Lebendige Seelsorge 4/2014
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Lebendige Seelsorge 4/2014

Brücken bauen

  1. 80 Seiten
  2. German
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Lebendige Seelsorge 4/2014

Brücken bauen

Über dieses Buch

"Mit Christus Brücken bauen" war das Motto des Katholikentages 2014 in Regensburg. Hans-Joachim Sander und Susanne Sandherr deuten die Brückenmetapher theologisch und spirituell. Für Kardinal Lehmann zeigt sich die Tragik der Kirchenspaltung gerade im persönlichen Bereich von Ehe und Familie. Deshalb, so bekennt er in seinem Beitrag, bleibe sein Leben von ökumenischen Brückengängen bestimmt.Ständig anwesend, obwohl abwesend, war Papst Franziskus auf dem Katholikentag als Hoffnungsfigur einer erneuerten Kirche und als deren Pontifex maximus. Über seine Symbolhandlungen bei seiner Nahostreise und die Ankündigung des Friedensgebetes im Vatikan wird hier berichtet. Gregor Maria Hoff zeichnet den Brückenbauer Papst Franziskus als kühn und grenzgängerisch.Bischof Sailer, dessen Denkmal anlässlich des Katholikentags wieder in die Stadtmitte von Regensburg gerückt wurde, war ebenfalls ein Grenzgänger des 19. Jahrhunderts - allerdings erbittert bekämpft vom damaligen ultramontanen Milieu. Es wird sich zeigen, ob Papst Franziskus ein ähnliches Schicksal widerfahren wird. Die Fragen um die wiederverheirateten Geschiedenen, die Bedeutung der Laien in der Kirche der Zukunft, die Feier der Liturgie und eine angemessene liturgische Sprache - all das sind brennende Fragen einer Kirche, die weiter Kirche ihrer Gläubigen sein will.Doch es geht in diesem Heft nicht um Kircheninnenpolitik: die wahre Grenze, so der tschechische Religionsphilosoph Tomáš Halík, verläuft nicht zwischen gläubig und ungläubig, sondern zwischen denen, die die Frage nach Gott gleichgültig lässt und denen, die diese Frage umtreibt.Der Schriftsteller Arnold Stadler entfaltet in einem grandiosen Text für dieses Heft, warum einen Literaten der Satz "Gott ist tot" ein Leben lang schmerzen muss. "Ich blute, also bin ich". Als Schriftsteller muss er die Rückseite zum Glück schreiben, obwohl das Ja sein großes Thema ist. Das Staunen gehört für ihn an den Anfang jedes Schreibens.

