Die Zehn Gebote
eBook - ePub

Die Zehn Gebote

Verstehen, was wir tun können

  1. 204 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die Zehn Gebote

Verstehen, was wir tun können

Über dieses Buch

Eigentlich sind die Zehn Gebote einer der wichtigsten Texte im christlichen Glauben. Regelmäßig werden sie sogar als "Grundwerte" unserer Gesellschaft bezeichnet. Aber was ist eigentlich gemeint mit "Du sollst Vater und Mutter ehren" oder "Du sollst dir kein Bildnis machen"? Was heißt das konkret für unser Leben heute? Und wieso wissen wir nicht mehr über das, was uns angeblich so wichtig ist?Diese Wissenslücke möchte Okko Herlyn schließen und nimmt jedes Gebot einzeln in den Blick. Mit pointierten Erklärungen und konkreten Beispielen aus unserer modernen Lebenswelt gelingt es ihm, die Grundlagen des Glaubens auf unterhaltsame und zeitgemäße Art zu vermitteln: Wie bei seinen Büchern "Das Vaterunser" und "Was ist eigentlich evangelisch?" führt er auch in diesem Buch mit seinem charmanten Stil durch die Zehn Gebote und zeigt auf, was sie für unseren Glauben und unsere Gesellschaft heute bedeuten.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Die Zehn Gebote von Okko Herlyn im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Philosophie & Religion. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

IX. „NICHT EHEBRECHEN“
Bleibende Botschaften aus einer fremden Welt
1. „Gott sei Dank, sie haben sich!“
„Du sollst nicht ehebrechen.“ Es gibt wohl kaum ein anderes unter den Zehn Geboten, das so aus der Zeit gefallen zu sein scheint wie dieses. Ganze Klatschspalten der Regenbogenpresse leben von nichts anderem als der genüsslichen Ausbreitung außerehelicher „Seitensprünge“, vornehmlich prominenter Personen. Der mitunter damit einhergehende leicht empörte Unterton ist voller Heuchelei. Aber er fördert das Geschäft. In Wahrheit jedoch scheint dieses Gebot kaum noch jemand ernst zu nehmen. Woran liegt das?
Wahrscheinlich an dem gewandelten Verständnis der Ehe selbst. Gehörte diese vor Generationen noch zur sozusagen selbstverständlichen Ausstattung einer bürgerlichen Existenz, so ist sie seit geraumer Zeit doch sehr in die Wetterfront verschiedenster Ansichten, Einstellungen, moralischer Erhebungen und kritischer Analysen geraten. Schon in Wilhelm Buschs berühmter „Knopp-Trilogie“ lesen wir:
„Oh wie lieblich, oh wie schicklich,
sozusagen herzerquicklich,
ist es doch für eine Gegend,
wenn zwei Leute, die vermögend,
außerdem mit sich zufrieden,
aber von Geschlecht verschieden,
wenn nun diese, sag’ ich, ihre
dazu nötigen Papiere,
so wie auch die Haushaltssachen
endlich mal in Ordnung machen
und in Ehren und beizeiten
hin zum Standesamte schreiten,
wie es denen, welche lieben,
vom Gesetze vorgeschrieben,
dann ruft jeder freudiglich:
,Gott sei Dank, sie haben sich!‘“
Was sich hier, gezeichnet mit dem literarischen Pinselstrich feiner Ironie, nur andeutet, birgt eine Fülle von Spannungen, um nicht zu sagen: Widersprüchen, die einem schon beim ersten Blick auf das Gebot, die Ehe nicht zu brechen, sogleich ins Auge fallen. Hier die auffallendsten:
Einerseits haben wir es bei „Du sollst nicht ehebrechen“ der Form nach mit einem sogenannten apodiktischen Gebot zu tun, das ohne Wenn und Aber eine Art zeitloser Gültigkeit zu beanspruchen scheint. Andererseits teilt uns die historische Forschung glaubhaft mit, dass es Zeiten gegeben hat, in denen die Ehe als Institution für viele Menschen gar nicht infrage kam, etwa bei dem armen Teil der mittelalterlichen Bevölkerung. Welchen Sinn sollte hier ein solches Gebot gehabt haben? Auch wird man darauf hinweisen dürfen, dass unsere gegenwärtige Gesellschaft inzwischen eine ganze Reihe von anderen Lebensformen als die einer klassischen Ehe kennt. Die sie für sich wählen, verwahren sich dagegen, immer wieder am Modell der Ehe gemessen und bewertet zu werden. Selbst der Gesetzgeber hat dieser gewandelten gesellschaftlichen Realität Rechnung getragen, etwa mit der Weiterentwicklung der bis dahin möglichen „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ zu einer sogenannten „Ehe für alle“.
