FREI DAY
eBook - ePub

FREI DAY

Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch

  1. 192 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

FREI DAY

Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch

Über dieses Buch

»Margret Rasfeld zeigt, wie man ein Schulsystem (...) verwandeln kann. Die Idee ist verblüffend einfach!« Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor und Koordinator der Pisa-Studien Digital durchgefallen, Umweltwissen mangelhaft, Zukunftskompetenz verbesserungswürdig: Unser Bildungssystem braucht dringend ein Update, das hat spätestens die Coronapandemie gezeigt. Die langjährige Schulleiterin Margret Rasfeld plädiert für regelmäßige Freiräume, in denen ein anderes Lernen erprobt werden kann und Schüler*innen eigene Projekte verfolgen. Das bereitet sie nicht nur deutlich besser auf die Arbeitswelt vor, sondern lässt sie auch erfahren, welches Können und welche Interessen in ihnen stecken. So sind aktuelle Themen nicht mehr Problem, sondern Programm!

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu FREI DAY von Margret Rasfeld,Ilona Koglin,Marek Rohde im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politik & Internationale Beziehungen & Politik. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.
Kapitel 1
Warum es so nicht weitergehen kann
Wir sollten Achtung haben vor den Geheimnissen und Schwankungen der schweren Arbeit des Wachsens!
Wir sollten Achtung haben vor der gegenwärtigen Stunde, vor dem heutigen Tag. Wie soll das Kind imstande sein, morgen zu leben, wenn wir ihm heute nicht gestatten, ein verantwortungsvolles, bewusstes Leben zu führen.
… Entsagen wir also der trügerischen Sehnsucht nach vollkommenen Kindern.
Janus Korczak
Auf meinem Schreibtisch liegt der Bericht des Club of Rome von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman. »Wir sind dran«, steht in dicken, weißen Lettern drauf. Dazu ein Foto unseres blauen Heimatplaneten. Und etwas kleiner, darunter: »Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen.« Ich betrachte das Cover und denke an den ersten Bericht des Club of Rome aus dem Jahre 1972. Dieser Zusammenschluss von Expert*innen unterschiedlichster Disziplinen aus mehr als 30 Ländern wurde 1968 gegründet und setzt sich seither für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Unter dem mittlerweile berühmten Titel »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlichte die Organisation ein Buch, das mit 30 Millionen verkauften Exemplaren zu einem Weltbestseller wurde und unser Denken auf den Kopf stellte. Denn er machte klar, dass unsere Ideologie des unendlichen »Schneller, Höher, Weiter« in Wahrheit kein Fortschritt ist, sondern nur immer rasanter und tiefer in die Krise, ja, in die Katastrophe führt.

