
- 334 Seiten
- German
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eBook - ePub
Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur
Über dieses Buch
Fontanes berühmter Gesellschaftsroman des späten 19. Jahrhunderts: Die junge Effi wird mit einem doppelt so alten Baron verheiratet. Doch ihr Ehemann nimmt sie und ihre Sorgen nicht ernst. Als sie sich auf eine Affäre mit einem Offizier einlässt und diese Liebschaft Jahre später herauskommt, wird Effi von ihrer Familie verstoßen - und ihr blüht ein tragisches Ende. -
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Information
Thema
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ClásicosVierundzwanzigstes Kapitel
Drei Tage danach, ziemlich spät, um die neunte Stunde, traf Innstetten in Berlin ein. Alles war am Bahnhof: Effi, die Mama, der Vetter; der Empfang war herzlich, am herzlichsten von seiten Effis, und man hatte bereits eine Welt von Dingen durchgesprochen, als der Wagen, den man genommen, vor der neuen Wohnung in der Keithstrasse hielt. „Ach, da hast du gut gewählt, Effi,“ sagte Innstetten, als er in das Vestibul eintrat, „kein Haifisch, kein Krokodil und hoffentlich auch kein Spuk.“
„Nein, Geert, damit ist es nun vorbei. Nun bricht eine andere Zeit an, und ich fürchte mich nicht mehr und will auch besser sein als früher und dir mehr zu Willen leben.“ Alles das flüsterte sie ihm zu, während sie die teppichbedeckte Treppe bis in den zweiten Stock hinanstiegen. Der Vetter führte die Mama.
Oben fehlte noch manches, aber für einen wohnlichen Eindruck war doch gesorgt, und Innstetten sprach seine Freude darüber aus. „Effi, du bist doch ein kleines Genie;“ aber diese lehnte das Lob ab und zeigte auf die Mama, die habe das eigentliche Verdienst. „Hier muss es stehen,“ so hab es unerbittlich geheissen, und immer habe sie’s getroffen, wodurch natürlich viel Zeit gespart und die gute Laune nie gestört worden sei. Zuletzt kam auch Roswitha, um den Herrn zu begrüssen, bei welcher Gelegenheit sie sagte: „Fraülein Annie liesse sich für heute entschuldigen“ — ein kleiner Witz, auf den sie stolz war und mit dem sie auch ihren Zweck vollkommen erreichte.
Und nun nahmen sie Platz um den schon gedeckten Tisch, und als Innstetten sich ein Glas Wein eingeschenkt und „auf glückliche Tage“ mit allen angestossen hatte, nahm er Effis Hand und sagte: „Aber Effi, nun erzähle mir, was war das mit deiner Krankheit?“
„Ach, lassen wir doch das, nicht der Rede wert; ein bisschen schmerzhaft und eine rechte Störung, weil es einen Strich durch unsere Pläne machte. Aber mehr war es nicht, und nun ist es vorbei. Rummschüttel hat sich bewährt, ein seiner, liebenswürdiger alter Herr, wie ich dir, glaub ich, schon schrieb. In seiner Wissenschaft soll er nicht gerade glänzen, aber Mama sagt, das sei ein Vorzug. Und sie wird wohl recht haben wie in allen Stücken. Unser guter Doktor Hannemann war auch kein Licht und traf es doch immer. Und nun sage, was macht Gieshübler und die anderen alle?“
„Ja, wer sind die anderen alle? Crampas lässt sich der gnädgen Frau empfehlen. . .“
„Ah, sehr artig.“
„Und der Pastor will dir desgleichen, empfohlen sein; nur die Herrschaften auf dem Lande waren ziemlich nüchtern und schienen auch mich für deinen Abschied ohne Abschied verantwortlich machen zu wollen. Unsere Freundin Sidonie war sogar spitz, und nur die gute Frau von Padden, zu der ich eigens vorgestern noch hinüberfuhr, freute sich aufrichtig über deinen Gruss und deine Liebeserklärung an sie. „Du seist eine reizende Frau,‘ sagte sie, ,aber ich sollte dich gut hüten.‘ Und als ich ihr erwiderte: ,Du fändest schon, dass ich mehr ein ,Erzieher‘ als ein Ehemann sei,‘ sagte sie halblaut und beinahe wie abwesend: ,Ein junges Lämmchen weiss wie Schnee.‘ Und dann brach sie ab.“
Vetter Briest lachte. „Ein junges Lämmchen weiss wie Schnee . . .‘ Da hörst du’s, Cousine.“ Und er wollte sie zu necken fortfahren, gab es aber auf, als er sah, dass sie sich verfärbte.
