Kapitel 1
So werden wie die Meister der Kommunikation
Die Meister modellieren
Wenn erfolgreiche Therapeuten wie Milton H. Erickson, Fritz Perls oder Virginia Satir drastische Veränderungen bei ihren Klienten bewirkten, so gingen sie dabei häufig rein intuitiv vor, ohne im Augenblick der Therapie genau zu wissen, warum sie es taten.
Richard Bandler und John Grinder beobachteten die Arbeit dieser »Magier« und versuchten herauszubekommen, worauf ihr Erfolg beruhte. Sie suchten nach übereinstimmenden Mustern, den zugrundeliegenden Elementen. Tatsächlich stellte es sich bei genauer Analyse heraus, daß die beobachteten Therapeuten sehr viel gemeinsam hatten, obwohl sie sich unterschiedlich verhielten.
Aus diesen Gemeinsamkeiten leiteten Bandler und Grinder bestimmte Regeln und Modelle ab, die sie dann in der therapeutischen Arbeit ausprobierten. Ihre Erwartungen wurden voll erfüllt. Sie konnten überzeugend demonstrieren, daß sie die gleichen Erfolge erzielten wie ihre Vorbilder. Deshalb konnten sie mit gutem Recht behaupten, daß jeder, der sich so verhält, wie es durch das Modell beschrieben ist, von dem Wissen und Können jener Meister mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten profitieren kann.
Wir haben hier also eine Art Gebrauchsanweisung, so etwas wie ein Rezept für ein köstliches Gericht. Das Rezept garantiert noch nicht, daß das Essen genau so gut wird, als wenn es der Meister selbst zubereitet hätte. Aber es zeigt zumindest den Weg zur Meisterschaft.
Die Worte Modell oder modellieren sollen ausdrücken, daß von dem, was andere tun, ein möglichst getreues Modell hergestellt wird. »Ich wähle bewußt den Ausdruck Modell im Gegensatz zu dem Begriff Theorie. Ein Modell ist einfach eine Beschreibung, wie etwas funktioniert, ohne Festlegung darauf, warum es so sein mag. Eine Theorie hat die Aufgabe, eine Rechtfertigung dafür zu liefern, warum verschiedene Modelle anscheinend mit der Realität übereinstimmen. Wir sind Modellbauer und bitten Sie, diese Arbeit als ein Modell zu beurteilen, unabhängig davon, ob es wahr oder falsch, richtig oder unrichtig, ästhetisch oder unästhetisch ist. Sie sollten herausfinden, ob es funktioniert oder nicht, ob es etwas nützt oder unnütz ist.«20
Wer sich nach einem bestimmten Modell richtet, der wird zum gleichen Ergebnis kommen wie der erfolgreiche Therapeut oder Kommunikator, der als Vorbild für dieses Modell diente. Stellt sich kein Erfolg ein, dann wurde entweder etwas falsch gemacht oder ein unpassendes Modell verwendet. Entscheidend ist allein, daß eine Technik stimmt, daß sie funktioniert, also nützlich ist. Die Frage nach dem Warum wird kaum gestellt, denn sie ist höchstens von akademischem Interesse. Die Modelle und Techniken bezogen sich anfangs auf den therapeutischen Bereich. Dies lag in erster Linie daran, daß die »Vorbilder« Therapeuten waren. Sehr bald haben dann Fachleute der unterschiedlichsten Fachgebiete, die nach einer Verbesserung der bekannten Kommunikationstechniken suchten, für eine rasche Ausbreitung gesorgt. Übrigens sehr zum Leidwesen vieler Therapeuten, die auf diese Techniken gern ein Monopol hätten, weil sie meinen, daß nur sie damit verantwortungsvoll umgehen können.
Jeder Mensch hat sein Modell von der Welt
Das Wort Modell bedeutet nicht nur Muster oder Vorbild. Ein Modell ist auch ein Entwurf oder eine Nachbildung in kleinerem Maßstab, zum Beispiel die Nachbildung eines Bauwerkes. Und ein solches Modell macht sich jeder Mensch von der Welt, die er erlebt. Da jeder aber die Welt subjektiv wahrnimmt, hat auch jeder eine ganz bestimmte subjektive Einstellung zur Welt.