Warum Lernen Ethos braucht

Innovatives Lernen war bereits 1979 für den Club of Rome der Schlüssel, um aus unseren selbstgemachten Krisen wieder herauszukommen. Die wesentlichen Merkmale dieses Lernens sollten demnach Partizipation und Antizipation sein. Partizipation, weil es um die Zukunftsaufgaben geht, die wir nur mit einer Haltung bewältigen können, die durch Kooperation, Dialog und Empathie gekennzeichnet ist. Antizipation, weil wir uns unserer Generation und unseren Nachfahren zugehörig fühlen müssen. Nur dann werden wir echte Verantwortung übernehmen.1 Damit zeichnet sich innovatives Lernen also vor allem durch die ethische Dimension aus. Die Ethik solle Wissen und Können dabei nicht nur vervollständigen, so der Club of Rome damals. Sie müsse sie steuern und durchdringen. Welch kluge Weitsicht bereits vor 40 Jahren!
Ich hole so weit aus, weil mich diese Einsichten als junge Chemie- und Biologie-Lehrerin tief bewegt und aufgerüttelt haben. Gleichzeitig habe ich schon damals beobachtet, wie die Schüler*innen in ihrem Unterricht ihre Neugier und Gestaltungslust verlieren. Wie ihr Potenzial darauf reduziert wird, Dinge von der Tafel abzuschreiben oder Arbeitsblätter auszufüllen. Ich selbst habe versucht, anders zu arbeiten, denn ich durfte schon früh erleben und lernen, was Kinder auf die Beine stellen, wenn ihnen etwas wirklich am Herzen liegt. Wenn sie zum Beispiel ein Problem sehen und etwas dagegen unternehmen wollen, wenn sie Feuer fangen. Dann legen sie los und lassen auch nicht locker. Kinder und Jugendliche können viel mehr, als die meisten Erwachsenen ihnen zutrauen. Sie sind in einer Weise mitfühlend und kreativ, wie wir es nur noch selten sind. Das hat mich stark geprägt. Das Wichtige ist, dass wir – Eltern und Pädagog*innen – an die Kinder glauben, ihnen zuhören, sie beteiligen, ihnen den Raum öffnen und sie unterstützen, wenn Hilfe erforderlich ist. Auf unsere Haltung kommt es an. Ich selbst habe dies zum Glück schon als junge Lehrerin entwickeln dürfen. Die Berichte des Club of Rome, viele andere Forschungen sowie meine Erfahrungen mit jungen Menschen haben mich von Beginn an dazu gebracht, über den üblichen Unterricht hinauszudenken. Gemeinsam mit den Schüler*innen haben wir Projekte verwirklicht, die manchmal die ganze Schule erfassten oder sogar den ganzen Stadtteil. Für die Kinder und mich bedeutete das vor allem sehr viel Freude und Sinnhaftigkeit beim Lernen. Für die Gesellschaft hieß das, dass hier junge Menschen heranwachsen, die erlebt haben, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen – junge Menschen, die gespürt haben: »Ich bin wichtig. Auf mich kommt es an. Ich kann einen positiven Beitrag für die Welt um mich herum leisten.« Das zu wissen und zu können ist in unserer heutigen Zeit wichtiger denn je. Und genau das wollte und will ich bei den Kindern und Jugendlichen fördern. Dies ist die eigentliche Aufgabe von Schule. Erst das gibt Schule ihren eigentlichen Sinn – ihren Ethos.

