1.Unternehmertum mit Mehrwert: Starten Sie von Tag 1 an mit einer Exitstrategie
Ihre Firma ist nicht Ihr »Baby«. Sie ist das Instrument, mit dem Sie Ihre Ziele erreichen.
Seit 41 Jahren wohne ich in demselben Stadtteil von Leverkusen, anfangs im Elternhaus, seit einigen Jahren im eigenen Haus. Keine 500 Meter entfernt gibt es eine Kirche, die permanent läutet. Das hat mich nie gestört, weil ich mich daran gewöhnt habe. Aus irgendeinem Grund ist mein kleiner Sohn fasziniert von dieser Glocke. Wann immer er diese läuten hört, müssen meine Frau oder ich mit ihm in den Garten gehen, weil er dann auch gern den Kirchturm anschaut. Der kleine Caesar, wie ich meinen Sohn scherzhaft nenne, wenn er seine diktatorischen Ansagen macht, hat uns dabei so sehr im Griff, dass ich sehr sensibel für diese Kirchenglocke geworden bin. Ich höre sie ständig: morgens, mittags, abends. Ich habe manchmal den Eindruck, sie läutet ohne erkennbares System einfach rund um die Uhr. Und das nach 41 Jahren und nur, weil mein Sohn mich dafür sensibilisiert hat. Genau darum geht es mir. Ich möchte Ihnen den Gedanken einpflanzen, dass Sie mit dem, wofür Sie jeden Tag unermüdlich und hart arbeiten, Profit machen müssen. Alles andere ist keine Option. Und sobald Sie diesen Pfad unternehmerischer Tugend zu verlassen drohen, sollte eine Alarmglocke in Ihrem Kopf losgehen. Die Exitstrategie, um die es in diesem Kapitel geht, ist dabei ein wichtiger Baustein. Sie dient dazu, das Alarmsystem zu installieren.
Ein schädlicher Mythos: Die eigene Firma als »Baby«
Ich habe bereits angekündigt, dass ich mit diesem Buch gelegentlich Ihr Mindset infrage stellen werde. Fangen wir gleich damit an. Ein verbreiteter Irrglaube besteht darin, das eigene Unternehmen als sein »Baby« zu betrachten. Auch wenn Sie diesen Begriff selbst so nicht verwenden würden, ahnen Sie vermutlich, was ich meine: eine Haltung zur Firma, die eher von sentimentaler Anhänglichkeit geprägt ist als von nüchterner Rationalität. Eine solche Haltung ist absolut schädlich. Sie führt aus einer Vielzahl von Gründen dazu, dass Unternehmerinnen oder Unternehmer sich für ihr Firmenbaby aufopfern, ohne auch nur annähernd für ihre Mühen entschädigt zu werden. Nicht alle diese Gründe werden auf Sie zutreffen. Doch vielleicht fragen Sie sich bei der Lektüre der folgenden Punkte, ob Sie auch schon in eine dieser Fallen getappt sind.
Falle 1: »Leidenschaft« als Gründungsmotivation
Bei der Entstehung eines Babys ist normalerweise Leidenschaft im Spiel und das ist auch gut so. Gründet sich aber die Entstehung eines Unternehmens primär auf Leidenschaft, so ist das fragwürdig. »Leidenschaft« nehmen Gründer für sich in Anspruch, die ihr Hobby zum Beruf machen. Sie allein reicht jedoch nicht für den Unternehmenserfolg. All Ihre Leidenschaft fürs Grillen wird Ihnen nicht zum Erfolg verhelfen, wenn Sie in Ihrer Heimatstadt ein Steakhouse aufmachen und es dort schon zwei Filialen bekannter Restaurantketten gibt. Erfolgreiche Unternehmen entstehen nicht aus einer persönlichen Passion heraus, sondern weil der Gründer wiederholt beobachtet hat, dass Menschen mit einem Problem kämpfen, für das er eine attraktive Lösung bieten kann. Je attraktiver die Lösung, desto profitabler das Unternehmen (jedenfalls, wenn es durchdacht geführt wird). Fatalerweise gibt es in unserer Gesellschaft reflexartig Applaus, wenn jemand bekennt, er sei seiner Leidenschaft gefolgt und mit »Herzblut« bei der Sache. Dieser Applaus kommt oft von Menschen, die vom Business keine Ahnung haben und vielleicht heimlich selbst davon träumen, sich mit einer Onlinemarketingagentur oder einem Frisiersalon selbstständig zu machen, nur, weil sie selbst gern Landingpages bauen oder schon als Teenager andere frisiert haben. Aber Applaus bezahlt keine Rechnungen und gute Laune können Sie nicht zur Bank bringen.