Einerseits scheint das Gebot Garant einer traditionellen Werteordnung zu sein, die sich offensichtlich wieder steigender Beliebtheit erfreut, wenn auch auf einer eher nostalgischen Ebene. Ganze Branchen verdienen mittlerweile ihr Geld mit „Wedding Planning & Design“, nicht erst seit Roy Black schon vor Jahrzehnten dem Traum „Ganz in Weiß“ nachgeschluchzt hat. Andererseits steht diesem wiederbelebten Ehe-Mythos die Tatsache einer überaus hohen Scheidungsrate entgegen, nicht selten eben wegen Ehebruchs. So viel zunächst einmal zum Realitätsgehalt der vielen vor dem Standesbeamten oder dem Traualtar gegebenen Treueschwüre, in guten wie in schweren Tagen beieinanderzubleiben, „bis dass der Tod uns scheidet“.
Einerseits gilt und galt vor allem in christlichen Kreisen die Ehe als Ort einer geordneten Beziehung. Für Luther ist der, wie er es nennt, „Ehestand“ von Gott selbst eingerichtet „nicht zur Büberei, sondern dass sie sich zusammen halten, fruchtbar seien, Kinder zeugen, nähren und aufziehen zu Gottes Ehren“. Nach katholischem Verständnis ist vor allem die Sexualität auch heute noch auf die Ehe zwischen Mann und Frau „hingeordnet“. Durch sie verwirkliche sich „der doppelte Zweck der Ehe: das Wohl der Gatten selbst und die Weitergabe des Lebens“. Andererseits gibt es nicht wenige, die gerade solch eine geregelte Ordnung für überaus beziehungsschädlich halten. Sie tilge von vornherein jegliche Spannung, die gerade für ein gelingendes Miteinander von Mann und Frau wesentlich sei. In einem seiner visionären Lieder von einer anderen, menschlicheren Gesellschaft singt Wolf Biermann: „Kein Liebespaar wird uns mehr geschasst zu lebenslänglichem Eheknast.“
Und nicht zuletzt: Wenn die Ehe einerseits als göttliche Ordnung, ja katholischerseits sogar als ein Sakrament, also als ein Mittel zur Erlangung der Gnade, oder evangelischerseits wenigstens als eine gute Schöpfungsgabe angesehen wird, wa­rum haben sich andererseits so viele Große des Glaubens selbst nicht daran gehalten? Allen voran der Apostel Paulus. Von Jesus selbst ganz zu schweigen. Ja, könnte man nicht auch den römischen Zölibat, ohne spitzfindig zu sein, geradezu als eine Art Missachtung jener göttlichen Anordnung ansehen?
Wir haben also allen Grund, näher nachzufragen, was es mit der Ehe und demzufolge mit dem Gebot, sie nicht zu „brechen“, in der Bibel überhaupt auf sich hat. Dabei werden wir, so viel sei vorweg gesagt, einmal mehr unsere bürgerlichen oder auch vermeintlich aufgeklärten Brillen für einen Moment ablegen müssen. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal müssen wir uns zunächst auf eine vielleicht sehr fremde Welt einlassen. Nur dann mag es gelingen, in ihr Botschaften wahrzunehmen, die auch heute noch für eine vor Gott zu verantwortende Beziehung hilfreich, vielleicht sogar befreiend sein können.
2. Schutz eines sozialen Gefüges
Wer die Bibel nach dem Thema „Ehe“ absucht, wird zunächst einmal ziemlich enttäuscht. Das Wort „Ehe“ kommt im ganzen Alten Testament kein einziges, im ganzen Neuen Testament gerade ein einziges Mal vor (Hebräer 13, 4). Nun kann man natürlich sofort einwenden, dass das Thema Ehe ja wohl nicht an einer Vokabel hängen kann. Dass es schließlich um den Sachverhalt einer institutionalisierten Beziehung von Mann und Frau geht – heiße sie denn, wie sie wolle. Wird nicht schon im Alten Testament davon berichtet, dass zum Beispiel Abraham mit „seiner Frau“ nach Kanaan zog (1. Mose 12, 5)? Bietet nicht schon die Geschichte um seinen Sohn Isaak eine extrem lange Erzählung von der Brautwerbung Rebekkas (1. Mose 24)? Welchen Sinn sollte sie haben, wenn man hier nicht irgendeine Form von Ehe voraussetzen muss? Und gibt es nicht immer wieder eindrückliche Schilderungen von Hochzeiten, allen voran der von Kana, an der bekanntlich Jesus selbst teilgenommen hat (Johannes 2, 1-12)? In der Tat wäre es zu einfach, wollten wir uns beim Thema Ehe nur an bloßen Begriffen orientieren. Die Frage ist vielmehr: Gibt es Hinweise, die auf so etwas wie eine eheliche Institution schließen lassen?
Ja, die gibt es in der Tat. Aber sie sind nicht immer dazu angetan, uns eine Ehe „in unserem Sinne“ vor Augen zu führen. Doch Spuren, die auf eine rechtlich und institutionell geregelte Beziehung zwischen Mann und Frau hindeuten, gibt es durchaus. Dazu muss man sich klarmachen, dass im alten Israel die grundlegende soziale Einheit nicht die Beziehung zwischen Mann und Frau war, sondern die Großfamilie, die verschiedentlich als „Vaterhaus“ (z. B. 1. Mose 12, 1), gelegentlich auch als „Haus der Mutter“ (z. B. 1. Mose 24, 28) bezeichnet wird. Sie kann bis zu vier Generationen umfassen. Was das für den Umgang mit der dort lebenden älteren Generation bedeutet, haben wir im Nachdenken über das Elterngebot zu klären versucht. Außerhalb einer solchen Großfamilie war ein Leben oder auch nur Überleben jedenfalls praktisch nicht möglich. Das „Haus“ bot Obdach, Versorgung und Schutz gegen Gefährdungen von außen. Zudem war es der Ort, an dem für die eigene Nachkommenschaft gesorgt werden konnte.
Was nun das Verhältnis von Mann und Frau angeht, so war es in der Regel so, dass ein Mann eine Frau aus einer anderen Großfamilie – wie es immer wieder heißt – „nahm“ (z. B. 5. Mose 24, 5). Das deutet bereits darauf hin, dass es sich bei einer so begründeten Beziehung nicht um eine auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhenden Ehe in unserem modernen Sinne handelte, sondern schlicht um ein Besitzverhältnis. Das zehnte Gebot, auf das wir noch zu sprechen kommen werden, bestätigt das. Hier wird die Frau – neben „Haus, Acker, Knecht, Magd, Rind, Esel“ – zum selbstverständlichen Hab und Gut des Mannes gezählt. War die Frau auch vorher schon in ihrer Ursprungsfamilie dem dortigen männlichen Oberhaupt untergeordnet, so wechselt sie mit Eintritt in die neue Großfamilie gewissermaßen nur den Besitzer. Auch die mitunter sehr ausführliche Schilderung eines Brautpreises (z. B. 1. Mose 29, 15-30) unterstreicht das. Einen Preis zahlt man, wo ein Gegenstand den Besitzer wechselt. Ab irgendeinem Zeitpunkt – wir kennen ihn nicht – wird der neu begründete Familienstand wohl auch mit einer Hochzeit begangen worden sein. Jedenfalls weisen bereits einige alttestamentliche Andeutungen (z. B. Richter 14, 10) und später etliche neutestamentliche Schilderungen (z. B. Matthäus 22, 1ff; 25, 1ff; Lukas 12, 35ff; Johannes 2, 1ff) darauf hin.
Man geht also nicht fehl, wenn man die „Ehe“ im alten Israel in erster Linie als eine Art Zweckgemeinschaft ansieht. Immerhin brachte diese für beide Seiten handfeste Vorteile mit sich. Für den Mann die Sicherung von Nachkommenschaft und eine zusätzliche Arbeitskraft im Haus. Für die Frau eine gesicherte Grundversorgung und auch einen gewissen Rechtsschutz. Für beide natürlich auch die Möglichkeit, Sexualität zu leben. Das schließt nicht aus, dass es unter den so Verbundenen nicht auch so etwas wie Liebe und Zuneigung geben konnte. Von Verlässlichkeit und Treue ganz zu schweigen. Aber das vorrangige Motiv einer ehelichen Verbindung war wohl eher wirtschaftlicher Natur und dem Bestreben geschuldet, die Sippschaft über den eigenen Tod hinaus zu erhalten. Es ist in dem Zusammenhang immerhin auffällig, dass sich die ausgiebigste Schilderung einer erotischen Liebe gar nicht auf Eheleute bezieht (vgl. Hohelied Salomos). Auch von Adam und Eva, denen ja ausdrücklich gesagt wird, sie würden „ein Fleisch sein“ (1. Mose 2, 24), ist nicht bekannt, dass sie verheiratet waren. Auch wenn kirchliche Trauagenden das bis auf den heutigen Tag behaupten.
Interessant, dass seinerzeit auch die Scheidung nicht nur durchaus üblich, sondern auch weitestgehend gesetzlich geregelt war. Gründe für die Beendigung einer Ehe konnten vielfältig sein. Für den Mann etwa die Kinderlosigkeit der Frau, irgendein unziemliches Verhalten ihrerseits oder auch nur, wenn sie nicht mehr „Gnade findet vor seinen Augen“ (5. Mose 24, 1), im Klartext: wenn er eine Schönere findet. Doch konnte durchaus auch die Frau eine Scheidung beantragen. Etwa bei einer sexuellen Impotenz, einer Unterhaltsverweigerung oder einer ekelerregenden Krankheit seinerseits. Wie auch immer – im Trennungsfall „entließ“ der Mann die Frau aus der ehelichen Verbindung, indem er ihr einen Scheidungsbrief ausstellte, der sie rechtlich schützte und die Möglichkeit einer Neuverheiratung bot. In der Mischna, einer uralten jüdischen Gesetzessammlung, heißt es dazu: „Nicht gleicht der Mann, der entlässt, der Frau, die entlassen wird. Denn die Frau wird entlassen, sie mag wollen oder nicht; der Mann aber entlässt seine Frau nur freiwillig.“
Dieses – milde gesagt – unausgewogene Verhältnis zwischen Mann und Frau hatte die eine oder andere weitere „selbstverständliche“ Besonderheit zur Folge. Etwa die, dass zum Beispiel lange Zeit die sogenannte Mehrehe (Polygamie) für den Mann nichts Außergewöhnliches war. Von einem gewissen Lamech heißt es schon zu Beginn der Bibel, dass er sich „zwei Frauen nahm“ (1. Mose 4, 19). Der viel zitierte Erzvater Jakob ist mit Lea und Rahel (vgl. 1. Mose 29), der gottesfürchtige Elkana mit Hanna und Peninna (1. Samuel 1, 2) verheiratet. Von dem sagenumwobenen König Salomo sagte man sogar, dass er „siebenhundert Hauptfrauen und dreihundert Nebenfrauen“ (1. Könige 11, 3) gehabt haben soll. Selbst wenn diese gigantischen Zahlen vielleicht eher eine symbolische Bedeutung haben sollten, zeigen sie doch, dass zumindest in weiten Teilen des Alten Testaments von einer sogenannten Einehe (Monogamie) als unbedingtes Maß aller ehelichen Beziehungen nicht die Rede sein kann. Auch die etwas befremdliche Erzählung über Abraham, der die Frage der Nachkommenschaft – auf Geheiß seiner Frau! – über den Beischlaf mit seiner Sklavin regelt, um sie danach allerdings in die Wüste zu schicken (vgl. 1. Mose 16), bestätigt das. Selbst der gelegentliche Gang des Mannes zu einer Prostituierten (Richter 16, 1) scheint nichts grundsätzlich Ungewöhnliches oder gar Unmoralisches gewesen zu sein. Nirgendwo ist allerdings zu lesen, dass auch eine Frau von all diesen Möglichkeiten Gebrauch machen konnte.