Bildung kann die Welt verändern – wenn wir es wollen

Zwanzig Jahre später schien die ganze Welt erkannt zu haben: Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Im Jahr 1992 fand die Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. »Die großen Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen – und zwar in einer globalen Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist«, so lässt sich die Präambel des Abschlussdokuments Agenda 21 zusammenfassen. In 40 Kapiteln ist beschrieben, was wir weltweit tun müssen, um diese nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert zu erreichen. Im Anschluss an die Konferenz erhielt eine internationale Kommission rund um den französischen Politiker Jacques Delors den Auftrag zu erforschen, wie sich die Schulbildung verändern muss, damit wir die Agenda 21 verwirklichen können. Das Ergebnis war der UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Darin plädieren die Autor*innen für eine Neuausrichtung und Neuorganisation des Curriculums entlang der vier Säulen:
Lernen, Wissen zu erwerben
Lernen, zusammenzuleben
Lernen, zu handeln
Lernen, zu sein
Die ethische Dimension, die der Club of Rome bereits zwanzig Jahre früher angemahnt hatte, durchdringt auch diesen Bericht. Die Kommission war überzeugt: »Bildung muss die Saat eines neuen Humanismus werden. Eines Humanismus, der deutlich durch eine ethische Komponente charakterisiert ist und sein Gewicht auf Wissen von und Respekt vor anderen Kulturen und spirituellen Werten verschiedener Zivilisationen legt. Lernen soll mithelfen, ein aktives Gemeinwesen aufzubauen. Dabei soll es jedem ermöglicht werden, seinen Teil an Verantwortung in der Gemeinschaft und für das Gemeinwohl zu übernehmen«. Die Kommission sah »in Bildung weder ein Wundermittel noch eine magische Formel, die die Pforten zu einer von Idealen erfüllten Welt eröffnet […], aber eines der wichtigsten verfügbaren Werkzeuge für eine umfassendere und harmonischere Art der menschlichen Entwicklung.«2 Bildung hat also das Potenzial, die Welt positiv zu verändern.
Dieser Bericht hat mich fasziniert und zum Weitergehen ermutigt. Ich war damals gerade Schulleiterin einer Gesamtschule in Essen geworden und mir war klar: Ich wollte sie zu einer Agenda-21-Schule machen. Alle – Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern – haben den Gedanken begeistert aufgenommen. Und so haben wir die Gesamtschule mit der ganzen Schulgemeinschaft und verschiedenen Agenda-Gremien der Stadt, in denen die Schüler*innen mitwirkten, im Geist der Agenda 21 neu ausgerichtet. Auf diese Weise ist zum Beispiel das Fach Verantwortung entstanden, in dem wir als Schule unter anderem die Patenschaft für ein ganzes Tal übernommen und es gepflegt haben. Doch leider motivierte die Agenda 21 nicht alle. Mein Blick fällt einmal mehr auf den Bericht des Club of Rome vor mir auf meinem Schreibtisch. Was hat sich tatsächlich seitdem verändert? Leider muss ich feststellen: Weniger als gehofft. Weniger als geboten. Trotz Agenda 21 und UNESCO-Bericht muss ich einsehen, dass wir Menschen offenbar eher aus Katastrophen lernen als aus Einsichten. Wir brauchten womöglich erst eine Corona-Krise, um uns wirklich für Veränderungen zu öffnen. »Schock-Lernen« nannten das die Club-of-Rome-Autorinnen und -Autoren 1979 in ihrem Bericht »Das menschliche Dilemma«. Doch Schock-Lernen ist, wie auch das tradierte Lernen, für geschichtliche Umbrüche ungeeignet. Auch das zeigt die Corona-Pandemie: Wir hinken hinter krisenhaften Veränderungen her, anstatt die Transformation in eine nachhaltige und solidarische Gesellschaft aktiv zu gestalten. Wir flicken hier und reparieren dort, um notdürftig zusammenzuhalten, was längst schon am Auseinanderbrechen ist. Ja, wir nehmen immer mehr soziale und ökologische Katastrophen in Kauf, um uns bloß nicht aus unserer Komfortzone herauswagen zu müssen. Und das, obwohl diese längst einer Kampfzone gleicht. Unserem vermeintlich normalen Handeln liegt ein Wachstums- und Optimierungszwang zugrunde, der uns tiefer und tiefer in drei existenzielle Krisen treibt: die ökologische, die soziale und die Sinnkrise. Alle drei sind Ausdruck unserer Entfremdung. Der Entfremdung von Mensch und Natur, von Mensch und Mitmensch sowie von uns selbst, unseren Bedürfnissen, Träumen und Sehnsüchten.

Bei der Öko-Krise darf niemand sitzen bleiben!

