Eine Gesamtdarstellung der vielfältigen Beziehungen zwischen Kunst und Religion vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert fehlt bisher. Das vorliegende Werk geht diesen Beziehungen in den Bereichen der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik nach. Die Kunst dieses Zeitraums ist weitgehend religiös, genauer gesagt: christlich geprägt. Das gilt nicht nur für das Mittelalter, dessen scholastische Theologie ihren dichterischen Niederschlag in Dantes "Göttlicher Komödie" findet, sondern auch für die Renaissance. Die christliche Prägung betrifft Werke der bildenden Kunst, aber auch musikalische Kompositionen wie Messen, die entweder kirchliche Auftraggeber haben oder für Kirchen und kirchliche Einrichtungen in Auftrag gegeben werden.
Die Reformation bedeutet in dieser Hinsicht keinen grundlegenden Wandel, nur dass das Christliche jetzt konfessionelle Ausprägungen erhält, die sich auch in der Kunst manifestieren. Gerade in der bildenden Kunst wird der Bruch bemerkbar, den die Reformation religiös bedeutet. Denn deren Kritik richtet sich gegen Kultbilder und Bilderverehrung und kann sich bis zum Ikonoklasmus steigern. Während der Calvinismus die Bilder aus der Kirche vertreibt und die Malerei sich andere Felder suchen lässt, bedient sich der nachtridentinische Katholizismus je länger desto mehr der bildenden Kunst als eines religiösen Propagandamittels. Auch die verschiedenen Gattungen der Literatur, vom Gedicht, Epos und Roman bis hin zum Schauspiel, widmen sich nicht nur christlichen Themen, sondern treten vielfach in den Dienst der konfessionellen Apologetik und Polemik.
Und konfessionell geprägt ist schließlich auch die kirchliche Musik, insofern sich mit der Reformation die einheitliche Form des Gottesdienstes auflöst. Neben die musikalische Gestaltung der tridentinischen Messe tritt jetzt im lutherischen Gottesdienst der Choral, im calvinistischen der Psalter. Die konfessionelle Prägung der europäischen Kunst bleibt bis ins 18. Jahrhundert erhalten und verliert erst mit der Aufklärung an Bedeutung. Wer einen allgemeinen Überblick über die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Kunst und Religion vom Mittelalter bis zur Epoche des Barock gewinnen möchte, muss zu dem vorliegenden Werk greifen.
Häufig gestellte Fragen
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Zu den ausdrucksstärksten deutschen religiösen Kunstwerken im Übergang von der Spätgotik zur Renaissance gehören die Gemälde Matthias Grünewalds. Grünewald, dessen eigentlicher Name vermutlich „Mathis Gothart Nithart“ lautete und der auch wohl „Mathis, der Maler“ genannt wurde, ist wahrscheinlich um 1480 in Würzburg geboren und 1528 in Halle gestorben. Der Name „Matthias Grünewald“ geht auf den Kunsttheoretiker Joachim von Sandrart und dessen „Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild und Mahlerey-Künste“ zurück. Das größte Werk Grünewalds ist der „Isenheimer Altar“, ein Wandelaltar, den er zwischen 1512 und 1516 für das oberelsässische Antoniterkloster Isenheim schuf (Abb. 1).
