
- 64 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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eBook - ePub
Über dieses Buch
Sexuell missbraucht: Zwar hat frau überlebt, aber sie ist im Innersten verletzt, immer wieder auch gelähmt und blockiert in Beziehungen. Oft weiß sie nicht, warum, oder sie weiß nicht, wie sie mit diesen Verletzungen leben und Beziehungen gestalten soll. Was hilft in dieser Situation, heil zu werden? Aus ihrer Lebensgeschichte heraus zeigt Elke Rüegger-Haller, wie es mit Hilfe ignatianischer Exerzitien gelingen kann, aufzustehen und zu heilen - frau muss selbst den Weg gehen, selbst aufstehen und selbst aktiv heilen. Das Buch erschließt biblische Geschichten für das Betrachten und gibt Anregungen für Betroffene und für jene, die sie begleiten.
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Information
1. Missbrauch – ein persönlicher Zugang
Im Frühjahr 2000 trat ich mein erstes Pfarramt an, voller Ideen und Visionen und Tatendrang! Bald fiel mir auf, wie mich anzügliche Sprüche von Konfirmanden hilflos machten und lähmten: Sonst eher schlagfertig, konnte ich einfach nichts mehr sagen. Später wiederholte sich diese Erfahrung in Konflikten in der Kirchenpflege, wo ich unfair behandelt wurde, aber mich im Moment nicht wehren konnte. Da war immer wieder diese Lähmung da, die sich erst zu Hause, wenn es längst zu spät war, löste.
Lähmung, wenn ich unfair behandelt wurde: Das kenne ich, das gab und gibt es immer wieder in meinem Leben, bis heute. So lese ich, als ein Beispiel unter vielen, in meinem Tagebuch:
»Heute war er wieder da: Kurt, der Obdachlose, an meiner Pfarrhaustüre – schon zum zweiten Mal. Er drängte in die Wohnung – beim Vorgänger durfte er das immer, erklärte er mir –, und dann saß er da und erzählte mir von seinem Traum, in dem er mit mir alleine in einem Garten war und versuchte, in mich einzudringen. Ich saß einfach da, unfähig etwas zu denken oder zu sagen oder zu handeln, saß einfach da, mir war irgendwie unwohl, aber da war diese Lähmung. Das kenne ich so gut! Da kann ich nichts sagen, nichts machen, nichts denken. Irgendwann warf ich ihn raus mit der Begründung, ich muss noch weg. Warum kann ich da nicht früher reagieren? Ihn nicht rauswerfen nach dem ersten Satz? Oder ihn erst gar nicht reinlassen?«
Als ich begann, diesen so verschieden erlebten Lähmungen nachzugehen, sah ich immer wieder einen roten Feuerball, der auf mich zurollte und mich zu erdrücken drohte. Dieser Feuerball entpuppte sich mit der Zeit als geballte Erinnerung an den Missbrauch – Erfahrungen, die lange zurücklagen. Lähmung, sich nicht wehren können, in diesem Moment nicht mal spüren, was man gerne tun würde, wenn man könnte: Das ist ein Merkmal von Missbrauch.
