Prolog
Seit mehr als zehn Jahren organisiere und plane ich Veranstaltungen mit Autoren, ich habe es nachgerechnet, es müssen mehr als sechstausend gewesen sein: klassische Lesungen mit prominenten oder regionalen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Signierstunden, Podiumsdiskussionen, Busfahrten zur Buchmesse, Lesungen für Kinder, dazu Bastel-, Strick-, Näh- und Häkelaktionen, Kochveranstaltungen, Themenabende, Veranstaltungen in Buchhandlungen, Bibliotheken, Kirchen, Sälen oder in anderen Räumlichkeiten, Veranstaltungen mit zwanzig oder weit über tausend Gästen. Ich habe viele Formate ausprobiert, mit Uhrzeiten experimentiert, einiges setze sich durch, anderes musste ich verwerfen oder modifizieren. Seit meinem ersten Tag als Veranstaltungsmanagerin für einen großen Filialisten mit über fünfzig Buchhandlungen habe ich viele Gespräche mit Autoren, Verlagsmitarbeitern, Bibliothekaren und Kunden geführt, und bis heute empfinde ich diesen Erfahrungsaustausch mit den vielen Frauen und Männern, denen ich während meiner Arbeit begegne, als sehr inspirierend, da ich immer wieder neue Einsichten und Erkenntnisse gewinnen kann. Man lernt ständig dazu, selbst wenn man nur über ein Hotelzimmer spricht, das man für einen Autor gebucht und das sich als exorbitant teuer erwiesen hat, weil der geplante Lesungstermin unglücklicherweise ausgerechnet während einer Messe stattfinden soll. Meine wichtigste Erkenntnis: Man kann über alles reden und findet für fast alle Unwegsamkeiten eine Lösung.
In diesen mehr als zehn Jahren habe ich sehr viel erlebt, und jeder Tag beinhaltet neue Herausforderungen. Wenn ich morgens das Büro betrete, weiß ich nie, in welcher Stimmung ich es abends wieder verlasse. Es gab sicherlich frustrierende und enttäuschende Momente, aber es gibt nichts Schöneres, als am Ende eines Veranstaltungsabends einen zufriedenen Autor und glückliche Kunden verabschieden zu können. Bis dahin ist es oft ein langer und manchmal nervenaufreibender Weg, und der Teufel liegt nicht selten im Detail. Doch der Weg lohnt sich in vielerlei Hinsicht!
Auf den folgenden Seiten erwarten Sie viele Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Veranstaltung – für Autoren wie auch für Buchhändler, Bibliothekare und alle anderen, die Lesungen organisieren. Wie sollten Sie bei der Planung vorgehen? Woran müssen Sie unbedingt denken? Was sollten Sie niemals machen? Und natürlich wird die ein oder andere Anekdote nicht fehlen.
1. Im Dickicht der Angebote
Jedes Jahr besuche ich im März die Leipziger Buchmesse, im Herbst bin ich in Frankfurt. Ich treffe dort im 30-Minuten-Takt die Veranstaltungsdamen der unterschiedlichsten Verlage. Wir lassen die vergangenen Veranstaltungen Revue passieren und besprechen, welche davon im vergangenen Halbjahr gut, welche weniger gut verlaufen sind und eruieren die möglichen Ursachen.
Vor allem erfahre ich dort, welche Autoren im kommenden Halbjahr nicht nur einen neuen Titel veröffentlichen, sondern auch für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Das erscheint vielleicht dem einen oder anderen eine sehr lange Vorlaufzeit zu sein, aber erfahrungsgemäß sind insbesondere die renommierten, bereits bekannten Autoren sehr begehrt. So kann es nie schaden, schon frühzeitig sein Interesse zu bekunden.
Unterschätzen Sie darüber hinaus nicht den Vorlauf, den Sie selbst für die Vorbereitung einer Lesung benötigen, inklusive Werbung und Ticketverkauf. Sollten Sie ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm planen, ist ein frühzeitiger, umfassender Überblick über die bestehenden Möglichkeiten hilfreich.
