Beziehungsdynamiken besser verstehen
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Beziehungsdynamiken besser verstehen

Tiefenpsychologisches Wissen für die psychiatrische Arbeit

  1. 192 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Beziehungsdynamiken besser verstehen

Tiefenpsychologisches Wissen für die psychiatrische Arbeit

Über dieses Buch

Von Freud bis Fonagy: Tiefenpsychologisches Wissen nutzen Im Hintergrund psychischer Beeinträchtigungen stehen immer auch spezielle psychodynamische Einflussfaktoren. Zu lange ist dieses Wissen in der psychiatrischen Arbeit nicht beachtet worden, dabei bietet es gerade für den Beziehungsaufbau und die Vermeidung von Beziehungsabbrüchen mit psychisch erkrankten Menschen viele praktische Ansatzpunkte. In diesem Buch werden nicht nur die psychodynamischen Modelle und Mechanismen im Überblick vorgestellt, auch die wichtigsten Störungsgruppen werden aus dieser Perspektive beleuchtet. Zahlreiche Praxisbeispiele machen deutlich: Wer tiefenpsychologische Dynamiken erkennt und versteht, kann besser mit erkrankten Menschen in Kontakt treten und bleiben.

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1. Eingeengt zwischen Kliniksehnsucht und Selbstentlassung – zur Einführung

In der sozialpsychiatrischen Arbeit begegnet man sehr unterschiedlichen Menschen. Mit einigen kommen die Helfenden relativ schnell und unkompliziert in Kontakt, andere sind sehr zurückhaltend oder gar abweisend, sodass es schwierig ist, eine engere unterstützende Beziehung zu ihnen aufzubauen. Und dann gibt es weitere, die sich vielleicht völlig verschließen, oder auch Menschen, bei denen man glaubt, dass man gut miteinander auskomme und sich sympathisch sei – während es dann in Phasen umschlagen kann, in denen die helfende Person kritisiert, gemieden oder gar plötzlich abgewertet wird, ohne dass sie sich erklären kann, was nun eigentlich passiert ist. So kann der Umgang mit psychisch beeinträchtigten Menschen kompliziert werden. Frau T. war so ein »komplizierter« Fall:
BEISPIEL Als ich Frau T. kennenlernte, war sie knapp vierzig Jahre alt. Sie litt zu diesem Zeitpunkt seit etwa 15 Jahren an psychotischen Episoden, die zu vielen Klinikaufenthalten, sozialpsychiatrischen Betreuungsversuchen in stationären Wohneinrichtungen und in ambulanter Form geführt hatten. Insgesamt ist es in der Zeit ihrer Erkrankung zu mindestens zwanzig unterschiedlichen Behandlungs- und Betreuungsversuchen gekommen, die von ihr meist nach relativ kurzer Zeit durch »Selbstentlassung« abgebrochen wurden.
Dabei war oft ein merkwürdiges Schema des Verlaufs ihrer akuten Krankheitsphasen zu erkennen: Es fing damit an, dass sich ihr psychisches Befinden verschlechterte, sodass es langsam zu einer krisenhaften Zuspitzung kam, die sie schließlich nicht mehr aushielt, weshalb sie sich freiwillig in die Akutpsychiatrie zur Behandlung begab. Die Aufenthalte in der stationären Behandlung oder in der Tagesklinik dauerten meistens nur etwa zwei Wochen, dann brach sie die Behandlung ab, und zwar gegen den ärztlichen Rat.
Anfangs, wenn sie psychisch sehr labil war, schien sie das Aufgefangenwerden in der Klinik akzeptieren, zum Teil sogar genießen zu können. Diese positive Haltung kippte aber schnell um. Nach etwa einer Woche wurde sie immer unzufriedener, beschimpfte das Personal und die Mitpatienten, wurde zusehends aggressiv, bis es dann zum Behandlungsabbruch ihrerseits kam.
In der ambulanten Betreuung waren die Verläufe etwas abgemildert, aber auch hier kam es zu abrupten Beziehungsabbrüchen, Krisen und Zusammenbrüchen. Als es einmal im Tageszentrum der sozialpsychiatrischen Einrichtung zu einer Auseinandersetzung mit ihr kam, warf sie sich unversehens zu Boden, stampfte mit Armen und Beinen und schrie mit der Stimme eines dreijährigen Kindes. Beruhigungsversuche der Mitarbeiterinnen schienen sie eher noch weiter in diesen regressiven Zustand zu treiben. x
Wie sind solche merkwürdigen bis bizarren Lebensäußerungen von Klientinnen und Klienten zu verstehen? Ist es schlichtweg psychotische Pathologie, die Außenstehenden einfach nicht zugänglich ist, bei der einem das Gegenüber einfach fremd und unverständlich bleibt? Die klassische medizinische Psychiatrie hat Psychosen in früheren Zeiten in diesem Sinne, also als nicht versteh- oder nicht einfühlbar verstanden.
Diesen Pessimismus in Bezug auf schwere psychische Erkrankungen muss man heute nicht mehr teilen. Es gibt mittlerweile vielerlei moderne Ansätze, und zwar auch auf der Basis der Psychoanalyse, die als »psychodynamische« bzw. »tiefenpsychologische« Ansätze zusammengefasst werden. Sie umfassen alle Therapieformen, die sich aus der Psychoanalyse entwickelten, wobei sie sich von den ursprünglichen Annahmen Sigmund Freuds zum Teil weit entfernt haben. Diese psychodynamischen Ansätze haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr denjenigen psychischen Erkrankungen zugewendet, die in früheren Zeiten noch als eher unbehandelbar galten. Diesen Ansätzen möchte ich mich in diesem Buch mit der Zielsetzung widmen, sie für die alltägliche sozialpsychiatrische Arbeit nutzbar zu machen.
Psychoanalytischen bzw. psychodynamischen Theoriemodellen wird häufig eine Abgehobenheit und Lebensferne und auch immer noch Unwissenschaftlichkeit unterstellt. Dies führt dann leider dazu, dass man sich auch wenig mit ihnen beschäftigt und dass wichtige Erkenntnisse und Verständnishilfen, die man aus diesen Modellen gewinnen kann, ungenutzt bleiben. An dieser Stelle würde es zu weit führen, die wissenschaftstheoretischen Hintergründe zu analysieren, die dazu geführt haben, dass heutzutage die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Richtungen die psychotherapeutischen Diskurse dominieren. Dazu kommt noch, dass die Psychoanalyse als therapeutisches Verfahren meist in intimeren Settings der Einzelpsychotherapie stattfindet, sodass eine Ausdehnung psychodynamischer Ansätze auf den »offeneren« sozialpsychiatrischen Bereich eher begrenzt stattgefunden hat, obwohl von ihnen eine Menge Anregungen für die alltägliche Praxis ausgehen könnte, wie die Ausführungen in diesem Buch hoffentlich zeigen werden.
Für eine gelingende sozialpsychiatrische Tätigkeit, egal, in welchem Kontext und ob in ambulanten oder stationären Einrichtungen, ist entscheidend, inwieweit es Helferinnen und Helfern gelingt, in Kontakt mit dem psychisch erkrankten Menschen zu treten, um langsam mit ihm eine unterstützende Beziehung aufzubauen, die möglichst so tragfähig ist, dass beide Seiten auch konflikthafte Situationen überstehen und einen gegenseitigen Verständnishorizont unter erschwerten Bedingungen aufzubauen in der Lage sind.
Das Beispiel von Frau T. zeigt, wie fragil solche Kontakte sein können: Anfangs sucht sie Hilfe, kann diese auch annehmen, aber dann schlägt es um, und sie lehnt es aggressiv ab, dass man sich um sie kümmert, und bricht den Klinikaufenthalt oder die ambulante Betreuung ab. Man könnte zu der naiven Schlussfolgerung kommen: »Na ja, dann will sie halt nicht, sie muss für sich selbst wissen, was gut für sie ist.« Das würde aber bedeuten, dass sich das therapeutische Gegenüber kaum um ein weitergehendes Verständnis bemüht, weshalb Frau T. so reagiert, und nicht hinterfragt, ob sie vielleicht innere »gute Gründe« für dieses nach außen hin erst einmal merkwürdige Verhalten hat. Verantwortungsvolle therapeutische Tätigkeit – und hier schließe ich jede sozialpsychiatrische Arbeit ein – bedeutet immer, dass wir versuchen müssen, die subjektive Innenwelt der Klientinnen und Klienten zu erkunden und ihr gerecht zu werden, auch wenn die betroffenen Personen erst einmal merkwürdig-unverständliche Verhaltensweisen zeigen.
Das vorliegende Buch soll Verständnismöglichkeiten für schwierige Praxissituationen, für komplizierte Beziehungsgeschehnisse und für schwer verständliche Krisenhaftigkeiten aufzeigen, denen man in der sozialpsychiatrischen Arbeit jederzeit begegnen kann. Dabei geht es nicht darum, den psychodynamischen Ansatz zur alleinigen Zugangsmöglichkeit für schwere psychische Problematiken zu verklären. Mir ist aber wichtig, die Chancen zu verdeutlichen, die dieser Ansatz für ein tiefgehendes Verstehen von Menschen mit schweren psychiatrischen Beeinträchtigungen bietet.
Was also ist nun los mit Frau T.? Wie kann man ihre Problematik verstehen?
Ihre äußerlich merkwürdig anmutenden Verhaltensweisen sind gut im Licht des »psychotischen Dilemmas Symbiose/Fusion versus Individuation« (Näheres dazu in Kapitel 9) zu verstehen. Wenn sie zu Hause ist, geht es ihr krisenhaft schlecht, weil sie sich einsam fühlt und auf keine festen Identitätsstrukturen zurückgreifen kann, die es ihr ermöglichen würden, es allein mit sich selbst auszuhalten. Wenn sie dann – immer freiwillig – in die Klinik geht, findet sie hier zunächst einen stabilisierenden fürsorglichen Rahmen, der ihr in ihrem bisherigen Leben gefehlt hat. Dort aber fühlt sie sich schon bald schlecht, weil das komplexe soziale Beziehungsgefüge in der Klinik für sie nicht zu bewältigen ist. Sie fürchtet unbewusst, sich von den therapeutischen Bezugspersonen und auch von Mitklienten nicht genügend abgrenzen zu können. Ihre innere Autonomie könnte sich lockern und somit droht »Verschmelzungs-« bzw. »Fusionsgefahr«. Dieser Auflösung kommt sie dann durch Streitsuche und schließlich mit »Selbstentlassung« zuvor, nur um dann wieder mit der anderen Seite des psychotischen Dilemmas, der mangelnden Individuation und Autonomie, konfrontiert zu werden.
BEISPIEL Frau T. mag nicht allzu viel über ihre Vergangenheit reden, aber das, was man von ihr weiß, verdeutlicht, dass ihre biografischen Umstände es ihr sehr schwer gemacht haben, eine irgendwie gefestigte psychische Struktur auszubilden: Sie hatte eine höchst ambivalente Beziehung zur Mutter, die hin- und herschwang zwischen Sich-abgelehnt-Fühlen und Überschwemmt-Werden durch sie. Den Vater verlor sie im Alter von 13 Jahren durch Suizid. Die wichtigste Bezugsperson in ihrer Kindheit war die Großmutter, die aber starb, als Frau T. neun Jahre alt war (und gerade »wegen unklarer Unfälle und ständigem Wasserlassen« in einer Klinik behandelt wurde).
Ihre aggressiven Ausbrüche führen bei manchen Mitarbeiterinnen dazu, Frau T. abzuwerten und ihr abzusprechen, dass sie überhaupt für eine Betreuung geeignet sei. Die Betreuerinnen nehmen vor allem wahr, dass sie von Frau T. abgewertet werden, nicht aber, dass Frau T. gewissermaßen »böse Beziehungspartner« braucht, um durch die negativ gefärbte Beziehung zu ihnen genügend Abgrenzung zu haben und sich in der Interaktion nicht »aufzulösen«. Ihre Streitsuche wird gewissermaßen zum Selbstrettungsversuch. Als sich dies in der Fallsupervision klärt, können die Betreuerinnen Frau T. wohlwollender und entspannter gegenübertreten.
Die Betreuerinnen können die öfter auftretenden Angriffe und Streitereien ihrer Klientin nun eher akzeptieren, weil sie ihren subjektiven Sinn verstehen und erkennen, dass es ein unbewusster Bewältigungsversuch von Frau T. ist, um ihre Identität zu retten. Frau T. wird nun zunehmend freundlicher und zugänglicher, weil sie merkt, dass man ihr mit mehr Verständnis begegnet. x
Es kann schon paradox zugehen in den psychiatrischen Arbeitsfeldern: Man muss Streiterei und Unfreundlichkeit zulassen, um dann letzten Endes mehr Freundlichkeit und Kooperation im Umgang miteinander zu erreichen. Aber gerade darin liegen unzählige Möglichkeiten, uns Menschen in unserer ganzen Tiefe erleben zu können. Auch das lehren uns die Psychoanalyse und die heutigen psychodynamischen Ansätze.