Das Gespräch, das meist zurückliegende Verhältnisse berührte, spann sich noch eine Weile weiter, und Effi erfuhr zuletzt aus diesem und jenem, was Innstetten mitteilte, dass sich von dem ganzen Kessiner Hausstande nur Johanna bereit erklärt habe, die Übersiedelung nach Berlin mitzumachen. Sie sei natürlich noch zurückgeblieben, werde aber in zwei, drei Tagen mit dem Rest der Sachen eintreffen; er sei froh über ihren Entschluss, denn sie sei immer die brauchbarste gewesen und von einem ausgesprochenen grossstädtischen Chic. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Christel und Friedrich hätten sich beide für zu alt erklärt, und mit Kruse zu verhandeln habe sich von vornherein verboten. „Was soll uns ein Kutscher hier?“ schloss Innstetten, „Pferd und Wagen, das sind tempi passati, mit diesem Luxus ist es in Berlin vorbei. Nicht einmal das schwarze Huhn hätten wir unterbringen können. Oder unterschätz ich die Wohnung?“
Effi schüttelte den Kopf, und als eine kleine Pause eintrat, erhob sich die Mama; es sei bald elf, und sie habe noch einen weiten Weg, übrigens solle sie niemand begleiten, der Droschkenstand sei ja nah — ein Ansinnen, das Vetter Briest natürlich ablehnte. Bald darauf trennte man sich, nachdem noch Rendezvous für den andern Vormittag verabredet war.
Effi war ziemlich früh auf und hatte — die Luft war beinahe sommerlich warm — den Kaffeetisch bis nahe an die geöffnete Balkontür rücken lassen, und als Innstetten nun auch erschien, trat sie mit ihm auf den Balkon hinaus und sagte: „Nun, was sagst du? Du wolltest den Finkenschlag aus dem Tiergarten hören und die Papageien aus dem Zoologischen. Ich weiss nicht, ob beide dir den Gefallen tun werden, aber möglich ist es. Hörst du wohl? Das kam von drüben, drüben aus dem kleinen Park. Es ist nicht der eigentliche Tiergarten, aber doch beinah.“
Innstetten war entzückt und von einer Dankbarkeit, als ob Effi ihm das alles persönlich herangezaubert habe. Dann setzten sie sich, und nun kam auch Annie. Roswitha verlangte, dass Innstetten eine grosse Veränderung an dem Kinde finden solle, was er denn auch schliesslich tat. Und dann plauderten sie weiter, abwechselnd über die Kessiner und die in Berlin zu machenden Visiten und ganz zuletzt auch über eine Sommerreise. Mitten im Gespräch aber mussten sie abbrechen, um rechtzeitig beim Rendezvous erscheinen zu können.
Man traf sich, wie verabredet, bei Helms, gegenüber dem Roten Schloss, besuchte verschiedene Läden, ass bei Hiller und war bei guter Zeit wieder zu Haus. Es war ein gelungenes Beisammensein gewesen, Innstetten herzlich froh, das grosse städtische Leben wieder mitmachen und auf sich wirken lassen zu können. Tags darauf, am 1. April, begab er sich in das Kanzlerpalais, um sich einzuschreiben (eine persönliche Gratulation unterliess er aus Rücksicht), und ging dann aufs Ministerium, um sich da zu melden. Er wurde auch angenommen, trotzdem es ein geschäftlich und gesellschaftlich sehr unruhiger Tag war, ja, sah sich seitens seines Chefs durch besonders entgegenkommende Liebenswürdigkeit ausgezeichnet. „Er wisse, was er an ihm habe und sei sicher, ihr Einvernehmen nie gestört zu sehen.“
Auch im Hause gestaltete sich alles zum guten. Ein aufrichtiges Bedauern war es für Effi, die Mama, nachdem diese, wie gleich anfänglich vermutet, fast sechs Wochen lang in Kur gewesen, nach Hohen-Cremmen zurückkehren zu sehen, ein Bedauern, das nur dadurch einigermassen gemildert wurde, dass sich Johanna denselben Tag noch in Berlin einstellte. Das war immerhin was, und wenn die hübsche Blondine dem Herzen Effis auch nicht ganz so nahe stand wie die ganz selbstsuchtslose und unendlich gutmütige Roswitha, so war sie doch gleichmässig angesehen, ebenso bei Innstetten wie bei ihrer jungen Herrin, weil sie sehr geschickt und brauchbar und der Männerwelt gegenüber von einer ausgesprochenen und selbstbewussten Reserviertheit war. Einem Kessiner on dit zufolge liessen sich die Wurzeln ihrer Existenz auf eine längst pensionierte Grösse der Garnison Pasewalk zurükführen, woraus man sich auch ihre vornehme Gesinnung, ihr schönes, blondes Haar und die besondere Plastik ihrer Gesamterscheinung erklären wollte. Johanna selbst teilte die Freude, die man allerseits über ihr Eintreffen empfand, und war durchaus einverstanden damit, als Hausmädchen und Jungfer, ganz wie früher, den Dienst bei Effi zu übernehmen, während Roswitha, die der Christel in beinahe Jahresfrist ihre Kochkünste so ziemlich abgelernt hatte, dem Küchendepartement vorstehen sollte. Annies Abwartung und Pflege fiel Effi selber zu, worüber Roswitha freilich lachte. Denn sie kannte die jungen Frauen.