Die Antoniter, die sich an der Regel des Kirchenvaters Augustin orientierten, waren auf Krankenpflege spezialisiert und unterhielten in Isenheim nahe der freien Reichsstadt Kolmar eine Niederlassung. Den Auftrag für den großen Altar, der in der Kirche des Krankenspitals Aufstellung finden sollte, erteilte der Italiener Guido Guersi, der bis 1516 dem Kloster als Präzeptor vorstand. Die Schauseite des Altars kann je nach Kirchenjahr verändert werden. So blieb das Retabel an Werktagen und in der Fastenzeit geschlossen. Die Kranken wurden auf diese Weise mit der Kreuzigung, also dem Leiden Christi, in dem sie sich selbst wiederfinden konnten, konfrontiert. Die Flügelbilder neben der Mitteltafel mit der Kreuzigung waren dem Ordenspatron Antonius und dem heiligen Sebastian vorbehalten. Beide sind Krankenheilige: Antonius hilft vor allem gegen das sogenannte Antoniusfeuer, Sebastian gegen die Pest. Beide stehen statuengleich auf einer von Weinlaub umrankten Konsole. Der weitgehend entblößte Sebastian ist zwar von Pfeilen durchbohrt, weist aber keinerlei Züge von Schmerz auf. Von der Säule, an die er gefesselt war, ist er bereits wieder gelöst. Hinter ihm gibt ein Fenster den Blick frei in eine Landschaft, über der Engel herbeischweben, um dem Heiligen die Märtyrerkrone aufzusetzen. Dem halbnackten jungen Sebastian korrespondiert ein mit Mönchskutte und Kappe bekleideter bärtiger Antonius als alter Mann mit dem typischen Taukreuz in der Linken. Hinter dem rückwärtigen Fenster ist ein kleiner weiblicher Teufel zu sehen, der die Butzenscheiben aus der Bleifassung herausdrückt. Die Predella zeigt eine Beweinung des toten Christus, der von Johannes unter den Armen hochgehoben wird, während Maria und Maria Magdalena klagend neben dem Sarg knien. Zu Füßen des Leichnams liegt die Dornenkrone. Die Mitteltafel mit der düsteren Kreuzigung gehört zu den erschütterndsten Darstellungen der Szene. An dem Kreuz, gebildet aus einem kräftigen Stamm und einem krummen Querholz, hängt völlig verkrampft der durch die Geißelung geschundene Leichnam Jesu schlaff herab. Durch die übereinandergestellten Füße ist ein großer Nagel gehauen. Die Finger der festgenagelten Hände spreizen sich vor Schmerz. Das Haupt Jesu mit der großen Dornenkrone, die sich in die Kopfhaut gebohrt hat, ist auf den Brustkorb gesunken. Der Mund steht halboffen, die Augen sind geschlossen. Aus der Seitenwunde quillt das Blut und rinnt herab. Hell erleuchtet der Titulus „Inri“. Über die leere Hochfläche hat sich Dunkel ausgebreitet. Links vom Kreuz sieht man die in Ohnmacht sinkende Maria mit gefaltenen Händen, die von Johannes aufgefangen wird. Zu ihren Füßen, die Hände verzweifelt zum Gebet emporgereckt, kniet Maria Magdalena, vor sich das Salbgefäß. Rechts vom Kreuz weist Johannes der Täufer mit aufgeschlagener Bibel in der Linken mit der Rechten auf den Gekreuzigten. Die Geste wird durch den Schriftzug mit Joh 3,30 auf Latein –„Jener muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ – ebenso interpretiert wie durch das Lamm zu Füßen des Täufers, das ein Kreuz trägt und aus dessen Wunde Blut in einen goldenen Kelch quillt. Das Lamm verweist auf ein anderes Wort des Täufers, nämlich Joh 1,29: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ Es deutet den Tod Jesu als erlösendes Opfer für die Sünden der Menschheit, dessen Blut sich im Abendmahlskelch sammelt5.
In der Zeit von Weihnachten und Ostern, möglicherweise auch jeden Sonntag, wurde das Retabel zur mittleren Schauseite hin geöffnet. Sie zeigt als Flügelbilder die Verkündigung und die Auferstehung, in der Mitte hingegen das Engelkonzert und die Geburt Christi (Abb. 2).
