Prozesspsychologie
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Prozesspsychologie

Wie Prozesse, menschliche Faktoren und Wissen im Unternehmensgeschehen zusammenwirken.

  1. 139 Seiten
  2. German
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Prozesspsychologie

Wie Prozesse, menschliche Faktoren und Wissen im Unternehmensgeschehen zusammenwirken.

Über dieses Buch

Prozesse brauchen Psychologie! Bei der Veränderung von Unternehmen sind neben den zu bearbeitenden fachlichen Belangen stets die Dimensionen Prozess, Kommunikation, Wissen und Führung betroffen. Die Prozesspsychologie liefert das Rüstzeug, diese Belange in Einklang zu bringen.

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Organisationsprozesse als Grundlage von Veränderungen

Wie das vorangegangene psychologische Kapitel und das begleitende Fallbeispiel aufgezeigt haben, ist die Kenntnis organisationaler Abläufe eine wesentliche Voraussetzung, um eine grundlegende ›Innensicht‹ im Rahmen von Veränderungsvorhaben herstellen zu können. Dabei geht es in einem ersten Schritt um die Identifikation und Bewertung der rationalen Anteile innerhalb einer organisations- bzw. bereichsbezogenen Prozesslandschaft, die im Wesentlichen auch die Ankerpunkte für vorhandene organisationale Wissenspotenziale beinhaltet.
Dynamische Wachstumsphasen und damit im Zusammenhang stehende Veränderungsvorhaben sind in mittelständischen Unternehmen zwar erfahrungsgemäß durch eine lange historische Entwicklung geprägt, aber diese Entwicklung findet außerhalb eindeutig dokumentierter Prozesszusammenhänge statt. Auch in unserem Fallbeispiel zeigen die ersten Workshops, dass es im Stammhaus eine große Varianz an Prozessausprägungen (insbesondere dezentrale und zentrale Logistikprozesse) und keine eindeutigen Erwartungen an den prozessualen Übergabepunkten (Schnittstellen) gibt. Dadurch fehlen teilweise eindeutige Verantwortlichkeiten für Prozesse, und die Entscheidungen werden – historisch bedingt wie in der frühen Gründungsphase des Unternehmens – durch die Geschäftsführung getroffen.
In Organisationsprozessen lassen sich die im vorangegangenen Kapitel aufgeführten Ebenen (Individuum, Gruppe und Organisation) in Bezug auf die wertschöpfungsbezogenen Abläufe verorten. So sind es einzelne oder mehrere Individuen, die eine prozessuale Rolle (im Sinne der Bündelung von Aufgaben) wahrnehmen, und es sind Gruppen, die sich hinter den prozessualen Organisationseinheiten verbergen. Die aufgeführten Ebenen der Organisationskultur (Artefakte und Glaubenssätze, vgl. Abb. 4, s. o. S. 51) lassen sich ebenfalls in der Zusammensetzung der prozessualen Abläufe (IST-Situation) in Teilen abbilden und enthalten, wie wir im nachfolgenden Abschnitt aufzeigen werden, auch Hinweise für habituierte Grundannahmen, die sich über die zeitliche Entwicklung der Organisation gefestigt haben. So ist es keineswegs eine Ausnahmeerscheinung, dass an ineffizienten und rational nicht nachvollziehbaren Abläufen festgehalten wird, da sie z.B. Teil der Entstehungsgeschichte der Organisation sind (s. o. S. 50) oder da, wie in unserem Fallbeispiel, die gesamte prozessuale Verantwortung dem Bereich der Geschäftsführung zugeordnet wird. Das Fehlen einer prozessualen ›Innensicht‹ führt immer dann zu erheblichen Problemen, wenn größere Veränderungen und Anpassungen notwendig werden (z.B. durch Unternehmensfusionen), und es keine gemeinsame ›Entwicklungsbasis‹ im Sinne eines geteilten Bildes gibt. Aus unserer Projekterfahrung heraus ist die Entwicklung eines Veränderungsvorhabens auf der Basis von Organisationsprozessen insbesondere deshalb zielführend, weil jeder Mitarbeiter auf diesem Wege beteiligt werden und seine Aufgaben in der Organisation verständlich beschreiben kann. Dabei dienen die aufgezeichneten Prozesszusammenhänge neben der rationalen Beschreibung von Abläufen vor allem auch dazu, die beobachteten oder im Zuge der Prozessaufnahme zur Sprache gekommenen (a) veränderungsbedeutsamen Dynamiken auf der individuellen, der Gruppen- und der Organisationsebene, (b) wissensrelevanten Fähigkeiten und (c) führungsbezogenen und ethischen Problemstellungen zu beschreiben und damit zum Gegenstand der Entwicklung zu machen.
