Traumberuf Schulleitung? (E-Book)

Auf Denkreise durch den Berufseinstieg

Daniela Schädeli

• Verlag: hep verlag
• Jahr: 2021
• ISBN drucken: 9783035518900
• eBook-ISBN: 9783035518917
• Auflage: 1
• Thema: Éducation
• Thema: Enseignement des sciences et technologies

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen."Ich wollte mehr: eine neue Berufung, eine sinnvolle Aufgabe, Gestaltungsspielraum, ein Team leiten", erklärt Martina ihre Motivation, Schulleiterin zu werden.Überlegst du dir auch, ob Schulleiter*in etwas für dich wäre? Tritts du bald deine neue Stelle an? Dieses Buch begleitet dich auf deiner Denkreise in die neue Tätigkeit - von der Entscheidungsfindung über die Bewerbungsphase bis hin zum konkreten Schulleitungsalltag. Es hilft dir dabei, dir eine realistische Vorschau zu verschaffen, denn wenn du weisst, was dich erwartet, wirst du zufriedener in deinem neuen Beruf.

FINDE DIE PASSENDE SCHULE

Wenn du dich entschieden hast, Schulleitung zu werden, dann ist der nächste Schritt, die passende Stelle zu suchen.

Es ist hilfreich, wenn du verstehst, wie die Schule als Ganzes und die Schulleitung im Speziellen ins Bildungssystem eingebunden sind und welchen strukturellen Dilemmata du voraussichtlich begegnen wirst. Die Struktur der Schule bestimmt auch zum grossen Teil, welche Art von Schulleitungsstelle du erwarten kannst. Es gibt ganz unterschiedliche Schulen und somit auch sehr unterschiedliche Arten von Stellen. Dieses Kapitel soll dir Entscheidungsgrundlagen geben, an welche Schule du dich bewerben könntest und was du im Bewerbungsverfahren beachten solltest.

Vornweg so viel: Schon nur zu bestimmen, welches Ziel und welchen Zweck eine Schule erfüllen soll, ist widersprüchlich. Als Schulleitung wirst du mitten in diesen Widersprüchen drin sein und dich zu den vielschichtigen Erwartungen und Wünschen verhalten müssen. Dabei kannst du schon erahnen, dass du es nie allen wirst recht machen können. Rechne also damit, dass jeweils ein Teil des Kollegiums, der Eltern, der Kinder deine Entscheidungen nicht gut finden wird.

Eine Faustregel, welche ich von den Musterbrechern^®[2] gelernt habe, besagt, dass du mit 10 Prozent Personen rechnen musst, die dich enttäuschen oder hintergehen. Aus der Angst vor Vertrauensmissbrauch die anderen 90 Prozent mit Kontrollmechanismen zu gängeln, steht in keinem Verhältnis. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Lerne damit umzugehen, dass die Phrase: «Du kannst es nie allen recht machen» in der Schule ganz gewiss stimmt. Wenn du ein harmoniebedürftiger Mensch bist, hast du an diesem Umstand sicherlich viel Entwicklungspotenzial.

WIE IST DIE SCHULE ORGANISIERT?

Die Volksschule ist eine gemeinsame Aufgabe von Kanton und Gemeinden. Die kantonale Behörde verantwortet die pädagogisch-professionelle Aufsicht und die Gemeinden sind in den meisten Kantonen für die lokalpolitische Aufsicht und die örtliche Verankerung der Schule zuständig. Die Kantone entscheiden über Lehrpläne, Lehrmittelvorgaben, Volksschulgesetze und Verordnungen, welche die allgemeine Schulpflicht und auch die Übergänge und Abschlüsse regeln und auch, ob und wie eine Schulevaluation erfolgt.

Die Gemeinden der Schweiz werden von gewählten Laien geführt. In kleineren Gemeinden gibt es nur den Gemeinderat und die Gemeindeversammlung, in grösseren Gemeinden oder Städten zusätzliche kommunale Parlamente. Die Amtspersonen im Rat konstituieren sich selbst und haben meist keine fachliche Expertise für den Bereich, welchen sie leiten. Je nach Kanton führen die Gemeinderäte direkt die Schulen oder setzen dazu eine spezielle Kommission ein.

Die kommunale Schulbehörde ist für die strategischen Fragen der Schule zuständig. Diese beinhalten die Durchsetzung der Schulpflicht, die Verankerung der Schule in die Gemeinde, Anstellung und Führung der Schulleitung, die Sicherstellung der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung durch die Schulleitung. Die Schulleitung ist meist direkt dem Präsidium unterstellt. Die Konstellation, dass eine Laienperson die Schulleitung führen und beurteilen soll, ist im Alltag nicht ganz einfach zu handhaben. Zudem sind sich viele kommunalen Schulbehörden nicht bewusst, dass die Personalführung der Schulleitung nicht nur deren Kontrolle beinhaltet, sondern auch die Unterstützung bei Schwierigkeiten.

Alltagseinblick 6 – Beziehung zur kommunalen Schulbehörde

Martina arbeitet im Berufseinstieg phasenweise 50 Prozent pro Woche statt 25 Prozent. Eine Zeitlang ist für sie das hohe Engagement möglich, «aber am Schluss muss eben dennoch das Gesamte stimmen». Sie merkt, dass sich die Arbeitsbelastung nicht bessert, und fragt beim kantonalen Inspektorat nach, ob sie ihre Aufgaben mit mehr Erfahrung zufriedenstellend werde erledigen können. Der Inspektor sagt ihr, dass dies erst ab einem Pensum von 40−50 Prozent möglich sei. Martina überlegt sich deshalb: «Warum mache ich das, wenn es sich nicht lohnt? Ich muss jetzt so viel investieren, und es ist ungewiss, ob es kompensiert wird.» Daraufhin sucht Martina das Gespräch mit dem Schulkommissionspräsidenten und schildert ihm ihre Situation und die Aussage des Inspektors. Der Präsident erwidert, dass sie eine Kaderposition habe und man in einer solchen halt einfach mehr arbeiten müsse. Martina spürt kein Verständnis und keinen Rückhalt von Seiten der Schulkommission.

Es kommt relativ häufig vor, dass die Anliegen und Probleme von Schulleitungen von den kommunalen Behörden entweder nicht ernst genommen oder nicht verstanden werden. In einer Befragung von rund 70 Schulkommissionen von kleinen Schulgemeinden im Kanton Bern konnte ich aufzeigen, dass Schulkommissionen diffus agieren. Sie haben keine Vorstellung, was ihre Aufgabe als strategisches Organ der Schule ist, und dementsprechend auch nicht, was die Aufgaben und Herausforderung der Schulleitung sind. Dies führt vor allem beim Berufseinstieg von neu angestellten Schulleitungen zu Schwierigkeiten, weil du als Novize oder Novizin keine klare Tätigkeitsvorschau hast und deine Vorgesetzten auch nicht.

In den meisten Kantonen führen die kommunale Schulbehörde als strategisches Organ und die Schulleitung als operatives Organ die Schule gemeinsam, analog dem privatwirtschaftlichen Modell mit einer Geschäftsleitung und einem Verwaltungsrat (Malik 2008). Die zwei Führungsorgane der öffentlichen Schule haben den Auftrag, aus den politischen Vorgaben des Kantons und der Schulgemeinde konkrete Handlungsziele für die Einzelschule abzuleiten und diese umzusetzen. Im Modell von Alexander Hunziker und Eric Deloséa (2010) wird der politische Wille mit der konkreten Leistung der Lehrpersonen im Alltag verknüpft (Abbildung 3).

