
Auf der Suche nach Autofiktion in der antiken Literatur
- 256 Seiten
- German
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Auf der Suche nach Autofiktion in der antiken Literatur
Über dieses Buch
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war der traditionelle Auslegemodus der Klassischen Philologie biographisch orientiert. Jedoch sahen sich die Interpreten antiker Texte durch den proklamierten "Tod des Autors" (Roland Barthes) zu diametral entgegengesetzten Reaktionen provoziert: dem bewussten Festhalten an der biographischen Deutung bzw. der völligen Aufgabe der Interpretationskategorie des Autors. Problematisch bleibt bei beiden Ansätzen aber, dass das 'Ich' antiker Texte in der Regel sowohl Bezugspunkte zum historischen Autor und seiner Umwelt wie auch fiktionale Elemente aufweist.
Der Begriff der Autofiktion, der seit Serge Doubrovskys Neuschöpfung in den 1970er Jahren vielgestaltig weiterentwickelt wurde, erscheint in diesem Zusammenhang als adäquates Interpretationsinstrument, um dem beschriebenen Phänomen des Ichs in antiken Texten differenzierter Rechnung tragen zu können. Denn 'Autofiktion' hinterfragt, zugespitzt formuliert, die Trennung von historischer Realität und fiktionaler Textwelt in ihrer Undurchlässigkeit. Daher wird in diesem Band in exemplarischen Fallstudien eine Anwendung des vielgestaltigen Begriffs der Autofiktion auf antike Texte kritisch reflektierend erprobt.
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Information
Zum Autofiktionsbegriff aus klassisch-philologischer Perspektive anhand von Ovids poetischer Autobiographie (trist. 4,10) – oder Autofiktion?
Abstract
1 Zu den modernen Konzepten der Autofiktion und zur Fiktion
- Wenn der französische Literaturwissenschaftler, Autor und Erfinder dieses Begriffes Serge Doubrovsky von der Autofiktion i. S. v. „Fiktion strikt realer Ereignisse und Fakten“ spricht, bezieht er sich weder auf eine mögliche Fiktivität der dargestellten Ereignisse noch auf eine fiktionsspezifische Darstellung, sondern auf die irreführende paratextuelle Gattungsbezeichnung „Roman“ und das durch die Psychoanalyse inspirierte Arrangement der erzählten Ereignisse.6 Beide Umstände sind – zumindest in diesem Fall – keine Fiktionssignale, da sein eigener Erzähltext Fils (1977), auf den Doubrovsky sich bezieht, kein Roman im Sinn einer erfundenen Erzählung ist und da die Vernachlässigung der chronologischen Reihenfolge der erzählten Ereignisse auch in faktualen Erzähltexten vorkommt.7 Eine derartige Komposition der Erzählung bedeutet keine Fiktionalisierung von Ereignissen, sofern das traditionelle Verständnis von Fiktion zugrunde gelegt wird.8 Statt von Autofiktion in diesem Sinn sollte man eher von einer Autobiographie sprechen.9
- In der französischen Literaturwissenschaft wird der Begriff der Autofiktion häufig in dem Sinn verwendet, dass eine Namensidentität zwischen dem Autor und einer Figur der Erzählung besteht und eine Gattungsbezeichnung vorliegt, die Fiktionalität für sich in Anspruch nimmt. Diese Konstellation wird mit den folgenden Gleichungen ausgedrückt, die zumindest paradox anmuten: A (Autor) ≠ E (Erzähler) = F (Figur) und A = F. Denn normalerweise gilt, dass, wenn der Autor mit der Hauptfigur identisch ist, dann auch der Autor mit dem Erzähler zusammenfällt bzw. zwischen diesen Instanzen nicht unterschieden werden kann (A = E = F): es liegt eine Autobiographie vor.10 Die Autofiktion wird aber der Fiktion zugerechnet; folglich wird zwischen dem Autor und dem Erzähler unterschieden, und die Gleichung A = F bezieht sich nur auf die Identität der Namen von Autor und Hauptfigur.11Insofern ist die Gleichung A = F irreführend. Stattdessen müsste man ein Symbol setzen für „entspricht nur teilweise“ (A ≈ F), da die Hauptfigur signifikant von der historischen Person des Autors abweicht. In dieser Bedeutung stellt die Autofiktion ein einleuchtendes Konzept im Sinn einer Präzisierung bzw. Skalierung dar, da sich die Autofiktion einerseits dadurch von besonders deutlichen Fällen von fiktionalen homodiegetischen Erzählungen (wie Manns Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull oder Defoes Robinson Crusoe) unterscheidet, dass die Hauptfigur denselben Namen wie der Autor trägt und/oder ein paar Persönlichkeitsmerkmale mit ihm teilt, und sich andererseits dadurch von der Autobiographie unterscheidet, dass auch Abweichungen von der Wahrheit bzw. Diskrepanzen zwischen der Hauptfigur und dem Autor vorliegen.12Wichtig ist aber die Voraussetzung, dass der Begriff der Fiktion auch wirklich die Fiktion (in der eingangs genannten Bedeutung) bezeichnet: Es reicht nicht aus, dass der Autor über sich selbst spricht, sondern es muss anhand von Fiktionssignalen erkennbar sein, dass die erzählende und die erzählte Figur durch erfundene Merkmale und/oder Handlungen vom historischen Autor abweichen und der Text von der Verpflichtung entbun...
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- Autofiktion(en) in der antiken Literatur
- Autofiktionen und Maskenspiele bei Kallimachos: eine Poetik der Irritation?
- Die römische Liebeselegie als autofiktionale Gattung? Überlegungen zu Chancen und Grenzen am Beispiel von Ovids Amores
- Ovidfiktionen: Zwischen Rom und Rumänien
- Apologien erotischer Dichtung und Autofiktion: Drei Fallstudien
- Zum Autofiktionsbegriff aus klassisch-philologischer Perspektive anhand von Ovids poetischer Autobiographie (trist. 4,10) – oder Autofiktion?
- Zur biographischen Modellierung des historiographischen Ichs bei Sallust, Livius und Tacitus
- Fortuna non mutat genus (Hor. epod. 4,6)
- Emicem liber: Text und (horazisches) Ich in Prudentius’ Praefatio
- In the Temple of Daphnean Apollo: “Philostratus” in His Works
- „Eines der ärgerlichsten Musterstücke verlogener Rhetorik“: Hieronymus’ Traum und die Begründung seiner Autorschaft
- Zu den Autorinnen und Autoren
- Index