Zum Vorschein kam bei mir ein schon in früher Kindheit »ausgeprügeltes« und deshalb fehlendes Ich. Im Tagebuch hatte ich einmal festgehalten: »Ich war zum falschen Zeitpunkt geboren, zu schnell nach der älteren Schwester. Ich hatte erst noch das falsche Geschlecht; beim dritten Kind dann telegrafierte mein Vater an seine Schwester: ›Endlich ist der Stammhalter da!‹ Es war eine sehr schwere Geburt. Ich wollte nicht raus, steckte viel zu lange in der Scheide und kam dann ›tintenblau wie ein Bleistift‹ – so sagte meine Mutter später – zu Hause auf diese Welt. Die Hebamme meinte, es sei nicht sicher, dass ich überlebe. Erst nach zwei Tagen war das klar. Dann das Essen – ich lehnte die Brust ab, so erzählte meine Mutter, alles musste mir mit dem Löffel gefüttert werden, und meist wollte ich nicht. Noch sehr klein, kam ich zur Abklärung ins Spital, meine Eltern fuhren in Ferien mit meiner knapp eineinhalb Jahre älteren Schwester, und als sie zurückkamen, um mich – ohne Befund – abzuholen, erkannte ich sie nicht wieder. Das war ein Schock für sie! Ja, ich machte ihnen das Leben schwer. Essen lernte ich erst in der Pubertät! Dann so viel, dass später eine Magersucht daraus entstand. Trotzig soll ich gewesen sein – und das musste ausgetrieben werden. Auf so ziemlich jedes »Nein« oder »Ich« wurde mit Schlägen geantwortet. Meine letzte Tracht Prügel erhielt ich mit 15, als ich mich dem Befehl meiner Mutter, in die Jugendgruppe am Sonntagabend einen Rock anzuziehen, mit ›jetzt gerade nicht‹ widersetzte und in Hosen gehen wollte. Mein Vater reagierte darauf mit Prügel. Später verstand ich solche Prügelszenen aus der Ohnmacht heraus, die meine Eltern wohl mir gegenüber empfunden hatten. Nur, alles verstehen hilft nichts dazu, diese Lähmung, die dadurch ausgelöst wurde, aufzuheben. Erklären konnte ich sie mit der Zeit immer besser, aber immer erst im Nachhinein. In der entsprechenden Situation half das nicht!
Als Kind weinte ich oft – meine Mutter sagte dann: ›Damit erreichst du genau das Gegenteil‹, weil sie meinte, ich wolle mit Tränen etwas erreichen, was anders nicht ging. Sie kamen einfach, ich konnte sie nicht zurückhalten. Mein Vater ließ von seiner Sekretärin ein weinendes Kindergesicht malen und darunter schreiben: Eine weint immer! Dieses Bild hing viele Jahre im Kinderzimmer.«
Wer nicht »ich« sagen lernt, kann auch nicht »nein« sagen! Oder: Wenn ein Nein als Trotz verstanden wird und Trotz gebrochen werden muss, dann ist ein Nein später kaum mehr möglich. Unser Körper speichert all die Erfahrungen, die wir gemacht haben, auch wenn sie uns im Kopf nicht mehr bewusst sind. Auch das Gottesbild kann da unterstützend, also verheerend wirken. Mein Lieblingslied aus der Sonntagsschule, in die ich treu jeden Sonntag im Anschluss an den gemeinsam mit der Familie besuchten Gottesdienst ging, war:
»Pass auf, kleines Auge, was du siehst,
denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich,
drum pass auf, kleines Auge, was du siehst!
Pass auf, kleiner Fuß, wohin du gehst,
denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich,
drum pass auf, kleiner Fuß, wohin du gehst!
Pass auf, kleiner Mund, was du sprichst ...
Pass auf, kleines Ohr, was du hörst ...
Pass auf, kleine Hand, was du tust ...
Pass auf, kleines Herz, was du glaubst ...«
Alles sah dieser Polizistengott – alles. Und er bestrafte, wie meine Eltern, jedes Abweichen von der Norm, die aber nicht hinterfragbar war, denn das wäre schon wieder ein Ich oder Nein oder Trotz gewesen.
Auch Körperlichkeit war kein Thema, oder sie wurde untersagt. Im Kindergarten hatte ich, fünfjährig, einen Freund. Jeden Morgen begrüßten wir uns mit einem Kuss. Wir waren fest entschlossen, zu heiraten. Eine schöne Zeit war das. Aber leider erzählte die Putzfrau, unsere Nachbarin, meiner Mutter davon und diese, entsetzt, schnappte mich an der Hand, zerrte mich zur Kindergärtnerin und erklärte der erstaunten Diakonisse, dass sie das nicht dulde und dass das sofort aufzuhören habe. Es hörte auf, aber vor allem, weil ich danach krank war – manches davon gab ich nur vor: Kopfweh, Unwohlsein, schlechte Träume – und den Kindergarten für lange Zeit nicht mehr besuchte.