Der Klimawandel ist nur eine von vielen Herausforderungen. Die zahlreichen, von Menschen entfachten ökologischen Krisen zeigen, dass wir nicht einfach weitermachen können, wenn auch unsere Kinder und Enkel noch ein gutes Leben haben sollen. Rund 100 Tier- und Pflanzenarten sterben durch unser Handeln täglich aus.3 30.000 Tonnen Plastik landen im Meer – jeden Tag. Schon heute schwimmen dort mehr Mikroplastikteilchen herum als Plankton, schätzen Wissenschaftler.4 Wie wir heute leben, hat tiefgreifend existenzielle und zugleich langfristige Folgen für alles Leben auf unserem Planeten. Die Weichen, die wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren stellen, entscheiden über das Wohl aller zukünftigen Generationen. Es macht mich immer wieder sprachlos, mit welcher Gleichgültigkeit wir auf diverse Kipppunkte zusteuern. Das bedeutet, dass die Ökosysteme der Erde in einen Zustand tiefgreifender, irreparabler und unumkehrbarer Veränderungen geraten: Zum Beispiel brennen die Regenwälder nieder oder die Permafrostböden tauen auf. Beides würde soviel CO2 freisetzen, dass ein unkontrollierbarer Klimawandel in Gang käme. Das wiederum könnte eine Kaskade weiterer Kipppunkte auslösen und zu einer Heißzeit mit über fünf Grad Erderwärmung führen, befürchten Wissenschaftler*innen.5 Unser planetares System könnte kollabieren. Wir zerstören damit momentan sehenden Auges die Lebensgrundlagen genau der Kinder, die wir dafür rügen, dass sie aus Sorge eben darum auf die Straße gehen. Ich halte das für verrückt, für Wahnsinn.
Doch diese scheinbare Gleichgültigkeit und Ignoranz angesichts der Umstände hat eine tiefere Ursache. Sie liegt in unserer Entfremdung von der Natur begründet. Wir haben verlernt, uns als Teil des Ökosystems Erde zu begreifen. Hier haben Schulen einen Auftrag. Denn es gibt Kinder, die nur noch Technik aus erster Hand erfahren. Es wächst eine Generation heran, die sich zwar mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigt und sich im Internet über die Abholzung des Regenwalds informiert. Sie erfährt aber nie oder zumindest immer seltener, wie es ist, ungestört und selbstmotiviert in der freien Natur zu spielen, zu staunen und zu entdecken. Natur fördert jedoch die Kreativität und Neugierde, sie schärft die Wahrnehmung und trägt dazu bei, dass ein Kind die in ihm angelegten Potenziale entdecken, spielerisch ausprobieren und entwickeln kann. Wer Zeit in der Natur verbringt, der weiß aus eigener, körperlicher Erfahrung ihren Wert zu schätzen. Der hat gespürt, gesehen, geschmeckt und gerochen, wie wundervoll sie ist. Wie sehr sie uns tief im Inneren berührt. Wo wir Natur aber nicht mehr erleben, da sind wir auch nicht mehr mit ihr verbunden. Da entsteht Entfremdung. Und wo wir entfremdet sind, kein Gespür mehr für Tiere, Pflanzen und Elemente haben, da behandeln wir die Natur nur noch als Ware.
So steuern wir auf einen ökologischen Kollaps unserer Erde zu, ohne uns zu fragen, wer die Rettungspakete für diesen ökologischen Zusammenbruch wird zahlen müssen. Stattdessen leben wir nach wie vor im wahrsten Sinne des Wortes auf zu großem Fuß. Das zeigt der sogenannte Erdüberlastungstag. Das ist der Tag im Kalender, ab dem wir Menschen mehr natürliche Ressourcen verbraucht haben, als die Natur in zwölf Monaten erzeugen kann. 1970 lagen wir mit 1,01 erstmals über der Reproduktionskapazität unseres Planeten. Fünfzig Jahre später – im Jahr 2020 – verbraucht die Menschheit 1,56 Erden. Das bedeutete, dass wir am 22. August alles aufgebraucht hatten, was uns unter nachhaltigen Bedingungen zur Verfügung stand. Und dies war ein »gutes« Jahr: Der Erdüberlastungstag war wegen der weltweiten Corona-Shutdowns um drei Wochen nach hinten gerückt.6
rasfeld_abb022.webp
Der Erdüberlastungstag zeigt, an welchem Tag im Jahr die Menschheit die Ressourcen aufgebraucht hat, die das Ökosystem Erde in zwölf Monaten erzeugen kann. Jedes Jahr rückt dieses Datum weiter nach vorne. Nur 2020 gab es eine Erholung für die Natur – wegen der Coronapandemie.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Earth_Overshoot_Day
Doch war das ein Thema in unseren Schulen? Wissen Kinder und Jugendliche genug über die ökologischen Zusammenhänge, um die Auswirkungen dieser Entwicklung einschätzen zu können? Haben sie das politische Hintergrundwissen, um sich selbst einbringen und ihre eigene Zukunft mitgestalten zu können? Ich behaupte »Nein«. Und das, obwohl die Schulgesetze explizit fordern, dass Schüler*innen lernen sollen, Verantwortung für den Erhalt der Umwelt zu übernehmen. Obwohl die internationalen Kinderrechte uns Erwachsene in die Pflicht nehmen, junge Menschen über Entscheidungen zu informieren, die ihre Zukunft betreffen, und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich demokratisch einzumischen. Handlungsmut und Selbstwirksamkeitserfahrungen stehen in den meisten Schulen nicht im Lehrplan. Kein Wunder also, dass aus Kindern Erwachsene werden, die wegsehen. Sie fühlen sich zu klein und zu ohnmächtig für die komplexen Aufgaben unserer Zeit. So klein und ohnmächtig fühlen sie sich auch, weil sie sich alleine fühlen. Abgetrennt und losgelöst von anderen Menschen.