In Veränderungsprojekten muss folglich ein Bewusstsein entstehen, dass eine organisationsweite Prozesslandschaft erst in die Realisierungsphase kommen kann, wenn in der Zusammenstellung der Organisationsabläufe menschliche Motive und kulturelle ›Entwicklungspfade‹ weitestgehend berücksichtigt werden. Diese mehrdimensionale Sichtweise stellt besondere Anforderungen an die verantwortlichen Führungskräfte und an die Führungsgrundsätze der gesamten Organisation. Der vorliegende Ansatz erfordert weniger klassische Manager, die gegenwartsbezogene Problemstellungen unter Anwendung kennzahlenbasierter klassischer Managementmethoden lösen, sondern vielmehr vorbildhafte Führungspersönlichkeiten, die Veränderungen auf allen Dimensionen vorantreiben und ihren Mitarbeitern im Arbeitsalltag ein Beispiel geben (vgl. Zitat von Albert Schweitzer, s. u. S. 119; und vgl. Darstellungen zur Unternehmensethik, s. u. S. 53). Es gilt folglich, zukunftsorientierte und der Kultur angemessene Organisationsprozesse zu initiieren, die eine Verknüpfung zu strategischen und operationalen Zielen aufweisen. Diese Verknüpfung bietet auch im Laufe des Veränderungsprozesses die Option, das Erreichen von kurz- und mittelfristigen Zielen beim Übergang vom IST-Zustand zu einem gewünschten Soll transparent zu belegen. Die Realisierung der Prozesse bedarf demnach eines offenen Führungssystems, das auf der einen Seite die psychologischen Dimensionen nicht durch zu starre Regelwerke hemmt, aber auf der anderen Seite hinreichende Sicherheit auf Basis klarer Grundsätze und Werte bietet. Diese Wertesysteme sollten aus unserer Sicht zwingend die Traditionen und kulturellen Aspekte der Organisation berücksichtigen und ›beherzigen‹. Dementsprechend gibt es hier keine ›richtigen‹ oder ›falschen‹ Führungssysteme, wohl aber unpassende.
Wir haben uns in diesem Buch sehr bewusst dafür entschieden, keine ausführliche Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Führungsdefinitionen und -systemen vorzunehmen, da dies aufgrund der Bedeutung sowie Komplexität des Themas gesondert bearbeitet werden müsste. Allerdings ist es uns wichtig, nochmals darauf zu verweisen, dass die Prozesspsychologie auf dem Verständnis basiert, dass Nachhaltigkeit in Veränderungsprozessen nur durch die Anerkennung nichtrationaler Faktoren und den Aufbau einer helfenden Beziehung funktionieren kann (vgl. unsere Darstellungen in den einführenden Abschnitten). Infolge dessen stellt dies auch spezifische Anforderungen an die Führenden und ihre Übernahme von Verantwortung.
Im Rahmen der Erarbeitung dieses Buches hatten wir die Möglichkeit, mit verschiedenen Führungspersonen in unterschiedlichsten Organisationen ins Gespräch zu kommen und genau diese Position zu diskutieren. Im Rahmen eines solchen Gespräches wurden wir auf eine interessante Feststellung in einer Führungsvorschrift aufmerksam gemacht, die unserem Verständnis sehr nahe kommt. Hierbei stellen die Autoren der Heeresdienstvorschrift 100/100 fest:
»Truppenführung ist eine Kunst, eine auf Charakter, Können und geistiger Kraft beruhende schöpferische Tätigkeit. Ihre Lehren lassen sich nicht erschöpfend darstellen. Sie verträgt weder Formeln noch starre Regelungen, doch müssen klare Grundsätze jeden Führer leiten.« (Wellershoff 1997, S. 23 f.).
Es bedarf demnach einer Führung, die sehr wohl auch Raum für individuelle, gruppenbezogene und organisationale Veränderungen lässt, nichtrationale Anteile berücksichtigt und trotz allem Sicherheit durch nachvollziehbare Entscheidungen gibt. Entscheidungen, die, neben eindeutigen Wertegrundsätzen, auch auf eindeutig nachvollziehbaren prozessualen Strukturen beruhen sollten.
Diese Sicht auf die Dinge entspricht allerdings nicht der Herangehensweise der gängigen Prozessmanagementansätze und ihrer Initiale. Wie der nachfolgende Abschnitt aufzeigt, konzentriert man sich in der Regel ausschließlich auf die technisch-fachlichen Dimensionen. Die eigentlichen Voraussetzungen und Potenziale für eine gelingende organisationale Veränderung werden hingegen kaum bzw. nicht berücksichtigt. Das heißt, es überwiegt die Annahme, dass es hinreichend sei, sich mit starren Prozessgebilden auseinanderzusetzen, die davon ausgehen, dass die handelnden Personen ›motivlose Erfüllungsgehilfen‹ seien.

