
- 480 Seiten
- German
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eBook - ePub
Der kühnste Plan seit Menschengedenken
Über dieses Buch
Nein, reiner Zufall ist es nicht, dass Irene in der New Yorker Unterführung plötzlich wieder vor ihm steht. Aber das kann Herman nicht wissen. Ihre Liebesgeschichte beginnt 1925 mit einer kleinen Schwindelei. Größere werden folgen. Auch veritabler wechselseitiger Verrat. Und doch lieben sie sich und teilen den unerschütterlichen Glauben, dass die Welt zu retten sei: Gewaltige Dämme sollen das Mittelmeer absenken, Europa und Afrika so zu einem reichen, friedlichen Superkontinent verschmelzen – Atlantropa.
Denn die Zeiten sind unruhig. Europa ist gezeichnet von Krieg und Wirtschaftskrise. Verseucht von Rassismus, Antisemitismus und Hass. In dieser Lage erdenkt der Architekt Herman einen wahnwitzigen Plan. Unterstützt von der Jüdin Irene und namhaften Ingenieuren und Architekten, trägt sein Glaube an Technik und Fortschritt weit. Natürlich gibt es Zweifler, Anfeindungen, Häme. Schließlich gar ein nationalsozialistisches Regime, das Irene töten und das ›Friedenswerk‹ zur Eroberung Afrikas missbrauchen will. Es zwingt das Paar ins Versteck, doch schon im Mai 1945 bekommt das Projekt neue Unterstützer. Diesmal aus Übersee.
Spannend und lebendig erzählt Matthias Lohre die unwahrscheinliche, aber wahre Geschichte von Herman und Irene Sörgel. Ein sagenhafter Roman!
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Information
6
Herman Sörgel: auf den ersten Blick eine ruhige, in sich gefestigte Natur, kein Phantast, ein Wissenschaftler, zu dessen asketischem Gesicht das Einglas in sonderbarer Weise bestimmt zu sein scheint – der Eindruck seines Wesens während des Gesprächs: eine überraschende Mischung von sachlichem Ernst, fast Düsterkeit, eiserner Entschlossenheit, sich gegen eine Welt durchzusetzen, und einer sorglich behüteten, fast scheuen Innigkeit, die verrät, daß, wie dem Ingenieur Sörgel ein nüchterner, zäher und weit vorausschauender Fernblick eignet, der Mensch Sörgel von hohen geistigen und ethischen Idealen beherrscht ist.
Münchner Staatszeitung, 28. April 1929
Oh, der arglose Herr Sörgel, hat er nicht andere Felder,
auf denen er seine wirre Phantasie betätigen kann?
auf denen er seine wirre Phantasie betätigen kann?
Corriere della Sera, 12. September 1928
München, 9. September 1929
Herman und Irene lernten, in zwei Welten zu leben. In der einen Welt gab Herman der New York Times Interviews, und Albert Einstein schrieb ihnen Telegramme: Er wollte mehr über den Plan erfahren, von gleich zu gleich. Diese Welt war groß, wuchs ständig weiter und schien nur auf sie gewartet zu haben. In ihr fragten sie sich: Sind wir wirklich als Erste dem Gedanken bis zum logischen Ende gefolgt? Die Einzigen, die so konsequent sind, wie die Probleme der Menschheit es erfordern? Es gab aber noch eine andere Welt, verwinkelt und fremdartig. In ihr fühlten Herman und Irene sich wie Kinder, die sich im Wald verlaufen hatten und fragten: Worauf haben wir uns bloß eingelassen? Wohin sollen wir uns wenden? Die Folge war eine Art Schwindelgefühl, denn die Grenze zwischen beiden Welten war unsichtbar und verschob sich immerzu. An diesem Spätsommernachmittag verlief sie mitten durch einen schmucklosen kleinen Saal in der Münchner Innenstadt. Auf der einen Seite standen vier Stuhlreihen ordentlich hintereinander, auf der anderen war ein Schreibtisch. Und dazwischen stand Irene und drückte mehr Reißzwecken als nötig in das Banner mit dem Schriftzug an der Zimmerwand.