Innstetten lebte gang seinem Dienst und seinem Haus. Er war glücklicher als vordem in Kessin, weil ihm nicht entging, dass Effi sich unbefangener und heiterer gab. Und das konnte sie, weil sie sich freier fühlte. Wohl blickte das Vergangene noch in ihr Leben hinein, aber es ängstigte sie nicht mehr, oder doch um vieles seltener und vorübergehender, und alles, was davon noch in ihr nachzitterte, gab ihrer Haltung einen eigenen Reiz. In jeglichem, was sie tat, lag etwas Wehmütiges, wie eine Abbitte, und es hätte sie glücklich gemacht, dies alles noch deutlicher zeigen zu können. Aber das verbot sich freilich.
Das gesellschaftliche Leben der grossen Stadt war, als sie während der ersten Aprilwochen ihre Besuche machten, noch nicht vorüber, wohl aber im Erlöschen, und so kam es für sie zu keiner rechten Teilnahme mehr daran. In der zweiten Hälfte des Mai starb es dann ganz hin, und mehr noch als vorher war man glücklich, sich in der Mittagsstunde, wenn Innstetten von seinem Ministerium kam, im Tiergarten treffen oder nachmittags einen Spaziergang nach dem Charlottenburger Schlossgarten machen zu können. Effi sah sich, wenn sie die lange Front zwischen dem Schloss und den Orangeriebäumen auf und ab schritt, immer wieder die massenhaft dortstehenden römischen Kaiser an, fand eine merkwürdige Ähnlichkeit zwischen Nero und Titus, sammelte Tannenäpfel, die von den Trauertannen gefallen waren, und ging dann, Arm in Arm mit ihrem Manne, bis auf das nach der Spree hin einsam gelegene „Belvedere“ zu.
„Da drin roll es auch einmal gespukt haben,“ sagte sie.
„Nein, bloss Geistererscheinungen.“
„Das ist dasselbe.“
„Ja, zuweilen,“ sagte Innstatten. „Aber eigentlich ist doch ein Unterschied. Geistererscheinungen werden immer gemacht — wenigstens soll es hier in dem ,Belvedere‘ so gewesen sein, wie mir Vetter Briest erst gestern noch erzählte — Spuk aber wird nie gemacht, Spuk ist natürlich.“
„Also glaubst du doch dran?“
„Gewiss glaub ich dran. Es gibt so was. Nur an das, was wir in Kessin davon hatten, glaub ich nicht recht. Hat dir denn Johanna schon ihren Chinesen gezeigt?“
„Welchen?“
„Nun, unsern. Sie hat ihn, eh sie unser altes Haus verliess, oben von der Stuhllehne abgelöst und ihn ins Portemonnaie gelegt. Als ich mir neulich ein Markstück bei ihr wechselte, hab ich ihn gesehen. Und sie hat es mir auch verlegen bestätigt.“
„Ach, Geert, das hättest du mir nicht sagen sollen. Nun ist doch wieder so was in unserm Hause.“
„Sag ihr, dass sie ihn verbrennt.“
„Nein, das mag ich auch nicht, und das hilft auch nichts. Aber ich will Roswitha bitten . . .“
„Um was? Ah, ich verstehe schon, ich ahne, was du vorhast. Die soll ein Heiligenbild kaufen und es dann auch ins Portemonnaie tun. Ist es so was?“
Effi nickte.