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Information

Auftrag der Laien

Ziemlich ans Ende des Regensburger Katholikentages hatte das Diözesankomitee der Katholiken des Bistums ein Podium zum Thema „Das Zweite Vatikanische Konzil heute: der Auftrag der Laien“ gesetzt. Der späte Termin (und das mittlerweile gute Wetter) hinderten nicht, dass der Veranstaltungssaal restlos besetzt war. Offenkundig brannte vielen das Thema auf den Nägeln. Allerdings wurde die Geduld des Auditoriums auf die Probe gestellt. Nach der Einstimmung durch (hinlänglich bekannte) Filmausschnitte zur Eröffnung des Vaticanum II sollte zunächst ein kurzer Impuls durch den Ortsbischof Rudolf Voderholzer folgen, auf den dann unter Moderation von Bernhard Remmers (Direktor des ifp), Susanne Bühl von der Gemeinschaft Sant’ Egidio, MdEP Martin Kastler, MdB Dr. Claudia Lücking-Michel und ich selbst replizieren sollten. Klaus Müller
Leider war das nur sehr bedingt möglich. Nicht nur der einführende Trailer, sondern auch die Ausführungen des Bischofs beanspruchten einen erheblichen Teil der zur Verfügung stehenden Zeit. Bischof Voderholzer konzentrierte sich dabei auf drei Schwerpunkte, die seit längerem immer wieder in seinen Wortmeldungen bei öffentlichen Anlässen oder Predigten auftauchen: zum einen votierte er im Rückgriff auf eine Idee, die er schon bei seiner Amtseinführung im Januar 2013 ventiliert hatte, dafür, den Terminus „Laien“ wegen seiner pejorativen Besetzung in der durchschnittlichen Alltagssprache durch den Begriff „Weltchrist“ zu ersetzen. Die gute Absicht dahinter ist unbestritten, aber zugleich stellt sich die Frage, ob denn die Kompetenz und die Stimme der Laien nur auf das Außerhalb der Kirche, nicht auch auf deren innere Belange bezogen sein sollen. Das Publikum jedenfalls mochte sich – ausweislich der schriftlichen eingereichten Wortmeldungen – mit dem Vorschlag des Bischofs nicht so recht anfreunden.
An zweiter Stelle kam der Bischof – für viele Anwesende doch etwas befremdlich – ausführlich auf die Notwendigkeit einer Katholischen Universität in Deutschland zu sprechen. Ihm schwebte dabei vor, die bereits bestehende entsprechende Institution in Eichstätt zu einem – so wörtlich – „katholischen Oxford“ auszubauen. Angesichts der Tatsache, dass es die Universität Eichstätt seit 2007 nicht schafft, eine stabile Präsidentschaft zu installieren, Kandidaten verbrannt wurden und offenkundig immer wieder konkurrierende Seilschaften um die Lufthohheit bei Richtungsentscheidungen ringen, darf diese Idee getrost in der Abteilung „Utopie“ endgelagert werden (wo ja auch bereits das Projekt einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Berlin komatös vor sich hindümpelt). Wer ernsthaft ein „katholisches Oxford“ wollte, müsste wohl geschätzte 100 Millionen Euro in die Hand nehmen und dann für ausgewählte Fächer Top-Leute in absolut transparenten Verfahren anwerben, in denen nichts anderes als einzig die fachliche Qualifikation entscheidend ist. Den dritten Akzent setzte der Bischof in seinen Ausführungen, indem er sich sehr pointiert und kritisch zu derzeit laufenden Gender-Debatten äußerte und dazu aufforderte, das klassische Bild der Geschlechter und der Ehe zu verteidigen. Dieses mehr als erratische Versatzstück des Vortrags war wohl als Auftrag an die Laien in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit gedacht.