Kehre ich nach einer Buchmesse ins Büro zurück, fühle ich mich oft regelrecht überwältigt von der Vielzahl an Veranstaltungsmöglichkeiten. Doch das ist erst der Anfang. Im Laufe der nächsten Wochen und Monaten erreichen mich nicht nur die Veranstaltungsvorschauen der Verlage, sondern täglich weitere Veranstaltungsvorschläge per E-Mail oder telefonisch, oft von Agenturen oder den Autoren selbst. Schließlich werden im Jahr rund 90.000 Titel alleine in Deutschland veröffentlicht, und sehr viele dieser Autoren sind dazu bereit, sich auf den Weg zu machen und zu Lesungen zu kommen.
Bei den Veranstaltungsangeboten handelt es sich nicht nur um klassische, literarische Autorenlesungen, sei es mit Debütanten oder mit bereits renommierten Autoren, sei es mit nationalen und internationalen Schriftstellern. Es gibt auch kulinarische Angebote, Lesungen im Ratgeberbereich, Podiumsdiskussionen, Mitmachaktionen, Vorführaktionen, musikalische Veranstaltungen. Für Erwachsene. Für Kinder. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, es ist fast alles möglich, zu fast jedem Titel lässt sich ein passender Auftritt kreieren.
Doch wie finde ich mich im Dschungel dieser unzähligen Möglichkeiten zurecht? Wie finde ich die richtige Veranstaltung für mich, für meine Bibliothek, für meine Buchhandlung?
Vielleicht mag das den einen oder anderen verblüffen: Nicht die Wahl des Autors, sondern die Auseinandersetzung mit der Zielsetzung einer Veranstaltung sollte am Anfang Ihrer Planung stehen, denn allein sie ist die Basis für Ihr weiteres Vorgehen. Erst wenn Sie wissen, warum Sie eine Lesung oder eine Autorenbegegnung veranstalten, können Sie entscheiden, welcher Autor auf welche Weise auf Ihr Zielpublikum treffen wird.
Stellen Sie sich deshalb für den Anfang ein paar Fragen: Was möchte ich mit einer Veranstaltung erreichen? Geht es um mein Image, möchte ich Kunden oder Leser an mein Haus binden, möchte ich Geld mit einer Veranstaltung verdienen? Wann ist eine Veranstaltung für mich erfolgreich?
Erfolg kann übrigens ganz unterschiedlich gemessen werden. Es gibt Veranstaltung mit 20 zahlenden Kunden, die ich als erfolgreich einstufe, während ich von einer Lesung mit 100 Gästen durchaus auch enttäuscht sein kann. Aber dazu später mehr.
Praxistipp
Nutzen Sie die fünf W-Fragen als Entscheidungshilfe. Erst wenn Sie alle Fragen beantwortet haben, entscheiden Sie sich für oder gegen einen Veranstaltungsvorschlag.
1. Wo stehe ich?
2. Was ist mein Ziel? (inhaltlich, finanziell, Image)
3. Wen möchte ich erreichen? (Zielgruppe)
4. Welche Mittel stehen mir zur Verfügung? (Budget)
5. Welches Format / welcher Autor ist perfekt für mich?
2. Buchhandel: Grundlegende Überlegungen
Vielleicht haben Sie so etwas schon einmal erlebt: Der Verlag eines bekannten Bestseller-Autors bietet eine Lesung an, es ist eine einmalige Chance, und schnell schlägt man zu und merkt erst später, dass nur wenige Zuhörer an der Lesung interessiert sind. Die Veranstaltung ist nur ein mäßiger Erfolg. Der Fehler: Die Kunden Ihrer Buchhandlung gehören nicht zu den Lesern und Käufern des Autors, wie Sie leider erst nach der Veranstaltung nach einem Blick auf die Anzahl der verkauften Tickets Ihrer Buchhandlung feststellen.