»Hier?«
»Sieht so aus.«
Irene drehte sich um. Fünf Männer in nicht ganz neuen Straßenanzügen blickten mürrisch in den Raum. Sie hatten sich offenbar Imposanteres erhofft als ein paar Stühle vor einem Tisch.
»Schön, dass Sie zu uns gefunden haben.« Sie begrüßte sie mit einem Gesichtsausdruck, als verteile sie Geschenke. Die Presseleute nuschelten ihre Namen und Auftraggeber und setzten sich.
Sie ging zu Herman, der hinter dem Schreibtisch stand und in seinen Unterlagen blätterte. Ohne aufzublicken, fragte er:
»War er dabei?«
»Lass gut sein.«
»Vielleicht ist er ja schon da.« Herman nickte in Richtung der elf Journalisten. Manche von ihnen plauderten miteinander, andere saßen und lasen in Notizen, und einige studierten die Pläne an den Wänden wie Gemälde.
Irene schüttelte den Kopf: »Ich hab’ mir von jedem die Visitenkarte geben lassen.«
»Er könnte aber noch kommen.«
»Jetzt freu’ dich doch über die, die hier sind. Alles solide Blätter.«
»Er hat also nicht abgesagt.«
»Er hat auch nie fest zugesagt.«
Herman blickte ziellos im Raum umher: »Wir könnten das Ganze verschieben, bis …«
»Mutz!« Erschrocken über die Kraft ihrer Stimme, zog sie Herman zur Tür, möglichst weit weg von den anderen. »Wir haben so lange dafür gearbeitet. Wie sieht das denn aus, wenn wir in letzter Minute absagen?«
»Es ist nur …«
»…, dass noch nicht jedes Detail durchdacht ist. Ich weiß.«
»…, dass er mit einem Artikel alles zunichtemachen kann. Die hier«, und sein Blick schwenkte wieder zu den Journalisten, »sind keine Experten. Wenn die in der Frankfurter Zeitung lesen, das sei technisch unmöglich, werden sie es ihm nachplappern. Und dann war alles umsonst.«
»Warum sollte er das glauben?«
Herman seufzte, weil sie ihn zwang, schlecht über das Projekt zu reden:
»Weil es so was noch nie gegeben hat. Weil es gewaltig ist. Weil es viele Phantasten gibt, die Unsinn erzählen.«
»Du bist kein Phantast.«
»Das weiß er aber nicht. Weil er nicht gekommen ist!« Tief einatmen, bei ihr fürs Lautwerden entschuldigen, ausatmen.
Sie strich leicht über seinen Ärmel: »Schon gut, Mutzelchen.«
Kosenamen waren lächerlich. Aber wenn sie ihn so nannte, beruhigte er sich, und sie genoss es. Überhaupt bestand ihr gemeinsames Leben aus Widersprüchen, die den schönsten Sinn ergaben. Sie waren damals nach England gefahren, um etwas zu tun, das sie für überflüssig hielten – und worauf sie sich freuten wie Kinder. Sie fanden es lächerlich, vorgestrig, einengend, einem Bürokraten ins Gesicht zu versprechen, sie würden den anderen lieben und ehren – und hatten es doch kaum erwarten können, I do zu sagen. Danach hatte die Braut dem überraschten Bräutigam ein silbernes Zigarettenetui überreicht, auf das sein Name graviert war. Sie rieben sich an Konventionen – und wärmten sich an der entstehenden Energie. Diese Wärme hatte sie eingehüllt, als sie im Sommerregen durch Backsteinstraßen irrten, auf der Suche nach dem Standesamt von Saint Martin. Deshalb hatten auch die Blicke der Londoner ihnen nichts anhaben können, als sie nach der schlichten Zeremonie – noch immer durchnässt, fröstelnd und lachend – ins Freie traten. Sie schützten sich gegenseitig. Die Welt da draußen mochte dieselbe sein wie früher, laut und aufdringlich und gemein – sie beide aber umgab ein unsichtbarer Kokon, in dem es immer reichlich Energie, Platz und Austausch gab.
