Wir Denunzianten. Denigrare Gaudium Est

Ein Schauerstück in gebundener Rede

Erik v. Grawert-May

• Verlag: Books on Demand
• Jahr: 2021
• ISBN drucken: 9783754349335
• eBook-ISBN: 9783754393802
• Auflage: 1
• Thema: Literature
• Thema: Poetry

Wir denken gerne, wir seien die Guten und die anderen die Denunzianten. Aber wir gehören auch zu den anderen.

1. SZENE

Prolog

Die Traurige Person auf dem Proszenium

TRAURIGE PERSON

Ist es vielleicht ein Urbedürfnis,

nicht zwar, den andern auszumerzen,

doch ihn stattdessen anzuschwärzen?

Besteht vielleicht ein Urzerwürfnis

zwischen allen, dir und mir,

und keiner könnte was dafür?

Man mache einmal selbst den Test

und feiere ein kleines Fest,

lade sich abends Gäste ein,

vielleicht noch ein paar obendrein,

da ereilt dich schon die Pein.

Du könntest vor Entsetzen schrein.

Ein Nachbar hat längst nachgezählt,

die Ordnungskräfte angewählt,

und die erscheinen auf der Stelle.

Sie stehen schon auf deiner Schwelle

und lösen deine Feier auf.

Meistens zahlst du auch noch drauf.

Der Nachbar kann sich herrlich brüsten

mit seinen heimlichen Gelüsten.

Er schwärzt dich an, ganz anonym,

ein richtig feiges Ungetüm,

verrät dich wegen zu viel Gästen,

tut nichts als nur die Luft verpesten,

doch Ordnungskräfte loben ihn

für seine gute Disziplin.

Dabei spricht die Denunziation

allen guten Sitten Hohn.

Diese Fälle sind Legion.

Statistiken wärn voll davon,

wenn wir sie nur erheben wollten

und dem Faktum Achtung zollten.

Das tun wir aber lieber nicht,

es hat für uns nicht das Gewicht.

Der Nachbar tut doch seine Pflicht.

Er möchte deine Lust nicht lähmen,

er will doch nur das Virus zähmen.

Wir sollten uns deshalb nicht grämen,

ihn auch nicht negativ erwähnen.

Und wenn wir einmal in uns gehen,

dann werden wir schon sehr bald sehen,

dass wir nicht sehr viel besser sind.

Wir sind desselben Geistes Kind.

Die Pandemie steht oben an,

alle stehn in ihrem Bann.

Tut nicht jeder, was er kann,

um ihre Ausbreitung zu lindern?

Indem wir andre daran hindern,

gegen die Regeln zu verstoßen,

tun wir’s im Kleinen wie im Großen.

Als hätten alle sich verschworen,

ja, sich dazu auserkoren,

selber Ordnungskraft zu spielen

und nach dem Gesetz zu schielen,

für seine Einhaltung zu sorgen,

seine Kraft sich zu erborgen

ABURIEL, erscheint plötzlich durch eine geheime Hintertür

Junger Herr, seien Sie nicht traurig!

Was Sie da sagen, klingt zwar schaurig,

doch so etwas geschieht nun mal,

und manchmal ist es auch fatal.

Wenn große Krisen uns bedrohen,

können wir sehr schnell verrohen.

Da wacht dann bei der kleinsten Feier

dein nächster Nachbar wie ein Geier

über jeden Schritt von dir

und folgt dir bis vor deine Tür,

ja, selbst bis in dein Haus hinein.

Am Ende bist du nie allein.

TRAURIGE PERSON

Wer seid Ihr und wo kommt Ihr her?

Was Ihr da sagt, gefällt mir sehr.

Es tröstet mich für den Moment.

ABURIEL

Ich bin jemand, den keiner kennt,

der lediglich für etwas brennt,

für etwas, was Ihr Freiheit nennt.

Drum tret ich gern in Krisen auf.

Ich merke mir ihren Verlauf,

greife dort ein, wo es nötig

und zeige mich, wenn’s geht, erbötig.

TRAURIGE PERSON

Ein Schauer erfasst meinen Sinn,

doch nehm ich ihn nicht ungern hin.

Als wärt vom Himmel Ihr gesandt

und nur von Ihm wahrhaft erkannt.

Ihr kommt mir übrigens grade recht.

Uns geht es zur Zeit ziemlich schlecht.

Ich denke da an ein Problem –

es ist ein neues Phänomen.

ABURIEL

Was meinen Sie, nur frei heraus!

Wenn ich kann, helfe ich aus.

TRAURIGE PERSON

Wir schießen grad ein Eigentor.

Ein Freiheitseinbruch steht bevor.

Habt Ihr von Jóhan schon gehört?

Der hat die halbe Welt empört.

ABURIEL

Etwa die Vi...

Inhaltsverzeichnis

• PERSONEN
• Inhaltsverzeichnis
• AUF EIN WORT
• 1. SZENE Prolog
• 2. SZENE Die Kampagne #allesdichtmachen
• 3. SZENE Die Reaktion auf die Kampagne
• 4. SZENE Das Streitgespräch
• 5. SZENE Epilog
• Impressum