TEILHABE AN DREI ÄMTERN CHRISTI

Die Beschreibung der Laien, ihrer Kompetenz und ihrer Sendung, wie sie vom II. Vatikanischen Konzil formuliert wurden, kam dabei nur sehr sporadisch zur Geltung. Es blieb Frau Lücking-Michel vorbehalten, daran zu erinnern, dass den Laien durch die Teilhabe an den drei Ämtern Christi – Priester, Prophet, König, wie es Lumen gentium 31,1 zur Geltung bringt – ein Profil zugeschrieben wurde, das noch immer weitgehend seiner innerkirchlichen Realisierung harrt.
Der Reformator Calvin hatte als erster die Gestalt und das Werk Jesu Christi systematisch zu fassen gesucht durch die drei vom Alten Testament her vertrauten Titel „Prophet“, „Priester“ und „König“. In der Aufklärungszeit fand dieses Stück Christologie Eingang in die katholische Theologie, im 19. Jahrhundert begann es innerhalb des Kirchenrechts wirksam zu werden im Sinne einer Rechtsbegründung der Vollmachten von Laien: jeder Christ hat durch die Taufe Anteil am Priester-, König- und Prophetsein Jesu Christi. Das II. Vaticanum hat das calvinistische Modell erstmals auch für die katholische Tradition lehramtlich in Anspruch genommen.
Ich messe diesem neueren theologischen Modell in der Laienthematik ein absolut nicht zu überschätzendes Gewicht zu – und zwar aus zwei Gründen: während das traditionelle hierarchische Modell nur formal Machtverhältnisse festlegt, beschreibt das Modell der Drei-Ämter-Lehre mit dem Prophet-König-Priester-Sein inhaltlich das Profil christlicher Existenz in der Welt. Und: da an den drei Ämtern Christi alle Getauften – egal, ob Laien oder Kleriker – teilhaben und so erst auf dem Hintergrund dieser fundamentalen Gemeinsamkeit die gewiss notwendigen Strukturierungen innerhalb der Kirche zum Thema werden, leistet das Drei-Ämter-Modell einen ersten Schritt der längst nötigen Zurückstufung der Differenz zwischen Klerikern und Laien auf die Zweitrangigkeit, die ihr in der Kirche des Anfangs eignete und auch theologisch gesehen nur eignen darf. Beides zusammen – die inhaltliche Konkretisierung und die funktionale Differenzierung christlich-kirchlicher Existenz – lässt sich m.E. auf folgende Nenner bringen:
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Die Christinnen und Christen sind Priester durch ihre persönliche Hingabe an Gott, zu der Christus sie einlädt, befähigt und in die er sie durch seine eigene Hingabe hinein nimmt. Die Hingabe an Gott dafür, dass er sich für uns hergibt, vollzieht sich im Gebet, im Glaubenszeugnis, in tätiger Liebe, die auch persönliche Verzichte einschließen kann, und gipfelt schließlich in der Feier der Eucharistie als dem Höhepunkt der Hingabe Gottes an uns und zugleich unser selbst an Gott. Einige in der Gemeinde qualifizieren sich durch Interesse und persönliche Einübung dafür, die an deren in dieses priesterliche Tun kompetent einzuweisen.
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Die Christinnen und Christen sind Propheten durch das Zeugnisgeben für das Evangelium, wo immer sie leben, auch im öffentlichen Raum der politischen Meinungsbildung – nicht nur beim § 218, sondern, mindestens genauso wichtig, im Zusammenhang des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes, indem sie sich unlauterer Methoden enthalten und sich auf die Erhaltung der gottgebenen Schöpfung verpflichtet wissen. Propheten sagen ja bekanntlich nicht vorher, sondern sagen hervor – sagen heraus, was Sache ist, wie es wirklich steht um die Wahrheit, so wie sie in Gottes Augen gegeben ist. Propheten sind die Christinnen und Christen übrigens auch durch den sogenannten „Glaubenssinn“. Das ist ein äußerst wichtiger und wenig geklärter Begriff, der besagen will: das Volk Gottes in seiner Gesamtheit fällt nicht aus der Wahrheit, weil es – im Heiligen Geist – schon (und gewiss nicht ohne Spannung freilich) das richtige Gespür hat dafür, was wahr ist und was nicht. Einige in der Gemeinde sind speziell Propheten dadurch, dass sie durch ihr eigenes Tun und Sein die prophetischen Begabungen wecken und ermutigen.
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Und schließlich das König-Sein der Christinnen und Christen: ein König ist souverän im ursprünglichsten Sinn des Wortes, er ist der wirklich und uneingeschränkt Freie. Jesus Christus war so unbedingt ganz Ohr für Gott – also ihm gehorsam –, dass er dafür sogar zu sterben bereit war. Und eben das hat ihn in die unbedingte Freiheit geführt, die wir im Auferstehungsbekenntnis von ihm aussagen. Die Christinnen und Christen sind Könige, freie Subjekte, im Maß sie durch gelebte Nachfolge Jesu Weg des befreienden Hörens auf Gott mitgehen. Einige in der Gemeinde leben ergriffen vom Pathos evangelischer Freiheit und verkörpern so das souveräne, selbstbewusste Subjektsein, zu dem alle berufen sind. Der Christ ist so der ganz Gott in Hingabe Zugewandte und durch solche Gottverbundenheit so sehr der Unabhängige und Freie, dass er es sich leisten kann, partout die Wahrheit zu sagen und sie kritisch einzufordern, wo sie verweigert und verdeckt wird in der Welt. Völlig klar aber, dass dann natürlich auch innerkirchlich einer oder einem Urteilsvermögen in Glaubens- und Lebensfragen, Befähigung zu Leitungsaufgaben und Kritik, ganz einfach praktische geistliche und theologische Kompetenz zugetraut und zuerkannt werden muss, wo einer oder eine durch das gelebte Leben sich als priesterlicher, prophetischer und freier Mensch beglaubigt.