Im Schutz dieses Kokons hatte Herman im Halbdunkel unter der Dachschräge an seinem Schreibtisch Pläne gezeichnet. Hatte begriffen, dass auch arrivierte Architekten ihm nicht nur zuhörten, sondern Hochhäuser und ganze Stadtviertel skizzierten, solange er ihnen die Hoffnung gab, dass ihre Pläne einmal Wirklichkeit würden. Deshalb widersprach Irene jedem, der das Projekt eine Utopie nannte, denn Herman war nicht Jules Verne und seine Idee nicht 20 000 Meilen unter dem Meer. Panropa war keine Phantasie, sondern ein Plan. Dafür hatten sie drei Jahre lang auf teure Reisen verzichtet, und Irene hatte mit Antiquitäten genug Geld für beide verdient. Weil der Druck der Broschüre teurer geworden war als erwartet, hatte Herman sogar das kleine, selbst entworfene Landhäuschen verkauft. Aber die Mühen hatten sich gelohnt. Auf ihrem geheimen Doppelkontinent, den nur sie beide bewohnten, hatte die Zukunft schon begonnen.
Herman strich ihr mit der Hand über die Wange, wandte sich um und rief:
»Vielen Dank, meine Herren, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind!« Mit ruhigen Schritten ging er zum Schreibtisch und setzte sich. An der Wand hinter ihm prangte ein knallroter Schriftzug:
Wer den Frieden will, muss die Kriegsursachen beseitigen.
»Wir erleben eine interessante Situation: Im Ausland berichten Zeitungen bereits über ein Projekt, das im Lande seiner Entstehung bislang kaum bekannt ist. Das hat seine Gründe. Bevor ich mich Ihren kritischen Fragen stelle, sollte mein Plan sozusagen wasserdicht sein. Solange es noch offene Punkte gab, musste ich leider viele, viele Ersuchen zurückweisen. Sogar das Angebot, das Projekt in Barcelona auf der Weltausstellung zu präsentieren! Aber ich bin nun mal Ingenieur und Architekt: Erst muss das Fundament stimmen.«
In diesem Moment trat ein Mann in den Raum: groß, hager und sehr aufrecht. Sein graues Haar war schon weit zurückgewichen, und er trug einen weißen Spitzbart. Aus kühlen graublauen Augen sah er sich um, als gehöre ihm alles hier: die Plakate an den Wänden ebenso wie die Menschen auf den Stühlen. Die Journalisten schienen seine Autorität zu spüren, alle wandten sich nach ihm um. Hinter ihm schlich ein deutlich jüngerer Mann mit quadratischem Kopf, nervös blickenden Augen und Aktenmappe durch die Tür. Geschwungene Nasenflügel ließen das ansonsten ausdruckslose Gesicht leicht angewidert blicken. Der Idealtypus des Assistenten.
»Schön, dass Sie es einrichten konnten«, sagte Herman. »Hier vorn ist noch was frei. Wenn die anderen Herren ein wenig Platz machen …«
Doch der Mann setzte sich in die leere letzte Reihe und reckte den Kopf: ein strenger Oberlehrer, der überraschend in der Klasse des neuen Kollegen auftauchte.
Also das, dachte Irene, war der große Ernst May.
Herman bemerkte, dass er aufgestanden war, und setzte sich zerstreut wieder. Irene begriff, sie musste etwas tun, das ihn beruhigte. So schnell sie konnte, ohne hektisch zu wirken, ging sie von der Tür zu den Stuhlreihen und ließ sich auf den Platz rechts vom Oberlehrer fallen. Sein Assistent wirkte irritiert, begnügte sich aber, demonstrativ hüstelnd, mit dem Platz rechts neben ihr.
