Über menschliche Freiheit
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Über menschliche Freiheit

Politische Theorie / Philosophie

  1. 14 Seiten
  2. German
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Über menschliche Freiheit

Politische Theorie / Philosophie

Über dieses Buch

Unser Gefühl frei zu sein, Entscheidungen nach Abwägung des Für und Wider zu treffen und dann auch dafür die Verantwortung zu tragen, Autoren unseres Lebens zu sein, wird heute von einigen Neurowissenschaftlern, aber von je her von Deterministen unterschiedlicher Couleur, als eine Illusion bezeichnet. Julian Nida-Rümelin entwickelt in diesem Vortrag Gedanken zur menschlichen Freiheit, die unserer lebensweltlichen Praxis entsprechen und mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen vereinbar sind. Theoretische Gründe für Überzeugungen und praktische Gründe für Handlungen spielen eine zentrale Rolle. Beide Typen von Gründen haben die gleiche logische Form und beide lassen sich nicht naturalisieren. Die hier entwickelte Freiheitskonzeption fügt sich gut in ein komplexes und mehrstufiges wissenschaftliches Weltbild ein, zu dem die Physik, die Biologie, die Neurowissenschaft und die Philosophie heute wichtige und komplementäre Teile beisteuern.

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Einführung

Die menschliche Freiheit ist eines der ältesten Themen, die die Menschheit überhaupt beschäftigt haben. Man kann sagen, dass die Philosophie fast von ihrem Anbeginn, wobei sich die Vor-Sokratik damit interessanterweise noch nicht beschäftigt hat, immer wieder auf dieses Thema zurückkommt. Gewissermaßen in immer wieder neuen Anläufen sich damit auseinandersetzt, was eigentlich die menschliche Freiheit und Verantwortlichkeit ausmacht und wie Freiheit und Verantwortung miteinander zusammenhängen. Und wenn man sich das zu erklären versucht, warum das eigentlich so ein Thema ist, das offenbar die Menschen nicht loswerden, dann scheint mir vor allem eine Erklärung sehr plausibel zu sein: Die Freiheit, die wir empfinden – wir haben das Gefühl, wir entscheiden, ich entscheide, ob ich jetzt hier stehe oder gehe, Sie entscheiden ob Sie weiter zuhören oder nicht –ist etwas, was ganz unter unserer eigenen Kontrolle ist. Und auf der anderen Seite haben wir nicht erst heute, sondern schon in der Antike, eine sehr starke Intuition die etwa folgendes besagt: Jedes Ereignis in der Welt hat seine Ursache. Nichts passiert zufällig, nichts passiert willkürlich, es gibt Gesetzmäßigkeiten, die einen Zusammenhang herstellen zwischen Ereignissen jetzt und Ereignissen später, zwischen Weltzuständen jetzt und Weltzuständen später.