Doch auch der Blick in die Hitliste mit den am meisten nachgefragten Büchern ist kein Garant für einen sicheren Erfolg: Wir verkauften vor einiger Zeit ganz hervorragend und in hoher Stückzahl einen Sexratgeber, aber an einer Veranstaltung mit dem Autor war kaum ein Kunde interessiert. Ähnliches widerfuhr uns zu dem Thema „Pflege dementer Eltern“ – hervorragend verkauft, doch die Veranstaltung war ein Flop. Wahrscheinlich traute sich niemand, öffentlich sein Interesse an diesen Themen zu bekunden.
Autorenveranstaltungen zu organisieren heißt nicht, spontan und aus dem Bauch heraus aus dem Angebot die schönsten Lesungen herauszusuchen. Bevor Sie sich für eine Veranstaltung oder eine Veranstaltungsreihe entscheiden, analysieren Sie zunächst genau Ihre Situation.
Sehen Sie sich noch einmal den voranstehenden Praxistipp an. Die fünf dort genannten W-Fragen sind die Basis Ihrer Entscheidung und Ihrer weiteren Planung. Wir können die einzelnen Schritte für den Buchhandel noch feiner ausformulieren:
1. Ziel definieren: Was möchte ich mit meiner Veranstaltung / meiner Veranstaltungsreihe erreichen? Meine Stammkundschaft binden, neue Kunden gewinnen, einen finanziell erfolgreichen Abend organisieren, mein Image verbessern, das Lesen fördern?
2. Situation analysieren: Wo stehe ich, wer ist meine Kundschaft, was liest/mag meine Kundschaft, wie ist das Veranstaltungsangebot vor Ort?
3. Zielgruppe definieren: Wen will ich mit meiner Veranstaltung erreichen?
4. Finanzielle Möglichkeiten prüfen: Wie viel kann ich für die Veranstaltung ausgeben?
5. Beginn der Planung; Veranstaltungsformate und Autoren auswählen
6. Termine festlegen
7. In die Vorbereitungen einsteigen, Vorbereitungen mit PR-Maßnahmen begleiten
8. Veranstaltung durchführen
9. Veranstaltung nachbereiten
Diese Schritte bilden bei allen Veranstaltungen ein gutes Gerüst für Ihre Planungen, auch wenn Sie mit zunehmender Erfahrung sicher den einen oder anderen Punkt vorziehen oder weglassen, weil Sie zum Beispiel Ihre Rahmenbedingungen zwischenzeitlich gut kennen.
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns nachfolgend mit den ersten vier Punkten der obenstehenden Liste, also mit all jenen Dingen, die Sie im Vorfeld einer Veranstaltung bedenken sollten. Was Sie danach konkret tun müssen, wenn Sie eine Autorenveranstaltung organisieren, darüber informiere ich Sie im 10. Kapitel dieses Textes.
2.1. Buchhandel: Lesungen sind teuer
Machen wir uns nichts vor: Veranstaltungen kosten Geld – und das nicht wenig: Honorar, Reise- und Übernachtungskosten für den Autor, nicht zu vergessen die Betriebs-, Personal- und Werbekosten (Plakate, Flyer). Vielleicht muss man die Veranstaltung in einer externen Location durchführen, wenn der Platz in der eigenen Buchhandlung nicht ausreicht. Dafür fallen Mietkosten an, auch die Benutzung der Technik inklusive Personal muss bezahlt werden. Ein Gastgeschenk möchte man dem Autor am Ende der Veranstaltung ebenfalls überreichen, vielleicht geht man nach der Lesung mit dem Autor auch noch essen, oder man möchte den Kunden während der Lesung ein Glas Wein kredenzen (und hat beispielsweise keine Kooperation mit dem örtlichen Weinhändler).
Praxistipp
Wenn Sie eine externe Location für eine Veranstaltung mieten müssen, treibt das erfahrungsgemäß die Kosten in die Höhe. Idealerweise haben Sie gute Kontakte und können den örtlichen Gemeindesaal koste...