2. Vom Triebkonflikt zum Trauma: psychodynamische Zugänge im historischen Wandel

Sigmund Freuds Analysen der Psyche des Menschen erbrachten bahnbrechende Erkenntnisse, die gegen viele damals herrschende gesellschaftliche Tabus verstießen und deswegen auch auf vehemente Kritik und Abwehr trafen. Seine Überlegungen haben sich dann aber zu einem der bekanntesten und in der Fachwelt bedeutendsten psychologischen Konzepte entwickelt – und das nicht nur in der Fachwelt. Es gibt wohl keine andere psychologische Theorie, die unter Laien so bekannt ist wie die Psychoanalyse. Begriffe wie »Verdrängung« oder »Lustgewinn« sind in die Alltagssprache eingedrungen. Diese Popularisierung hatte aber auch einen Nachteil: Auch heute noch werden mit »Psychoanalyse« hauptsächlich jene Schlagworte verbunden, die schon Freud geprägt hat, die aber inzwischen zum Teil ganz anders verstanden werden als damals: »Sexualtrieb«, »Aggressionstrieb«, »Ödipus-Konflikt«, »orale Phase« usw.
Dazu kommt, dass die frühen Erkenntnisse der Psychoanalyse vor allem durch die therapeutische Behandlung von meist gut situierten Bürgern und vor allem Bürgerinnen in westlichen Gesellschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Man könnte schlussfolgern, dass die Psychoanalyse, wenn sie immer noch durch diese Vorstellungen geprägt wäre, den Anschluss an die heutige Zeit und die Probleme und Konflikte verloren hat, wie sie in der (post-)modernen Gesellschaft vorherrschen. So hat sich etwa die Sexualmoral gravierend verändert.
Dem ist nicht so: Die historisch aus der Psychoanalyse hervorgegangenen psychodynamischen Ansätze haben sich in viele Richtungen weiterentwickelt, haben sich psychischen Problematiken und Klienten zugewandt, die früher als »unbehandelbar« galten, und haben zur Entwicklung von Behandlungskonzepten nicht nur in der isolierten Behandlungspraxis der Psychoanalytiker, sondern in psychiatrischen Kliniken, in außerklinischen sozialpsychiatrischen Betreuungseinrichtungen und in anderweitigen Therapiesettings beigetragen.
Das, was die psychodynamischen bzw. psychoanalytischen Ansätze seit ihren Anfängen vor allem ausmacht, ist die Annahme, dass wir Menschen ein Unbewusstes haben und dass sich zwischen den Menschen unbewusste Prozesse abspielen. Dies war allerdings keine neue Erkenntnis, denn mit dem Unbewussten haben sich schon vor der Psychoanalyse Autoren wie Friedrich Nietzsche und andere beschäftigt (PIEGLER 2015).
Eine wirkliche Neuentdeckung Freuds bestand vor allem in der »Einsicht, dass das Innenleben des Menschen durch je individuelle Erfahrungen organisiert und in einer ganz bestimmten Weise strukturiert ist. Den Motor menschlichen Handelns sah er in den angeborenen sexuellen Triebkräften. Der Gegensatz von gesellschaftlich geprägten Forderungen und individuellen Bedürfnissen und Wünschen formt einen großen Teil der Konfliktstruktur, an der sich jeder Mensch in einer ihm eigenen individuellen Weise abarbeitet« (ebd., S. 55).
Innovativ war also, dass die Psychoanalyse die Innenwelt des Menschen, seine Gefühle und Impulse imme...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über den Autor
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Vorbemerkung
  7. 1. Eingeengt zwischen Kliniksehnsucht und Selbstentlassung – zur Einführung
  8. 2. Vom Triebkonflikt zum Trauma: psychodynamische Zugänge im historischen Wandel
  9. 3. Innerlich verdrängen oder äußerlich abspalten: Abwehr und Abwehrmechanismen
  10. 4. Vertrauen und Sicherheit oder Misstrauen und Distanz: Bindung und Mentalisierung
  11. 5. Verwundung und Verstörung: Trauma und Traumatisierung
  12. 6. Gegenseitige Gefühlsresonanz: Übertragung und Gegenübertragung
  13. 7. Zwischen Grandiosität und Minderwertigkeit: Selbst-Theorie und Narzissmus
  14. 8. Zwischen Begeisterung und Verzweiflung: die Borderlineproblematik
  15. 9. Zwischen Selbstverlust und Weltverlust: psychotische Sphären
  16. 10. Gemeinsam das leuchtende Herbstlaub wahrnehmen: intersubjektive Bezogenheit und psychodynamische Achtsamkeit