Sektenkinder
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Sektenkinder

Über das Aufwachsen in neureligiösen Gruppierungen und das Leben nach dem Ausstieg

  1. 173 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Sektenkinder

Über das Aufwachsen in neureligiösen Gruppierungen und das Leben nach dem Ausstieg

Über dieses Buch

Neustart nach dem Ausstieg»Es gehört so viel Mut dazu, ein System, in dem du groß geworden bist, zu hinterfragen und dem den Rücken zuzukehren. Das ist ein Glaubens- und Heimatverlust und ein völliger Neustart in einer fremden Welt. Es ist so mutig. Das ist einfach ganz, ganz groß.«Melanie, 38 Jahre, SektenkindIn sektiererischen Gruppierungen aufzuwachsen bedeutet häufig, gravierenden Einschränkungen, Belastungen und Traumatisierungen ausgesetzt zu sein. Der Ausstieg wird oft nicht als Erleichterung empfunden, sondern als belastende Verlustsituation. Ausgestiegene verlieren ihre Heimat und fühlen sich in der fremden Welt hilf- und orientierungslos. Dass es ein Leben nach der Sekte und positive Perspektiven gibt, zeigt dieses Buch eindrücklich anhand vieler O-Töne erwachsener Sektenkinder. Ihre Erfahrungsberichte ermutigen, sich Hilfe zu suchen und das Erlebte in die eigene Biografie einzuordnen.

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Information

Wie Kinder in sogenannten Sekten aufwachsen

»Das war ja alles so schwer, der Stoff da.
Da gehen ja so kleine Kinderschultern drunter ein.
Dann trägt das Kind die Last der Welt.«
Melanie, 38 Jahre, Sektenkind

Die Beziehung zu den Eltern: Unerfüllte Grundbedürfnisse

Eltern sind für die meisten Kinder die wichtigsten Bezugspersonen und sie fühlen sich ihnen sehr nah. Vor allem jüngere Kinder sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern für sie da sind und sich um ihre körperlichen und psychischen Grundbedürfnisse kümmern. Sie ernähren sie, sorgen dafür, dass sie gesund bleiben, und geben ihnen ein Gefühl von Wärme, Geborgenheit und Sicherheit. Aber auch ältere Kinder und Jugendliche sind auf die Liebe, Wertschätzung und Orientierungshilfen ihrer Eltern angewiesen. Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist die Beziehung zwischen Kindern und Eltern lebenswichtig. Während der Kindheit entsteht eine emotionale Bindung, die sich über das gesamte Leben fortsetzt und den weiteren Lebensweg eines Menschen oft stark beeinflusst (Jungbauer 2017). Es ist daher verständlich, dass alle von uns befragten Sektenkinder in den Gesprächen ausführlich auf das Verhältnis zu ihren Eltern eingingen. In ihren Erzählungen ist teilweise eine tiefe Traurigkeit spürbar, manchmal auch eine große unerfüllte Sehnsucht nach liebevoller elterlicher Zuwendung. So berichteten uns die meisten der befragten Sektenkinder von einer distanzierten Eltern-Kind-Beziehung, in der das Wichtigste nicht bedingungslose Liebe und Zuneigung, sondern der gemeinsame Glaube war. Die 37-jährige Miriam beschrieb es so:
»Das Verhältnis zu meinen Eltern war kühl und lieblos. Ich habe sie nie wirklich als meine Eltern angesehen, sondern einfach nur als diejenigen, die mich gefüttert und mir ein Dach über dem Kopf geboten haben.«
Auch viele andere Sektenkinder vermissten die »Herzlichkeit« in der Beziehung zu ihren Eltern. So erzählte der 59 Jahre alte Bernd:
»Zu meiner Mutter habe ich eine Nicht-Beziehung. Da ist nichts von Herz zu Herz.«
Die 40-jährige Marie berichtete:
»Der Umgang mit meinen Eltern war auf eine ganz oberflächliche Kommunikation beschränkt. Wie es wirklich in mir aussah, wussten sie nicht.«
Die 49-jährige Birgit erfüllt es bis heute mit Trauer, dass sie von ihrer Mutter nie die liebevolle Zuwendung bekam, die sie als Kind gebraucht hatte:
»Diese typische Mutter-Tochter-Herzlichkeit, die hat’s überhaupt nicht gegeben. Es war ihr sogar unangenehm, wenn ich sie berührt habe. Als Kind schmust man ja normalerweise mit seiner Mutter. Das war bei uns einfach nicht möglich. Auch einfach mal umarmt zu werden oder so, das gab’s in unserer Familie nicht, weil sie das einfach nicht konnte. Meine Mutter war zwar meine Mutter, aber ich habe von ihr keinerlei Mutterliebe bekommen. Ich habe mittlerweile viel Vergebungsarbeit geleistet für die Dinge, die sie mir angetan hat, deshalb ist meine Beziehung zu ihr jetzt eine sehr neutrale, mehr aber auch nicht.«
Die 21-jährige Lisa erinnerte sich:
»Meine Kindheit war für mich sehr schwierig, weil das, was ich von meinen Eltern wollte, habe ich nie bekommen. Ich habe mir einfach ihre Nähe gewünscht. Dazu habe ich noch ein Bild in meinem Gedächtnis, das ich nie vergessen werde: Als ich noch ganz klein war, stand ich in einem Laufstall und wollte, dass meine Mutter oder mein Vater mich auf den Arm nimmt und dass sie mir endlich mal sagen, dass sie mich lieb haben. Aber das haben sie eben nie zu mir gesagt. Ich hatte immer das Gefühl, als wäre ich in einer Familie, in der ich einfach nur aufwachsen muss. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass meine Eltern mich wirklich lieben und für mich da sind. Ich möchte einfach jemanden haben, der mich auch mal in den Arm nimmt, weil das habe ich nie erfahren. Ich kann mich in meiner Kindheit nicht daran erinnern, dass ich in den Arm genommen oder geküsst wurde.«
So blieben die wesentlichen kindlichen Bedürfnisse nach Liebe, Nähe und Vertrauen bei den von uns befragten Sektenkindern unerfüllt. Dadurch wurde ihnen die Chance auf eine enge und sichere Bindung zu ihren Eltern aufs Schmerzlichste verwehrt. Einige hatten auch das Gefühl, dass spätere gesundheitliche Probleme unmittelbar mit dieser unerfüllten Sehnsucht zusammenhingen. Die 48-jährige Kerstin beschrieb:
»Ich wurde mit meinen Bedürfnissen nie ernst genommen oder durfte erst gar nicht darüber reden. Deswegen habe ich schon sehr früh Magenschmerzen bekommen. Ich habe mittlerweile eine chronische Gastritis, weil ich immer alles in mich reinfressen musste.«
Warum verhielten sich die Eltern so? Die Ergebnisse einer Studie zu in sich geschlossenen religiösen Gruppierungen deuten darauf hin, dass Eltern in solchen Gemeinschaften vermittelt bekommen, dass Liebe, »übertriebene« Fürsorge und das Eingehen auf besondere Bindungsbedürfnisse ihrer Kinder egoistisch und gruppenschädigend seien (FURNARI 2005). Doch wenn Grundbedürfnisse in der Kindheit nur ungenügend befriedigt werden, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gesunde Entwicklung beeinträchtigt. Erlebnisse in der frühen Kindheit wirken sich oft sehr prägend auf das weitere Leben einer Person aus. Ein Kind verinnerlicht dabei Beziehungserfahrungen mit seinen Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen und trägt diese auf seinem weiteren Lebensweg tief in sich verankert mit sich. Es beeinflusst, wie ein Mensch seine Umwelt wahrnimmt, sich im Umgang mit sich selbst und anderen fühlt und verhält, aber auch die Art und Weise, wie er Partnerschaften und Freundschaften gestaltet (GRAWE 2004).
Menschen, die in ihrer frühen Kindheit nur wenig bis keine emotionale Zuwendung von ihren Eltern erfahren haben, fällt es im weiteren Verlauf ihres Lebens häufig schwer, ein grundlegendes Vertrauen gegenüber sich selbst und ihrer Umwelt zu entwickeln (das sogenannte »Ur-Vertrauen«). Infolgedessen können sich tief liegende Gefühle von Unsicherheit, Misstrauen und Angst (das sogenannte »Ur-Misstrauen«) entwickeln, die die Betroffenen oft erheblich in ihrer Lebensgestaltung einschränken. Sie sind dann davon überzeugt, dass zwischenmenschliche Beziehungen nicht verlässlich sind, und haben Angst davor, im Stich gelassen oder verlassen zu werden (ERIKSON 2018). Bei manchen Betroffenen entsteht sogar das Gefühl, dass sie selbst keine bedingungslose Liebe »verdient« hätten. Der 59-jährige Bernd spürt diese Angst des Verlassenwerdens noch heute:
»Ich habe mich mutterseelenallein gefühlt, weil ich als Kind praktisch ständig allein gelassen wurde, sogar in der Nacht. Ich wurde dann völlig ängstlich und verzweifelt in mein Bett gebracht, und dann hieß es immer, dass meine Eltern nun damit beschäftigt seien, die letzten Schafe zu finden, damit der Herr endlich kommen kann. Und diese Angst des Verlassenwerdens und der Einsamkeit habe ich bis heute noch.«
Neben der Erfahrung des Alleinseins und der emotionalen Kälte in der Familie erzählten uns viele der befragten Sektenkinder, kaum Anerkennung und Wertschätzung von ihren Eltern erfahren zu haben. Hingegen erinnerten sie sich deutlich häufiger an elterliche Strenge, Kritik oder Abwertung. Bestätigung wurde am ehesten in Form von elterlichem Lob bei besonderen Leistungen innerhalb der Sekte erlebt. So erinnerte sich die 40-jährige Marie:
»Mein Vater hat mir für gute Leistungen Geld gegeben, aber ansonsten habe ich mich in meiner Persönlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen gefühlt.«
Keines der Sektenkinder, mit denen wir gesprochen haben, fühlte sich von seinen Eltern »einfach so« akzeptiert – als individuelle Person mit Stärken oder Fähigkeiten, aber auch mit Schwächen und Bedürfnissen. Aus psychologischer Sicht ist jedoch gerade das Erleben einer nicht an besondere Bedingungen geknüpften Wertschätzung seitens wichtiger Bezugspersonen zentral für eine gesunde Entwicklung. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, sich selbst als wertvoll und fähig zu erleben. Damit sich dieses Erleben einstellt, sind Kinder vor allem in der frühen Kindheit auf eine bedingungslose Anerkennung ihrer Eltern angewiesen. Erhalten sie diese nicht in ausreichendem Maße, besteht die Gefahr, dass sie ein negatives Selbstbild und ein labiles Selbstwertgefühl entwickeln. Die Betroffenen haben dann zum Beispiel als Erwachsene das Gefühl, unwichtig und wertlos zu sein. Es fehlt ihnen an Selbstvertrauen. Manche entwickeln auch besonderen Ehrgeiz oder neigen dazu, perfektionistisch zu werden, weil sie glauben, nur dann liebenswert zu sein, wenn sie etwas Besonderes leisten (BORG-LAUFS, SPANCKEN 2010). Die 48-jährige Kerstin schilderte dazu:
»Dieses Nicht-ernst-genommen-Werden und Runtermachen und du kannst ja nichts, du bist ja nichts – diese Kindheitserfahrung habe ich sehr verinnerlicht. Ich kann auch mit Komplimenten nichts anfangen, ich kenne auch das Gefühl Stolz nicht. Ich weiß nicht, wie es ist. Ich kenne es nicht, stolz zu sein. Das kann man ja nur, wenn man Lob und Anerkennung bekommt. Dann kann man ja vielleicht auf etwas stolz sein.«
Die 21-jährige Lisa verausgabte sich mitunter bis zur Erschöpfung, weil sie sich so sehr nach dem Gefühl von Stolz sehnte:
»Und das sind auch manchmal so Momente in meinem Leben, wo irgendjemand zu mir sagt: ›Das kannst du. Ich weiß, dass du das schaffst.‹ Da kommen mir manchmal die Tränen, weil ich eben solche Wörter kaum in meinem Leben gehört habe. Deswegen habe ich mich in der Gruppe so engagiert. Ich wollte, dass meine Eltern einmal stolz auf mich sind. Ich war bis nachts wach und habe für die Gruppe gearbeitet, weil ich wollte endlich mal, dass meine Eltern oder dass die Gruppe stolz auf mich ist, für das, was ich mache. Und dann dieser Moment, wo man merkt, dass egal, wie sehr du dich anstrengst, es ist nie genug. Es muss sogar so weit kommen, dass man wegen körperlicher Erschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert wird. Und selbst dann haben sie mir ja noch gesagt, ich sei schuld. Ich hätte sterben können. Ich hatte reale Angst, dass ich sterbe. Und dass sie in so einem Moment noch die Idee haben, zu sagen: ›Ja du bist doch selbst schuld.‹ So kalt von ihrem Herzen sind, das ist für mich einfach unfassbar. Ich weiß nicht, wann meine Eltern stolz auf mich gewesen wären. Ich habe ja mein Bestes gegeben und es war nie genug. Und das ist einfach das, was mich so fertiggemacht hat – wenn du wirklich von ganzem Herzen dein Bestes gibst und du merkst, dass es dann immer noch nicht genug ist. Das macht dich wahnsinnig! Und du denkst, das kann doch nicht sein. Dann fühlst du dich wirklich irgendwann als jemand, der nichts kann. Daher kommt auch mein Perfektionsstreben. Ich möchte, dass man stolz auf mich ist. Und vor allen Dingen von meinen Eltern wurde es nie gesehen, obwohl ich meine Eltern ja geliebt habe und mein Bestes gegeben habe. Ich wurde von ihnen nur fertiggemacht.«
Wie die Gemeinschaft miterzieht
Sämtliche Sektenkinder berichteten uns während der Interviews, dass ihre ehemaligen Glaubensgemeinschaften einen erheblichen Einfluss auf die Erziehung der Kinder ausübten. Diese scheinen von Geburt an dazu erzogen worden zu sein, sich an die strengen Glaubenslehren und Regeln der Gruppe zu halten. So beschreibt Melanie in ihrem Erfahrungsbericht zu Beginn des Buches sehr eindrücklich, dass die Kinder in ihrer ehemaligen Gruppierung als »Kinder der Gemeinschaft« gesehen wurden. Die Erziehungswissenschaftlerin Sarah Pohl (2012b) bezeichnet die Entwicklung einer gruppenkonformen Sektenpersönlichkeit als zentrales Erziehungsziel sogenannter Sekten. Die 21-jährige Lisa erinnerte sich:
»Es waren nicht nur meine Eltern, die mich erzogen haben, sondern es war vor allem auch die Gruppe, die mich erzogen hat.«
Ähnlich beschrieb es die 39-jährige Eva:
»Das waren nicht nur meine Eltern, sondern es war immer die Gruppe, die auf mich eingewirkt hat. Es war nie so, dass meine Eltern besonderer waren als andere Erwachsene in der Gruppe, die mir nahestanden.«
In den ehemaligen Gruppierungen der befragten Sektenkinder scheint durch die Glaubenslehren und Gruppenregeln bewusst auf das elterliche Erziehungsverhalten eingewirkt worden zu sein, wodurch die Eltern den Erziehungsprozess nicht individuell und frei gestalten konnten. Eine US-amerikanische Studie über sogenannte Sekten beschreibt darüber hinaus, dass Eltern zuweilen sämtliche Erziehungs- sowie Disziplinierungsmaßnahmen und sogar lebenswichtige medizinische Entscheidungen in die Hand höherrangiger Sektenmitglieder oder des Gurus legen (MCCABE u. a. 2007). Diese Praxis scheint auch im deutschsprachigen Raum verbreitet zu sein. Der 59-jährige Bernd berichtete hierzu:
»Meine Eltern haben meine Erziehung nie selbst ausgeübt. Für alle Erziehungsbelange haben sie einen Apostel hinzugezogen, der ihnen den ›richtigen‹ Weg gewiesen hat.«
Die 40-jährige Marie erzählte:
»An erster Stelle stand, dass Harmagedon [das Ende der Welt] bald kommt. Dann war außerdem das Verbot von Bluttransfusionen und die politische Neutralität wichtig.«
In der Glaubenslehre der Zeugen Jehovas wird die Schlacht von Harmagedon in der Johannesoffenbarung erwäh...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Über dieses Buch
  6. »Nach dem Ausstieg bekam ich die Chance, mir mein Leben zurückzuholen« – ein Erfahrungsbericht
  7. Wie Kinder in sogenannten Sekten aufwachsen
  8. Der Ausstieg: Heimatverlust und Neuanfang
  9. Die Zeit nach dem Ausstieg: Weiterleben lernen
  10. Von Sektenkind zu Sektenkind
  11. Von Experte zu Expertin – therapeutische Begleitung und Beratung | von Dieter Rohmann
  12. Familieneinheit und Bindung in geschlossenen Gruppen – Perspektive einer Expertin und Aussteigerin | von Katharina Meredith
  13. Zum Schluss
  14. Serviceteil
  15. Literatur
  16. Weitere Bücher