Selbstbild und Weltbild

Und damit ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen unserem Selbstbild als Akteure, als Verantwortliche, als diejenigen, die Autoren ihres Lebens sind, das werden wir später noch ein bisschen erläutern, und auf der anderen Seite unserem Weltbild, ein Weltbild, das im Laufe der Geschichte der Menschheit immer mehr auch angereichert wurde durch wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Die These also: Wir kriegen die Freiheitsthematik deshalb nicht los, weil es ein Spannungsverhältnis zwischen Selbstbild und Weltbild gibt.
Gegenwärtig erlebt diese Thematik wieder einmal eine Boomphase und typischerweise ist diese Boomphase durch den Erfolg einer Naturwissenschaft ausgelöst worden, nämlich der Neurowissenschaft oder der Neurowissenschaften. Da gibt es ganz unterschiedliche Untersuchungsmethoden und einige auch durchaus provokative Thesen einiger Neurowissenschaftler vor allem in Deutschland, die gesagt haben, die Neurowissenschaft habe jetzt bewiesen, dass unser Selbstbild – Selbstbild als verantwortlich und frei – empirisch widerlegt ist, dass wir uns da einer Täuschung, einer Illusion hingeben. Offen bleibt zunächst, was für Konsequenzen das im Einzelnen haben soll. Muss das Strafrecht dann reformiert werden oder nicht? Jedenfalls haben das viele, vor allem in den Feuilletons und zum Teil auch in den wissenschaftlichen Disziplinen als eine Herausforderung empfunden, nämlich eine Herausforderung an unser Selbstbild. Wird das Selbstbild als freie, verantwortliche Akteure grundlegend in Frage gestellt oder nicht?
Ich selbst habe mich mit dieser Thematik zunächst einmal ganz unabhängig von der neurowissenschaftlichen Herausforderung vor vielen Jahren beginnend auseinandergesetzt, habe dann versucht, die verschiedenen Stränge der Überlegungen so kompakt wie nur möglich zusammenzufassen, daraus ist ein kleines Büchlein hervorgegangen, bei Reclam, 2005 erschienen, es hat den Titel „Über menschliche Freiheit“. Das ist nicht sehr lang geworden, so etwa 170 Seiten, aber zugegebenermaßen ist es zum Teil nicht sehr einfach zu lesen. Was ich mir heute vorgenommen habe, ist nicht, die Lektüre zu ersparen, das möchte ich Ihnen eigentlich nicht ersparen, sondern ich habe mir vorgenommen, in sehr knapper, kompakter Form, in einer Sprache, die auch für diejenigen verständlich ist, die sich nicht intensiver mit Philosophie beschäftigt haben, die Grundgedanken dieser Position, einer Position zur Frage „Was ist menschliche Freiheit?“ so zu erläutern, dass sie dann vielleicht auch mehr Gewinn von der Lektüre diese Textes und vieler, vieler anderer Texte, die gegenwärtig auf dem Markt sind, haben.

Freiheit und Verantwortung

Die erste Etappe dieses „Gedankenausflugs“ – so wollen wir das einmal nennen – ist genauer zu klären, welche Rolle Freiheit und Verantwortung eigentlich in unserer Lebenswelt, in unseren alltäglichen Interaktionen, die Art und Weise wie wir uns verständigen, spielen. Man könnte vermuten, gar keine. Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe, wir loben uns, das heißt wir nehmen wertend Stellung zu fremdem Handeln und – wenn wir selbstkritisch sind – auch zu eigenem Handeln. Wir beurteilen die Überzeugungen, die Äußerungen von anderen Personen und von uns selbst, wir tauschen Gründe aus. Aber ein genauerer Blick zeigt, dass diese Praxis, diese Alltagspraxis, an der wir alle teilhaben, bestimmte Voraussetzungen hat. Philosophen nennen das gerne „Präsuppositionen“, Voraussetzungen, die unverzichtbar sind, ohne die diese Praxis gar nicht verständlich ist, ja eigentlich gar nicht existieren könnte. Und zu diesen Voraussetzungen gehören Freiheit und Verantwortung.
Das muss ich kurz erläutern. Machen wir das einmal ganz konkret: Nehmen wir bestimmte, nennen wir sie moralische Gefühle, auch „reaktive Einstellungen“ gegenüber anderen Personen, wie verzeihen, etwas übel nehmen oder auch Dankbarkeit. Das sind zentrale Gefühle – man kann sich kaum vorstellen, dass eine Welt, eine soziale Welt, jedenfalls so wie wir sie kennen, ohne solche moralische Gefühle und reaktive Einstellungen existieren könnte. Reaktive Einstellungen insofern, weil wir damit auf Handlungen oder Äußerungen reagieren. Wir verzeihen etwas, nachdem wir es übelgenommen haben, weil wir den Eindruck haben, die Person ist unterdessen zur Einsicht gekommen. Sie bereut vielleicht auch, was sie getan hat, vielleicht hat sie sich entschuldigt oder dergleichen mehr.

