Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care
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Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

Praktische Umsetzung

  1. 239 Seiten
  2. German
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Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

Praktische Umsetzung

Über dieses Buch

In der letzten Lebensphase, die kurz oder auch sehr lange dauern kann, wünschen sich Palliativpatienten Lebensqualität, die sehr persönlich zu gestalten ist.Dabei harmonieren Palliativversorgung und Aktivierend-therapeutische Pflege aufgrund ihres gemeinsamen Anspruchs, Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten. Denn auch bei Palliativpatienten verfolgt Aktivierend-therapeutische Pflege das Ziel, die individuelle, optimal erreichbare Mobilität und Selbstversorgung sowie Teilhabe und Selbstbestimmung möglichst lange zu erhalten oder auch wiederzuerlangen.Neben der Einführung in die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care bieten Beiträge zu den Pflege- und Handlungsschwerpunkten Beziehungsarbeit, Bewegung und Selbstversorgung sowie Anwendungsbeispiele den Lesenden einen praktischen Zugang.

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Information

IV Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Bewegung

11 Fazilitation – Schwerpunkt der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care

Nikolaus Gerdelmann

Wie schon in Band I und II der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie beschrieben, gibt es eine Begriffsdefinition ATP-G und den »Katalog der Aktivierend-therapeutischen Pflege.« (vgl. Bartels et al. 2019).
Die Deutsche Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege hat eine Definition mit einer Kommentierung verabschiedet (vgl. Schumann 2018).
Der Bedarf an Aktivierend-therapeutischer-palliativer Pflege erstreckt sich von einem Angebot mit keiner oder geringer Hilfestellung bis hin zu überwiegender Hilfestellung und Anbahnung/Erhaltung von noch vorhandenen Ressourcen bei schwerstbetroffenen, palliativen und sterbenden Personen.
Der Bedarf an Fazilitation als ein Schwerpunkt besonders der ATP-Palliative Care ist zumindest bei Personen, die teilweise Hilfestellung oder umfangreicher bis überwiegender Hilfestellung bedürfen, gegeben. In den Bedarfsgruppen des Konzeptes (Bartels et al. 2019, Kap. 3) ist festgelegt, dass Fazilitation bei Menschen mit mäßigen bis hin zu schwersten Einschränkungen möglich und wichtig ist.
Beginnen möchte ich mit einigen Definitionen der Fazilitation, die anschließend in die praktische Umsetzung führen.

Definition

1. To facilitate = erleichtern, ermöglichen, begünstigen, eine Gelegenheit bieten, fazilitieren allgemein = leichter machen. Es geht aber um wesentlich mehr als nur darum, Schwerstkranke eine Bewegung zu erleichtern. Bei Schwerstbetroffenen spricht man auch von Bahnung oder Anbahnung einer Bewegung, die durch Fazilitation erleichtert wird.
2. Innerhalb der Assumptions der International Bobath Instructors Training Association 2008 wird die Bedeutung wie folgt beschrieben: »Fazilitation ist eine Möglichkeit, sensorische und propriozeptive Kontrolle dazu zu nutzen, Bewegung zu erleichtern. Fazilitation ist Bestandteil eines aktiven Lernprozesses« (IBITA 1997).
3. Fazilitation kann eine(n) Bewegungsdrang/Bewegungsinitiierung auslösen, eine Resonanz gebieten oder erfordern und/oder eine Bewegungsausführung folgen lassen.
4. Fazilitation ist eine Technik, die dem interaktiven Lernprozess zur Erleichterung und Ermöglichung einer neuromuskulären Funktion bzw. Alltagsaktivität dient.
Ziele der Fazilitation:
• Anbahnung bzw. motorische Kontrolle von Bewegung für Alltagsaktivitäten
• Unterstützung des sensomotorischen Lernens durch das Angebot von verschiedenen Bewegungserfahrungen
• Förderung, Einbindung der Bewegungsaktivität des Patienten während pflegerischer Handlungen
Fazilitation erfolgt durch den spezifischen Einsatz taktiler Informationen im sensomotorischen Dialog. Erleichternd können verbaler Input, die gezielte Gestaltung des Umfelds oder das Stellen einer Aufgabe sein. Fazilitation schließt eine Evaluation des Outcomes ein. Dies kann eine Anpassung der Maßnahme (des Angebots) zur Folge haben.
Fazilitation ist eine Fachkompetenz, die auf die direkte positive Einflussnahme auf das zentrale Nervensystem für sensomotorisches Lernen zielt und damit die Person durch eine verbesserte Haltungskontrolle zu einer selektiven Bewegungsstrategie einlädt.
Als ein Alleinstellungsmerkmal des Bobath-Konzepts – Grundlage der ATP-P – wird die Fazilitation im interdisziplinären Team zur therapeutischen Aktivierung/Bewegung von palliativen Personen eingesetzt.

11.1 Was bedeutet dies für die Pflegenden in ihrem »palliativen« Alltag?

Die Pflegende führt nicht eine Bewegung alleine oder durch Übernahme an der Person aus, sondern gestaltet mit ihr eine aktivierend-therapeutische Intervention (
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Abb. 11.1).
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Abb. 11.1: Fazilitation findet immer statt

11.1.1 Am palliativen Individuum

Die Pflegekraft ermittelt und kennt die Ressourcen und Defizite der palliativen Person in Bezug auf Kommunikation, Emotionalität, Kognition, Perzeption, Sensomotorik und ihre Biomechanik (
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Kap. 6.3). Sie ermittelt und kennt, soweit möglich, die individuelle Zielsetzung im palliativen Setting. Man kann auch umgangssprachlich sagen: »Die schwerkranke, palliative und sterbende Person wird dort abgeholt, wo sie ist.«

11.1.2 Durch die Aufgabe

Mit diesem Wissen formuliert die Pflegende eine individuelle personenbezogene Aufgabe. Sie fördert die Motivation der Person, indem sie Ziele/Aufgaben formuliert, die die Lebensqualität verbessern. »Dem Tag mehr Leben geben«11 (Cicely Saunders). Die Aufgabe und das therapeutisch/palliative Ziel werden miteinander abgestimmt. Die Pflegende formuliert eine aktivierend-therapeutische Maßnahme, die in einem sinnvollen Kontext (zielführend) für die palliative Person steht. Mit dem Einsatz verschiedener Sinne macht die Pflegekraft die noch bestehenden Ressourcen (
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Kap. 6) und die darauf abgestimmte Aufgabe und Interventionen für die palliative Person verständlich.

