und effektiven Art und Weise zu tun. Alle drei zusammen machen einen Buddha aus, und genau dies bedeutet Bhagavat – mit all diesen Qualitäten versehen und zugleich frei von allen Verschleierungen und Hindernissen sein, sodass sie sich manifestieren können.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass die fünf Buddha-Weisheiten nicht fünf verschiedene Entitäten oder statische Eigenschaften einer Entität sind, sondern für die verschiedenartigen, miteinander kooperierenden und sich gegenseitig ergänzenden Prozesse stehen, die die funktionellen Hauptaktivitäten der ungeteilten, nichtgedanklichen Weisheit eines Buddha repräsentieren. Die spiegelgleiche Weisheit ist wie ein allumfassender Fernsehschirm, der einfach nur wiedergibt, was da ist, und somit die »Basisinformationen«, die zu verarbeiten und zu nutzen sind, zur Verfügung stellt. Unterscheidende Weisheit blickt dann aufmerksam auf diesen Schirm und erkennt deutlich alle einzelnen Informationen, ohne verwirrt zu werden oder sie durcheinanderzubringen. Die Weisheit der Gleichheit bezieht sich darauf, einfühlsam zu sein, ohne dabei irgendeine Art von Bewertung über die auf dem Schirm wahrgenommenen Informationen abzugeben oder einen Unterschied zwischen Sehendem und Gesehenem zu machen. Die alleserfüllende Weisheit repräsentiert den resultierenden Impuls, altruistisch auf das, was wahrgenommen wird, einzuwirken.
Nichtgedankliche Buddha-Weisheit spiegelt also alle Lebewesen und Phänomene innerhalb des Aktivitätsbereichs eines Buddha ohne Voreingenommenheit und persönliche Interessen wider (spiegelgleiche Weisheit). Gleichzeitig nimmt diese nichtgedankliche Weisheit alle Wesen und Phänomene mit vollkommen klarem Unterscheidungsvermögen und ohne persönliche Projektionen oder Hinzufügungen in jedem noch so kleinen Detail wahr, so wie sie sind (unterscheidende Weisheit). Nichtgedankliche Weisheit ist vollkommen nichtdual, was sich nicht nur auf ihre Wahrnehmungsstruktur (keine Dualität von Subjekt und Objekt) bezieht, sondern auch auf ihre »emotionale Intelligenz«. Sie hält weder Saṃsāra für etwas Schlechtes, was zu meiden ist, noch Nirvāṇa für etwas Gutes, in dem es zu verweilen gilt. Ihr fehlen jegliche Anhaftung an und Abneigung gegen irgendjemanden oder irgendetwas; sie erkennt die Buddha-Natur aller Wesen, die in ihrem Kern nicht verschieden vom ureigenen Zustand eines Buddha ist, und ist somit natürlicherweise liebevoll und mitfühlend gegenüber all jenen, die dies nicht wahrnehmen (die Weisheit der Gleichheit). Die Dharmadhātu-Weisheit stellt den unendlichen Raum zur Verfügung, in dem ein solch ausgedehntes und tiefgründiges Wissen auftaucht und Mitgefühl mit entsprechend erleuchtetem Handeln möglich ist. Aufgrund all dieser Eigenschaften ist nichtgedankliche Weisheit der effektivste geistige Operationsmodus, der überhaupt möglich ist. Sie liegt all dem zugrunde, was aus der Perspektive derer, denen Nutzen zu bringen ist, als die mühelose, endlose und spontane Aktivität eines Buddha-Bereichs erscheint (alleserfüllende Weisheit).
Was die dritte Bedeutung von Bhagavatī angeht, so wird die Silbe vān in Bhagavān (der männliche Nominativ) als das »vāṇ« in »Nirvāṇa« interpretiert. In diesem Sinne hat Bhagavatī auch die Qualität von Transzendenz, insbesondere die Qualität, das nichtverweilende Nirvāṇa erlangt zu haben, also weder an Saṃsāra ...
Inhaltsverzeichnis
- Umschlag
- Haupttitel
- Impressum
- Inhalt
- EINLEITUNG
- DER KOMMENTAR ZUM HERZ-SŪTRA
- EINE MEDITATION ÜBER PRAJÑĀPĀRAMITĀ UND DAS HERZ-SŪTRA
- DAS SŪTRA DES HERZENS DER GLORREICHEN DAME PRAJÑĀPĀRAMITĀ
- AUSGEWÄHLTE BIBLIOGRAFIE
- ÜBER DEN AUTOR
- FUßNOTEN