Solidarität steht nicht im Lehrplan

Benachteiligung, Ungleichheit, kulturelle und religiöse Intoleranz haben sowohl innerhalb von Gesellschaften als auch zwischen ihnen weltweit zugenommen.7 Sie sind die Folge unseres materialistischen Wertesystems, unserer verantwortungslosen Produktionsweisen, unseres Finanzsystems mit seinen Spekulationsblasen und unseres verschwenderischen Lebensstils. Wir missachten die von uns gesetzten Menschenrechte ebenso wie die unverrückbaren planetaren Grenzen. Und so stirbt in der Welt alle 13 Sekunden laut UNICEF ein Kind an Hunger, während wir Deutschen in der gleichen Zeit gut vier Tonnen Lebensmittel in den Müll werfen.8 Besonders kritisch ist das, wenn es sich dabei um tierische Produkte handelt, wie Fleisch, Wurst, Käse oder Joghurt.
Denn für unseren Appetit auf derlei Lebensmittel müssen Menschen in den Ländern des globalen Südens hungern. Wo Futterpflanzen für den Export wachsen, lassen sich schließlich keine Nahrungsmittel mehr für den lokalen Verbrauch anpflanzen. Aber nicht nur der Hunger, auch Klimawandel, Lebensmittelspekulation und Krieg treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Knapp 32 Millionen davon sind Kinder und Jugendliche, schätzt die UNO-Flüchtlingshilfe.9 Wie viele davon kommen zu uns? Und wie schaffen wir es, sie in unsere Schulen und unsere Gesellschaft zu integrieren? Schüler*innen haben auf diese Fragen mit dem Projekt Sprachbotschafter eine bemerkenswerte Antwort gefunden (mehr dazu im nächsten Kapitel). Statt die EU-Außengrenzen dicht zu machen, sollten wir uns lieber fragen: Wie schaffen wir für diese Kinder als Weltgemeinschaft eine echte Lebensperspektive?
Statt zusammenzurücken und gemeinsam kreative Lösungen zu finden, lassen wir zu, dass die soziale Krise die Menschheit ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort von Gerald Hüther
  6. Prolog: Aus Friday wird FREI DAY
  7. Kapitel 1: Warum es so nicht weitergehen kann
  8. Kapitel 2: Auf was es jetzt in Schulen ankommt
  9. Kapitel 3: Warum ketten wir uns an das alte System?
  10. Kapitel 4: FREI DAY – einfach mal anfangen!
  11. Kapitel 5: Wie wir Grenzen überwinden können
  12. Kapitel 6: Von digitaler Bildung zu digitaler Mündigkeit
  13. Kapitel 7: Schulen, die loslegen
  14. Kapitel 8: Vom Musterbruch zur Normalität
  15. Anmerkungen
  16. Dank