
- 360 Seiten
- German
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Bekenntnisse
Über dieses Buch
In seinen Bekenntnissen schreibt Augustinus, seit 395 Bischof von Hippo Regius, mit einer für seine Zeit ungewöhnlichen Offenheit über seine Entwicklung zum und im christlichen Glauben. Nur in einer positiven Beziehung zu Gott kann der Mensch Glück und Seelenfrieden finden. Das hat Augustinus selbst erlebt. Hiervon berichtet er in einer Mischung aus Autobiographie, Gebet und philosophisch-theologischen Abhandlungen. Die Bekenntnisse des Augustinus haben bis in die Neuzeit Einfluss auf die christliche Theologie sowie auf das Genre der Autobiografie und des psychologischen Romans.
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Information
Zehntes Buch
Erstes Kapitel
Ich werde dich erkennen, der du mich kennest, werde erkennen, gleich wie ich erkannt bin. Kraft meiner Seele, dringe ein in sie und mache sie dir geschickt, damit du sie habest und besitzest ohne einen Flecken oder Runzel. Das ist meine Hoffnung, darum rede ich; und in solcher Hoffnung bin ich fröhlich, bin fröhlich, wie es mir heilsam ist. Was aber sonst noch dies Leben bietet, ist um so weniger zu beweinen, je mehr man weinet; und um so mehr zu beweinen, je weniger man darin weinet. Denn siehe, die Wahrheit hast du geliebt, denn wer sie tut, der kommt an das Licht. Ich will sie tun in meinem Herzen vor dir im Bekenntnisse; schriftlich aber meinerseits vor vielen Zeugen.
Zweites Kapitel
Und vor dir, o Herr, vor dessen Augen bloß ist die Tiefe menschlichen Gewissens, was wäre unbekannt in mir, ob ich dir es auch nicht gestehen wollte? Dich würde ich mir verbergen, nicht aber mich vor dir. Nun aber, da mein Seufzen Zeuge ist, daß ich dir mißfalle, da leuchtest und gefällst du, wirst geliebt und ersehnet; daß ich erröte über mich, mich verwerfe und dich erwähle, und weder dir noch mir gefallen möchte, als nur durch dich. Dir also, Herr, bin ich offenbar, wer ich auch sein möge; und warum ich dir dies Geständnis mache, habe ich dir gesagt. Denn nicht tue ich das mit des Fleisches Wort und Stimme, sondern mit der Seele Wort und meines Denkens Schreien, das dein Ohr kennet, Denn wenn ich böse bin, so ist mein Bekenntnis vor dir und mein Mißfallen an mir dasselbe; wenn ich aber fromm bin, so bedeutet mein Bekenntnis vor dir nichts anderes, als daß ich dies nicht mir zurechne, denn du, Herr, segnest den Gerechten, zuvor aber machst du ihn, den Gottlosen, gerecht. Daher geschieht mein Bekenntnis, mein Gott, vor dir stille und doch nicht still. Denn es schweigt im Geräusch, es schreit im Gemüt. Denn nicht sage ich etwas Rechtes vor den Menschen, was nicht du zuvor von mir gehört, noch hörst du dergleichen von mir, was du nicht zuvor mir gesagt.
Drittes Kapitel
Was habe ich jedoch mit den Menschen zu schaffen, daß sie meine Bekenntnisse hören sollen, als könnten auch sie alle meine Gebrechen heilen? Ein Geschlecht, eifrig bemüht, ein fremdes Leben kennenzulernen, ist es überhaupt müßig, sein eigenes zu verbessern. Was trachten sie von mir zu hören, wer ich sei, die von dir nicht hören wollen, wer sie sind? Und woher wissen sie, wenn sie von mir über mich selbst hören, ob ich die Wahrheit rede; denn niemand weiß, was im Menschen ist, ohne der Geist, der in ihm ist. Wenn sie aber von dir hören über sich selbst, so werden sie nicht sagen können: Der Herr lügt. Denn was ist von dir über sich hören anders als sich selbst erkennen? Ferner, wer erkennt sich und spricht dennoch: Es ist unwahr, wenn er nicht selbst lügt. Aber weil die Liebe alles glaubt, zumal bei denen, die sie mit sich in eins vereint, so mache ich dir, o Herr, meine Bekenntnisse, daß sie die Menschen hören, denen ich freilich nicht beweisen kann, ob meine Bekenntnisse wahr sind; aber es glauben mir die, denen die Liebe das Ohr für mich öffnet.