Moralische Gefühle und reaktive Einstellungen

Also die These lautet zunächst einmal: Ohne diese moralischen Empfindungen und reaktiven Einstellungen gäbe es die Praxis, an der wir alle teilhaben – nennen wir sie die „moralische und soziale Praxis unserer Alltagswelt“ – nicht. Die Frage, die sich jetzt stellt ist, ob Freiheit dabei eine Rolle spielt.
Nehmen wir folgendes Beispiel: Eine Person hat mir einen Brief geschrieben, in dem sie mich beleidigt. Ich bin aufgrund dessen schlecht auf diese Person zu sprechen, ich nehme ihr das übel. Ich denke, sie hatte keinen Grund dazu, mir solch einen Brief zu schreiben. Eines Tages stelle ich die Person zur Rede und frage, wie das denn erklärlich ist, wie das begründet ist, was sie getan hat, und werde Vorhaltungen machen. Und dann stellt sich zu meiner Überraschung heraus, dass es sich hier um eine Art Kriminalfall handelte, dass die Person entführt worden war und erpresst und dazu gezwungen wurde, diesen Brief zu schreiben. Ich nehme an, alle von uns ändern schlagartig ihre Einstellung, wenn sie das erfahren. Die Person ist exkulpiert, das Übelnehmen meinerseits ist nicht mehr begründet. Ich muss ihr nicht einmal verzeihen, weil ich keinen Grund hatte, etwas übelzunehmen. Warum hatte ich keinen Grund etwas übelzunehmen? Weil ich jetzt weiß, dass sie in Wirklichkeit nicht frei, sondern gezwungen gehandelt hat. Sie hat nicht aus Gründen, aus Überzeugungen so gehandelt, sondern weil ihr keine andere Option des Handelns offen stand, außer sie hätte damit große Probleme herauf beschören wollen.
Das heißt also, wir schreiben uns wechselseitig Verantwortung für unsere Taten, einschließlich des Schreibens beleidigender Briefe nur unter der Voraussetzung zu, dass wir uns auch wechselseitig Freiheit zuschreiben können, nämlich die Freiheit so oder auch anderes gehandelt zu haben. Oder etwas spezifischer: bestimmte Gründe für das, was wir tun, gehabt zu haben, das heißt, das, was wir taten, war das Ergebnis der Abwägung von Gründen.

