Gelungene Gespräche als Praxis der Gemeinschaftsbildung
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Gelungene Gespräche als Praxis der Gemeinschaftsbildung

Literatur, Sprache, Gesellschaft

  1. 298 Seiten
  2. German
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Gelungene Gespräche als Praxis der Gemeinschaftsbildung

Literatur, Sprache, Gesellschaft

Über dieses Buch

Eine grundlegende Frage der Dialogforschung ist das Gelingen von Konversation: Was versteht man in unterschiedlichen Kulturgemeinschaften, zu unterschiedlichen Zeiten unter gelingender Kommunikation? Welche Faktoren tragen zum Gelingen eines "guten" Gesprächs bei und welche Parameter erschweren die Kommunikation und bewirken, dass sich das Glück der Konversation nicht einstellt? Dabei sehen wir das "gelungene Gespräch" als ein Mittel der Gemeinschaftsbildung: Gelungene Gespräche schaffen und bestätigen Gemeinschaft, während als misslungen bewertete Gespräche eine Dialoggemeinschaft gefährden und möglicherweise zum Ausschluss von Akteuren führen. Wir behandeln diese Fragestellungen in einer dezidiert methodologischen Verschränkung von Literatur- und Sprachwissenschaft und in einer historischen Perspektive. Die diachrone Vertiefung ist notwendig, weil das Konzept der gelungenen Konversation ein kulturelles und damit historisches Konzept ist, das sich erst in der diachronen Sicht erschließt.