Die klassische Sicht des Prozessmanagements und notwendige Erweiterungen

Im Organisationsalltag hat sich mittlerweile die Auffassung gefestigt, dass für die ablauforientierte Abbildung von Organisationszielen die Betrachtung der Geschäftsprozesse ein notwendiger und wichtiger Schritt ist. Viele der in der Wissenschaft vorfindbaren Ansätze folgen dabei stets dem gleichen Grundtenor:
»Die Wertschöpfung von Unternehmen basiert zu einem großen Teil auf ihren Geschäftsprozessen und deren Abbildung in der IT.« (Becker et al. 2009, S. 1)
Oder:
»Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt zunehmend davon ab, wie flexibel es im Markt agiert. […] Unternehmen erreichen diese Agilität, indem sie Geschäftsprozesse definieren, implementieren und optimieren.« (Fischer et al. 2006, S. V)
Es ist auch aus unserer Sicht völlig unstrittig, dass man bei der Auseinandersetzung mit der Frage, welche Aktivitäten notwendig sind, um Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können, nicht umhin kommt, sich mit den Prozessen einer Organisation zu befassen. Die klassische Prozesssicht betrachtet dabei die notwendigen Inputs, den Prozessablauf als solchen, die erforderlichen Ressourcen und den entstehenden Output. Dabei ist es erforderlich, sich mit den spezifischen Verantwortlichkeiten zu beschäftigen, da ein Prozess einen zeitlichen und inhaltlichen Beginn sowie ein definiertes Ende hat. Am Beginn und am Ende eines Prozesses sind Schnittstellen vorhanden, die die zu übergebenden Prozessleistungen und -ergebnisse definieren (vgl. Wagner 2001, S. 5). So weit, so richtig.
Dass aber beispielsweise an den Schnittstellen über die prozessualen Ergebnisse hinaus vor allem organisationales Wissen übergeben wird – oder eben auch nicht –, findet kaum Berücksichtigung in den generalisierten Prozessansätzen. Hier entscheidet vor allem auch die Motivlage der beteiligten Prozessrollen-Inhaber über die Weitergabe oder Zurückhaltung von Wissen und die sich daraus ergebende Nutzbarkeit in den Prozessen (siehe dazu auch den Abschnitt zu den entsprechenden Verhinderungsfaktoren auf S. 114 ff.). Auf der Suche nach der Antwort, wie Prozesse definiert werden müssen, um Akzeptanz zu erreichen, wird man selten fündig. Weiterhin ist die Frage, wie man die spezifischen Verantwortlichkeiten aus Sicht einer Führungskraft in den Prozessen realisiert, in der Regel ebenfalls nicht Teil der Überlegungen. Die Vorgehensweisen in beinahe allen Ansätzen basieren auf einer klassischen Zusammenstellung der Maßnahmen, die zur Erreichung von effizienten und kundenorientierten Prozessabläufen notwendig sind. So werden Prozesse identifiziert, IT-basiert abgebildet, plausibilisiert, eingeführt und in eine Anwendung gebracht. In allen Ansätzen werden die oben aufgeführten Prozesselemente mit einbezogen und betrachtet. Wir wollen mit unserer Sichtweise diese grundsätzlichen Inhalte keinesfalls infrage stellen oder als falsch bewerten, sondern wir sind der Überzeugung, dass die Betrachtungen wesentliche psychologische Dimensionen vernachlässigen. Die meisten Ansätze verharren deshalb weitgehend in der Theorie und verfehlen die praktische Anwendbarkeit. Diese Tatsache spiegelt sich häufig in unserem Berufsalltag, wenn wir für ›in Schieflage‹ geratene Projekte einen Sanierungsauftrag übernehmen.