»Wir kennen uns doch.« Sie lächelte ihn an.
Er musterte sie wie aus weiter Ferne und sagte mit tiefer Stimme:
»Tun wir das?«
Ernst May war älter, als sie erwartet hatte. Seine Wangen waren eingefallen, und aus großen Ohren sprossen weiße Härchen. Die Mammutaufgabe, der er sich verschrieben hatte, ließ ihm offenbar kaum Zeit zur Erholung und Körperpflege. May zeigte, was möglich war, wenn Politiker Experten machen ließen. Seit vier Jahren setzte er um, wovon Architektenkollegen anderswo nur redeten. Baute Großsiedlungen für einfache Leute, zehntausend Wohnungen insgesamt, und enteignete dafür sogar Grundstücksbesitzer. Das Neue Frankfurt, hell und funktional statt düster und mittelalterlich, nahm rasend schnell Formen an. Von einem Macher, den Kritiker wie Bewunderer Mussolini der Architektur und Baudiktator nannten, durfte Irene wohl keine geschliffenen Umgangsformen erwarten.
»Nicht persönlich natürlich«, flüsterte sie. »Ich habe die Veranstaltung organisiert.«
»Sind Sie auch Ingenieurin?«
»Nein.«
»Architektin?«
»Ich bin Herman Sörgels Frau.«
»Sehr erfreut.« Er wirkte nicht sehr erfreut.
»Eine spannende Idee, nicht wahr?«
»Hm?«
Sie zeigte auf die dicke Broschüre in ihrer Hand. Das weiße Deckblatt trug ein großes rotes X. Auf einem der beiden Balken prangte das Wort Mittelmeer-Senkung, auf dem anderen Sahara-Bewässerung. Darunter stand Panropa-Projekt.
»Ich bilde mir lieber meine eigene Meinung«, sagte May leise, ohne zu flüstern. »Eine Idee ist immer nur so gut wie der Mann, der sie praktisch umsetzt.« Dann drehte er sich wieder nach vorn.
Dort wandelte Hermans Blick sich im selben Moment von aufgeregt zu erschrocken.
Ein Mann von etwa dreißig Jahren war grußlos in den Raum getreten. Er blickte sich um, schien das Gesuchte zu finden und ging rasch zu den Journalisten. Dann griff er einen Stuhl, stellte ihn links von May ab, setzte sich und flüsterte ihm zu:
»Gestatten: Heizer, Wilhelm. Ich bewundere Ihr Werk seit Langem.«
May brummte zur Antwort leise und unbestimmt.
Wie konnte dieser Kerl es wagen, fragte Hermans Blick. Vier Jahre lang hatten sie kein Wort miteinander geredet. Das war eine logistische Herausforderung in einer Stadt, in der Intellektuelle, Revolutionäre und mitunter sogar Leute, die etwas Vernünftiges gelernt hatten, einander ständig im Wirtshaus trafen. Trotzdem hatte er es geschafft, dem Mann, der ihn um seine Karriere gebracht hatte, aus dem Weg zu gehen. Und jetzt saß er uneingeladen hier!
»Ich war Sörgels Nachfolger bei der Baukunst«, flüsterte Heizer. »Toller Mann, hatte schon damals jede Menge Ideen. Leider musste ich dann erst mal gründlich aufräumen. Sie kennen das sicher: Die mühsame Arbeit am Detail ist nichts für jeden.« May schwieg, und so stimmte Heizer seinen eigenen Worten nickend zu.
Wenn du so ein toller Kerl bist, dachte Irene, warum hat Borst dann auch dich entlassen? Bestimmt quält es dich zu sehen, wie viel besser als du Herman sich seit dem Rauswurf macht. Schon jetzt ist er bekannter, ...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Impressum
- Widmung
- Teil I
- Teil II
- Teil III
- Teil IV
- Teil V
- Teil VI
- Epilog
- Danksagung
- Über den Autor