
- 120 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub
Über dieses Buch
Fast alle Autisten vereint das Gefühl, nicht dieselbe Sprache wie ihre Mitmenschen zu sprechen. Wenn eine Diagnose gestellt wird, ist deshalb zunächst die Erleichterung oft groß. Was bleibt, sind vielfältige Überlastungssituationen und der Druck, in der Welt der Nicht-Autisten zu funktionieren.Dieses Buch gibt Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen einen kleinen Werkzeugkoffer an die Hand: Es regt zu einem bewussteren Umgang mit den eigenen Besonderheiten an, befördert Akzeptanz der eigenen Schwächen und Stärken und vermittelt neues Selbstvertrauen.
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Information
Jahr
2020eBook-ISBN:
9783867399579Auflage
11Diagnose und dann?
Menschen, die erst in den späten Jugendjahren oder im Erwachsenenalter mit Autismus diagnostiziert werden, haben lange ohne Diagnose gelebt oder im Laufe des Lebens Fehldiagnosen erhalten, weil die Fachkräfte, denen sie begegneten, nicht über genug Wissen verfügten. Das bedeutet, dass sie etliche Erfahrungen in einer Gesellschaft gemacht haben, die wenig auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist und oft wenig Verständnis für Menschen mit Besonderheiten hat: Benötigt jemand etwas, das die Mehrheit nicht benötigt (z. B. Schutz vor Lärm), dann ist er komisch. Macht jemand etwas, das die Mehrheit nicht macht (z. B. sich intensiv mit einem Thema beschäftigen), dann wird er als komisch wahrgenommen. Kann jemand etwas nicht, das die Mehrheit kann (z. B. Sprichwörter verstehen), dann wirkt er seltsam und anders. Ohne um die zugrunde liegende andersartige Informationsverarbeitung, Wahrnehmung und das andere Stärken- und Schwierigkeitenprofil von Menschen im Autismus-Spektrum zu wissen, wird man zuerst von Menschen im Umfeld und dann auch meist von sich selbst für alles verantwortlich gemacht, was nicht wie erwartet läuft. Der eigene Selbstwert leidet unter solchen Bedingungen sehr. Dieses Leid kann die richtige Diagnosestellung mindern. Durch das Wissen um Autismus und die damit verknüpften Besonderheiten, wird ein Veränderungsprozess angestoßen, der meist drei Phasen hat: Erleichterung, Ernüchterung und Akzeptanz.
1.1Erleichterung
Viele Personen, die sich fragen, ob sie autistisch sein könnten, überlegen sich zu Recht gründlich, ob sie eine professionelle Diagnostik anstreben sollten oder nicht. Ist der Entschluss dazu gefasst, dann folgen in den meisten Fällen lange Wartezeiten auf einen Diagnostiktermin. Wird am Ende tatsächlich die Diagnose »Autismus-Spektrum-Störung« gestellt, wird dies zunächst oft als sehr entlastend empfunden. Endlich gibt es eine Erklärung, warum man anders ist als andere. Warum man soziale Situationen so anstrengend findet, in den Augen anderer auf Sinneswahrnehmungen überempfindlich reagiert. Die Diagnose klärt das alles auf. Man weiß dann, dass es tatsächlich Besonderheiten gibt, die man ernst nehmen darf.
Viele suchen dann nach weiteren Informationen. Durch die Beschäftigung mit autistischen Besonderheiten in Büchern, Filmen oder sozialen Medien kann man sich selbst besser kennenlernen. Häufig erklärt sich vor dem Hintergrund dieses Wissens viel im eigenen Lebenslauf und man kann das eigene Verhalten und Empfinden besser verstehen. Auch das Kennenlernen anderer Autisten und die Erkenntnis, nicht ganz allein mit den autismusspezifischen Herausforderungen zu sein, ist eine schöne und unterstützende Erfahrung, die viele in diesem Zeitraum machen.
1.2Ernüchterung
Nach Erleichterung und vielleicht auch Akzeptanz einzelner eigener Besonderheiten und Bedürfnisse, erfahren die meisten Diagnostizierten früher oder später eine Phase der Ernüchterung.
Das Wissen um die eigenen Besonderheiten bei Informationsverarbeitung und Wahrnehmung führt nicht automatisch dazu, dass jene Lebens- oder Arbeitsbedingungen, unter denen man leidet, verschwinden. Im Gegenteil: Man erkennt vielleicht zum ersten Mal, wie unflexibel oder auch unwillig das eigene Umfeld ist, auch nur kleine Veränderungen zu ermöglichen. Das Hilfesystem, das sich nach der Diagnosestellung zunächst zu öffnen schien, zeigt sich bei genauerem Blick als unzureichend, in manchen Regionen ist es kaum vorhanden. Die Reaktion anderer Menschen auf die Diagnose – sofern man von dieser erzählen mag – fällt manchmal ungläubig und ablehnend aus und es kommt zu Erfahrungen mit Vorurteilen und Stigmatisierung.
Nach vielen Jahren ohne Diagnose haben viele Autisten auch nach der Diagnosestellung den Anspruch an sich, in einer von Nichtautisten eingerichteten Welt zu funktionieren und ihren Anforderungen zu genügen. Es ist zu erwarten, dass dann auch weiterhin Überlastungssituationen auftreten. Das eigene Stärken- und Schwierigkeitenprofil verändert sich auch nicht mit dem Wissen um dessen besondere neurologische Grundlage (siehe das Kapitel »Was ist Autismus?«).
Häufig stellt sich irgendwann die vielleicht schmerzlichste Erkenntnis von allen ein: Trotz aller Anstrengungen bleibt die grundlegende Andersartigkeit bestehen. Zur Zeit der Selbstvorwürfe hatte man wenigstens die Hoffnung, dass alles anders wird, wenn man sich nur genügend anstrengt, und dass man irgendwann versteht, wie die Welt um einen herum funktioniert, und dann mitmachen kann. Doch egal wie sehr man sich bemüht, für die Ansprüche der Welt ist man neurologisch anders ausgerüstet als Nichtautisten und das wird sich nicht ändern. Für viele ist das eine ernüchternde Erkenntnis.
1.3Akzeptanz
Wenn sich etwas nicht ändern lässt, ist Akzeptanz der eigenen Besonderheiten der Schlüssel, um sich mit sich selbst und der Welt zu versöhnen. Nicht zufällig stammt das Konzept der »radikalen Akzeptanz« aus dem Buddhismus.
Akzeptanz ist wichtig, weil Unveränderbares so lange psychisches Leid verursachen kann, wie man es nicht als das wahrnimmt, was es ist: unveränderbar. Man muss dafür das, was man nicht verändern kann, nicht gutheißen. Akzeptanz bedeutet nur, sich damit zu arrangieren, dass manche Dinge so sind, wie sie sind. Klingt einfach – ist aber überhaupt nicht leicht.
Unter den Dingen, die für viele Autisten (wie für Nichtautisten) schwer zu akzeptieren sind, ist häufig die Akzeptanz der eigenen Belastungsgrenzen. Denn vielleicht bedeutet das, Ziele aufgeben zu müssen. Jeder Mensch hat einen individuellen Energiehaushalt und eine individuelle Belastungsgrenze. Beides kann nicht beliebig überzogen werden, ohne dass es langfristig zu körperlichen oder psychischen Erkrankungen kommt wie Rückenschmerzen, depressive Verstimmungen usw. Deshalb muss man manchmal ein Ziel an seine Möglichkeiten anpassen oder vielleicht sogar ganz aufgeben, obwohl man das eigentlich nicht möchte. Manchmal kann man hingegen selbst aktiv auf die Rahmenbedingungen einwirken, z. B. einen ruhigen anstelle eines lauten Ortes für ein Treffen wählen. All das lohnt sich, weil man durch Akzeptanz und Wahrung der eigenen Belastungsgrenzen das Auftreten von Burnouts, Meltdowns und anderen unangenehmen Folgen von häufiger oder dauernder Überforderung minimieren kann.
Akzeptanz passiert nicht von heute auf morgen. Akzeptanz ist eine innere Haltung, an der man arbeiten muss. Es ist kein Zustand, den man erreichen kann, sondern ein Weg, auf dem man mal schneller, mal langsamer vorwärtskommt.
Akzeptanz kann sehr schwer sein, besonders, wenn man sich mit nichtautistischen Personen vergleicht. Und es kann noch schwerer sein aufzuhören, sich mit anderen zu vergleichen. Erst dann aber wird der Blick frei dafür, sich mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen und sein Verhalten so auszurichten, dass möglichst viel Wohlbefinden das Ergebnis ist.
ANREGUNGEN
Wie ist das bei Ihnen? In welche der drei Phasen (Erleichterung, Ernüchterung, Akzeptanz) würden Sie sich momentan einordnen?
Gibt es etwas, wovon Sie Ihre Diagnosestellung entlastet hat?
Vergleichen Sie sich mit Nichtautisten? Ist das fair sich selbst gegenüber?
Vergleichen Sie sich mit anderen Autisten? Fühlt sich das gut an? Ist das hilfreich für Ihre eigenen Bedürfnisse?
Welche Bereiche gibt es in Ihrem Leben, wo radikale Akzeptanz angemessen wäre?
Gehen Sie regelmäßig über Ihre individuelle Belastungsgrenze? In welchen Momenten?
Was können Sie ändern, damit Sie nicht regelmäßig Ihre Belastungsgrenze überschreiten?
Es lassen sich meist nicht alle Änderungen auf einmal umsetzen. Womit wollen Sie beginnen? In welcher Reihenfolge wollen Sie weiter vorgehen?
2Was ist Autismus?
Der Begriff »Autismus« hat, wie die meisten Begriffe in Wissenschaft und Medizin, im Lauf der Jahre seine Bedeutung mehrfach verändert. Zuletzt wurde er als Sammelbegriff für drei Subtypen von Autismus verwendet, die gemeinsam unter der Überschrift »Tiefgreifende Entwicklungsstörungen« in den Diagnosekatalogen gelistet waren: »Frühkindlicher Autismus«, »Atypischer Autismus« und das »Asperger-Syndrom«. Derzeit werden jedoch diese Subtypen in den weltweit verwendeten Diagnosesystemen der WHO (ICD) und der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (DSM) durch den Begriff »Autismus-Spektrum-Störung« ersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird parallel vermutlich der praktische, weil kürzere Begriff »Autismus« weiterhin verwendet.
2.1Das Autismus-Spektrum
Der Grund dafür, dass in den Neuauflagen der internationalen Diagnoserichtlinien (DSM-5 und ICD-11) sämtliche autistische »Störungen« unter die Sammelbezeichnung Autismus-Spektrum-Störung subsumiert werden, ist, dass die Forschung die zuvor vermutete Unterschiedlichkeit der Untergruppierungen nicht belegen konnte. Die bisher verwendeten Diagnosen »Frühkindlicher Autismus« und »Asperger-Syndrom« fließen in diesen Spektrumsbegriff ein, auch wenn die alte Bezeichnung in den Unterlagen steht und vielfach weiter verwendet wird.
Statt Subtypen zu beschreiben, wird jetzt – je nachdem, wie viele und wie intensive Andersartigkeiten bei einer Person auftreten – von einer gering oder stark ausgeprägten Symptomatik gesprochen. Damit ist gemeint, dass es Unterschiede in der Anzahl, Zusammensetzung und Intensität der Besonderheiten gibt. Während z. B. manche Autisten Routinen haben, die vielleicht etwas viel Zeit beanspruchen, haben andere ein so großes Bedürfnis nach Routinen, dass kaum noch andere Tätigkeiten im Lauf eines Tages möglich sind. Doch auch, wenn jeder sein individuelles Profil an Besonderheiten hat, gibt es etwas, das wohl fast alle Autisten vereint. Es ist das Gefühl, »nicht dieselbe Sprache wie die Mitmenschen zu sprechen«, »irgendwie nicht in diese Welt zu passen« oder gar »von einem anderen Planeten zu sein«.
2.2Die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung
Die zentralen Besonderheiten von Menschen im Autismus-Spektrum liegen im Bereich sozialer Interaktion und Kommunikation sowie im Vorhandensein eng umrissener Interessen und sich wiederholender Verhaltensmuster. Gemeinsam bilden diese Besonderheiten die Kernkriterien, die für die Diagnose »Autismus-Spektrum-Störung« oder kürzer »Autismus« vorhanden sein müssen.
Diese Diagnose ist eine sogenannte »Summendiagnose«, weil bisher kein Merkmal bekannt ist, das alleine eine Autismus-Diagnose begründen könnte. Autismus wurd...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Downloadmaterial
- Motto
- Anders sein
- 1 Diagnose und dann?
- 2 Was ist Autismus?
- 3 Stereotype und Mythen
- 4 Wie äußert sich Autismus bei mir?
- 5 Autistische Stärken
- 6 Gefühle und Gefühlsregulation
- 7 Autismus und Selbstwert
- 8 Stress und Stressmanagement
- 9 Autismus und psychische Gesundheit
- 10 Hilfe finden
- Literatur
- Über die Autorin