„Nun, tu was du willst. Aber rag es niemandem.“
Effi meinte dann schliesslich, es lieber doch lassen zu wollen, und unter allerhand kleinem Geplauder, in welchem die Reisepläne für den Sommer mehr und mehr Platz gewannen, fuhren sie bis an den „Grossen Stern“ zurück, und gingen dann durch die Korso-Allee und die breite Friedrich-Wilhelms-Strasse auf ihre Wohnung zu.
Sie hatten vor, schon Ende Juli Urlaub zu nehmen und ins bayerische Gebirge zu gehen, wo gerade in diesem Jahre wieder die Oberammergauer Spiele stattfanden. Es liess sich aber nicht tun; Geheimrat von Wüllersdorf, den Innstetten schon von früher her kannte und der jetzt sein Spezialkollege war, erkrankte plötzlich, und Innstetten musste bleiben und ihn vertreten. Erst Mitte August war alles wieder beglichen und damit die Reisemöglichkeit gegeben; es war aber nun zu spät geworden, um noch nach Oberammergau zu gehen, und so entschied man sich für einen Aufenthalt auf Rügen. „Zunächst natürlich Stralsund, mit Schill, den du kennst, und mit Scheele, den du nicht kennst und der den Sauerstoff entdeckte, was man aber nicht zu wissen braucht. Und dann von Stralsund nach Bergen und dem Rugard, von wo man, wie mir Wüllersdorf sagte, die ganze Insel übersehen kann, und dann zwischen dem Grossen und Kleinen Jasmunder Bodden hin, bis nach Sassnitz. Denn nach Rügen reisen heisst nach Sassnitz reisen. Binz ginge vielleicht auch noch, aber da sind — ich muss Wüllersdorf noch einmal zitieren — so viele kleine Steinchen und Muschelschalen am Strande, und wir wollen doch baden.“
Effi war einverstanden mit allem, was von seiten Innstettens geplant wurde, vor allem auch damit, dass der ganze Hausstand auf vier Wochen aufgelöst werden und Roswitha mit Annie nach Hohen-Cremmen, Johanna aber zu ihrem etwas jüngeren Halbbruder reisen sollte, der bei Pasewalk eine Schneidemühle hatte. So war alles gut untergebracht. Mit Beginn der nächsten Woche brach man denn auch wirklich auf, und am selben Abende noch war man in Sassnitz. Über dem Gasthause stand „Hotel Fahrenheit“ „Die Preise hoffentlich nach Réaumur,“ setzte Innstetten, als er den Namen las, hinzu, und in bester Laune machten beide noch einen Abendspaziergang an dem Klippenstrande hin und sahen von einem Felsenvorsprung aus auf die stille, vom Mondschein überzitterte Bucht. Effi war entzückt. „Ach, Geert, das ist ja Capri, das ist ja Sorrent. Ja, hier bleiben wir. Aber natürlich nicht im Hotel; die Kellner sind mir zu vornehm, und man geniert sich, um eine Flasche Sodawasser zu bitten . . .“
„Ja, lauter Attachés. Es wird sich aber wohl eine Privatwohnung finden lassen.“
„Denk ich auch. Und wir wollen gleich morgen danach aussehen.“
Schön wie der Abend war der Morgen, und man nahm das Frühstück im Freien. Innstetten empfing etliche Briefe, die schnell erledigt werden mussten, und so beschloss Effi, die für sie frei gewordene Stunde sofort zur Wohnungssuche zu benutzen. Sie ging erst an einer eingepferchten Wiese, dann an Häusergruppen und Haferfeldern vorüber und bog zuletzt in einen Weg ein, der schluchtartig auf das Meer zulief. Da, wo dieser Schluchtenweg den Strand traf, stand ein von hohen Buchen überschattetes Gasthaus, nicht so vornehm wie das Fahrenheitsche, mehr ein blosses Restaurant, in dem, der frühen Stunde halber, noch alles leer war. Effi nahm an einem Aussichtspunkte Platz, und kaum dass sie von dem Sherry, den sie bestellt, genippi hatte, so trat auch schon der Wirt an sie heran, um halb aus Neugier und halb aus Artigkeit ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.
