Verkörperter Wandel
eBook - ePub

Verkörperter Wandel

Die Praxis der Integrativen Yogapsychologie

  1. 384 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Verkörperter Wandel

Die Praxis der Integrativen Yogapsychologie

Über dieses Buch

Das unverzichtbare Handbuch für alle Yoga­lehrenden und ein wertvoller Begleiter für alle, die als Übende auf dem Yogaweg unterwegs sindMartin Witthöft verbindet die Tradition des Yoga und die moderne Psychologie zu einem eigenständigen Modell. Seine Integrative Yogapsychologie ist ein hilfreicher und wirkungsvoller Ansatz, um Klarheit, Einsicht und Mitgefühl in das eigene Fühlen, Denken und Handeln zu bringen.Mit zahlreichen Übungen, die eine beständige und ernsthafte Praxis unterstützen.Stimmen zum Buch: "Die Themen der Yogapsychologie sind vielschichtig, komplex und gehen oft sehr tief. Martin ist das Kunststück gelungen, diese Tiefe zu bewahren und trotzdem einen Ton zu finden, der von Leichtigkeit und Verständlichkeit geprägt ist. (…) Ich empfehle dieses reichhaltige, so spürbar auf Erfahrung beruhende Buch gleichermaßen gerne vom Kopf und vom Herzen."Anna Trökes

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Verkörperter Wandel von Martin Witthöft im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psychologie & Geschichte & Theorie in der Psychologie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Teil II

Integrative Yogapsychologie: Das Absolute und das Konkrete

What You Gonna Say to the Real Me?

1976 in West-Berlin änderte sich mein Leben tief und nachhaltig.
Als Kind wohnte ich mit meiner Familie am Rand von West-Berlin, Frontstadt des Kalten Krieges. Von meinem Fensterplatz in der Grundschule konnte ich weit über den Mauerstreifen blicken, wo die bewaffneten Soldaten der Nationalen Volksarmee patrouillierten. Die weltpolitische Lage war drückend. Der deutsche Herbst war am Heraufziehen. Ulrike Meinhof nahm sich in Stammheim das Leben und wurde auf einem Friedhof in Berlin, unweit unseres Hauses, beerdigt.
Mein Vater arbeitete als Regisseur beim Film, während meine Mutter bei meinem Bruder und mir zu Hause blieb. Damals war die Rolle der Hausfrau noch üblich und angesehen. Nach dem Tod meines Großvaters wohnte auch meine Großmutter bei uns. Die Zimmer des alten Hauses waren großzügig dimensioniert und die stets geöffneten Türen eine ernst gemeinte Einladung, der gerne gefolgt wurde. In meiner Erinnerung sind diese Räume erfüllt von den Stimmen spielender Kinder aus der Nachbarschaft, laut und ausgelassen. Am Wochenende fuhren wir an den Wannsee zum Baden oder gingen am Kudamm ins Kino, um Bugsy Malone zu sehen. Das Leben erschien mir geborgen und sorglos.
Ich erinnere mich an keinen konkreten Auslöser. Von einem Tag zum nächsten war es da. Nicht theoretisch, sondern ganz nah, real und unmissverständlich: »Ich werde sterben! Meine Eltern werden sterben! Alles vergeht!« Meine Angst war übermächtig und drängte alles andere in den Hintergrund. Mit neun Jahren hatte ich keine Ressourcen, um diese Erfahrung zu regulieren. Nächtelang lag ich weinend wach. Ich fühlte mich ohnmächtig und ausgeliefert. Auch meine Eltern waren hilflos. Alle Versuche, mich zu beruhigen, blieben erfolglos.
Der Blick hinter den Schleier der oft banalen, aber auch sicheren Alltagsoberfläche machte mich untröstlich. In der Katha-Upanischad, einem Kapitel der indischen Upanischaden, bittet der junge Nachiketa den Tod selbst, Yama, ihn als Schüler zu akzeptieren. Nach einer Prüfung hält Yama ihn für geeignet, und es folgt ein zentraler Dialog der vedischen Literatur. Doch ich war nicht Nachiketa!
Es war die Zeit, in der David Bowie im Château d’Hérouville nahe Paris die erste Hälfte seines Albums Low einspielte. Der Musikjournalist Simon Reynolds schrieb später, Low klinge wie »eine implodierende Aggression«. Bowie war am Ende und verbarg es nicht, sondern drückte es kreativ und stimmungsvoll aus. Erfüllt von verschiedensten Ängsten, wiederkehrenden psychotischen Episoden und körperlich völlig ausgezehrt, begab er sich nach West-Berlin. An seiner Seite Iggy Pop, dem es nicht besser ging.
Mit all seinen künstlerischen Häutungen war Bowie das eigene Selbst abhandengekommen. Unter der letzten Schicht schien nichts mehr zu kommen. »Ich hatte Angst um mein Leben«, wird er später über diese Zeit sagen. In Berlin wollte er sich nicht mehr neu erfinden, sondern finden. »Under the cool, under the cool and under the ball. What you gonna say to the real me, to the real me«, heißt es in What in the World. Die atmosphärische Dichte von Low würde mich später noch lange begleiten.
Erschrocken und verstört saß ich in einem dunklen, holzgetäfelten Institut für klinische Psychologie. Es gab Tests und Gespräche, aber weder Befund noch Therapie. Eine gemeinsame Sitzung mit beiden Eltern lehnte mein Vater ab. Der Tod und die Angst blieben bei mir. Sie überforderten und forderten heraus. Mich selbst zu finden, zu verstehen und anzunehmen, würde die Aufgabe der kommenden Jahrzehnte werden. Würde es mir möglich sein, mit Yama an meiner Seite diese abgründige Vernichtungsangst zu überwinden? Viele Jahre war es das nicht, und es galt noch in etliche Abgründe zu schauen.
Bowie wohnte mittlerweile ganz in der Nähe zusammen mit Iggy Pop und der Fotografin Esther Friedmann in der Berliner Hauptstraße 155. Beide Musiker waren in diesen Monaten außerordentlich produktiv. Beinahe zeitgleich mit der Produktion des Albums Low nahm Bowie mit James Osterberg, wie Iggy Pop im wahren Leben heißt, The Idiot und anschließend Lust for Life auf. Titel, Cover und Musik zeigten klar, in welche Richtung es nun ging. Was bei The Idiot noch wunderbar cool, abgegrenzt und dunkel gewesen war, wurde auf Lust for Life kraftvoll, erdig und lebendig. Der bleiche Iggy bekam ein wenig Farbe!
Das galt auch für Bowie. Direkt nach einer Tour mit Iggy Pop und dem Abschluss der Aufnahmen zu Lust for Life machte er sich an die Arbeit für sein Album Heroes. Charles Shaar Murray schreibt dazu: »Bei Heroes ging es um den Sieg über einen Geisteszustand« (Jones 2018). Heroes war die Aufrichtung aus Low. So heißt es im Song Blackout: »Get me to the doctor. Get me off the streets. (Get some protection). Get me on my feet. (Get some direction).« Aber wie sollte ich das machen? Wie mich in meinem Selbst aufrichten, auf die Beine kommen, meine Richtung finden?
Bowie verließ die Stadt zwei Jahre später als jemand, der sich gefunden hatte. Seine Zeit der andauernden Verwandlungen war vorbei. Meine Reise nahm eine gegenläufige Bewegung. Ich entwarf und verlor mich in verschiedenen Versionen meines Selbst; versuchte angestrengt, jemand zu sein, der ich nicht war, und vermied denjenigen, der ich war. Ich taumelte zwischen Selbstentwertung und Selbstüberschätzung. Niemals wich dabei die Angst von meiner Seite.
Was ich nicht begriff, war das Naheliegende: die Erkenntnis, wer ich war – und bin. Manche der langen und verschlungenen Wege, das Ausweichen, die Häutungen mögen im Nachhinein wie vertane Zeit wirken. Aber das waren sie nicht. Denn es geht im Leben nicht um den kürzesten Weg, sondern um den ganz eigenen: das Entdecken unseres Wesens, unseres Selbst (Svabhava). Und um die Hingabe an dieses Selbst, an seine Bestimmung, seine Bedürfnisse sowie unsere Treue zu ihm: Svadharma. Hier beginnt sich die Angst endlich zu verwandeln. Denn das sterbliche Ich verliert auf dem Weg an der Seite des wahren Selbst an Bedeutung.