Falle 2: Nachlässiges Controlling
Ihren Kindern erlauben Sie hoffentlich, zeitweise einfach mal in den Tag hineinzuleben, beim Spielen die Zeit zu vergessen. Sie werden nicht alles messen, was Ihre Kinder tun. Sie kämen niemals auf die Idee, kontinuierlich wichtige Erfolgsparameter im Auge zu behalten und zu prüfen, ob Ihr erzieherisches Engagement sich auch wirklich auszahlt. Sie werden mit Ihrem Kind Fortschritte feiern und ihm bei Rückschlägen Trost spenden. So können Sie aber keine Firma führen. Denn hier gilt es, Misserfolge konsequent zu vermeiden, Performance zu messen und ständig zu verbessern. In einer Firma sollten Sie auch immer darauf achten, dass Sie jede Minute, die Sie investieren, vergütet bekommen. Und zwar in harter Währung, nicht in Küsschen oder anderen Nettigkeiten. Wäre die Firma Ihr Baby, dürfte dies absolut unangemessen erscheinen.
Falle 3: Geduld bei Misserfolgen
Mein Sohn konnte mit zweieinhalb noch nicht wirklich sprechen. Die Ärzte signalisierten, würde sich der Trend fortsetzen, wäre spätestens im Alter von drei Jahren eine Therapie beim Logopäden angeraten. Ich selbst war da sehr entspannt – irgendwann würden sich die Gene schon durchsetzen und ich kann nachweislich gut mit Sprache umgehen. Außerdem war mein Sohn motorisch gesehen seinem Alter weit voraus. Es ist völlig normal, dass bestimmte Entwicklungsschritte unterschiedlich schnell ablaufen. Beim eigenen Baby ist eine solche Haltung empathisch und richtig. Bei der eigenen Firma wäre genau das fahrlässig. Wenn Ihre Firma nicht funktioniert oder viel zu lange braucht, um auf die Beine zu kommen, dann muss sie weg. Und damit meine ich nicht, dass Sie sie bildlich gesprochen zu Pflegeeltern geben. Sondern dass Sie sie töten und Ihre Zeit und Ihre Ressourcen anderweitig einsetzen. Das funktioniert aber nur dann, wenn Sie eine gewisse Distanz zur Firma aufbauen. Elterliche Gefühle sind hier schlichtweg fehl am Platz.