Die Verkündigung geschieht in einem lichten kapellenartigen gotischen Raum mit Maßwerkfenstern und Kreuzgewölbe, der durch Vorhänge an Stangen abtrennbar ist. Der Erzengel Gabriel, dessen Gewand vom Flug noch aufgebauscht ist und dessen Flügel sich gerade zu beruhigen scheinen, überbringt Maria die frohe Kunde von der Geburt Jesu. Die blonde Jungfrau im blauschwarzen Kleid wendet ihren Kopf erschrocken zur Seite. Vor ihr gleitet die Heilige Schrift, in der sie Jes 7,14 f. aufgeschlagen hatte, von der Truhe, auf der sie zum Lesen lag. Es ist dieselbe Stelle, die im Gewölbezwickel der gemalte Prophet Jesaja einem entgegenhält. Kaum sichtbar schwebt bei der Verkündigung eine Taube auf Maria herab und deutet so die Empfängnis durch den Heiligen Geist an6. Die große Mitteltafel der mittleren Schauseite gliedert sich in zwei Teile. Rechts hält die Madonna das neugeborene nackte Kind in ihren Armen, während links in dem durch einen Vorhang abtrennbaren gotischen Gehäuse Engel ein Konzert spielen. Der übernatürliche Charakter der Geburt wird durch die Himmelserscheinung zum Ausdruck gebracht. Über einer goldenen Wolke, die angefüllt ist mit Engelscharen, thront Gottvater mit Zepter und Reichsapfel als Weltenherrscher. Am unteren Rand der Wolke lösen sich einige Engel und bringen den Hirten, die ihre Schafe auf der Wiese über der Klosteranlage weiden, die frohe Botschaft. Eine hohe Bergkette in bläulichem Dunst schließt die Szene ab. Maria befindet sich mit dem Neugeborenen, das mit einem Rosenkranz spielt, in einem Garten, der von einer Mauer umgeben ist und den symbolisch aufgeladene Gewächse zieren. Es handelt sich um den ikonographisch traditionellen hortus conclusus. Neben Maria steht ein Badezuber mit Krug und eine mit Bettzeug ausgestattete Krippe. Von dem roten Kleid und dem blauen Umhang der Mutter heben sich die zerschlissenen Windeln des Kindes ab, die bereits auf sein bitteres Ende hindeuten7.
Völlig rätselhaft und ikonographisch einmalig ist die Szene des Engelkonzerts. In seltsamer Haltung spielen Engel, darunter auch ein gefiederter Cherub, auf Streichinstrumenten, von kleineren, teilweise betenden Engeln und Cherubim umschwärmt. Abgesehen von dem Engel im Vordergrund, der die Bass-Viola spielt, befinden sich die Engel unter einem Baldachin, der in dem reich verzierten gotischen Gehäuse gespannt ist. Das Gehäuse selbst ist mit alttestamentlichen Prophetengestalten verziert, und in einem Tympanon stellt ein Relief die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedek dar. Darunter kniet eine junge Frau, die sich betend der Madonna mit Kind zuwendet. Ihr Antlitz ist hell erleuchtet, und ihr Haupt mit einer Flammenkrone auf ihrem lang herabfallenden blonden Haar ist von einer goldroten Gloriole umstrahlt. Über ihr schweben zwei Engel, die Krone und Zepter halten. Alles deutet darauf hin, dass es sich bei der jungen Frau um Maria handelt, die inmitten der himmlischen Engelschar und aufgrund der Herrschaftsinsignien als Himmelskönigin ausgewiesen ist. Wie die Himmelskönigin Maria traditionell als Fürbitterin vor dem erhöhten Christus kniet, so kniet sie hier vor dem neugeborenen Erlöser. Wenn es sich bei der Szene um die zukünftige Krönung Mariens zur Himmelskönigin handelt, die ja erst nach der Aufnahme Mariens in den Himmel und somit natürlich auch nach der Geburt Jesu stattfindet, dann legt es sich nahe, sie als die visionäre Vorwegnahme des Ereignisses zu betrachten. Diese Deutung wird bestätigt durch den Bericht Franz Lerses, des Straßburger Jugendfreunds Goethes, der den Isenheimer Altar zwischen 1777 und 1793 besuchte. Er beschreibt zunächst die Szene mit der Madonna samt Neugeborenem im Garten, um dann fortzufahren:
Über der Jungfrau sieht man in der größten Entfernung hoch in den Wolken Gott den Vater mit dem ganzen Himmelsheere. Gegenüber wird ihr (also der großen Madonna mit dem Kinde) wie in einem Gesicht die künftige Verehrung und Herrlichkeit, die sie zu gewarten hat, gezeigt. In einem reich geschmückten Saale von sehr schöner Architektur, sogenannter gothischer Bauart, stimmen die Himmelsbewohner mit allen musikalischen Instrumenten begleitete Lobgesänge zu Ehren der hl. Jungfrau an, die in verschiedenen Gestalten angebetet und verehrt wird.8
Der mehrfarbige Nimbus der Verklärung, der die Himmelskönigin umgibt, erinnert an den Nimbus des Auferstandenen auf dem rechten Flügelbild der mittleren Schauseite des Retabels (Abb. 3).
