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Kapitel 9: »Der sich und Andere bemühende Mensch (Neurotisches Handeln, Persönlichkeitsstörungen und Psychosomatik)« aus dem sozialpsychiatrischen Standardwerk »Irren ist menschlich« jetzt als preiswerter Einzelband!
Das Lehrbuch »Irren ist menschlich« hat mit klaren Positionen die Versorgung psychisch erkrankter Menschen erneuert und geprägt. Die in ihm vertretene Position, dass es für das volle Verständnis von psychischen Beeinträchtigungen und Krankheiten auf die Haltung ankommt, mit der wir uns den Betroffenen und den Phänomenen nähern, hat die nachfolgenden Generationen geprägt.
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9Der sich und Andere bemühende Mensch (neurotisches Handeln, Persönlichkeitsstörungen und Psychosomatik)
Jens Plag, Ewald Rahn, Andreas Ströhle
Die Aufgabe, die Landschaft, das Problem
Auffälligkeiten (psychopathologisches Wahrnehmen)
Umgang mit Begriffen
Was machen wir mit Angst?
Typen des Auslebens (»neurotische« Syndrome)
Abwehr, Kognition, Vermeidung
Begegnung
Selbstwahrnehmung
Vollständigkeit der Wahrnehmung
Normalisierung der Beziehung
Handeln
Die Angehörigen und Bezugspersonen
Therapie und Selbst-Therapie
Wer hat mit Beziehungskranken zu tun?
Die »Härte« der psychotherapeutischen Haltung
Die Einbeziehung der Pharmakotherapie
Der therapeutische Rahmen: Ort, Zeit, Ziele
Epidemiologie und Prävention
Verbreitung
Bedingungen
Bedeutung
Prävention
Weg von der Neurose – und wohin?
Weitere Formen des Bemühens
Der emotional-instabile Mensch
Der nach Traumatisierung erkrankte Mensch
Die Aufgabe, die Landschaft, das Problem
Das Leben ist Mühe.
Es ist unausbleiblich, dass sich die Bezugssysteme von Menschen ändern. Durch die eigene Entwicklung: durch Krankheiten, Gesundheiten, Unfälle, Verluste, Gewinne, Bindungen, Abenteuer, Geburten, Tode, Schwankungen der Vitalität, Ermüdungen, Kraftverlust oder Kraftgewinn, Altern.
Durch Veränderung der Umwelt: Umzüge, Partnerwechsel, Arbeitsplatzverlust, Kollegen- oder Chefwechsel, durch das Heranwachsen der Kinder, durch die Veränderungen, die der Partner erfährt (Emanzipation, Krise des mittleren Lebensalters).
Durch Veränderungen des weiteren Ökosystems: Krieg, Flucht, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung der Natur, Veränderungen der gesellschaftlichen Struktur. Dies sind nur Anhaltspunkte. Es gilt, dass die Gestaltung eines erwachsenen Lebens vielen Gefahren, Rückschlägen, Umwegen, Stillständen, Krisen, Neuanfängen ausgesetzt ist. Den ständigen Änderungen entspricht die mehr oder weniger große Offenheit unserer Zuwendungsanlage (Anpassungsfähigkeit). Sie ist allerdings nicht beliebig und unterliegt Schwankungen. Zur Anpassung gehört die Fähigkeit, sich binden und sich lösen zu können. Somit wird das Leben Mühe. Es läuft nicht, ist nicht glatt, ist nicht eine Frage des Willens und der Selbstbestimmung allein, ist nicht ein Problem der Kosmetik. Die Norm schafft mehr Leid als weniger. Es besteht die Gefahr, das Erleben der Sinne, das Leben der Gefühle, der Stimmungen zu vernachlässigen, nicht ernst zu nehmen. Es besteht die Gefahr, dass bei der Suche nach Lösungen leichter der technische, d.h. auch der medikamentöse Weg beschritten wird, der Trennung, der Ausgrenzung. Damit stehen wir in der Gefahr, nicht mehr zu sehen, dass im inneren Leben Leid auch eine aufrufende Kraft sein kann und dass unsere Antwort auf diese Kraft die Maßstäbe für Leben mitbestimmt. Wir stehen in Gefahr, die Mühe zu leugnen, gerade damit tragen wir zu ihr bei.
Zum Gelingen des menschlichen Lebens gehört das Finden eines Lebenssinns. Die bloße Erhaltung des Lebens kann immer nur Voraussetzung, aber nicht Sinn des Lebens sein. Dabei ist auch die Frage nach dem Sinn, den jeder dem Leben gibt, der Krise, der Möglichkeit und manchmal auch der Notwendigkeit der Änderung ausgesetzt. Damit sind jeder Einzelne und die Gruppen immer neu vor die Aufgabe gestellt, die Veränderungen sozialer Beziehungen zu gestalten. Das Wägen zwischen Bewahren und Wandel ist eine ständige Aufgabe. Es kommt darauf an, die Synthese von relativ konstanten Naturgegebenheiten und jeweiliger historischer Situation zu suchen. Dieser letzte Satz ist bewusst offen formuliert. Politisch kommt es darauf an, das demokratische Gesellschaftsbild für alle lebensfähig zu machen und das Ziel sozialer Gerechtigkeit nicht aufzugeben. Die Bewegung daraufhin verursacht – wie jede Bewegung, jede Veränderung im sozialen System – Angst. Wenn man sich der Angst stellt, bekommt man vorübergehend noch mehr Angst, greift nach dem vertrauten Zuwendungs-, Anpassungs- und Abwehrsystem, um ihr zu entgehen. Die Notwendigkeit der Bewegung meldet sich wieder, es entsteht wieder Angst: Im Individuellen wie im Kollektiven, im Kleinen wie im Großen wird so die Lösung zum Problem. Um uns zu befreien, müssen wir Angst nutzen lernen.
Zunächst formulierte die psychoanalytische Therapieschule, angeregt durch Freud, Adler und Jung, eine konfliktzentrierte Theorie für die Entstehung und Entwicklung neurotischen Handelns. Später kamen die lerntheoretischen und entwicklungspsychologischen Modelle von PAWLOW (1927), SKINNER (1968), BANDURA (1976) oder PIAGET (z.B. »Das Weltbild des Kindes«, 1978) hinzu, die die »Ich-Umwelt«-Beziehung und deren wechselnde Herausforderungen im Lebensverlauf in den Vordergrund der Pathogenese fehlerhafter Bewertungs- und Verhaltensmuster stellten. Der Fortschritt und die nach wie vor bestehende Provokation für die Psychiatrie liegt in jedem Fall darin, dass nicht das Pathologische fein säuberlich vom Gesunden getrennt wird, sondern es wird für jeden Einzelfall überlegt, warum dieser Mensch nicht mit einer Anforderung fertig wird, mit der fertig zu werden »normal« ist, und warum er so leidet. Egal, ob Freud über die Entwicklung der Libido oder Adler über Minderwertigkeitskomplexe nachgedacht hat, ob über narzisstische Kränkungen, dysfunktionale Konditionierung oder die Ausbildung fehlerhafter Schemata gesprochen wird: Immer wird eine Aussage über jeden Einzelnen von uns gemacht. Denn bei jedem von uns entwickelt sich die Libido, jeder von uns erleidet narzisstische Kränkungen, fühlt sich dann und wann minderwertig oder eignet sich Verhaltensweisen an, durch die basale Bedürfnisse bedient werden und die eigene psychophysische Integrität auch unter widrigen Außenbedingungen aufrechterhalten werden kann. Wichtig für die Bewertung dieser Theorien ist, dass sie die Natur des Menschen zu fassen versuchen. Dieses Bestreben äußert sich in der Psychoanalyse darin, die Triebe und ihre mühsame, konflikthafte – und damit oft scheiternde – Ausformung im gesellschaftlichen Leben aufzudecken und zu verdeutlichen. Kognitive (-behaviorale) Therapieansätze wiederum gehen von unserem Bemühen aus, etablierte Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verhaltensweisen mit den Anforderungen einer veränderten Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen. Die sich hierbei häufig eröffnende Diskrepanz zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit oder Schutz einerseits sowie der Notwendigkeit zur Öffnung und Flexibilität anderseits können ein Spannungsverhältnis erzeugen, welches sich z.B. in Angst entlädt.
Der gemeinsame Ausgangspunkt dieser Ansätze ist jedoch jeweils ein Menschenbild, welches immer den einzelnen Mensch und seine individuelle Auseinandersetzung mit der (sozialen) Realität in den Mittelpunkt stellt. Das bleibt auch so, wenn die Familie und das erweiterte private oder berufliche Umfeld berücksichtigt werden. Es wird jedoch meist keine Aussage über die Gesellschaft gemacht; diese fungiert oft ausschließlich als Impulsgeber bzw. Resonanzfeld für die Handlungen des Einzelnen.
Soll die Psychiatrie auch die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Ausgleich im Auge haben, muss sie nach den Konflikten suchen, die durch Ungerechtigkeit, soziale und ökonomische Ungleichheit bedingt sind. Gerade wenn die psychiatrischen Institutionen sich wandeln, wenn ihre Verankerung in der Lebenswelt von Menschen ist, so ist nicht mehr nur die Bemühung des Einzelnen zu beschreiben, sondern auch und vor allem die Bemühung sozialer Gruppen. Es ist zu gucken, wie in Gemeinden gelebt wird, mit welchen Traditionen und welcher Geschichte, mit welchen sozialen Konflikten, mit welcher ökonomischen Basis, mit welchem Ein- oder Ausgrenzungspotenzial, mit welchen Gesellungsmöglichkeiten, mit welchen Bildern von gesund und krank und mit welchem Potenzial, schwer erkrankte Menschen hervorzubringen oder zu integrieren. Die Betrachtung des normalen und konflikthaften Umgangs mit der Arbeitskraft als einem wesentlichen Teil der Lebensenergie wird sachlich erforderlich. Ein zweiter Bereich ist der des Umgangs (und damit ist nicht die hemmungslose Überschwemmung gemeint) mit Information und Bildung.
Der Mensch lebt schon in einer Verfehlung, wenn er sich nur damit beschäftigt, aktuelle Bedürfnisspannung zu beseitigen. Er entwickelt sich hinein in einen sozialen Verband und in eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die größtenteils durch Arbeit entstanden ist und aufrechterhalten wird. Die Teilnahme an der gesellschaftlichen Realitätskontrolle geschieht ebenfalls überwiegend durch Arbeit. Dieser Prozess dauert an, solange der Mensch lebt. Dadurch, dass der Mensch an dem, was in der Gesellschaft entsteht, teilnimmt und Einfluss darauf hat, entsteht ein Gefühl der Sicherheit. Hierzu gehört jedoch, dass er bei der Art, an Information teilzunehmen, gerüstet ist, für ihn bedeutsame Information wirklich zu erhalten.
Vieles, was »neurotisch« genannt wird, ist der Versuch, inadäquat, einseitig sich verändernde Lebensprobleme »nach bewährtem Muster« zu bewältigen. Man klammert sich an alte Lösungen, bemüht sich und Andere auf immer die gleiche vergebliche Weise.
Einige Gesichtspunkte sollen noch verschärft werden, um den Bezug zu dem anthropologisch gemeinten »bemühend« im Titel deutlicher zu machen. Von einem bestimmten Alter, spätestens vom 25. Lebensjahr an, ist es in der Biografie der Menschen die Hauptaufgabe, die wesentliche Erwartung, gleichwertige Beziehungen auf derselben Ebene herstellen und halten zu können. Auch in Bezug zur Arbeit wird eine solche Beziehungsfähigkeit erwartet. Diese Beziehungen sollen gleichberechtigt, ausgewogen, autonom, d.h. verantwortet, sein. Grenzen und Verschmelzung, Trennung und Bindung, Anpassung und Empörung – um nur einige Aspekte zu nennen – sollen gekonnt werden. Dies ist zwar die Aufgabe des erwachsenen Lebensalters, jedoch ist sie nur schwer bzw. kaum zu erfüllen. Im Alltag kommt es immer wieder dazu, dass soziale, kognitive oder emotionale Abhängigkeit als Problemlösung gesucht werden und dadurch Kränkung, Verletzung und Frustration entstehen. Gleichzeitig wird am Partner-Ideal oder auch am Autonomie-Ideal festgehalten. Ich bemühe mich, strenge mich an, Schwäche leugnend, angstvoll bekämpfend, vor den Anderen und mir verbergend, dass ich im Moment oder für längere Zeit die Lebensaufgabe nicht erfüllen kann. Die Bemühung kostet unendlich viel Kraft, meine und die der Anderen. Ich will nicht aufgeben, nicht verlieren, was ich schon erreicht hatte, also kann ich nur klammern, festhalten, trotzen, mich unterwerfen, gehorchen, folgen, passiv werden, kratzen und beißen, krank werden.
Krisen tauchen immer auf, in jedem Leben. Für manche führt das ständige und unaufhörliche Bemühen oder das Bemühtwerden (wenn ich mich bemühen lasse, bemühe ich dann nicht auch gleichzeitig?) in eine Sackgasse, an deren Ende die Auflösung des Konfliktes nur mittels Anderer möglich ist. Für Professionelle ist wichtig, dass sie nicht sofort das Bemühen-Spiel mitspielen. Denn es ist naheliegend, dass der Professionelle sich bemüht (Helfer-Syndrom). Er muss Distanz halten können, die Art des Bemühens des Anderen sehen lernen können, nicht sofort etwas tun wollen, sondern dem And...
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9 Der sich und Andere bemühende Mensch (neurotisches Handeln, Persönlichkeitsstörungen und Psychosomatik)