Aber du, mein vertrauter Arzt, erläutere mir, warum ich dies tun soll. Denn wenn die Bekenntnisse meiner begangenen Sünden, welche du vergeben und bedeckt hast, damit du mich segnetest in dir, meine Seele wandelnd durch Glauben und dein Sakrament, gelesen und gehört werden, so erwecken sie das Herz, damit es nicht schlafe in Verzweiflung und sage: Ich kann nicht; sondern erwache in der Liebe deines Erbarmens und der Süßigkeit deiner Gnade, durch welche erstarkt jeder Schwache, der sich durch sie seiner Schwachheit bewußt wird. Und es erfreut die Guten, zu hören von begangenen Sünden derer, die ihrer jetzt ledig sind; nicht deswegen freut sie es, weil es Sünden sind, sondern weil sie es gewesen sind und nicht mehr sind. Zu welchem Nutzen, Herr mein Gott, dem täglich sich bekennt mein Gewissen, sicherer durch die Hoffnung auf dein Erbarmen als durch seine Unschuld, zu welchem Nutzen, frage ich, bekenne ich dir auch vor den Menschen durch diese Schrift, wer ich jetzt noch sei, nicht wer ich gewesen bin? Denn jenen Nutzen sah und erwähnte ich. Aber wer ich jetzt noch sei, gerade in dieser Zeit meiner Bekenntnisse, das wollen sowohl viele wissen, die mich kennen, als auch die, welche mich nicht kennen, aber von mir oder über mich etwas gehört haben, aber ihr Ohr ist nicht an meinem Herzen, wo ich auch bin und wer immer ich bin. Darum wollen sie mein Bekenntnis hören, was ich im Innern bin, dahin sie kein Auge, kein Ohr und keinen Verstand richten können; sie wollen es dennoch im Glauben; werden sie es erkennen? Es sagt ihnen nämlich die Liebe, durch welche sie gut sind, daß ich nicht lüge in meinem Bekenntnis von mir, und sie, die in ihnen wohnt, glaubet mir.
Viertes Kapitel
Aber zu welchem Nutzen wollen sie das? Wollen sie mir Glück wünschen, wenn sie hören, welchen Zutritt ich zu dir habe durch deine Gnade, und wollen sie beten für mich, wenn sie hören, wie sehr ich zurückgehalten werde von meiner Last? Offenbaren will ich mich solchen Leuten. Denn es ist viel wert, Herr, mein Gott, daß durch viele Personen dir Danks geschehe über uns und daß du von vielen gebeten werdest für uns. Es liebe in mir des Bruders Seele, was du zu lieben lehrst, und empfinde Schmerz um mich, wo du Schmerzenswertes zeigst. jener brüderliche Sinn möge dies tun, kein fremder, keiner von fremden Kindern, welcher Lehre ist kein nütze und ihre Rechte ist eine Rechte des Unrechts, sondern nur der brüderlich gesinnte, der, indem er mir zustimmt, sich über mich freut; der für mein Wohl in Trauer gerät, wenn er mich tadeln muß: denn er mag mich loben oder tadeln, er liebt mich doch. Solchen will ich mich offenbaren; sie mögen frohlocken, wenn mir's gut geht, oder seufzen, wem mir's schlecht geht. Mein Gutes ist dein Werk und Geschenk, mein Böses ist mein Vergehen und dein Gericht. Sie mögen frohlocken über jenes und seufzen über dieses; Loblied und Tränen mögen aufsteigen zu dir aus der Brüder Herzen, deinen Rauchgefäßen. Du aber, o Herr, der du Wohlgefallen hast am Dufte deines Tempels, sei mir gnädig nach deiner großen Güte um deines Namens willen; und der du nimmer verlässest, was du begonnen, vollende, was an mir unvollkommen ist.