In dieser Zeit träumte ich oft und immer denselben Traum: Ich war auf dem Weg in den Kindergarten und wurde von einer Hexe verfolgt. Immer an der gleichen Stelle – dort wuchs eine dicke Baumwurzel aus einem Garten auf den Bürgersteig – holte mich die Hexe ein, packte mich und steckte mich in ihren Sack, den sie auf dem Rücken trug. Sie schleppte mich in den Wald und wollte mir dort den Kopf abhacken. Als sie mich auf dem Hackblock auspackte, erwachte ich ... Immer wieder kam dieser Traum, ich war ihm einfach ausgeliefert und wie gelähmt.
Als ich nach vielen Wochen – oder Tagen?, für mich war’s jedenfalls eine lange Zeit – wieder in den Kindergarten ging, wollte ich ein Junge sein. Und das blieb so bis in die Pubertät. Dass die Jungs dann später fanden, als Kumpel sei ich gut, aber als Freundin: »Nein, das könnten sie sich nicht vorstellen«, machte mir zu schaffen. Als Kind war ich meist zu laut, zu dreckig, zu wild, zu trotzig, also immer »zu« ..., nie einfach richtig. Ich war nicht richtig.
Mein dreieinhalb Jahre jüngerer Bruder war der lang ersehnte Stammhalter, also der »Nachfolger«, und durfte mit meinem Vater spannende Dinge machen in der Werkstatt, im Haus, am Auto usw. Knapp eineinhalb Jahre über mir war das »richtige Mädchen«, meine Schwester. Ich war das Sandwich, irgendwo dazwischen, ein großes Weder-Noch, was eine gesunde Entwicklung des Ichs nur erschwerte.
Die Religion nahm mir dann weitgehend das Ich-Sagen ab. Ich tat, was man tat und glaubte, und so brachte ich es recht weit! Jungscharleiterin, Teenskreisleiterin, Jugendgruppe ..., es entstand eine Welt, die mich wollte und brauchte. Eine Welt, in der meine große Mühe, »ich« zu sagen oder »nein«, nicht auffiel. Es war gar nicht gefragt.
Dann lernte ich G., einen jungen Mann aus Ostberlin, kennen – zuerst brieflich. Völlig unerfahren und naiv, folgte ich seiner Einladung zu gemeinsamen Ferien in Prag. Meinen Eltern erzählte ich, ich treffe mich mit einer Gruppe junger Leute – sonst hätten sie mich nicht gehen lassen. Beim ersten persönlichen Zusammentreffen überredete er mich, mit ihm zu schlafen, ihm zuliebe. Ich empfand nichts dabei, es war viel zu früh für mich. Vor der Ehe durfte man allerdings keinen sexuellen Kontakt haben in unserer rigiden Gemeindemoral; wer so etwas tat, musste vor der Gemeinde Buße tun und wurde vom Abendmahl ausgeschlossen. Also verlobten wir uns und beschlossen, so schnell wie möglich zu heiraten.
Liebe? Was wollte ich? Das war kein Thema, denn ein Ich gab es ja kaum oder nicht. Kurz danach rutschte ich in eine Magersucht hinein, weil ich mich neben diesem Mann in einen anderen verliebt hatte. Da war etwas, was ich so noch nie erlebt hatte. Aber das durfte ich ja erst recht nicht leben! Ich war grausam zerrissen und unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen, bis ich zusammenbrach und eben in diese Magersucht hineinschlitterte. Alle dachten, mit der Matur, die ich kurz vorher bestanden hatte, hätte ich mich überarbeitet. Mit wem hätte ich reden können? Irgendwie rappelte ich mich wieder auf, 15 kg leichter. ...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Einleitung
- 1. Missbrauch – ein persönlicher Zugang
- 2. Gott in allem suchen und finden
- 3. Ignatius’ Umgang mit biblischen Texten
- 4. Jesus begegnen
- 5. Aufstehen und weggehen
- 6. Berührt werden und liebende Aufmerksamkeit
- 7. Gelähmt sein
- 8. Vergeben und versöhnen
- 9. Wenn Missbrauchsüberlebende heilen
- 10. Missbrauchsüberlebende begleiten