Zweiter Teil: Empirische Datenanalyse
5Analysemethoden
Der zweite Teil dieser Studie beinhaltet die Darstellung und Auswertung der vielfältigen und umfangreichen empirischen Daten. Aufgrund der Komplexität der Fragestellungen, die teilweise eng miteinander verzahnt sind, aufeinander aufbauen und voneinander abhängig sind, wird dieser Teil in einzelne „Module“ aufgeteilt. Das heißt, dass jeweils eine Forschungsfrage bzw. ein Untersuchungszusammenhang in einem Kapitel dargestellt, aufbereitet und analysiert wird. Die Dynamik in der Aufarbeitung der Daten hat gezeigt, dass sich die einzelnen Schritte nicht streng voneinander trennen lassen, sondern dass Vergleiche, Diskussionen und Interpretationen schon in die Darstellungen mit einfließen. Die Erkenntnisse aus den Analysen eines jeden Moduls werden am Ende der einzelnen Kapitel zusammengefasst. Die einzelnen Fragestellungen zu Weiterbildungsverhalten und –einstellungen von Seelsorgern werden in den Kapiteln 10-18 erörtert.
Das grundsätzliche methodische Vorgehen (Typenbildung) und die Analyse und Darlegung der einzelnen Analyseeinheiten für die einzelnen Fragestellungen wird den empirischen Analysen in Kapitel 5-9 vorangestellt.
Spezifische Methoden in Bezug auf die Datenauswertung einzelner Forschungsfragen werden innerhalb der einzelnen Module bzw. Kapitel erläutert. Das hat den Nachteil, dass nicht das gesamte methodische Vorgehen – wie in empirischen Erhebungen üblich – zu Beginn dargelegt wird. Es bietet jedoch den Vorteil, unmittelbar im inhaltlichen Zusammenhang der einzelnen Fragestellungen detaillierte methodische Vorgehensweisen zu erläutern, um damit zum Verstehen der Ergebnisse beizutragen.
5.1Datenherkunft und Messinstrument
Die gesamte Studie wurde auf Basis einer postalischen Fragebogenerhebung (pencil to paper) vorgenommen. In Sozial- und Erziehungswissenschaften ist es üblich, sozialwissenschaftliche Fragen mit qualitativen und quantitativen Methoden zu analysieren. In dieser Studie wurde der Schwerpunkt auf die quantitative Erhebung von Meinungen und Einstellungen zum Themenfeld „Weiterbildung und Lernen in den pastoralen Diensten“ gelegt, weil in den Referenzstudien, an denen sich diese Studie anlehnt, vorab qualitative Analysen vorgenommen wurden, die dann mit den jeweiligen quantitativen Forschungsergebnissen zusammengespielt wurden. Dies gilt für die beruflichen Studien Paul M. Zulehners in der Arbeitsstelle für Kirchliche Sozialforschung in Wien und für die BMBF-Studie Heiner Barz’ und Rudolf Tippelts. Die Redlichkeit verlangt, darauf hinzuweisen, dass eine korrespondierende qualitative Untersuchung, welcher Art auch immer, den positiven Effekt gehabt hätte, dass einige Ergebnisse genauer hätten formuliert werden können. Zumindest hat sich dies im Laufe der Analyse der einzelnen Fragen und Ergebnisse herausgestellt. Diese methodische Lücke und der damit etwas schmalere Profit dieser Arbeit lässt sich jetzt nicht eliminieren, gleichwohl können das umfangreiche Datenmaterial und die darin enthaltenen qualitativen Hinweise auf angemessene Weise Auskunft darüber geben, wie Priester, Diakone und Pastoralreferent(inn)en sich weiterbilden und welche Voraussetzungen ihnen in Bezug auf das berufliche Lernen wichtig sind.