„Es gefällt uns sehr gut hier,“ sagte sie, „meinem Manne und mir; welch prächtiger Blick über die Bucht, und wir sind nur in Sorge wegen einer Wohnung.“
„Ja, gnädigste Frau, das wird schwer halten . . .“
„Es ist aber schon spät im Jahr . . .“
„Trotzdem. Hier in Sassnitz ist sicherlich nichts zu finden, dafür möcht ich mich verbürgen; aber weiterhin am Strand, wo das nächste Dorf anfängt, Sie können die Dächer von hier aus blinken sehen, da möcht es vielleicht sein.“
„Und wie heisst das Dorf?“
„Crampas.“
Effi glaubte nicht recht gehört zu haben. „Crampas,“ wiederholte sie mit Anstrengung. „Ich habe den Namen als Ortsnamen nie gehört . . . Und sonst nichts in der Nähe?“
„Nein, gnädigste Frau. Hier herum nichts. Aber höher hinauf, nach Norden zu, da kommen noch wieder Dörfer, und in dem Gasthause, das dicht neben Stubbenkammer liegt, wird man Ihnen gewiss. Auskunft geben können. Es werden dort von solchen, die gerne noch vermieten wollen, immer Adressen abgegeben.“
Effi war froh, das Gespräch allein geführt zu haben, und als sie bald danach ihrem Manne Bericht erstattet und nur den Namen des an Sassnitz angrenzenden Dorfes verschwiegen hatte, sagte dieser: „Nun, wenn es hier herum nichts gibt, so wird es das beste sein, wir nehmen einen Wagen (wodurch man sich beiläufig einem Hotel immer empfiehlt) und übersiedeln ohne weiteres da höher hinauf, nach Stubbenkammer hin. Irgendwas Idyllisches mit einer Geissblattlaube wird sich da wohl finden lassen, und finden wir nichts, so bleibt uns immer noch das Hotel selbst. Eins ist schliesslich wie das andere.“
Effi war einverstanden, und gegen Mittag schon erreichten sie das neben Stubbenkammer gelegene Gasthaus, von dem Innstetten eben gesprochen, und bestellten daselbst einen Imbiss. „Aber erst nach einer halben Stunde; wir haben vor, zunächst noch einen Spaziergang zu machen und uns den Herthasee anzusehen. Ein Führer ist doch wohl da?“
Dies wurde bejaht, und ein Mann von mittleren Jahren trat alsbald an unsere Reisenden heran. Er sah so wichtig und feierlich aus, als ob er mindestens ein Adjunkt bei dem alten Herthadienst gewesen wäre.
Der von hohen Bäumen umstandene See lag ganz in der Nähe, Binsen säumten ihn ein, und auf der stillen, schwarzen Wasserfläche schwammen zahlreiche Mummeln.
„Es sieht wirklich nach so was aus,“ sagte Effi, „nach Herthadienst.“
„Ja, gnädge Frau . . . Dessen sind auch noch die Steine Zeugen.“
„Weiche Steine?“
„Die Opfersteine.“
Und während sich das Gespräch in dieser Weise fortsetzte, traten alle drei vom See her an eine senkrechte abgestochene Kiess- u...
Inhaltsverzeichnis
- decken
- Titel
- Kolophon
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- Siebentes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- Zehntes Kapitel
- Elftes Kapitel
- Zwölftes Kapitel
- Dreizehntes Kapitel
- Vierzehntes Kapitel
- Fünfzehntes Kapitel
- Sechzehntes Kapitel
- Siebzehntes Kapitel
- Achtzehntes Kapitel
- Neunzehntes Kapitel
- Zwanzigstes Kapitel
- Einundzwanzigstes Kapitel
- Zweiundzwanzigstes Kapitel
- Dreiundzwanzigstes Kapitel
- Vierundzwanzigstes Kapitel
- Fünfundzwanzigstes Kapitel
- Sechsundzwanzigstes Kapitel
- Siebenundzwanzigstes Kapitel
- Achtundzwanzigstes Kapitel
- Neunundzwanzigsies Kapitel
- Dreissigstes Kapitel
- Einunddreissigstes Kapitel
- Zweiunddreissigstes Kapitel
- Dreiunddreissigstes Kapitel
- Vierunddreissigstes Kapitel
- Fünfunddreissigstes Kapitel
- Sechsunddreissigstes Kapitel
- Über Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur