No. 27: Aller guten Dinge sind DREI
Juni 2020
Das Motto der heutigen LiveRillen lautet schlicht und volksmundgemäß: Aller guten Dinge sind Drei! Es geht also um diverse Trio-Besetzungen, die die Rockgeschichte seit mehr als einem halben Jahrhundert ganz wesentlich mitgeschrieben haben. Der Anlass, sich diesen flotten Dreiern zu widmen, ist ein runder Todestag: Am 14. Juni 1995, vor 25 Jahren also, starb der irische Gitarrist, Sänger und Songschreiber Rory Gallagher in einem Londoner Krankenhaus an einer Entzündung der Atemwege – und das lange vor Corona. Allerdings muss man auch bei ihm aufgrund seiner alkoholgeschädigten Leber durchaus von einer Risikogruppe sprechen – das soll es nun aber an untauglichen Corona-Vergleichen gewesen sein.
1949 geboren, war Rory Gallagher bereits als 15Jähriger ins professionelle Musikgeschäft eingestiegen, hatte als Gitarrist in der Fontana ShowBand diverse Stars seiner Zeit auf Tourneen begleitet und 1966 sein erstes eigenes Trio gegründet, das unter dem Namen The Taste unter anderem auch im Hamburger Starclub musizierte. Der Erfolg blieb allerdings aus, Gallagher ersetzte 1968 seine bisherigen Mitspieler durch seine Landsleute Richard McCracken am Bass und John Wilson am Schlagzeug, behielt den Bandnamen bei, und plötzlich klappte es: Vor allem aufgrund ihrer energetischen Liveperformance gehörten Taste Ende der 1960er Jahre zu den führenden Acts des weißen britischen Bluesrevivals.
Dabei zeigte sich Gallagher zwar durch Chuck Berry oder Muddy Waters beeinflusst; sein eigenes Songwriting ging allerdings weit über das traditionelle 12taktige Blues-Schema hinaus in Richtung Bluesrock, wobei der Freiraum, der sich auf dem Bass/Schlagzeug-Fundament für seine Gitarrenimprovisationen eröffnete, immer mehr zunahm und seine Bandkollegen zu bloßen Statisten degradierte.
Hier sind Taste live im Jahr 1968 aus dem Londoner Marquee mit Rory Gallaghers Song „Blister On The Moon“
Taste: Blister On The Moon
Am Beispiel von The Taste lässt sich gut die eine Variante der Trio-Formationen erläutern: Ein Solist – in diesem Falle der charismatische Entertainer Rory Gallagher im karierten Holzfällerhemd und mit kumpelhaftem Charme vorn im Rampenlicht – und zwei Begleiter, die sich auf der Bühne mehr oder weniger im schattigen Hintergrund zu halten haben.
Ein Konzept, wie es zeitgleich der Jimi Hendrix Experience zu Grunde liegt, von der wir in dieser Sendung auch noch etwas hören werden.
Die andere Trio-Variante wäre die Gleichwertigkeit dreier virtuoser Musiker und damit das Konzept der so genannten Supergroups, das seinen Ursprung ebenfalls in dieser Zeit hatte – bestes Beispiel die Gruppe Cream, zu der wir auch noch kommen.
Beide Varianten sind übrigens (bis auf wenige Ausnahmen) zumeist nicht gerade durch Langlebigkeit gekennzeichnet – mal sind es die ewigen Begleiter leid, immer nur im Schatten des Stars zu stehen – mal knirscht es zwischen den drei Alpha-Tieren, die sich jeder gern selbst im Mittelpunkt sähen.
1970 kam dann auch schon das Aus für Taste, kurz nachdem sie Ende August beim Isle-of-Wight-Festival noch einmal Zehntausende begeistert hatten. 2015 ist ihr Konzertmitschnitt als Doppelalbum bei Eagle Records erschienen – daraus jetzt der achteinhalb-Minuten-Song „I’ll Remember“ von Rory Gallagher.
Taste: I’ll Remember
Rory Gallagher hat ja auch später die Trio-Formation bevorzugt; Mitstreiter bis zu seinem frühen Tod vor 25 Jahren waren Gerry McAvoy am Bass und Ted McKenna am Schlagzeug, die noch bis vor wenigen Jahren als „Band of Friends“ live zu erleben waren, ergänzt um den niederländischen Gitarristen und Sänger Marcel Scherpenzeel, der dem Verstorbenen mit Instrument und Stimme tatsächlich recht nahe kam.
