Das aktivierungstherapeutische Arbeiten – ein Überblick
Im folgenden Teil des Lehrmittels werden die methodischen Grundlagen des aktivierungstherapeutischen Arbeitens beschrieben. Die theoretische Basis dazu ist in den vorgängigen Kapiteln, im ersten Teil des Lehrmittels, zusammenfassend dargelegt. Im Unterricht werden diese Inhalte vertieft vermittelt und bearbeitet. Mit dem erworbenen Wissen wird ermöglicht, die Methodik der Aktivierungstherapie in die eigene Praxis zu übertragen. Das aktivierungstherapeutische Arbeiten wird dadurch professionell durchgeführt und dokumentiert.
Diese Ziele werden in den folgenden Kapiteln leitend sein
Der aktivierungstherapeutische Prozess wird dargestellt, wodurch ein solides Grundverständnis für die einzelnen aktivierungstherapeutischen methodischen Schritte erlangt wird.
Die Inhalte aus dem ersten Teil des Lehrmittels werden bei der Bearbeitung der fünf methodischen Schritte des aktivierungstherapeutischen Prozesses repetiert und das erworbene Wissen wird gefestigt.
Der aktivierungstherapeutische Regelkreis im institutionellen Kontext
Der aktivierungstherapeutische Regelkreis (Abbildung 3, Seite 40) stellt das Tätigkeitsfeld der Aktivierungsfachperson dar. Die grafische Zerlegung in einzelne Komponenten bzw. Schritte einer aktivierungstherapeutischen Einzel- oder Gruppentherapie umreisst einen idealtypischen aktivierungstherapeutischen Prozess, wie er im Berufsalltag allerdings eher selten vorzufinden ist. Idealtypische Abläufe von Handlungsschemata dienen in erster Linie dazu, die Übereinstimmungen und Abweichungen von Handlungen und damit deren Besonderheiten beschreibbar, reflektierbar und somit auch lehrbar zu machen (Janich, 2000). Nur so gelingt es, durch den Lernprozess Automatismen in der Methodenkompetenz aufzubauen, um damit spielerischer, bewusster, begründeter, fachkompetenter und somit professioneller umzugehen.
Chronologisch sind in diesem Regelkreislauf die methodischen Schritte 1 und 2 zwingend gesetzt. Alle Schritte des aktivierungstherapeutischen Prozesses greifen aber mehr oder weniger prozesshaft ineinander. Einen starken Einfluss auf den aktivierungstherapeutischen Prozess haben die Rahmenbedingungen: Es macht einen Unterschied, ob die Einzel- oder Gruppentherapie in einer städtischen oder ländlichen Gegend, in einer Institution mit oder ohne stark integrierter und breit abgestützter Aktivierungstherapie, mit homogenen oder heterogenen Klientinnen- und Klientengruppen, in einer akzeptierenden, unterstützenden und förderlichen Kultur bzw. Heimphilosophie oder deren Gegenteil stattfindet. Generell ist die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit zentral, da die Wirkung einer Therapie nur systemisch erzielt werden kann (vgl. Kapitel «Interprofessionelle Zusammenarbeit», Seite 35). Diese Aspekte der Rahmenbedingungen sind in der Therapie stets zu berücksichtigen. Aufgrund eines solchen Verständnisses kann die Aktivierungstherapie nicht eindeutig schwarz oder weiss oder isoliert dargestellt werden. Es ist Aufgabe der Aktivierungsfachperson, das erlernte Wissen in die eigene Praxis zu transferieren. Im Lernprozess der angehenden Aktivierungsfachperson zeigt sich dies stets als grosse Herausforderung.
Abbildung 3: Der aktivierungstherapeutische Regelkreis im institutionellen Kontext
Das aktivierungstherapeutische Vorgehen
Das aktivierungstherapeutische Vorgehen ist ziel-, ressourcen- und prozessorientiert und berücksichtigt Wissen aus verschiedenen physiologischen, medizinischen, sozialpsychologischen, psychiatrischen, sonderagogischen und gerontologischen Konzepten (vgl. Abbildung 1: Die Handlungskompetenz beim aktivierungstherapeutischen Arbeiten in der Übersicht, Seite 16). Dabei ist das Verständnis für andere berufliche Disziplinen eine Grundvoraussetzung. Das heisst, die Aktivierungsfachperson informiert das beteiligte interprofessionelle Team regelmässig über den jeweiligen Stand des aktivierungstherapeutischen Prozesses der Klientin/des Klienten resp. der Gruppe.
Der aktivierungstherapeutische Prozess wird über einen längeren Zeitraum geplant, kontinuierlich durchgeführt, reflektiert und evaluiert. Die aktivierungstherapeutische Arbeit bedingt eine ressourcen- und lösungsorientierte Haltung bei der Fachperson, die den Fokus auf das Vorhandene und das Mögliche richtet (vgl. Kapitel «Lösungsorientierung», Seite 34). Dies bedeutet, wahrzunehmen und zu erkennen, was der Mensch kann und welche inneren und äusseren Ressourcen ihm für die Alltagsbewältigung zur Verfügung stehen, damit er dort abgeholt werden kann, wo er steht. Die Aktivierungsfachperson blendet Krankheiten, Defizite und Herausforderungen deswegen nicht aus. Solches Wissen ist vielmehr notwendig, um im aktivierungstherapeutischen Arbeiten die Ressourcen sichtbar zu machen, zielorientiert zu nutzen und zu stärken. Ressourcenorientiertes Wahrnehmen, Denken, Handeln und Reflektieren ist somit wichtig, wenn es darum geht, Menschen in einem selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Alltag zu unterstützen. Die Klientin, der Klient steht dabei im Zentrum, ihre oder seine Erfahrungswelt, die Biografie und die Ressourcen werden von der Aktivierungsfachperson in den Mittelpunkt gestellt.
Der aktivierungstherapeutische Prozess ist nicht als linearer, sondern als flexibler und prozesshafter Verlauf zu verstehen. Dabei wird zwischen zwei sich ergänzenden Teilprozessen unterschieden: einerseits einem übergeordneten Prozess, der in fünf methodischen Schritten verläuft, und andererseits einem Entwicklungsprozess, der innerhalb einer Gruppe oder bei einer Einzelperson geschieht.
Die Prozessorientierung ist Teil der Haltung der Aktivierungsfachperson, denn sie stellt das aktuelle Geschehen in den Mittelpunkt. Prozessorientierung bedeutet, dass die Aktivierungsfachperson weiss, wann welche Methoden und Massnahmen in der Leitung des therapeutischen Prozesses erforderlich sind. Es bedeutet, mit der Klientin, dem Klienten empathisch im Kontakt zu sein und fordert von der Aktivierungsfachperson ein flexibles methodisches Vorgehen.
Ausgangslage, Indikation
Die Ausgangslage, das heisst die Indikation für einen aktivierungstherapeutischen Prozess, bilden komplexe Situationen, wie zum Beispiel veränderte Verhaltensmerkmale, einschneidende Lebensumstände oder Multimorbidität, sodass Klientinnen und Klienten mit eingeschränkten Ressourcen und Kompetenzen eine Förderung durch eine th...