Das ist die Frucht meiner Bekenntnisse, die nicht besagen, wie ich war, sondern wie ich bin, daß ich dies bekenne nicht nur vor dir mit heimlicher Freude und Zittern, mit heimlicher Trauer und Hoffnung, sondern auch vor den Ohren gläubiger Menschenkinder, der Genossen meiner Freude und meiner Sterblichkeit, meiner Mitbürger und derer, die gleich mir Pilgrime sind, meiner Vorgänger und Nachfolger und Begleiter meines Lebens. jene sind deine Knechte, meine Brüder, die du dir zu Kindern erwählt hast und mir zu Herren gesetzt hast, daß ich ihnen diene, wenn ich mit dir leben will aus deiner Fülle. Und dieses dein Wort wäre von geringem Wert für mich, wenn es mir nur in Worten geboten hätte und nicht auch im Tun mir vorangegangen wäre. Und ich betreibe das durch Tat und Wort, erstrebe das unter deinen Flügeln mit zu ungeheurer Gefahr, wäre nicht meine Seele unter deinen Flügeln dir unterworfen und meine Schwachheit dir bekannt. Ein Kind bin ich, aber es lebt immerdar mein Vater und ich habe einen zuverlässigen Beschützer; derselbe, der mich gezeugt hat, derselbe beschützt mich auch: und du selbst bist all mein Gut, du der Allmächtige, der du mit mir bist, noch ehe ich mit dir bin. Darum will ich mich denen offenbaren, welchen ich nach deinem Befehl dienen soll, nicht, wie ich gewesen bin, sondern wie weit ich schon gefördert – wie weit ich noch zurück bin; jedoch: auch richte ich mich selbst nicht: also will ich verstanden sein.
Fünftes Kapitel
Denn du, Herr, bist es, der mich richtet; denn wenn auch niemand weiß, was im Menschen ist, ohne der Geist des Menschen, der in ihm ist, so gibt es doch etwas im Menschen, das selbst der Geist des Menschen nicht weiß, der in ihm ist; du aber, o Herr, weißt alles von ihm, der du ihn gemacht hast. ich aber, obgleich ich mich vor deinem Antlitz gering schätze und mich achte als Staub und Asche, weiß doch von deinem Wesen etwas, was ich von mir nicht weiß. Allerdings sehen wir jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort und noch nicht von Angesicht zu Angesicht: und darum, solange ich außer dir walle, bin ich mir gegenwärtiger als dir, und doch weiß ich, daß du auf keine Weise entheiligt werden kannst; welchen Versuchungen ich aber zu widerstehen vermöge, welchen nicht, das weiß ich nicht. Doch es ist Hoffnung vorhanden, da du getreu bist, der du uns nicht lässest versuchen über unser Vermögen, sondern machst, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß wir es können ertragen. So laß mich bekennen, was ich von mir weiß, bekennen auch, was ich von mir nicht weiß. Denn was ich von mir weiß, das weiß ich nur, durch dich erleuchtet, und was ich von mir nicht weiß, das weiß ich so lange nicht, bis mein Dunkel wird sein wie der Mittag vor deinem Angesicht.
Sechstes Kapitel
Nicht mit zweifelndem, sondern mit gewissem Gewissen liebe ich dich, Herr. Du hast erschüttert mein Herz durch dein Wort, und ich liebe dich. Aber siehe, auch Himmel und Erde und alles, was darinnen ist, sagen mir allenthalben, daß ich dich lieben solle, hören nicht auf, allen es zu sagen, also daß sie keine Entschuldigung haben. Und in noch höherem Maße wirst du gnädig sein, dem du gnädig bist, und dich erbarmen, dessen du dich erbarmest: überhaupt verkünden Himmel und Erde den Tauben dein Lob. Was aber liebe ich, wenn ich dich liebe? Nicht Körpergestalt noch zeitliche Anmut, nicht den Glanz des Lichts, der diesen Augen so lieb, noch die süßen Melodien abwechslungsreicher Gesänge, nicht der Blumen und wohl-riechenden Salben und Gewürze lieblichen Duft, nicht Manna und Honig, nicht Glieder, denen des Fleisches Umarmungen angenehm sind. Nicht liebe ich dies, wenn ich meinen Gott liebe, und doch liebe ich ein gewisses Licht, eine gewisse Stimme, einen gewissen Geruch, eine gewisse Speise, eine gewisse Umarmung, wenn ich meinen Gott liebe, das Licht, die Stimme, den Geruch, die Speise, die Umarmung meines inneren Menschen; wo meiner Seele leuchtet, was kein Raum faßt, wo erklinget, was keine Zeit raubt, wo duftet, was der Wind nicht verweht, wo schmecket, was keine Eßgier vermindert und wo vereint bleibt, was kein Überdruß trennt. Das ist es, was ich hebe, wenn ich meinen Gott liebe.