Subjektive und objektive Einstellung

Ich habe jetzt indirekt auf einen epochalen Aufsatz von Peter Strawson angespielt, der aus den Anfangsjahren der 1960er stammt und der den Titel „Freedom and resentment“ trägt. Der Aufsatz ist zusammen mit anderen Aufsätzen auch in Buchfassung veröffentlicht. Das ist ein Aufsatz, auf den heute noch viele Philosophen, wenn sie sich mit der Thematik auseinandersetzen, Bezug nehmen. Und ich korrigiere jetzt das, was Strawson und seine Anhänger aus diesem Ansatz ziehen, weil ich glaube, dieser Ansatz hat eine Schlagseite, die in die Irre führt. Bei Strawson wird das so dargestellt: Es gibt zwei Arten von Einstellungen. Subjektive Einstellungen, das sind die genannten, moralischen und viele weitere Gefühle. Das bindet uns aneinander, das ist gewissermaßen der Mörtel des sozialen Lebens. Und auf der anderen Seite haben wir eine objektive Einstellung. Da wird der andere zum Objekt, etwa auch zum Objekt der Beeinflussung und der Manipulation.
Die These von Strawson ist: Wir sind nur aufgrund dieser subjektiven Einstellung, dieser auf moralischen Gefühlen beruhenden Einstellung, Teil der sozialen Welt. Wir verlieren die Verbindung zur sozialen Welt, wir würden radikal vereinzeln und vereinsamen, wenn wir gegenüber anderen eine objektive Einstellung einnähmen.
Das ist von großer Bedeutung und auch sicher nicht ganz falsch, denn es gibt viele in der Geschichte des Denkens über Freiheit, die gesagt haben, die Problematik mit Ethik, Verantwortung einerseits und Freiheit andererseits ist ganz einfach zu lösen. Wir müssen nicht annehmen, dass die Leute frei sind, um verantwortlich zu sein. Es genügt, dass wir annehmen, dass unser Tadeln, unser Kritisieren, die Vorhaltungen, die wir machen, einen Einfluss auf das haben, was die Menschen tun. Das heißt, es gibt einen rationalen Grund, moralisch zum Beispiel oder mit Mitteln des Rechts Sanktionen aufzuerlegen, die die Menschen dann dazu bringen, so zu handeln, wie wir uns das wünschen. Die handeln aber dann nicht aus Freiheit, sondern sie handeln aus Angst vor Sanktionen und das sei die Auflösung des uralten Problems: Wie passt Verantwortung in eine Welt, in der es keine Freiheit gibt?
Das ist zum Beispiel eine Antwort, die Moritz Schlick in den 1930er Jahren gegeben hat, ein Anhänger des „Wiener Kreises“, der die ganze Philosophie reformiert, geradezu revolutionär verändert hat und der mit vielen anderen genau diese These aufgestellt hat. Sie taucht gegenwärtig in den Debatten zwischen Neurowissenschaft und Philosophie wieder auf, wir sollten die Freiheit streichen und Verantwortung übersetzen in Sanktionen, Anreize, die wir den Menschen auferlegen.
Strawson – und ich glaube, in dem Punkt hat er Recht – setzt dagegen, wir würden alle anderen zum Objekt der Manipulation machen. Sie würden Gegenstände unserer Beeinflussung werden. Wir würden damit nicht mehr in der gleichen Weise interagieren, wie wir das gewöhnt sind, sondern wir würden uns „distanzieren“, wir würden vereinzeln.
Jetzt kommt das „Aber“. Werfen wir zum Beispiel einen genaueren Blick auf folgenden Fall, den viele und wahrscheinlich in Zukunft prozentual noch weit mehr als jetzt aus ihrer eigenen Familie kennen: Menschen werden älter und viele von ihnen – nicht alle, aber viele und mit sehr hohem Alter nimmt der Prozentsatz auch stark zu – haben Alzheimer. Eine Krankheit, die bislang nicht heilbar ist und die dazu führt, dass die Menschen vergesslich werden, dass sie Probleme haben, ihr Leben zu strukturieren, lang- und mittelfristig zu strukturieren, dass sie zwar in der Regel zumindest in der ersten Phase der Krankheit ganz normal kommunizieren können, aber sich dann oft wiederholen. Das, was gerade vereinbart war, wird wieder vergessen, die Verlässlichkeit nimmt dramatisch ab, die Vergesslichkeit nimmt extrem zu und irgendwann tritt dann der Zeitpunkt ein, ab dem die Person dauernd betreuungsbedürftig wird.