Wir wurden durch die neue Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens beauftragt zu analysieren, warum die in der Einführung stehende neue CRM-Software von vielen Abteilungen blockiert und als nutzlos abgetan wurde. Die IT-bezogene Customizing-Phase dauerte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre, und es wurden ca. 2,8 Mio. Euro für den Software-Lieferanten ausgegeben. Die uns vorgelegte prozessuale Darstellung, die durch eine externe Prozessmanagementberatung erstellt worden war, war aus klassischer Prozessmanagementsicht professionell realisiert. Die Abläufe waren hierfür mit den zuständigen Bereichs- und Abteilungsleitern abgestimmt und die Rollenanforderungen, insbesondere in Bezug auf die IT-Abbildung, festgelegt worden. Die erwarteten In- und Outputs, im Schwerpunkt automatisierte Ausdrucke aus dem System, waren ebenfalls auf dieser Ebene bestimmt worden. Orientierungsgrundlage waren dabei die ›vermuteten‹ Kundenanforderungen, die sich auf vertriebliche Erfordernisse bezogen. Ziel der neuen IT-Unterstützung war, die Erstkontakte bei Kundenbestellungen aus Kostengründen durch ein externes Call-Center übernehmen zu lassen.
Der historische Erfolg des Unternehmens begründete sich allerdings auf einem sehr intensiven persönlichen Kundenkontakt durch Vertriebsmitarbeiter vor Ort und war gekennzeichnet durch eine sehr persönliche und offene Kommunikationskultur. Dabei hatten die zuständigen Vertriebsmitarbeiter zum einen ein Gespür für die regionalen Belange und zum anderen sehr hohe Freiheitsgrade bei der Gestaltung der Aufträge. Die entstandenen Aufträge wurden auf informellem Wege in die Produktion übermittelt und ohne viel zusätzliche Dokumentation umgesetzt. Die neu geschaffenen Prozesse, auf denen die einzuführende IT-Lösung aufsetzte, entsprachen (a in keiner Weise der gewachsenen Organisationskultur und hatten (b) die informellen Umsetzungswege nicht berücksichtigt.
Unser Verständnis von Prozessen geht mit der Zielsetzung von geführten Prozessen unter Berücksichtigung menschlicher Faktoren erheblich über die herkömmlichen Prozessansätze Business Process Management (BPM), Total Quality Management (TQM), Process Excellence und Six Sigma hinaus. Wir sind der Überzeugung, dass von Beginn an die im vorangegangenen Kapitel dargestellten veränderungsrelevanten Aspekte berücksichtigt werden müssen. Folglich ist es nicht hinreichend, einen Prozess zu managen, sondern es ist notwendig, einen weiterreichenden Blick zu entwickeln, der nicht nur die rationalen Anforderungen an eine prozessuale Rolle einschließt, sondern auch die Motive der Rolleninhaber. Der Nutzen dieser Herangehensweise liegt vor allem in der Sicherstellung der praktischen Umsetzung der Prozesse in den Organisationen und der Berücksichtigung einer der wesentlichen Produktionsfaktoren – dem organisationalen Wissen.