Und was ist dies? ich fragte die Erde und sie sprach: Ich bin es nicht, und alles, was in ihr ist, bekannte dasselbe. Ich fragte das Meer und die Untiefen und was von lebenden Wesen da kriecht, und sie antworteten: Wir sind nicht dein Gott; suche ihn über uns. Ich fragte die wehenden Winde und es antwortete der Luftbereich mit seinen Bewohnern: Es irrt Anaximenes; ich bin nicht Gott. Ich fragte Himmel, Sonne, Mond und Sterne und sie antworteten: Auch wir sind nicht Gott, den du suchest. Da sprach ich zu allen, welche umgeben die Pforten meines Fleisches: Ihr sagt mir nur von meinem Gott, daß ihr es nicht seid, sagt mir doch etwas über ihn. Und sie riefen mit erhobener Stimme: Er hat uns gemacht. Meine Frage bestand in sinnender Betrachtung derselben und ihre Antwort in ihrer Schönheit. Und ich wendete mich an mich selbst und sprach zu mir: Wer bist du? Und erhielt die Antwort: Ein Mensch. Und siehe, Leib und Seele habe ich; jenes bildete das Äußere, dieses das Innere. Von welchem der zwei sollte ich meinen Gott suchen. Schon hatte ich ihn durch den leiblichen Sinn gesucht von der Erde bis zum Himmel, soweit ich nur die Strahlen meiner Augen als Boten suchen konnte. Aber von größerem Werte ist mein innerer Mensch. Ihm nämlich brachten alle Boten des Körpers Meldung zurück, der ihr Herr ist und die Antworten des Himmels der Erde und alles dessen, was darin sagte: »Wir sind nicht Gott und er hat uns selbst erst gemacht« beurteilt. Der innere Mensch erkennt dies durch den Dienst des äußeren: ich als der innere Mensch erkannte dies; ich, ich die Seele erkannte es durch den leiblichen Sinn. Ich fragte die gesamte Welt über meinen Gott und sie antwortete mir: »Nicht bin ich es, sondern er hat mich gemacht«.
Wird allen, die einen gesunden Sinn besitzen, dieser Anblick zuteil? Warum sagt er nicht allen dasselbe?
Die Tiere, die kleinen und großen sehen ihn und können doch nicht fragen, denn sie besitzen keine Vernunft, die beurteilen könnte, was ihnen die Sinne melden. Die Menschen aber können fragen, damit daß Gottes unsichtbares Wesen wird ersehen an der Schöpfung. Aber sie werden durch ihre Liebe zu ihr derselben untertan, und also untertan können sie ein Urteil nicht fällen. Auch antwortet die Schöpfung, wenn sie fragen, ohne beurteilen zu können; auch wandelt sie ihre Stimme nicht, das ist: ihre Gestalt, wenn sie der eine nur mit dem leiblichen Auge sieht, der andere zugleich schauend fragt, so daß sie dem einen anders erscheint als dem andern; sondern ihre Gestalt zeigt sich beiden auf dieselbe Weise, nur ist sie für jenen stumm, für diesen beredt; ja sie redet zu allen, aber jene nur verstehen sie, welche die Stimme von außen auch innerlich mit der Wahrheit vergleichen. Denn die Wahrheit sagt mir: Dein Gott ist weder Himmel noch Erde noch irgendein Körper. Das sagt die Natur dem, der Augen hat zu sehen: Dies ist Masse; eine Masse, kleiner im Teil als im Ganzen. Schon du bist höher, das sage ich dir, meine Seele; denn du belebst die Masse deines Körpers, gibst ihr das Leben; was kein Körper dem andern bieten kann. Dein Gott aber ist für dich auch wiederum das Leben für dein Leben.