Abb. 3: Matthias Grünewald, Die Verkündigung und die Auferstehung Christi, Isenheimer Altar (1512–16); Colmar, Unterlindenmuseum.
Die Auferstehung Jesu wird als ein derart dramatisches Geschehen dargestellt, dass die bewaffneten Grabwächter in ihren Rüstungen erschrocken zu Boden stürzen. Die schwere rote Marmorplatte ist vom Sarkophag geschoben, und aus dem Grab erhebt sich, das weiße Leichentuch abstreifend, der auferstandene Christus in die Höhe und zeigt seine Wundmale. Das Grabtuch wird von den Farben des Nimbus, der ihn umgibt, blau, rot und golden gefärbt. Der Auferstandene scheint sich in die Lichtaureole hinein zu verklären, während ringsum der nachtdunkle Himmel von Sternen erleuchtet wird. Die drei Farben der Lichtaureole deuten dabei die Trinität an, in die der auferstandene Christus zurückkehrt9.
Die innere Schauseite, die vermutlich nur am Patronatsfest des Antonius und bei hohen Ordensfesttagen geöffnet wurde, zeigt schließlich den Altarschrein mit dem Ordenspatron in der Mitte. Er ist in der üblichen Tracht dargestellt und hält in seiner Rechten das Tau-Kreuz, in seiner Linken ein Buch, vermutlich die Ordensregel. Ihm ist traditionell ein Ferkel mit Glöckchen zugeordnet. Vor ihm knien zwei neubekehrte Männer, darunter ein turbantragender Maure mit Ferkel. Links von Antonius steht Augustinus, dessen Regel die Antoniter übernahmen, ihm zu Füßen der Stifter des Altars Guido Gersi und Hieronymus, der die Vita des Eremiten Paulus schrieb, mit dem Löwen. Die Predella der inneren Schauseite zeigt Christus als Weltenherrscher inmitten seiner zwölf Jünger. Die Schnitzfiguren dieser Seite stammen alle nicht von Grünewald, sondern vermutlich von Niklaus von Hagenau. Die hingegen von Grünewald gemalten beiden Flügelbilder zeigen zum einen den Besuch des Anachoreten Antonius bei dem Eremiten Paulus von Theben in der Wüste und zum andern die Versuchung des Antonius. Auf dem ersten Bild sitzen sich die beiden Eremiten gestikulierend gegenüber, Antonius in seiner Ordenstracht und Paulus in einem Gewand aus Palmblättern, das seinen abgemagerten alten Körper notdürftig bedeckt. Die angeregte Unterredung findet in dem höhlenartigen Refugium des Paulus statt. Von einem abgestorbenen Baum naht ein Rabe, der den Eremiten täglich mit Nahrung versorgt. Das zweite Flügelbild stellt in einer an Bosch erinnernden Weise die Versuchung des Antonius dar. Der Anachoret liegt am Boden und hält sich krampfhaft an einem Ast fest, aufs äußerste bedrängt von Dämonen in unterschiedlicher Tiergestalt. Seine Klause ist bereits ein Opfer ihrer Zerstörungswut geworden. Fern am Himmel erkennt man Engel im Kampf gegen die Dämonen, und an einem Baumstumpf vorne rechts stehen auf einem Zettel die lateinischen Worte des Antonius: „Wo warst du, guter Jesus, wo warst du? Warum bist du nicht gekommen, um meine Qualen zu beenden?“10 In der „Legenda aurea“ wird berichtet, wie Antonius in einem Grab von Dämonen gequält wird.