Nun zur erwähnten Jimi Hendrix Experience, zu der neben dem Hexer auf den sechs Saiten der Bassist Noel Redding sowie Mitch Mitchell am Schlagzeug gehörten.
Zusammengestellt hatte das Trio kein Geringerer als der Bassist der Animals, Chas Chandler, der das einzigartige Talent des Linkshänders Mitte 1966 in einem kleinen New Yorker Club entdeckt hatte. Chandler investierte selbst 5.000 englische Pfund in die Werbung für die unbekannte Gruppe, und ein Jahr später wurde Hendrix bereits weltweit von Fachpresse und Publikum als führender Rocksolist gepriesen.
Grund dafür war neben Hits wie „Hey Joe“, „Purple Haze“, „Foxey Lady“ oder „The Wind Cries Mary“ vor allem der legendäre Auftritt der Experience beim Monterey Pop Festival am 18. Juni 1967. Angekündigt vom Stones-Gitarristen Brian Jones entfachten Hendrix und seine Musiker auf der Bühne nicht nur ein musikalisches Feuerwerk – am Schluss stand dann auch die zuvor arg malträtierte Stratocaster in Flammen, wie man im Konzertfilm eindrucksvoll sehen kann. Seither geht ja die Legende, die angekokelte Fender-Gitarre sei irgendwie erhalten geblieben – zumindest tauchen bei diversen Auktionen immer mal wieder dubiose Angebote zu sechsstelligen Dollarpreisen auf… Der Soundtrack des Films ist 1986 unter dem Titel „Jimi Plays Monterey“ bei Polydor als Platte erschienen – hier daraus zwei Titel am Stück, die die einzigartige Stimmung des Konzertabends bestens einfangen: „The Wind Cries Mary“ und „Purple Haze“ – die Jimi Hendrix Experience – live.
Jimi Hendrix: The Wind Cries Mary / Purple Haze
Noel Redding, Mitch Mitchell und Jimi Hendrix in der heutigen LiveRillen-Sendung rund um berühmte und auch weniger bekannte Trios der Rockgeschichte – aller guten Dinge sind Drei!
Allerdings war Jimi Hendrix mit seinem Trio nicht dauerhaft zufrieden, insbesondere mit dem Bassisten Noel Redding gab es immer wieder Reibereien über die musikalische Vorherrschaft, sodass Redding 1969 durch Billy Cox ersetzt wurde, den Hendrix von seiner Zeit in der Army kannte. Mit diesem fand dann auch der legendäre Woodstock-Auftritt statt, erweitert noch um den US-amerikanischen Gitarristen Larry Lee, mit dem Hendrix Jahre zuvor schon in Nashville in einer Band zusammengespielt hatte und der erst eine Woche zuvor von Hendrix ins kurzzeitig noch um zwei Perkussionisten verstärkte Live-Team geholt worden war, das Hendrix als Gypsy Sun and Rainbows vorstellte. Allerdings verließ Larry Lee die Formation wenige Wochen später schon wieder, da das Management von Hendrix die alte Experience-Besetzung wieder aufleben lassen wollte, und arbeitete danach jahrzehntelang mit dem Sänger und Prediger Al Green zusammen.
Für uns bedeutet das: Woodstock war kein Trio-Auftritt für Hendrix und passt damit nicht in die heutige Sendung.
Allerdings markiert Woodstock eher das endgültige Aus für die Experience – die neue Rhythmusgruppe neben oder besser hinter Hendrix setzte sich künftig aus dem Drummer Buddy Miles, der bereits erfolgreich bei The Electric Flag getrommelt hatte, und eben dem Bassisten Billy Cox zusammen. Unter dem Namen Band Of Gypsys wurde eine Live-LP eingespielt, schlicht „HENDRIX“ betitelt. Michael Jeffrey, der Hendrix managte, sorgte kurz nach deren Veröffentlichung dafür, dass Buddy Miles schon wieder gehen musste, dessen Platz wiederum Mitch Mitchell einnahm, und diese Trio-Besetzung (Hendrix, Cox und Mitchell) spielte dann im Sommer 1970 zum Isle-of-Wight-Festival ein umjubeltes Set, das erst nach Hendrix‘ Tod im Jahr 1971 bei Polydor als LP veröffentlicht wurde. Daraus jetzt der Opener „Midnight Lightning“.
Jimi Hendrix: Midnight Lightning
Ein Star und seine zwei Begleiter – insofern sind Rory Gallagher bei Taste und Jimi Hendrix mit seiner Experience und der späteren Band Of G...