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Information

Jahr
2020
eBook-ISBN:
9783110591262

I Konzepte des Gelingens zwischen Literaturwissenschaft und Linguistik

Konversation als Spiel: Charles Sorel vs. Grice und Gadamer

Christoph Strosetzki
Wenn Thomas Hobbes im Leviathan (1651) im Kapitel „Von der Sprache“ davon spricht, dass Sprache immer zum Missverstehen führt und dafür besonders die Metaphorik und die von Mal zu Mal schwankende Bedeutung der Wörter verantwortlich macht, dann hebt er die Schwierigkeit der klaren Vermittlung von Bedeutungsinhalten hervor. Ebenso kritisch äußert sich Fritz Mauthner im ersten Band seiner Beiträge zu einer Kritik der Sprache (1982, 1923), wenn er zum Schluss kommt: „Ein Hauptmittel des Nichtverstehens ist die Sprache“ und „durch die Sprache haben es sich die Menschen für immer unmöglich gemacht, einander kennen zu lernen“ (Mauthner 1982: 56, zit. nach Hinnenkamp 1998: 53 f.). Insbesondere kritisiert Mauthner, dass von Wörtern auf Gegenstände und Sachverhalte geschlossen wird: „Weil wir das Wort ‚frei‘ haben, darum halten wir uns für frei“ (Mauthner 1982: 67, zit. nach Hinnenkamp 1998: 54). Friedrich Schleiermacher geht in seinen hermeneutischen Überlegungen davon aus, dass das Missverstehen z. B. in einem Gespräch sich von selbst ergibt, dass das Verstehen aber in jedem einzelnen Punkt gewollt und gesucht werden muss (vgl. Hinnenkamp 1998: 54 f.). Präzis auf den Punkt bringt es der Hermeneutiker Emilio Betti:
Mißverstehen (perverse interpretari, perperam intellegere) heißt, mit der Rede einen anderen als den ihr eigenen Sinn verknüpfen, sei es, daß man wegen Verwechslung eine Andeutung nicht auf das eigentlich Gemeinte (‚referend‘), sondern auf Nichtgemeintes bezieht, sei es, daß man den unausgesprochenen Bestandteil einer elliptischen Rede (ihre Voraussetzungen) falsch ergänzt.1
In allen genannten Fällen geht es um einen vom Sprecher gemeinten Inhalt, der vom Hörer nicht oder falsch verstanden wird, weshalb von einem Missverständnis die Rede sein kann. Die ideale Konversation geht davon aus, dass der Gesprächspartner die Wahrheit sagen will, sich auf sein Gegenüber einstellt und eine inhaltliche Information hat, die für das Gegenüber von Bedeutung ist. Grice hat dies in normativen Kooperationsprinzipien formuliert, die in vier Gruppen von Maximen zu unterteilen sind:2 Die Quantitätsmaximen erheben zwei Forderungen: Dein Beitrag soll so informativ wie möglich sein! Und dein Beitrag soll nicht informativer als nötig sein! Die Qualitätsmaximen wünschen dreierlei: Du sollst dich bemühen, deinen Beitrag wahr sein zu lassen! Sage nichts, was du für falsch hältst! Und sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen! Bei der von Grice genannten Relationsmaxime heißt es lapidar: Sei relevant! Von den Maximen der Art und Weise schließlich gibt Grice fünf an: Sprich klar und verständlich! Vermeide dunkle Ausdrücke! Vermeide mehrdeutige Ausdrücke! Fasse Dich kurz! Und sprich geordnet! Während also die Maximen der Art und Weise aus der claritas-Regel der klassischen Rhetorik abzuleiten sind (Ueding 2003: 814), beziehen sich die übrigen auf die Inhalte, die wahr und relevant sein sollen.
Ein Gespräch über Inhalte ist es auch, das Hans Georg Gadamer in einem seiner wenigen literarischen Werke, einem fiktiven ‚sokratischen‘ Dialog zwischen Sokrates und Fred, vorführt. In dieser Konversation, von der der Anfang zitiert werden soll, werden alle Grice’schen Postulate erfüllt.
Sokrates: Wohin so eilig?
Fred: Zum Tennis!
Sokrates: Wo spielst Du denn?
Fred: Nun, doch natürlich in dem besten Klub der Stadt.
Sokrates: So, du weißt also, welcher der beste ist?
Fred: Natürlich.
Sokrates: Das interessiert mich. Bei so vielen Dingen habe ich vergeblich gefragt, was das ist, was etwas gut sein läßt. Ich bin glücklich, jemanden gefunden zu haben, der es weiß, wenn auch nur im Tennis. Darf ich fragen?
Fred: Bitte.
Sokrates: Sag mir, warum ist dein Klub der beste?
Fred: Weil man die besten Verbindungen bekommt.
Sokrates: Was für Verbindungen? Zum Tennisspielen?
Fred: Ach wo, halt Verbindungen.
Sokrates: Aber sage mir, gehst du nicht in den Tennisklub, um Tennis zu spielen?
Fred: O ja, das auch.
Sokrates: Nun, dann sage mir, warum dein Klub für dein Tennisspielen der beste ist. (Gadamer 2000: 227)
Die Konversationsbeiträge von Fred und Sokrates entsprechen den Grice’schen Maximen. Sokrates geht es um die relevante Frage, was das Beste bzw. was das Gute ist. Beide vermeiden dunkle Ausdrücke, fassen sich kurz und sprechen geordnet. Ihre Beiträge sind ausreichend informativ und entsprechen der Wahrheit. Mit platonischen Dialogen kannte sich Gadamer aus, hatte er doch 1922 an der Universität Marburg bei Paul Natorp und Nicolai Hartmann über „Das Wesen der Lust nach den platonischen Dialogen“ promoviert. Dass es in Gadamers Hermeneutik fast immer um das Verstehen von sachlichen Inhalten geht, belegen Aussagen wie: „Sachliche Verständigung im Gespräch ist gerichtet auf Wissen“ (Gadamer 1985: 15). An erster Stelle steht für Gadamer die Sache, erst kann kommt der Gesprächspartner: „Verstehen, was einer sagt, ist, wie wir sahen, sich in der Sache Verständigen und nicht: sich in einen anderen Versetzen und seine Erlebnisse Nachvollziehen“ (Gadamer 1975: 361). Auch dass der Gesprächspartner Träger einer Meinung ist, erscheint sekundär:
Verstehen [heißt] primär […] sich in der Sache verstehen, und erst sekundär, die Meinung des anderen als solche abheben und verstehen. Die erste aller hermeneutischen Bedingungen ist das Vorverständnis das im Zu-tun-haben mit der gleichen Sache entspringt. (Gadamer 2010: 299, zit. nach Wagner 2011: 145)
Mit „Sache“ meint Gadamer das, was wir bisher mit „Inhalt“ bezeichnet haben. Und auch dort, wo Gadamer sein hermeneutisches Modell, die Zirkelhaftigkeit des Verstehens, erklärt, zeigt er sich als Kenner der antiken Sprachen und Literaturen:
Wir kennen das aus der Erlernung der alten Sprachen. Wir lernen da, daß wir einen Satz erst ‚konstruieren‘ müssen, bevor wir die einzelnen Teile des Satzes in ihrer sprachlichen Bedeutung zu verstehen suchen. […] Einstimmung aller Einzelheiten zum Ganzen ist das jeweilige Kriterium für die Richtigkeit des Verstehens. Das Ausbleiben solcher Einstimmung bedeutet Scheitern des Verstehens. (Gadamer 1975: 275)
Das Konstruieren eines griechischen Satzes zeigt sich als Entwerfen eines Gesamtsinns, dessen Stimmigkeit durch die einzelnen Teile des Satzes belegt oder widerlegt wird. Genauso funktioniert nach Gadamer die Zirkelhaftigkeit des Verstehens:
Wer einen Text verstehen will, vollzieht immer ein Entwerfen. Er wirft sich einen Sinn des Ganzen voraus, sobald sich ein erster Sinn im Text zeigt. Ein solcher zeigt sich...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung
  5. I Konzepte des Gelingens zwischen Literaturwissenschaft und Linguistik
  6. II Gespräch und Philosophie
  7. III Gelungene Gespräche, Gesellschaft und Gemeinschaftsbildung
  8. IV Gelingende Interaktion und Gender
  9. V Fiktionen des Gelingens