Die Hexenriecher
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Die Hexenriecher

Der Fall Maria Renata Singer. Eine Spurensuche

  1. 306 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Die Hexenriecher

Der Fall Maria Renata Singer. Eine Spurensuche

Über dieses Buch

Als die adelige Klosterfrau Maria Renata Singer von Mossau am 21. Juni 1749 als letzte fränkische Hexe hingerichtet wird, löst dies einen Sturm der Entrüstung aus. Kaiserin Maria Theresia ist erschüttert, der Papst droht mit Bloßstellung des Würzburger Bischofs, Gelehrte aus dem In- und Ausland überschütten die fanatischen "Hexenriecher" mit Hohn und Spott.Roman Rausch greift auf Basis der Prozessunterlagen den komplexen Fall erneut auf und begibt sich auf Spurensuche, in der weltliches und geistliches Machtstreben, Verzweiflung und Verblendung letztlich über Besonnenheit und Aufklärung triumphieren.Was war die Motivation der Hexenjäger, was spielte sich im Hintergrund ab und warum musste die greise Ordensschwester sterben? Die Antworten überraschen und werden nicht allen gefallen.? Einer der spektakulärsten Prozesse des 18. Jahrhunderts neu aufgerollt

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Information

Verlag
Echter
Jahr
2019
ISBN drucken
9783429053963
eBook-ISBN:
9783429064631
Zwischenruf 1: Der Auftakt zum Hexenprozess
Böse Geister
Die Anklage gegen Maria Renata fiel nicht aus heiterem Himmel, sondern hatte ein langes, eindrückliches Vorspiel. Der Bericht1 von Pater Siard Spenglert an seinen Abt Oswald Loschert vom 17. Februar 1747 schildert die Vorkommnisse um Schwester Cäcilia und ihren Mitschwestern.
Siard gehörte als Prämonstratenser dem Kloster Oberzell an und war der Beichtvater der offensichtlich kranken Schwester Cäcilia gewesen, später auch ihr Exorzist. Sein detaillierter Bericht verdient Raum und Aufmerksamkeit, denn er schildert die Vorkommnisse nicht aus Sicht des Opfers – wie es später Maria Renata in den Verhörprotokollen tut –, sondern aus Sicht Siards, des Exorzisten. Ebenso stellt er das Bewusstsein und die Glaubensvorstellungen der Beteiligten dar, ihr hilfloses Ringen um Bewältigung des Konflikts und schließlich zu welchen Mitteln die verantwortlichen Brüder aus Oberzell griffen.
Siards Bericht beginnt im November 1742 mit dem Noviziat der damals siebzehnjährigen Cäcilia, als sie noch ihren bürgerlichen Namen trug: Johanna Hilaria Walpurgis von Pistorini, geboren am 13. Januar 1725 im oberpfälzischen Amberg – aus fränkischer Sicht: im Ausland. Sie war die Tochter des kurbayerischen Kanzlers Joseph von Pistorini und zum Zeitpunkt des Klostereintritts wohlhabend. Später sollen sich die Vermögensverhältnisse der Familie drastisch verändert haben, sodass eine Entlassung Cäcilias erwogen, aber dann doch verworfen wurde.
Im Kloster trug sie den Namen Maria Cäcilia, und sie ist nicht mit einer anderen, älteren Schwester zu verwechseln: Caecilia von Schaumberg, die im Jahr 1738 von ihren Mitschwestern als wahrhaft närrisch beschrieben wurde.
Bei Cäcilia (Pistorini) traten von Anfang an rätselhafte, besorgniserregende Symptome auf.
„Ihre Stimme veränderte sich im Chor mehrmals am Tag, indem sie bald rein und klar, bald rau und heulend war. In ihrem Gesicht und am Körper zeigten sich auffallende Verwandlungen. Sie wurde oft und ohne äußeren Anlass totenblass, fiel in heftiges Zittern, war unstet in ihren Reden, Gebärden und Handlungen, und lief mit der größten Unruhe umher, wenn sie allein in ihrer Zelle (Zimmer) hätte sein sollen. Wenn ihre Novizenmeisterin sie zur Rede stellte, so klagte sie, dass sie von einer solchen Angst überfallen werde, dass es ihr unmöglich sei, in ihrer Zelle zu bleiben.“