Abbildung 3 Strategie zwischen politischem Auftrag und Leistung (Hunziker & Deloséa, 2010)

Um die Lücke zwischen dem politischen Auftrag und der Leistung zu schliessen, empfehlen Hunziker und Deloséa die Entwicklung einer Strategie, analog privat-wirtschaftlichen Unternehmen. Dazu bedarf es vorgängig der Festlegung der Führungsinstrumente − einer Vision, der Mission und eines Leitbilds. Die Begriffe werden in nachstehender Tabelle 2 ausführlich dargestellt, weil auch in der Zusatzausbildung für Schulleitungen diese Begriffe verwendet werden.

Tabelle 2 Führungsinstrumente (Hunziker & Deloséa, 2010)

Begriff	Inhalt	Kernfrage
Mission	Aussage über den Zweck, den Auftrag der Organisation aus Sicht von Aussenstehenden	Was wollen wir für andere erreichen? Welches ist unsere Aufgabe?
Vision	Plastisches Bild von der Zukunft, die man erschaffen möchte	Wo wollen wir hin?
Leitbild/ Leitsätze	Prinzipien, denen auf dem Weg in die Zukunft nachgelebt werden soll	Wie wollen wir unterwegs sein? Durch welche Prinzipien lassen wir uns leiten?
Strategie	Verbindliche Aussage über den einzuschlagenden Weg zur Erreichung der Mission oder der Vision	Wo geht es lang?

Die kommunalen Schulbehörden erarbeiten die Führungsinstrumente in Zusammenarbeit mit der Schulleitung und dem Kollegium. Für die Umsetzung der Strategie in der Einzelschule ist die Schulleitung zusammen mit den Lehrpersonen zuständig.

Neben den Behörden und den Lehrpersonen ist für mich als Schulleitung auch das Schulsekretariat sehr wichtig. Meine Sekretärin war mir gerade auch im Berufseinstieg eine wertvolle Stütze und ich war sehr froh, mit ihr das Büro teilen zu können. Sie wusste vieles über die Schule und konnte mir Hinweise geben, wo ich welche Unterlagen finden könnte. Zudem kannte sie die Lehrpersonen und die Behördenvertreter und -vertreterinnen schon. Sie wusste über Regelungen und Gepflogenheiten Bescheid und kannte die Geschichten der Schule, die nirgends aufgeschrieben waren und dennoch viel zum guten Zusammenspiel der verschiedenen Akteure beitragen. Meiner Meinung nach muss das Schulsekretariat so nahe wie möglich an der Schulleitung sein, also wenn möglich beide im Schulhaus. Zudem gilt es zu beachten, dass die Schulleitung und das Schulsekretariat nicht im gleichen Schuljahr ihre Stellen kündigen, da sonst extrem viel informelles Wissen verlorengeht.

WAS FÜR SPANNUNGSFELDER GIBT ES?

Schulen stehen per se in einem Spannungsfeld von Rechten und Pflichten. Dies zeigte sich beispielsweise in der Coronakrise Anfang 2020. Der Bundesrat entschied schweizweit, alle Schulen zu schliessen und die Schule per Fernunterricht weiterlaufen zu lassen. Als der Bundesrat nach zwei Monaten entschied, die Schulen wieder zu öffnen, erhielten wir von der Bildungsdirektion des Kantons Bern folgenden Auftrag:

• Auf der Primarstufe findet der Unterricht normal statt.
• Das Schutzkonzept des Bundes soll eingehalten werden.

Quelle: www.netzwerk-digitale-bildung.de;

Quelle: bag-coronavirus.ch

Diese zwei Regelungen können auch beim besten Willen nicht gleichzeitig befolgt ...

Inhaltsverzeichnis

• Cover
• Copyright
• Inhaltsverzeichnis
• Einleitung
• Entscheide dich
• Finde die ­passende Schule
• Bereite dich auf die neue ­Tätigkeit vor
• Start in den ­Berufsalltag
• Das zweite Jahr: Sich weiter­entwickeln
• Anhang