Diese Einstellung, dieses Modell, ist wie eine Landkarte von der Welt, es ist nicht die Welt selbst. Alle Menschen lassen sich in ihrem Verhalten von ihrem ganz persönlichen Modell leiten. Wie sie reagieren, welche Wahl sie jeweils treffen, das wird von ihrem Modell bestimmt.
Wenn wir also wissen, nach welchem Modell Menschen die Welt erleben und nach welcher Landkarte sie ihr Verhalten ausrichten, dann werden wir sie besser verstehen und mit ihnen besser umgehen können. Wenn Menschen ein verarmtes Modell haben, dann kann dies zu zwischenmenschlichen und innermenschlichen Konflikten führen.
Es gibt im Leben aller Menschen viele Einschränkungen und dementsprechend ungezählte Möglichkeiten der Verarmung. Nehmen wir zur Verdeutlichung die Entwicklung unseres Gehirns. Frederic Vester beschreibt in seinem Buch Denken, Lernen, Vergessen44, daß die Gehirnzellen eines Neugeborenen in den ersten Monaten nach der Geburt abhängig von den Umwelteinflüssen unterschiedlich wachsen. Äußere Einflüsse wie Sehen, Riechen, Schmecken, Hören und Fühlen schlagen sich in der Ausbildung des Gehirns nieder. »Die Gehirnrinde wird demnach so verdrahtet, daß sie möglichst gut mit derjenigen Umwelt zurechtkommt, die in den ersten Lebensmonaten wahrgenommen wird.«
Die Eindrücke, die auf den Säugling einwirken und unter denen sich die Grundstruktur seines Gehirns formt, sind sehr unterschiedlich. Bei afrikanischen Kindern mögen die ersten Eindrücke mehr tastender, fühlender Natur sein. Kinder, die meist auf dem Rücken der Mutter getragen werden, bekommen alle Bewegungen mit, spüren die Haut, Wärme, Luft, Formen ...
Kinder in unserem Kulturkreis sind viel mehr von der Mutter getrennt. Sie hören die Mutter sprechen, sehen sie, erleben aber kaum körperliche Bewegungen und spüren nur selten die Haut der Mutter. Sie sind weitaus mehr von ihrer Umwelt abgeschirmt und werden nicht zuletzt durch Geräusche von Radio und Fernsehen geprägt, kaum aber durch die Laute oder Bilder der Natur.
Diese frühen Eindrücke führen zu unterschiedlicher Ausprägung der Wahrnehmungskanäle und damit zu einseitigen Erfahrungen. Die Folge ist, daß viele Dinge, die dem bevorzugten Wahrnehmungskanal nicht entsprechen, einfach nicht wahrgenommen werden und im Modell der Welt des betreffenden Menschen auch nicht Vorkommen.
Zur Illustration über die Verarmung von Modellen möchte ich Ihnen einen Ausschnitt aus meinem eigenen Modell der Welt vorstellen. In meinem Modell kommt zum Beispiel nicht vor, daß mich Sehenswürdigkeiten begeistern oder mir besondere Gefühle vermitteln könnten. Als Student war ich Fremdenführer in Heidelberg und war etwa dreitausendmal auf dem Heidelberger Schloß. Mir gefällt Heidelberg gut, ich finde den Anblick des Schlosses romantisch und fahre immer wieder gern nach Heidelberg. Die starken Gefühle aber, die viele Besucher beim Anblick der Schloßruine oder der Heidelberger Altstadt empfanden und die sich nicht selten in verzückten Ausrufen äußerten, konnte ich nie verstehen.
Solche Gefühle kann ich andererseits erleben, wenn ich durch Heidelbergs alte Gassen gehe, dort den ganz eigenartigen Geruch wahrnehme oder unter Menschen vieler Nationalitäten bin und deren Sprache höre.
Sehr häufig ist es die Art unseres Denkens, die uns einschränkt, weil sie uns keine Alternativen läßt. Menschen, die immër negativ denken, die nur die Schattenseiten des Lebens sehen, werden sich ihnen bietende Chancen unter Umständen nicht erkennen, selbst wenn sie offen vor ihnen liegen. Für sie gibt es nur das »es geht doch schief«. Und wenn die Sonne noch so hell scheint, sie wissen nur, daß sie bald untergeht. Für solche Menschen hat unsere Welt, in der alles polar ist, nur eine einzige Seite, die negative. Daß gut und schlecht, hell und dunkel, gesund und krank, gut und böse zusammengehören und jeder Mensch in seinem Leben alle Aspekte erfahren kann, kommt in ihrem Modell nicht vor. Der Mangel an Wahlmöglichkeiten führt dann dazu, daß die Handlungsfreiheit drastisch eingeschränkt wird.
Neulich saß ich im Wagen eines Bekannten, als dieser einen Parkplatz in einer belebten Straße suchte. Ich wußte, daß es zwar schwierig sein würde, einen freien Platz zu finden, glaubte aber wie immer an eine faire Chance. Der Bekannte jedoch war fest davon überzeugt, daß er nichts finden würde. Deshalb sah er auch nicht, daß in einem geparkten Wagen ein Mann am Steuer saß und gerade den Motor anließ. Wir konnten also davon ausgehen, daß dieser Wagen gleich aus dem Parkplatz herausfahren würde. Das Wahrnehmungsvermögen meines Bekannten aber war so eingeschränkt, daß er selbst dann, als ich ihn darauf hinwies, nur ganz langsam reagierte. Er mußte ein ganzes Stück zurückstoßen, um in den freiwerdenden Platz hineinfahren zu können.
Es ist doch eigenartig, daß manche Menschen ständig »Glück« haben, immer einen Parkplatz finden, während andere ohne Erfolg suchen und suchen!
Das Meta-Modell
Bei jeder Kommunikation ist die Sprache von großer Bedeutung, weil die subjektiven Erfahrungen der Menschen, die sich in dem Modell von der Welt niedergeschlagen haben, durch die Sprache und den Körper ausgedrückt werden. Die Sprache repräsentiert die Erfahrungen, sie ist aber nicht die Erfahrung selbst. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig.
Aus der Sprache erfahrt man, nach welchem Modell sich ein Mensch verhält. Kennen wir das Modell, das einem Verhalten zugrunde liegt, so werden wir auch den Menschen besser verstehen.
Ein praktisches Instrumentarium, mit dem man herausbekommen kann, wie Menschen ihre Modelle bilden, liefert das sogenannte Meta-Modell. Das Meta-Modell ist sozusagen ein Modell des Modellierungsprozesses. Mit seiner Hilfe kann man einerseits die notwendigen sprachlichen Informationen gewinnen und andererseits anderen Menschen helfen, ihre eigenen Modelle von der Welt zu verändern und ihr Leben zu bereichern. Um das Modell eines Menschen zu verstehen, muß man vor allem hinterfragen, welche Gestaltungsprozesse bei der Modellbildung mitgewirkt haben. Das Meta-Modell geht davon aus, daß drei Prozesse überwiegend in Frage kommen: Generalisierung, Tilgung und Verzerrung.
Generalisierung heißt, daß eine ursprüngliche Erfahrung, die in einem bestimmten Fall gültig war, verallgemeinert wird. Generalisierung ist für unser Leben und Überleben notwendig, da nur so Erfahrungen zu Regeln werden, die die vielen Entscheidungen im Leben vereinfachen.
Wer als Kind einmal gelernt hat, daß man eine Schraube rechts herum reindreht und nach links herausdreht, der wird diese Erfahrungen generalisieren. Ob es sich um einen Wasserhahn, das Heizungsventil oder den Korkenzieher handelt, langes Nachdenken ist dann in Zukunft nicht mehr notwendig. Generalisierung kann aber den Menschen auch einschränken. Das kann sogar bei Schrauben mit Rechtsgewinde der Fall sein. Im allgemeinen sieht man auf die Schraube von oben herab und dreht sie dann nach rechts hin. Was aber, wenn Sie von unten auf eine Schraube schauen? Neulich versuchte ich, den Duschschlauch an der Badewannenarmatur abzuschrauben. Er ist unterhalb des Hahns angebracht, und ich mußte von unten nach oben schauen. Prompt drehte ich ihn in die falsche Richtung und zog ihn immer fester an, statt ihn zu lösen.
Besonders einschränkend können Generalisierungen wirken, wenn es sich um ein gefühlsmäßiges Erleben handelt. Wenn eine Frau zum Beispiel von einem Mann sehr verletzt wurde und sie das Gefühl dieser Erfahrung auf alle Männer überträgt, also alle Männer für sie schlecht sind, dann schränkt sie damit ihr zukünftiges Leben drastisch ein. Solche Generalisierungen finden wir in großer Zahl im Leben vieler Menschen.
Bestimmte Wörter deuten auf Generalisierungen hin: das muß man, soll man, das tut man, immer, niemals, jeder ...
Tilgung bedeutet, daß wir aus der Vielzahl von Informationen, die uns laufend erreichen, nur einige wenige auswählen und in unser Bewußtsein dringen lassen. Das Beispiel schwerhöriger Menschen, die ein Hörgerät tragen, zeigt, was geschieht, wenn ein Mensch alle Geräusche aufnehmen muß, ohne sich auf einige wenige konzentrieren zu können. Das Hörgerät erlaubt keine Tilgung. Der Träger des Hörgeräts kann nicht auswählen, sondern alle Geräusche in seiner Umgebung dringen an sein Ohr. Ein Schwerhöriger in einer Gruppe von Menschen, die sich laut und lebhaft unterhalten, kann das Stimmgewirr als reine Folter empfinden.
Während es aber einerseits absolut notwendig ist, daß wir aus der Flut von Informationen die unwichtigen von uns femhalten, so kann eine solche fast schon gewohnheitsmäßige Tilgung andererseits dazu führen, daß wir auch Teile unserer Erfahrungen ausklammem, die unbedingt zu unserem Modell der Welt gehören sollten.
Auseinandersetzungen zwischen Partnern sind ein vortreffliches Beispiel für vorgenommene Tilgungen. Schuld hat ja immer der andere! Die eigenen Fehler oder Handlungen, die zu der verfahrenen Situation geführt haben, werden in der Regel getilgt, häufig ohne sich dessen bewußt zu sein. Kinder sind Meister im Tilgen. Sie überhören ganz einfach das, was sie nicht hören wollen.
Verzerrungen gehören auch zum Prozeß der Gestaltung und damit zu unserem normalen Leben. Wir verzerren oder verfälschen in vielen Fällen die Wirklichkeit, wenn wir sie mit unseren Sinnen erfassen.
Verzerrungen erkennt man zum Beispiel an Nominalisierungen. Nominalisierungen entstehen, wenn aus Verben Nomina gemacht werden und damit aus einem Prozeß, der verändert werden kann, ein Ding oder Ereignis, das der Kontrolle entzogen ist. »Ich bedaure meine Entscheidung« wäre eine solche Nominalisierung, entstanden aus dem Verb »entscheiden«. Entscheidung ist etwas Abgeschlossenes, entscheiden kann man sich dagegen immer wieder.
Neben Generalisierungen, Tilgungen und Verzerrungen gibt es noch eine ganze Zahl weiterer Gestaltungsprozesse. Sehr aufschlußreich finde ich das Gedankenlesen, denn besonders Partnerkonflikte werden dadurch häufig verschärft.
»Ich weiß genau, daß sie mich nicht liebt.« Woher weiß du das? Kannst du Gedanken lesen? Der umgekehrte Fall ist die Annahme, daß die anderen wissen müßten, wie wir fühlen oder denken. Woher aber sollen sie es denn wissen, wenn wir es ihnen nicht sagen? Können sie Gedanken lesen?
Mit Hilfe der Methoden des Meta-Modells können Sie die Einschränkungen hinterfragen und Ihre Kommunikation verbessern. Ich werde jetzt an einigen Beispielen illustrieren, wie dieses sehr vielseitige Modell funktioniert.
»Niemand mag mich.« »Niemand« ist eine Generalisierung. Eine ursprüngliche Erfahrung wurde so generalisiert, daß sie den wirklichen Gegebenheiten nicht entspricht. Wer genau ist denn »niemand«? So notwendig Generalisierungen in unserem Leben sind, wenn sie nicht mehr in den jeweiligen Kontext passen, sind sie nicht nützlich.
Wie schon erwähnt, erkennt man Verallgemeinerungen an Wörtern wie niemand, jeder, alle, immer, nie, man ...
»Ich mache immer alles falsch.«
»Ich kann mir nie etwas merken.«
Eine wirkungsvolle Art, Generalisierungen zu hinterfragen, besteht darin, diese Wörter in der Frage besonders zu betonen.
»Machen Sie immer alles falsch?« »Können Sie sich nie etwas merken?«
Jemand sagt: »Ich fürchte mich«. Diese Informa...