Zur Kur des sonderbaren und störenden Verhaltens ging man zu härteren Mitteln der Klosterzucht über, doch auch diese wollten nicht fruchten, sodass der Verdacht aufkam, Cäcilia simuliere. Ein Entscheid der Schwestern über ihren Verbleib forderte sie auf, das Kloster zu verlassen, worauf sich Cäcilia dem Propst Richard Traub flehend zu Füßen warf. Traub und die Schwestern ließen sich erweichen und Cäcilia wurde im September 1744 als vollwertiges Mitglied in die Gemeinschaft der Chorschwestern aufgenommen.
Die Symptome verschwanden eine Zeit lang, nur um mit großer Wucht zurückzukehren:
„Es veränderten sich nicht nur Stimme und Gesichtsfarbe häufig und plötzlich, sie schoss wie eine biblische Furie zum Chor (Altarraum) hinaus, machte schreckliche Gesichter, gebärdete sich grässlich mit Händen, Füßen und Kopf, sodass die Schwestern es für eine unerträgliche Last empfanden, noch länger neben ihr stehen oder in ihrer Nachbarschaft beten und singen zu können.“
Mit bittersten Tränen hatte Cäcilia anschließend um Verzeihung gebeten, die unwiderstehlichste Angst und grausamsten Schmerzen im Körper und auf der Brust machten ihr zu schaffen, sie wisse nicht, was in diesem oder jenem Teil ihres Körpers herumlaufe.
Wenn das Gespräch auf den Teufel kam, dessen Nachstellungen und Versuchungen, sei sie wie tot zu Boden gefallen und die gewaltsamsten Zuckungen am emporsteigenden Unterleib und an Beinen und Füßen hätten sie gepeinigt, sodass das Gewicht mehrerer Schwestern nicht ausreichte, um sie zu beruhigen. Auch wollten die Schwestern erneut ihr seltsames Lächeln bei den Anfällen als Gaukelspiel und strafbare Verstellung verstehen. Der Argwohn machte Cäcilia während des Anfalls und danach zu schaffen, denn sie bekomme alles um sie herum mit.
Dann endlich wurde ein Arzt konsultiert und auch die Ärzte aus der Heimatgemeinde in Amberg wurden dazu gerufen, sie verordneten ihr allerlei Arzneien, doch eine Heilung blieb aus – im Gegenteil, die Anfälle wurden schlimmer als zuvor. So kam unter den Mitschwestern der Verdacht auf, es handelte sich um eine unnatürliche Ursache.
Um dieselbe Zeit erhielt der Propst Richard Traub eine Nachricht von dem befreundeten Abt des Prämonstratenserklosters Ilbenstadt – der gute Kontakt dorthin fußte unter anderem auf dem Neffen Traubs, Pater Nicolaus Venino, der den Chorherren angehörte und der unter einem ähnlichen Krankheitsbild litt. In dem Brief beschrieb der Abt die Erkrankung einer ihm bekannten Person, die nach dem Versagen aller Arzneien durch Anwendung kirchlicher Exorzismen geheilt wurde. Ein von den Jesuiten 1644 herausgegebenes Buch, das beschrieb, wie solche geistlichen Mittel angewendet wurden, bestärkte nun Traub selbst Hand anzulegen, und er zog die Anwendung von Exorzismen in Betracht.
Zuvor aber versuchte er es mit gelinderen Mitteln und verordnete eine neuntägige Andacht, bei der Cäcilia in den Genuss des Öls der heiligen Walpurgis kam – eine klare, farb-, geschmacks- und geruchlose Flüssigkeit, die aus dem Sarkophag der heiligen Walburga in Eichstätt trat und als Heilmittel zur Anwendung kam.
Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus und die Anfälle verschlimmerten sich derart, dass sich Cäcilia die Hände blutig schlug.
Spätestens jetzt muss Pater Siard Teil der Behandlung gewesen sein, denn er sprach mithilfe eines Kreuzes (und einer Reliquie daran) einen Segen über sie.
„Maria Caecilia Crux Christi regat te: Crux Christi …“
Cäcilia hatte den mehrfachen Gebrauch des Wortes Crux aber so verstanden:
„Was hat Pater Siard für ein Gecrux gehabt? Ich hätte ihm ins Gesicht schlagen können, denn während des Gecruxes stieg es in mir auf, als ob es mich ersticken wollte.“
Dabei habe sie bitterlich geweint.
Dieses an sich harmlose Missverstehen eines ihr bekannten Begriffs Crux (Kreuz) ist für die weitere Entwicklung bezeichnend, denn offenbar verstand die adelige Ordensschwester aus gutem Haus kein Latein und hat es in ihrer Klosterzeit auch nicht richtig gelernt. Das ist abermals verwunderlich, denn die Schwestern sprachen das Stundengebet von Morgen bis in die Nacht auf lateinisch.