Siebentes Kapitel
Was also liebe ich, wenn ich meinen Gott liebe? Wer ist jener, der über dem Haupte meiner Seele waltet? Durch meine Seele selbst steige ich zu ihm empor. Aber ich muß noch weiter, als meine Kraft reicht, vermittels welcher ich am Leibe hange und seine Verbindung lebend erfülle. Nicht durch solche Kraft finde ich meinen Gott: denn so finden ihn auch Rosse und Maultiere, die nicht verständig sind, welche dieselbe Kraft besitzen, vermöge welcher auch ihre Körper leben. Aber es gibt noch eine Kraft, vermöge welcher ich nicht nur belebe, sondern auch mein Fleisch, das Gott geschaffen, fähig mache, daß es empfindet; er befiehlt dem Auge, nicht daß es höre, und dem Ohre, nicht daß es sehe, sondern jenem, daß ich durch dasselbe sehe, und diesem, daß ich durch dasselbe höre: und jedem anderen Sinne im einzelnen seine Eigentümlichkeit an seinem Platze und mit seinen Aufgaben; und ob ich verschiedenes durch sie verrichte, so bin ich doch immer ein und dieselbe Seele. Doch noch höher hinauf muß ich, als diese meine Kraft reicht, denn auch sie hat Roß und Maultier, dem auch sie haben Empfindung vermöge ihres Körpers.
Achtes Kapitel
Ich werde mich also auch noch über diese Kraft meiner Natur erheben, schrittweise emporsteigend zu dem, der mich bereitet hat; werde kommen zu den Gefilden und weiten Palästen meines Gedächtnisses, wo sich befinden die Schätze unzähliger Vorstellungen, welche über irgendwelche Dinge durch die Sinne eingezogen sind, bald vermehrend, bald vermindernd, bald irgendwie verändernd, was die Sinne berührt hat; und wenn etwas anderes da zur Aufbewahrung niedergelegt ist, was nicht die Vergeßlichkeit verzehrte oder begrub. Daselbst fordere ich, solange ich bin, daß das Gedächtnis hervorbringe, was ich will; manches ist gleich zur Stelle, manches muß länger gesucht werden, manches tritt zutage gewissermaßen wie aus wohlversteckten Magazinen; manches stürzt sich scharenweise hervor, und während anderes verlangt und gesucht wird, ist es plötzlich da, als ob es sagen wollte: »Bin ich nicht auch noch da?« Aber ich beseitige es mit meiner geistigen Hand aus den Augen meiner Erinnerung, bis sich enthüllt, was ich will und zutage tritt aus Verborgenem. Manches stellt sich leicht und in ununterbrochener Reihe, so wie es gefordert wird, dar; es weicht das Frühere dem Nachfolgenden, und indem es weicht, verbirgt es sich, bis ich es wieder hervortreten lassen will. Das alles geschieht, so oft ich etwas aus dem Gedächtnisse erzähle.
Daselbst liegt alles einzeln und geschlechtsweise auf bewahrt, alles ist aufgehäuft, jedes auf seinem Wege hereingekommen; in dieser Weise das Licht und alle Farben und Formen der Körper durch die Augen, durch die Ohren aber alle Arten der Töne; alle Gerüche durch den Weg der Nase; alles, was schmeckt, durch den Weg des Mundes, durch das Gefühl aber des ganzen Körpers, was hart, was weich, was warm oder kalt, weich oder rauh, schwer oder leicht, außerhalb oder innerhalb des Körpers. Alles dies nimmt auf, um es, wenn nötig, aufzubewahren und wiederzugeben die große Haupthöhle des Gedächtnisses und ich weiß nicht, welche geheimen und unbeschreiblichen Verzweigungen es gibt; was alles zu ihm eintritt durch seine einzelnen Türen und darin niedergelegt wird. Dennoch gehen daselbst nicht die Dinge selbst ein, sondern nur ihre Vorstellungen sind daselbst für das Denken, das ihrer sich erinnert, gegenwärtig. Aber wer kann sagen, aus welchem Stoff sie gebildet sind, da nur augenfällig, durch welche Sinne sie entnommen und ins Innere verborgen werden? Denn auch in dem Schweigen der Nacht rufe ich mir, wenn ich will, die Farben ins Gedächtnis; und scheide zwischen Weiß und Schwarz und zwischen anderen Farben, die ich will; auch vermengen sich die Töne nicht noch verwirren sie, was ich mit den Augen heraufholend betrachte, da sie doch selbst hier sind und gewissermaßen abgesondert aufbewahrt sind. Denn auch sie rufe ich her, wenn mir's beliebt, und sie sind zur Stelle. Und während die Zunge ruht und die Kehle schweigt, singe ich doch, soviel ich will; und jene Vorstellungen der Farben, welche dessen ungeachtet da sind, stören und unterbrechen sich nicht, denn da wird eine andere Vorratskammer, welche vom Ohr ihren Ausgang hat, benutzt. So ist's auch mit dem übrigen, das durch die übrigen Sinne eingegangen und gehäuft ist, ich erinnere mich dessen, wenn ich will: und ich unterscheide den Duft der Lilien von den Veilchen, ohne daß ich dabei etwas rieche; und Honig vom Most, Weiches von Hartem, ohne daß ich dabei etwas schmecke oder fühle, sondern ich stelle mir's in der Erinnerung vor.
Innerlich tue ich das, im großen Hof meines Gedächtnisses. Daselbst sind mir Himmel, Erde und Meer gegenwärtig und alles, was ich darin wahrnehmen konnte, mit Ausnahme dessen, was ich vergessen habe. Daselbst begegne ich mir auch selbst und bilde mich wieder von neuem, was, wann und wo ich gehandelt habe und wie ich bei meinem Handeln gestimmt war. Dort ist alles, dessen ich mich erinnere, gleichviel, ob ich's selbst erfuhr oder von andern glaubte. Aus demselben Schatze entnehme ich bald diese, bald jene Vorstellungen der Dinge, weiche ich entweder selbst kennengelernt oder nach Analogie der mir bekannten andern geglaubt, und verwebe sie mit Vergangenem; und danach überlege ich, was in der Zukunft getan, gehofft werden und sich begeben kann, ich überlege dies, als wäre alles gegenwärtig. »ich werde dies oder jenes tun«, spreche ich zu mir in dem ungeheuren Raume meines Geistes, der voll von Vorstellungen so vieler und so großer Dinge ist, »und dies oder jenes möge folgen.« O, wenn dies oder jenes schon da wäre.« »Möge Gott dies oder jenes abwenden.« So sage ich zu mir: und während ich rede, sind die Vorstellungen aller der Dinge da, von denen ich rede, aus demselben Schatze des Gedächtnisses; überhaupt würde ich nicht etwas davon nennen, wenn es fehlte.
Das ist die große Macht des Gedächtnisses, übergewaltig, mein Gott, ein geheimes Heiligtum, weit und grenzenlos. Wer kommt zu seinem Grunde? Und das ist die Kraft meines Geistes, die meiner Natur angehört; und doch fasse ich selbst nicht ganz, was ich bin. Denn der Geist ist zu eng, um sich selbst zu fassen. Und wo mag das sein, was er vom Seinen nicht faßt? Wäre es denn etwa außer ihm selbst, nicht in ihm selbst? Wenn aber in ihm selbst, wie faßt er es doch nicht? Gewaltige Bewunderung bemächtigt sich meiner, Staunen erfaßt mich. Es ziehen die Menschen dahin, um zu bewundern die Höhen der Berge und die gewaltigen Wogen des Meeres, den breiten Fall der Flüsse, den Umfang des Ozeans, die Kreise der Gestirne, und verlassen sie selbst, ohne sich zu wundem, daß ich das alles, während ich davon redete, nicht mit Augen sah und doch nur von Bergen, Strömen und Flüssen und Gestirnen sprach, die ich gesehen, und vom Ozean, den ich mir nur vorstellte, und schaute es in dem so ungeheuer großen Raume meines Gedächtnisses, als schaute ich es vor mir; und doch, als ich es sah, hat es mir beim Sehen nicht die Augen aufgezehrt; auch sind die Dinge nicht selbst in mir, sondern nur ihre Bilder. Und ich weiß nur, aus welchem Sinne meines Körpers sich mir etwas aufgeprägt hat.
Neuntes Kapitel
Aber nicht das allein trägt die gewaltige Fassungskraft meines Gedächtnisses. Daselbst ist auch alles, was ich von den freien Wissenschaften, die ich erlernt, nicht verloren habe, die ich, als wären sie zurückgeschoben, in einem innerlichen Orte, der doch kein Ort ist, in mir trage; nicht ihre Vorste...
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Erstes Buch
- Zweites Buch
- Drittes Buch
- Viertes Buch
- Fünftes Buch
- Sechstes Buch
- Siebentes Buch
- Achtes Buch
- Neuntes Buch
- Zehntes Buch
- Elftes Buch
- Zwölftes Buch
- Dreizehntes Buch
- Titelliste Taschenbuch-Literatur-Klassiker
- Von demselben Autor/Herausgeber sind bei BOD bereits erschienen
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