Tribunal der guten Gründe

Das ist nun deswegen ein interessanter Fall, weil Menschen, die diese Entwicklung erleben, ich meine jetzt, als Beobachter erleben, in der Regel erst einmal möglichst lange die normalen Interaktionen, die normale Form des Austausches von Gründen, der Vorhaltungen, der Kritik aufrechterhalten. Ich bin kein Psychologe, aber ich glaube auch, das ist sogar gut, weil es die Person, die an Alzheimer erkrankt ist, zwingt, durch Anstrengung möglichst lange gewissermaßen ein Mitglied der Gesellschaft zu bleiben, das noch weitgehend normal interagieren kann. Irgendwann wird das unangemessen. Gehen wir noch einmal auf die Begriffe, die ich vorher verwendet habe, zurück. Irgendwann wird übelnehmen, Kritik, auch verzeihen nicht mehr sinnvoll sein, weil wir wissen, dass die Person nicht mehr aus Gründen abgewogen handeln kann, weil sie ihr Handeln nicht mehr unter Kontrolle hat. Wir werden gegenüber dieser Person also eher eine Einstellung des Betreuens und der Hilfestellung einnehmen. Ich halte es nun für schief, ja eigentlich sogar gefährlich, zu sagen, die ursprüngliche Einstellung war eine subjektive, emotionale, eine – um einen Begriff von Strawson zu verwenden – von „attachment“ geprägte Einstellung und die spätere ist eine von Distanz und Objektivierung geprägte Einstellung. Das muss keinesfalls so sein, sondern der gute Fall ist sogar der, dass die Anteilnahme, die emotionale Verbundenheit zunimmt mit der Hilfsbedürftigkeit der betreffenden Person. Dass also von einer Objektivierung gar keine Rede sein kann und – jetzt die andere Seite – es ist ein schiefes Bild, wenn man unsere alltäglichen Interaktionen unter erwachsenen, zurechnungsfähigen Personen charakterisiert als „von Emotionen hauptsächlich geprägt“, denn das entscheidende in diesem Austausch ist, dass wir erwachsenen, zurechnungsfähigen Personen zumuten, dass sie Gründe haben, für das was sie tun, dass sie Gründe angeben können, für das was sie tun, dass sie sich rechtfertigen können. Dass sie gewissermaßen auch jeweils vor das Tribunal der guten Gründe gezerrt werden können – um es etwas dramatischer zu formulieren – und das ist konfliktträchtig, denn es gibt unterschiedliche Auffassungen dazu, was richtig und was falsch ist. Das heißt, das Austauschen von Gründen, das Gründe geben und Gründe nehmen, ist ein Prozess, der eine gewisse Objektivität voraussetzt, nämlich das Bemühen um die richtige Handlung, die richtige Überzeugung, die wohl begründete Handlung, die wohl begründete Überzeugung. Und das ist eben nicht lediglich subjektiv, sondern das hat zumindest eine sehr starke objektive Komponente. Insofern unterscheidet sich meine Position, die ich dann im nächsten Schritt dann noch etwas erläutern werde, von derjenigen Strawsons, weil ich mehr auf Gründe, auf das Austauschen von Gründen, auf die Objektivität, die im Austauschen von Gründen eingelassen ist, setze, während Strawson mehr auf die Gefühle setzt. Strawson ist gewissermaßen Sentimentalist und ich bin in diesem Punkt eher Rationalist.

Universale Determination und menschliche Freiheit

Wir haben uns jetzt über die Rolle von Freiheit oder der Präsupposition von Freiheit in unserer Lebenswelt Gedanken gemacht und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es die Gründe sind, der Austausch von Gründen, die wir für erwachsene, zurechnungsfähige, verantwortliche Personen voraussetzen müssen und wir insofern Freiheit zuschreiben. Die Personen haben die Möglichkeit zu wählen, dies zu tun oder jenes zu tun, sie wägen Gründe ab und kommen auf der Basis dieser Abwägung zu einem Entschluss oder zu einer Überzeugung.
Jetzt werfen wir einen Blick auf die Wissenschaften und die Wissenschaftsentwicklung und welche Rolle die Freiheit darin spielt oder auch nicht spielt. Man kann sagen, tendenziell ist die Entwicklung der empirischen Wissenschaft, auch der theoretischen Naturwissenschaft, erst einmal freiheitsfeindlich, so könnte man sagen. Sie ist ein „Corpus alienum“, ein Fremdkörper in der wissenschaftlichen Analyse. Und es beginnt übrigens nicht erst in der Neuzeit oder in der Moderne, sondern sehr sehr früh. Man kann sagen, es gibt einen Vorläufer in der Philosophie der modernen deterministischen Physik, der klassischen Physik – also von Isaac Newton bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und auch noch zu einem guten Teil des 20. Jahrhunderts. Diese Auffassung besteht darin, dass wir für jedes Ereignis Ursachen angeben können und dass Ursachen angeben nichts anderes heißt als dass man gesetzmäßige Zusammenhänge herstellen kann zwischen den Bedingungen, die bestanden als das Ereignis auftrat – dem was Wissenschaftstheoretiker gerne Antezedenzbedingungen, Bedingungen die bis zum Eintreten des Ereignisses v...

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung