Der Schnitter im Mond
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Der Schnitter im Mond

  1. 16 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Der Schnitter im Mond

Über dieses Buch

Auf berührende und für ihn charakteristische Art beschreibt Ernst Wiechert ein Leben voller Dunkelheit und Kummer, das kein Vergnügen, aber viele Geheimnisse kennt.Ein geheimnisvoller Unbekannter bestiehlt die Bauern der Gegend nachts um ihre Kornernte. Wer ist der geheimnisvolle Schnitter im Mond?-

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Information

Jahr
2021
eBook-ISBN:
9788726951981
Da er zum erstenmal in einer Landschaft auftauchte, deren Menschen gleich ihrer Erde das Geheimnisvolle wie das Unerhörte nicht kannten; die zwischen ebenen Feldern ein ebenes Leben führten; wo die Geschlechter in Arbeit und Mühe einander folgten, wie der Saat alljährlich die Ernte folgte; wo Fülle wie Entbehrung ihre zureichenden und klar ersichtlichen Gründe hatten: so war es nicht wunderbar, daß um das scheinbar Grundlose, Geheimnisvolle und Unerhörte seiner Erscheinung die Phantasie des Volkes ihre Legende spann und ihm einen Namen verlieh, in dem die Klarheit bekannter Begriffe sich zu einem leisen Geheimnis verwob, in dessen Ausdrucksform Gestirn und Mensch auf eine brüderliche Weise verbunden zu sein schienen.
Es war um den Beginn der Roggenernte, und auf der gräflichen Herrschaft, die sich zwischen kleineren Höfen fast unübersehbar erstreckte, waren drei Mähmaschinen schon einen Tag lang um den großen Roggenschlag gegangen, der vom Hochwalde bis zum Wiesenbach sich breitete, ohne viel mehr als einen breiten Saum aus dem goldnen Teppich zu schneiden, der unzerstörbar erschien in der Unendlichkeit des windbewegten Halmenmeeres.
Am nächsten Morgen nun, als die drei Gespannführer ihrem Tagewerke wieder zugeritten kamen, schien demjenigen von ihnen, der die schärfsten Augen hatte, schon von weitem, als ständen die Maschinen nicht, wie sie verlassen worden waren, gleichsam eingefressen in die gerade Wand der Halme, sondern als seien sie während der Nacht abgerückt worden von ihrer Stelle, auf das schon gemähte Feld herausgenommen, und als sie näher kamen, sahen sie, daß zwischen die letzte Reihe gebundener Garben, an deren Ende die Maschine stand, und das unberührte Feld sich drei Reihen geschnittenen Korns eingeschoben hatten, sauber und wie nach der Schnur gemäht, aber ungebunden, und es war nach der Beschaffenheit der Stoppeln und anderen untrüglichen Kennzeichen kein Zweifel, daß hier in der Nacht ein Schnitter mit der Sense das Feld dreimal umschritten hatte, was nach der Schätzung der Gespannführer eine Arbeit von sechs Stunden gewesen sein mochte.
Sie beredeten es lange Zeit, ohne eine Mutmaßung geschweige denn eine Erklärung finden zu können, und machten sich dann endlich kopfschüttelnd an ihre Arbeit, so daß wie am Vortage die drei Maschinen gleich scherenbewaffneten Tieren langsam aber unablässig um das goldene Leben krochen, während der leise Wind den mahlenden Klang der Messer über die Felder trug und die Garbenbinder wie Flügel einer Mühle über den Horizont der Halme stiegen und sanken.
Als der Graf dann über das Feld geritten kam, hielt auch er sein Pferd an den drei Reihen ungebundenen Kornes an, die nun wie ein Webefehler in einem streng gemusterten Tuche erschienen, beugte sich aus dem Sattel zu der Merkwürdigkeit nieder und hielt dann nach einem kurzen Galopp bei der nächsten der drei Maschinen, in seiner herrischen Art fragend, was das bedeuten solle.
Der Knecht berichtete, daß sie am Morgen dasselbe gesehen hätten und daß kein Zweifel daran sei, daß hier ein Mann mit der Sense in der Nacht gemäht habe. An einigen weicheren Bodenstellen sei festzustellen gewesen, daß durch alle drei Reihen die gleiche Fußspur gehe, wie man auch aus der gleichmäßigen Art des Sensenschlages auf einen einzigen Schnitter schließen könne und nicht auf mehrere.
Der Graf zog die weißen Brauen zusammen, in einer leisen Verstimmung, daß ein Fremder zur Nachtzeit auf seinem Grund und Boden sich derart zu schaffen gemacht habe, meinte, daß die Welt immer verrückter werde und man nun Mädchen hinausschicken müsse, um das Korn binden zu lassen, pfiff seinen Hunden, die auf der Mäusejagd waren, und ritt dann langsam die Wand der Halme entlang, wobei er auch mit den beiden anderen Knechten den seltsamen Vorfall kurz und fast verdrießlich besprach.
Von dieser Morgenstunde nahmen Gerüchte, Aberglaube und fromme Legende ihren Ausgang, bis der nächtliche Schnitter das Gespräch der Kinder wie der Greise jener Landschaft war und das Eintreten des Vollmondes seinem Namen die Abrundung gab, die in der Anknüpfung an das Schweigsame und unaufhaltsam Wandelnde des Nachtgestirns zu liegen schien.
Der Graf hatte in der nächsten Nacht ergebnislos sein Feld umritten und am Morgen schon erfahren, daß der Schnitter auf dem Felde eines benachbarten Hofes sein Werk fortgesetzt habe. Und von da ab erschien er während der ganzen Ernte in jeder Nacht an anderer Stelle, als fürchte er, beobachtet und entdeckt zu werden, oder als treibe eine geheimnisvolle Rastlosigkeit ihn ruhelos von Feld zu Feld. Niemals schien ein einziger Halm entwendet zu sei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Kolophon
  3. Chapter
  4. Über Der Schnitter im Mond