Wenn das siebte Gebot nun fordert, die Ehe „nicht zu brechen“ (wörtlich: „buhlen“ beziehungsweise „fremdgehen“), so bedeutet das für den Mann, dass er gefälligst nicht die Beziehung zu einer Frau aufnehmen soll, die bereits einem anderen gehört. Er würde damit nämlich in dessen Besitzverhältnisse eingreifen. Genau genommen kann der Mann also nur eine fremde, nicht die eigene Ehe brechen. Während umgekehrt in solch einem Fall die Frau nur die eigene, nicht die fremde Ehe brechen würde. Anderweitige sexuelle Beziehungen des Mannes außerhalb seiner Ehe, etwa zu einer noch nicht verheirateten Frau, zu einer Sklavin oder Prostituierten, fallen offensichtlich nicht unter das Gebot. Das klingt einerseits ziemlich liberal. Andererseits wird der Ehebruch selbst immer wieder überaus scharf sanktioniert, verschiedentlich sogar mit Androhung der Todesstrafe (z. B. 3. Mose 20, 10). Wobei wir allerdings nirgendwo davon lesen, ob sie aus diesem Grund jemals zur Anwendung gekommen ist.
Das rigide Verbot des Ehebruchs hat offenbar zwei Hintergründe, die beide jedenfalls nichts mit einer muffigen bürgerlichen Moral zu tun haben. Der eine, bereits angedeutete: Wer in die Ehe eines anderen einbricht, gefährdet damit zuhöchst die Lebensgrundlage einer vorhandenen stabilen Großfamilie. Welche Rechte sollen zum Beispiel illegitimen Kindern, die aus einem Ehebruch hervorgehen, zustehen? Kommt ihnen – etwa in Notzeiten – dieselbe Fürsorge zu wie den ehelich gezeugten? Ein Problem, das uns bereits beim Elterngebot begegnet ist. Oder auch die Frage der Erbschaft. Wie soll mit allfälligen Ansprüchen umgegangen werden, wenn das familiäre Oberhaupt gar nicht der biologische Vater ist? Wer wird dermaleinst für die Toten- und Grabpflege der Verstorbenen verantwortlich sein? Von zu erwartenden menschlichen Eifersüchteleien und Konkurrenz unter allen Betroffenen ganz zu schweigen. Kurz: Ein Ehebruch droht, die Balance eines ansonsten durchaus funktionierenden wirtschaftlichen und sozialen Gefüges empfindlich zu stören, wenn nicht gar zu zerstören. Deshalb die mitunter harschen Worte.
Einen weiteren Hintergrund kann man darin erkennen, dass das Motiv der Ehe immer wieder auch in einem übertragenen Sinne auftaucht, der dem ganzen Thema noch ein weiteres Gewicht verleiht, nämlich als Sinnbild der unbedingten Verlässlichkeit Gottes: „In Treue will ich mich mit dir verloben“, sagt Gott zu seinem Volk (Hosea 2, 22). Dementsprechend begegnet uns das Wort „ehebrechen“ oder noch schärfer auch: „huren“ als Sinnbild der Treulosigkeit des Volkes seinem Gott gegenüber. Indem es – wie vor allem die Propheten immer wieder beklagen – anderen Göttern nachläuft, ja sich ihnen geradezu an den Hals wirft, begeht es eben „Ehebruch“ beziehungsweise „Hurerei“. In di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Schmutztitel
  3. Impressum
  4. I. ZWISCHEN PARTEITAG, HEINO UND „QUICK“
  5. II. „ICH BIN DER HERR, DEIN GOTT“
  6. III. „KEINE ANDEREN GÖTTER HABEN“
  7. IV. „KEIN BILDNIS MACHEN“
  8. V. „DEN NAMEN DES HERRN NICHT MISSBRAUCHEN“
  9. VI. „DEN SABBATTAG HEILIGEN“
  10. VII. „VATER UND MUTTER EHREN“
  11. VIII. „NICHT TÖTEN“
  12. IX. „NICHT EHEBRECHEN“
  13. XI. „NICHT FALSCH ZEUGNIS REDEN“
  14. XII. „NICHT BEGEHREN“
  15. XIII. JOB ERLEDIGT
  16. XIV. HILFREICH ZU WISSEN
  17. Quellenangaben