Cäcilias harsche Worte setzten ihrem Beichtvater Siard zu, denn er glaubte sich von ihr gut gelitten. Propst Traub war sich nun sicher, dass Cäcilia von einem bösen Geist besessen war, zumal er von ihren Mitschwestern erfahren hatte, dass Cäcilia blasphemische Reden führte.
„Sie empfinde bisweilen gegen alle Kruzifixe und Bildnisse von Heiligen eine solche Abscheu, dass sie dieselben anspeien möchte.“
Traub und Siard haben daraufhin – beim gemeinsamen Abendessen mit den Schwestern – ein Bittgebet gesprochen: Sofern sich ein böser Geist in Cäcilia befände, solle er sich durch ein unverdächtiges Zeichen offenbaren.
Die Bitte wurde erhört:
„Cäcilia machte allerlei Bewegungen mit Händen, Füßen und dem Unterleib, rückte mit dem Stuhl vorwärts, rückwärts, nach links und rechts, und wiederholte, dass etwas in ihr sei, welches sie so handeln lasse.“
Damit war die Sache entschieden: Traub befahl Siard die Exorzismen2 an Cäcilia durchzuführen. Dabei ist zu beachten, dass nicht die Exorzierte (Cäcilia) selbst auf die Fragen des Exorzisten (Siard) antwortet, sondern der ihr innewohnende Dämon. Die Exorzierte tritt damit in den Hintergrund, sie verschwindet buchstäblich, um dem Dämon Platz zu machen.
Der böse Geist war alles andere als begeistert, er brüllte und heulte durch den Mund der Besessenen, lästerte und beschimpfte den Exorzisten auf übelste Weise – verfluchter weißer Hund (der Habit der Prämonstratenser war weiß), vermaledeiter Norberts-Quack … Besonderen Ekel empfand der böse Geist allen religiösen Handlungen und Gegenständen gegenüber. So heulte er am fürchterlichsten, wenn Pater Siard der Besessenen die Stola3 um hing, die Hände auflegte, das Kreuz schlug, die heiligste Dreifaltigkeit und die allerheiligste Jungfrau Maria erwähnte.
„Ich habe schon so viele Jahre für diese Seele gesorgt, und nun soll ich sie verlassen und verlieren? Das tue ich nicht. Dann kann ich nicht!“
Siard antwortete darauf, indem er die Beschwörungen von einmal die Woche auf drei bis vier Male steigerte.
Doch es zeigte sich ein Problem. Der böse Geist verstand nur hin und wieder die auf lateinisch vorgetragenen Beschwörungsformeln und Fragen. War das nun ein Zeichen für oder gegen seine Existenz in der bedauernswerten Schwester? Machte er sich lustig oder log er etwa, um den Exorzisten in die Irre zu führen?
Die Antwort lag nahe, denn jeder Gläubige wusste, dass der Teufel der größte Lügner aller Zeiten war, und seine Diener wahre Lügengeister. Man konnte weder ihm noch seinen Worten glauben. Aber man konnte von ihm erfahren, welchen Namen er trug.
„Nawadonsesah!“
Er konkretisierte die Angabe dahingehend, dass sein Name kurz und das „d“ in der dritten Silbe weich ausgesprochen wurden, verfiel dann aber wieder in altbekannte Unhöflichkeiten.
„Du Ochsenkopf hast gewiss Saublasen vor deinen Ohren. Lass deinen Sauschneider kommen, der sie dir wegnimmt.“
Und noch etwas gab Nawadonesah preis: Er hause zwar allein im Körper der Cäcilia, habe aber einen Hilfsgeist, der auf den Namen Telfinga höre. Er buchstabierte den Namen und machte darauf aufmerksam, dass das „T“ hart ausgesprochen würde.
Im weiteren Verlauf der Beschwörungen taten sich immer wieder Fragen und Ungereimtheiten auf, sodass sich selbst Siard fragte, ob er genarrt wurde. Er erwähnte mehr als es im Exorzismusbuch von 1644 vorgeschrieben war, den Namen der Jungfrau Maria, worauf ihn Propst Traub zur Ordnung rief. Siard solle ich streng an die Vorgaben halten, andernfalls sei der Erfolg gefährdet.
Der Einwurf bedeutet, dass Siard nicht allein zu We...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Erstes Buch: URTHEIL
  7. Zwischenruf 1: Der Auftakt zum Hexenprozess
  8. Zweites Buch: GUTACHTEN
  9. Drittes Buch: HINRICHTUNG
  10. Zwischenruf 2: Oswald Loschert, Ordensfunktionär und weißer Jesuit
  11. Schlussbetrachtung
  12. Die Zeit danach
  13. Nachwort
  14. Anmerkungen
  15. Bildnachweis