11.1.3 Durch die Umgebung

Die Pflegende gestaltet die Umgebung der Person so, dass diese leichter in Bewegung kommen kann, indem sie eine gute Ausgangsstellung einnimmt. Die Umgebung hilft, dass die palliative Person genügend Stabilität bekommt und hat. Die Unterstützungsfläche ist so klein zu wählen, dass die Person aktiv werden kann, andererseits muss sie aber auch groß genug sein, damit sie mit ihrer Aktivität gegen die Schwerkraft nicht überfordert wird. Die Pflegekraft setzt Hilfsmittel ein, die der palliativen Person helfen, evtl. noch selbst aktiv zu werden und ihr Sicherheit geben. Die Pflegekraft kann hierbei auch selbst zum Hilfsmittel werden (
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Abb. 11.2–11.4 b). Häufig orientieren sich die betroffenen Personen auch an Gegenständen, z. B. Bettkante, Stuhl usw., die sie als Hilfsmittel benutzen.

11.1.4 Beim Fazilitieren gilt das Prinzip des »Hands on oder Hands off«

Dies bedeutet, dass die Pflegende die Hände an der Person hat, um diesen einen stabilen Referenzpunkt zu geben, um in die Bewegung zu führen. Die Pflegende fühlt während der Bewegung, in wie weit sie ihre Hände nur leicht an der Person hat oder sie auch gar nicht mehr berühren muss.
Beachte: Fazilitation ist somit und demnach nicht nur Stabilisieren und Führen, sondern auch ein »loslassen-Können«.
Die Technik der Fazilitation erfordert sehr viel Fachkompetenz und Übung!
»Die Kunst ist nicht, die Hand am Patienten zu haben, sondern die Hand im richtigen Moment wegzunehmen.«
(Bobath 1991, S. 42)
»[Die Person] wird durch unsere Hände geleitet, wir müssen gar nicht viel sagen, sondern [ihr] das Gefühl von Haltung und Bewegung wiedergeben.
Nur da, wo [die Person] selbst aktiv ist, lernt [sie, ihre] Bewegungsmöglichkeiten zu nutzen, und in einem sinnvollen Kontext wieder abzurufen.«
(Biewald 1999, Grußwort)
Sollte die Aktivität der palliativen Person nicht gelingen, so sind die drei oben genannten Themenbereiche der Abb. 11.1 zu prüfen (
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Abb. 11.1):
• Sind die Aspekte der Beziehungsarbeit umfassend bedacht?
• Sind die Fähigkeiten und Defizite der palliativen Person richtig eingeschätzt?
• Ist die schwerkranke Person in die Zielsetzung eingebunden und hat er verstanden, um was es eigentlich geht?
• Ist seine Hauptproblematik eine andere, z. B. gerade im palliativen Setting nicht die Sensomotorik, sondern die Emotionalität?
• Ist die Aufgabe richtig gestellt, zu leicht oder zu schwer?
• Steht die Aufgabe in einem sinnvollen Kontext für die palliative Person?
• Ist die Umgebung richtig gestaltet?
• Hat die Pflegende ihren Körper zu viel oder zu wenig eingesetzt?
• Sind die richtigen Hilfsmittel gewählt?
Fazilitation hat nach Joachim Wunsch drei Komponenten (vgl. Wunsch 2011):
1. Mache es möglich: durch vorbereitende Maßnahmen wie oben beschrieben.
2. Mache es notwendig: indem ich die Person motiviere, ihr eine Aufgabe anbiete, die für sie sinnvoll ist. Bei palliativen Personen, die dies nicht nachvollziehen können, mache Bewegungen erfahrbar.
3. Lasse es geschehen: Durch eigenaktive Handlungen, Beobachtung und Bewertung der Strategie der Person. Sich selbst (als Pflegende) rausnehmen aus der Bewegung.
Während dieses ganzen Prozesses steht die Pflegekraft ständig in Interaktion mit der Person. Die Pflegende zeigt sich offen, sich auf Aktivitäten seitens der palliativen oder schwerkranken Person einzulassen. Ein Vertrauensverhältnis im Sinne einer Beziehungsarbeit ist da...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Abkürzungsverzeichnis
  7. I Einleitung, Einführung in die Themen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Palliative Care
  8. II Allgemeine für alle drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte wichtige und relevante Themen
  9. III Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Aspekte der Beziehungsarbeit
  10. IV Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Bewegung
  11. V Pflege- und Handlungsschwerpunkt: Selbstversorgung
  12. VI Beinflussende Faktoren bei der Anwendung von ATP
  13. VII Anwendungsbeispiele von ATP-P bei symptomauftretenden Belastungen
  14. VIII Mitarbeiterorientierung mit ATP-P wird großgeschrieben
  15. Anhang
  16. Glossar ATP-P
  17. Die Autorinnen und Autoren
  18. Stichwortverzeichnis