Da erschienen die bösen Geister in mancherlei greulicher Tiere Gestalt und zerrten ihn abermals mit ihren Hörnern und Zähnen und Krallen gar jämmerlich. Aber auf einmal kam ein lichter Schein und verjagte die Teufel ganz und gar; und Antonius war alsbald gesund. Da verstund er wohl, daß Christus gegenwärtig war, und sprach ‚Guter Jesu, wo warst du, daß du nicht zu dem ersten bist hie gewesen, und mir halfest und heiltest meine Wunden?‘ Da antwortete unser Herr und sprach ‚Antoni, ich war bei dir, doch gelüstete michs, zuzusehen deinem Streit; nun aber, da du so mannlich hast gestritten, will ich deinen Namen groß machen in aller Welt‘.11
Der „Isenheimer Altar“ qualifizierte Grünewald als herausragenden Maler von Altarretabeln, und das dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb Albrecht von Brandenburg und ihm nahestehende Kleriker ihn mit Altargemälden für ihre Kirchen beauftragten. 1516 scheint er in den Dienst des neuen Mainzer Erzbischofs getreten zu sein. Albrecht war der Sohn des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg und seit 1513 Erzbischof von Magdeburg und Administrator des Bistums Halberstadt. Trotz des kirchlichen Verbots, mehr als einen Bischofssitz innezuhaben, gelang es ihm, 1514 auch noch Erzbischof und Kurfürst von Mainz und damit der ranghöchste Geistliche des Reiches zu werden. 1518 wurde er zum Kardinal ernannt. Die für den Erwerb der geistlichen Ämter und Würden erforderlichen hohen Geldsummen lieh er sich bei den Fuggern und trieb sie durch den neuen Ablass, den Leo X. 1517 verkündete, um mit ihm den Bau des Petersdoms zu finanzieren, wieder ein. Mit dem Ablasshandel, der in den Bistümern Magdeburg und Halberstadt in den Händen des Dominikaners Johann Tetzel lag, stützte Albrecht auch seine umfangreiche Förderung der Wissenschaften und Künste. Noch bevor er in den geistlichen Stand wechselte, hatte er mit seinem Bruder die Universität Frankfurt an der Oder gegründet, und Halle an der Saale, wo er auf der Moritzburg residierte, wollte er nach dem Vorbild italienischer Höfe in eine prachtvolle Renaissanceresidenz verwandeln. Zu der von Albrecht bestellten Neuausstattung der Hallenser Stiftskirche „Hl. Moritz und Sel. Maria Magdalena zum Schweißtuch des Herrn“ gehörte auch Grünewalds „Mauritiusaltar“ im südlichen Seitenschiff (Abb. 4).
Abb. 4: Matthias Grünewald, Die Heiligen Erasmus und Mauritius (1520/21–24); München, Alte Pinakothek.
Das zwischen 1520/21 und 1524 entstandene Retabel des Altars zeigt die Heiligen Erasmus und Mauritius im Gespräch. Grünewald hat Erasmus die Züge Albrechts verliehen, auf den auch die Wappen seiner Bistümer Magdeburg...
Inhaltsverzeichnis
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Contents
Einleitung
1 Luthers Reformation und die bildende Kunst
2 Bilderverbot und Malerei
3 Bibel, Gottesdienst und Kirchenlied in der Reformation
4 Für und wider die Reformation
5 Protestantismus und Theater
6 Renaissancedichtung in Frankreich
7 Literatur in Spanien und Italien
8 Tizian
9 Der Beginn des Manierismus und Michelangelo
10 Luthertum, Calvinismus und Trienter Konzil
11 Rom und Florenz
12 Spanien und Venedig
13 Die Niederlande, Frankreich und das Heilige Römische Reich
14 Calvinistischer Psalter und lutherischer Choral
15 Die katholische Kirchenmusik und ihre Ausstrahlung
16 Von Tasso zu Marino
17 Bruno und Campanella
18 Spanische Dichtung und Lope de Vega
19 Cervantes
20 Französische Dichtung zwischen Renaissance und Vorklassik
21 Protestantischer Konfessionalismus und deutsche Literatur