5.1.1Typisieren
Ein wesentliches Untersuchungsschema dieser Arbeit ist die Analyse der Ergebnisse der Fragebogenerhebung vor der Folie von „Typen“. In der gegenwärtigen Erwachsenenbildungs- und Sozialforschung hat Typenbildung als „Instrument der theoretisch fruchtbaren Strukturierung empirischer Daten“1 Konjunktur. Typenbildung bzw. Typologie wird in dieser Studie verstanden als ein Prozess,
„bei dem ein Objektbereich anhand eines oder mehrerer Merkmale in Gruppen bzw. Typen eingeteilt wird, so dass sich die Elemente innerhalb eines Typus möglichst ähnlich sind (interne Homogenität auf der ‚Ebene des Typus’) und sich die Typen voneinander möglichst stark unterscheiden (externe Heterogenität auf der ‚Ebene der Typologie’). Mit dem Begriff Typus werden die gebildeten Teil- oder Untergruppen bezeichnet, die gemeinsame Eigenschaften aufweisen und anhand der spezifischen Konstellation dieser Eigenschaften beschrieben und charakterisiert werden können.“2
Typenbildung ist folglich ein „Instrumentarium zur geordneten und strukturierenden Beschreibung eines Objektbereichs.“3 Sie ist somit behilflich, mit Hilfe statistischer Methoden die soziale Wirklichkeit geordnet zu erfassen. In der Regel sind Typologien selten vollständig, in dem Merkmale eindeutig und ausschließlich einem Typus zugewiesen werden. Zumindest ist dies innerhalb der Sozialwissenschaften nicht möglich, als auch nicht üblich.
In Vier-Felder-Typologien zweier dichotomer Variablen ist diese Vollständigkeit und Eindeutigkeit am ehesten zu gewährleisten. Eine Typenbildung über komplexere Analysemethoden (Clusteranalysen) bringt in der Regel immer Unschärfen mit sich, insbesondere in den Sozialwissenschaften.
Im Focus der Untersuchungen dieser Studie stehen die sozialwissenschaftlichen Typen der „Milieuorientierungen“ in enger Anlehnung an die Sinus-Nomenklatur sowie die Priesterbilder bzw. Amtsverständnisse nach Paul M. Zulehner. Im Detail werden die Methoden zur Typenbildung zu Beginn der entsprechenden Kapitel dargestellt. In der vorliegenden Studie werden zudem „Weiterbildungstypen“ ermittelt. Grundlage hierfür sind zahlreiche Items zum Verständnis und zur individuellen Praxis beruflicher Weiterbildung.
Die empirisch ermittelten Typen werden im Laufe der Arbeit in ihrem Antwortprofilen und Merkmalsausprägungen in Bezug auf die jeweiligen Forschungsfragen hin immer wieder vielfältig untersucht. Dies ist zum einen eine Kontrolle der Typenbildung – auch in der Kontrastierung innerhalb der Typologie – zum anderen wesentliche Voraussetzung, „um jene inhaltlichen Ordnungen bzw. „sozialen Strukturen“ zu verstehen und zu erklären, die zur Gruppierung von Fällen in Typen geführt haben.“4
5.1.2Klassifizieren
Für alle Typologien in dieser Studie gilt: es wird vornehmlich die Clusterzentrenanalyse in IBM-SPSS-Statistics nach dem Algorithmus der „k-means“-Prozedur verwendet. Vorab wird in der Regel eine Ausgangsmatrix für die im k-means-Verfahren notwendige Startpartition entwickelt: innerhalb des Milieumatching auf Basis einer aus der Literatur entwickelten Idealtypenmatrix, innerhalb der Diagnose des Amtsbildes auf der Basis der Prototypen (Mittelwertmatrix) aus Zulehners Priesterstudie „Priester 2000“.5