Kleshas in der Entwicklungspsychologie

Es ist nicht leicht, das enge Ich, den Teil, mit dem wir uns in der Regel identifizieren, vom weiten Selbst zu unterscheiden. Worin besteht seine Aufgabe? Das Ich tritt auf die Bühne, wenn wir uns bedroht fühlen. Wenn etwas in körperlicher oder seelischer Hinsicht zu viel, zu wenig oder falsch ist. Im Ich verdichten wir die eigene Existenz. Aus dieser Kompression behaupten wir unsere Bedürfnisse gegenüber der konkreten Welt.
Das Selbst dagegen wird nicht durch Angst und Mängel generiert. Es ist der Zugang zum Da-Sein. In ihm fühlen wir unser Recht zu sein, ohne es beweisen oder bestätigen zu müssen, verbunden sowohl nach innen als auch nach außen, Selbst-verständlich und Selbst-sicher. Dieser Selbst-Wert geht nicht aus einem Vergleich hervor. Er muss sich nicht erhöhen oder andere erniedrigen. Das Ich wird durchlässig, wenn es mit dem Selbst verbunden wird. Es entsteht eine Öffnung in den transpersonalen Raum des Absoluten, jenseits von Angst.
Yogapsychologie ist die Verbindung zwischen dem Absoluten und dem Konkreten: Yoga befasst sich mit der Verwirklichung des Absoluten, während die Psychologie nach Lösungen von Problemen im Konkreten sucht. In der integrativen Yogapsychologie schafft das eine die Voraussetzung für das andere. Sie versucht, unsere Verstrickungen im Konkreten zu lösen, um uns dem Absoluten anvertrauen zu können.
Im Folgenden möchte ich Patanjalis Modell der Kleshas mit der Charakteranalyse nach Wilhelm Reich verbinden, um das eine im anderen sichtbar zu machen. Beginnen wir mit dem Modell der Kleshas.

Yoga: Das Absolute

Die fünf Kleshas: Die Trennung vom Selbst

Die Kleshas stehen im Yogasutra des Patanjali für das, was uns vom Selbst (Drashta, Atman oder Purusha) trennt. In fünf einfachen Schritten skizziert Patanjali den Weg aus der Verbundenheit mit dem Ganzen bis zur Angst vor dem Tod:
  1. Avidya (Unwissenheit): Im Yoga ist das Absolute die Wahrheit und damit die Quelle von Liebe und Freiheit. Der erste Klesha beschreibt die Verwechslung des Absoluten und des Konkreten. Er ist der Grund, warum wir in den Dingen Befreiung und Liebe suchen. Den destruktiven Auswirkungen dieses Missverständnis werden wir später nochmals begegnen, w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort von Anna Trökes
  6. Einführung
  7. Teil I
  8. Teil II
  9. Teil III
  10. Anhang