Betrachtet man den üblichen Prozesskreislauf im Kontext des BPM, so beinhaltet dieser die nachfolgenden Phasen, welche auch in den meisten Projekten beschritten werden.
Abb. 8: Klassischer BPM-Prozesskreislauf bei der Einführung und dem Management von neuen Prozessen (© Heidig/Kleinert/Dralle/Vogt 2012)
Abb. 8: Klassischer BPM-Prozesskreislauf bei der Einführung und dem Management von neuen Prozessen (© Heidig/Kleinert/Dralle/Vogt 2012)
Aus unserer Sicht müssen vor allem die oben dargestellten fachlichen Schritte der Prozessaufnahme, -optimierung und -einführung durch die systematische Berücksichtigung einiger menschlicher bzw. nicht-technischer Faktoren ergänzt werden. Sämtliche organisatorischen Maßnahmen mit dem Ziel einer Prozessanpassung unterliegen allen Eigenheiten von Veränderungsprozessen in Organisationen – am sprichwörtlichen grünen Tisch sind Veränderungen schnell geplant, in der Umsetzung hängen sie jedoch von den beteiligten Menschen ab.
Deshalb berücksichtigt der Ansatz der Prozesspsychologie die nachfolgend dargestellten zusätzlichen Aspekte und Dimensionen. Dies betrifft sowohl die Führungskräfte einer Organisation als auch deren Mitarbeiter, wobei, wie bereits zu Beginn dieses Kapitels ausgeführt wurde, in Veränderungsvorhaben die Führungskräfte in besonderer Weise gefordert sind. Ihnen obliegt es, abgeleitet von den strategischen Zielen des Unternehmens, spezifische Veränderungsziele zu entwickeln und ihre Mitarbeiter entsprechend anzuleiten und zu begleiten. Das schließt die Fähigkeit ein, bei den Mitarbeitern ein veränderungsrelevantes Bewusstsein zu erzeugen und vorbildhaft durch die prozessorientierten Veränderungen zu gehen.
Um ein solches Bewusstsein zu schaffen, gilt es, spezifische Führungsgrundsätze zu formulieren, die eine kontinuierliche auftragsbezogene Einbindung der Mitarbeiter vorsehen, da nur so eine echte Dialogorientierung möglich wird, und die auch außerhalb von begrenzten Projekten zur Organisationskultur gehören (vgl. dazu auch unsere Ausführungen zu top-down-orientierten Führungskulturen; s. o. S. 42). Im Kern einer solchen Führungshaltung stehen vor allem die Definition des zu erreichenden Zieles und die genaue Beschreibung des Auftrags. Dabei gilt es, zwingend so viel Freiraum zu geben wie möglich und dem Umsetzenden auf Basis der Rahmenbedingungen der Führungskraft eine Umsetzung zu ermöglichen. Die Umsetzung sollte dann mit den notwendigen Mitteln bzw. Ressourcen ausgestattet werden und die K...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Autoren und Autorin
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Zur Reihe EHP-Organisation
  7. Zum Geleit: Das dauerhaft wirksame Unternehmen
  8. Einführung
  9. Drei mögliche Wege zur Gestaltung von Veränderungen
  10. Psychologie
  11. Organisationsprozesse als Grundlage von Veränderungen
  12. Der psychologische Zusammenhang zwischen Menschen und ihrem Wissen in Organisationsprozessen
  13. Ethik als Baustein in der Beratungspraxis
  14. Literaturverzeichnis
  15. Werbung