Innerhalb der anderen Typisierungsprozeduren wurde eine hierarchische Clusteranalyse mit dem Ward-Verfahren vorgeschaltet, um eine ideale Anzahl der Cluster zu bestimmen und um anfängliche Item-Mittelwerte der jeweiligen Cluster als Ausgangslösung zu ermitteln, damit die Clusterzentrenanalyse zielgeführt vorgenommen werden kann. Eine hierarchische Clusteranalyse ist grundsätzlich einer Willkür seitens des Forschers ausgesetzt, da die Auswahl der Clusterprozedur unterschiedliche Ergebnisse nach sich zieht. Gleiches gilt für partitionierende Verfahren. Die in SPSS angebotene Clusterzentrenanalyse bedarf grundsätzlich einer Startpartition, an der sich iterativ die einzelnen Clusterzentren herausbilden. Im Falle einer Nicht-Vorgabe dieser Startpartition stellt das Programm eigenständig aus der Reihenfolge der ersten Fälle eine Startpartition zusammenstellt, um auf dieser Basis die Gruppierungen zu berechnen. Hier hängt die Gruppierung maßgeblich mit der Reihenfolge dieser Fälle zusammen, es sei denn, der Forscher gibt eine entsprechende Startpartition/Ausgangsmatrix vor. In der Darlegung der methodischen Vorgehensweise wird diese methodologische Eigenart des k-means-Clusterverfahrens genauer beschrieben. Der große Vorteil des Ward-Algorithmus unter den Prozeduren der hierarchischen Verfahren liegt in der Bildung gleichmäßig großer und vor allem in sich möglichst homogener Gruppen.6 Der Algorithmus ist daher für die Typenbildung mit den genannten Kriterien der maximalen inneren Homogenität und der maximalen Heterogenität zwischen den Clustern am dienlichsten. Die Kombination hierarchischer Verfahren (Ward-Prozedur) mit einer statischen Fallzuordnung zur Entdeckung und Erschließung von Gruppenstrukturen verbunden mit dem anschließenden Cluster-zentrenverfahren (k-means) mit einer sehr flexiblen, iterativen Fallzuordnung auf Basis der ermittelten Gruppenstruktur scheint für Typisierungsprozeduren und Klassifikationen am besten geeignet.
Es existiert auch die Möglichkeit, vorab eine Faktorenanalyse zur Reduzierung der Variablenzahl und zur Aufdeckung latenter Dimensionen im Antwortverhalten aller Befragten zu schalten, auf deren Basis dann eine Klassifikation erfolgt. Da mit der Dimensionsreduzierung immer ein Informationsverlust verbunden ist, wird auf diese Vorgehensweise verzichtet. Faktorenanalysen werden dann vorgenommen, wenn beispielsweise in Bezug auf eine Indexbildung die Variablen ermittelt werden sollen, die im Zusammenspiel auf eine dahinter stehende Dimension (beispielsweise „Weiterbildungsaffinität“) verweisen. Faktorenanalysen eignen sich ebenfalls, um anhand der Daten der Referenzstudien (für diese Arbeit liegen die umfangreichen Datensätze der Zulehner-Studien sowie der BMBF-Weiterbildungsstudie 2003 vor) als Normstichproben große Fragebatterien zu dimensionieren, da aufgrund der hohen Fallzahl in diesen Referenzstudien zuverlässigere Ergebnisse in Bezug auf Repräsentativität und Signifikanz erzielt werden (Item-Dimensionen, Datenstrukturen), die dann auf den Datensatz dieser Studie übertragen werden.
5.1.3Indizieren
In einzelnen Fragen wird eine Typisierung anhand einer Index-Bildung vorgenommen.
„Unter einem Index wird eine Zusammenfassung von mehreren Einzelindikatoren zu einer neuen Variable verstanden. Indizes werden vor allem dann verwendet, wenn die Begriffe einer sozialwissenschaftlichen Theorie zwar mehrere Dimensionen ansprechen, aber die Theorie eine gemeinsame latente Variable postuliert. Ein Index kann dann aus Indikatoren für jede einzelne Dimension gebildet werden.“7
Die Gruppierung durch ein Skalierungsverfahren per Indexbildung läuft im einfachen Fall im Sinne einer Addition der entsprechenden Merkmalsausprägungen, in der Bildung eines Summenscores aus den als relevant erachteten Items. Die Bildung von Indizes in dieser Arbeit besteht in der Regel in der Ermittlung eines additiven Index. Als Maßstäbe für die Skalierung der jeweiligen Indizes dienen die Maße der zentralen Tendenz.
Zu den grundlegenden statischen Prozeduren gehört die Analyse statistischer Zusammenhängen (Korrelationen). Die Einordung/Interpretation der Korrelationskoeffizienten wird in dieser Studie nach der Übersicht von ...