DAS PROPHETISCHE AUSSPRECHEN VON WAHRHEIT

Treffend meinte Bischof Voderholzer in diesem Zusammenhang, dass das Priesterliche der Laien darin bestehe, die Welt buchstäblich ins Gebet zu nehmen – und ich würde gerne ergänzen: dass Menschen füreinander zum Segen werden und sich zentral dem Dienst der Versöhnung widmen (so wie das Paulus im Blick hat, wenn er in 2 Kor 5,20 sagt: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen.“) Aber das Prophetische und das Königliche dürfen neben dieser Dimension des Priesterlichen nicht verblassen: es muss auch das prophetische Aussprechen der Wahrheit geben – bis dahin, dass Laien einmal auch einem Bischof aus Gründen der Wahrheit und Wahrhaftigkeit ins Angesicht widerstehen. Wäre diese Praxis in der Kirche eingespielt und üblich, hätte es so etwas wie den Fall „Limburg“ nicht gegeben. Und das Königliche äußert sich in Freiheit und Freimut – zweifellos immer gepaart mit dem gebotenen Respekt den Amtsträgern und ihrer Autorität gegenüber. Autorität besitzt in der christlichen Tradition einen hohen Stellenwert, weil sie konkret daran erinnert, dass sich die Gemeinde das Evangelium nicht selbst ausgedacht hat, sondern dass es ihr unverfüglich geschenkt und anvertraut ist. Aber die Ausübung von Autorität muss immer kenntlich bleiben lassen, dass sie – die Autorität – nicht angemaßt, sondern erworben ist. Und dazu kann es nötig sein, dass sich auch ein Amtsträger an diese Grundbedingung seiner Funktion, mit der seine ganze Authentizität steht und fällt, von anderen – eben auch von Laien – erinnern lassen muss. Diese anspruchsvollen theologischen Vorgaben wollen freilich immer neu in die kleine Münze alltäglicher Praxis gewechselt werden. Als der Moderator in der Schlussrunde die Podiumsmitglieder fragte, was sie denn für eine Vision für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre hätten, habe ich einen entsprechend bescheidenen Vorschlag gemacht: ich habe den Bischof gebeten, die unglückliche Reform der Räte im Bistum Regensburg, die sein Vorgänger 2005 dekretierte (statt eines gewählten Diözesanrats gibt es seitdem in Regensburg einen Diözesanpastoralrat aus vom Bischof berufenen Mitgliedern; der Pfarrer ist Vorsitzender des Pfarrgemeinderats), schlicht und einfach zurück zu nehmen. Die spontane Reaktion des Publikums habe ich als Ausdruck des sensus fidelium empfunden.

Klaus Müller

geb. 1955, katholischer Priester, seit 1996 Universitätsprofessor und Direktor des Seminars für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Zum Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und der Katholische Deutsche Frauenbund bringen sich mit ihren Anliegen in den Dialogprozess mit den Bischöfen in Deutschland ein. Beim Katholikentag 2014 in Regensburg haben sie nachgefragt: was tut sich auf der Ebene der Bischofskonferenz und der Katholischen Kirche insgesamt in Sachen Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten zu den Sakramenten? Sigrid Müller
Das Grundproblem im Umgang mit nach Scheidung Wiederverheirateten in der Katholischen Kirche ist der Graben zwischen den bestehenden kirchenrechtlichen Regelungen und der Überzeugung vieler Gläubigen, dass diese Regelungen nicht adäquat sind. Warum ist dieser Graben derartig groß, dass es nötig ist, „Brücken zu bauen“? Dies liegt daran, dass die beiden Seiten auf unterschiedliche Anliegen zielen. Das Kirchenrecht hat das Ideal der Ehe im Blick und will es schützen – zwei Menschen, die einander in Liebe zugetan sind und dies in Freud und Leid bis ans Lebensende bleiben, dabei Kindern eine stabile Umgebung verschaffen, in der sie gedeihen und zu reifen Menschen heranwachsen können. Die von Scheidung Betroffenen, die wieder geheiratet haben, schauen dagegen auf die Realität zerbrochener Ehen – auf zwei Menschen, die nicht mehr miteinander leben können, die sich getrennt haben – und auf das Glück, nach dieser schwierigen Zeit einen neuen Partner gefunden und mit diesem einen Neuanfang zu einem partnerschaftlichen Leben gemacht zu haben, das demselben Ideal entspricht – weshalb sie erneut geheiratet haben.
Das Kuriose ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Inhalt
  3. EDITORIAL
  4. THEMA
  5. PROJEKT
  6. INTERVIEW
  7. PRAXIS
  8. NACHLESE
  9. POPKULTURBEUTEL
  10. Impressum