Falle 4: Nicht rigoros genug handeln
Wenn Unternehmen dauerhaft keine Überschüsse erwirtschaften, haben sie häufig strukturelle Probleme. Als Unternehmer müssen Sie sich nüchtern die Frage stellen, ob Sie diese strukturellen Probleme in den Griff kriegen können oder auf verlorenem Posten kämpfen und die weiße Fahne hissen sollten. In diesem Zusammenhang denke ich zum Beispiel an die Gastronomie, die zu den absoluten Verlierern der Pandemie gehörte. Gerade erfolgreiche Restaurants, die neben einer vorzüglichen Küche auch ein besonderes Ambiente boten, konnten mit dem erlaubten Take-away ihr zahlungskräftiges Publikum kaum halten. Locations in Prime-Lage wurden noch dazu von hohen Mieten aufgefressen. Ihre Inhaber brauchten die mit Mühe zur Seite geschafften Ersparnisse auf – bis hin zum Totalverlust. Natürlich lassen sich solche Entwicklungen nicht direkt am Tag 1 absehen und nach vielen Monaten weiß man es besser. Dennoch rate ich dringend dazu, die Finanzströme im eigenen Unternehmen kritisch im Auge zu behalten und bei unerfreulichen Tendenzen hart durchzugreifen. Hoffnung ist keine Strategie. Wenn die Einnahmen wegbrechen, müssen die Kosten sofort gesenkt werden. Das bedeutet in vielen Fällen die Entlassung von Personal. Damit tun sich Konzerne häufig leichter als mittelständisch geführte Unternehmen, doch harte Entscheidungen gehören zum Unternehmertum dazu. Auch hier bin ich kein Theoretiker. Ich habe irgendwann den Bruder meines besten Technikers entlassen, weil es nicht anders ging. Viele würden mir sagen, das ist doch ein großes Risiko, so was macht man doch nicht etc. Doch ich habe es getan, und zwar so fair und transparent, dass ich auch Jahre später noch Kontakt zu dem entlassenen Mitarbeiter habe, weil er mir nie böse war. Im weiteren Sinne bedeutet dies, dass Sie Menschen, die nicht zu Ihnen passen (Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten), ohne Rücksicht auf Gefühle und soziale Normen loswerden sollten. Den gedanklichen Transfer, warum das beim »Baby« anders ist, überlasse ich Ihnen.
Falle 5: Sich unermüdlich aufopfern für die Firma
Gute Eltern sind immer für Ihre Kinder da, Tag und Nacht. Entsprechend gibt es den Mythos, dass erfolgreiche Unternehmer permanent beschäftigt seien. Ich denke, genau das ist nicht der Fall. Erfolgreiche Unternehmer sind zwar selten untätig. Ich weiß zum Beispiel, dass Warren Buffet viele Stunden am Tag Zeitung liest und Bill Gates jährlich »Think Weeks« durchführt. An seiner Persönlichkeit zu arbeiten, den eigenen Horizont zu erweitern, sich andere Branchen anzuschauen, um Muster zu erkennen, die man vielleicht auf das eigene Unternehmen übertragen kann – all das sind wichtige Aufgaben. Nur müssen Sie dafür auch Zeit haben. Wer aber den ganzen Tag mit der Firma beschäftigt ist, reagiert nur. Er gestaltet seine Zukunft nicht, sondern wird gestaltet. Ich arbeite mit vielen Unternehmern in unterschiedlichen Branchen im In- und Ausland zusammen. Alle sind gestartet, weil sie ihr eigener Chef sein und sich ihre Zeit frei einteilen wollten. Doch dann sind sie gefangen im operativen Geschäft und arbeiten fast jedes Wochenende durch. Ich weiß genau, wie sich das anfühlt. Lange dachte ich, das wäre der Kompromiss, den ich für ein komfortables Einkommen eingehen müsste. Heute weiß ich: Das stimmt nicht, es ist ein falscher und schädlicher Glaubenssatz. Und deshalb möchte ich Sie dafür sensibilisieren, genau zu prüfen, ob das, was Sie da gerade machen, Ihnen hilft, profitabler zu werden. Oder ob Sie einfach nur beschäftigt sind.
Falle 6: Größer ist besser
Kinder wachsen. Eltern fördern und beobachten ihre Entwicklung und freuen sich, wenn sie größer werden. Doch beim Unternehmen ist »größer« nicht automatisch »besser«. In meiner Rolle als Unternehmensberater habe ich viele Firmen kennengelernt, die sich über Umsatz und Mitarbeiterzahl definierten und dabei leider versäumten, auf Profitabilität zu achten. Viele pfiffige Menschen können als Soloselbstständige deutlich mehr Geld verdienen als in einer Festanstellung. Beschäftigen sie fünf bis zehn Mitarbeiter, stehen ihre Chancen gut, noch besser zu verdienen. Bei weiteren Mitarbeitern, vor allem bei 14 bis 22, steigt zwar ihr Risiko, vielleicht auch die Anerkennung im sozialen Umfeld, häufig aber nicht der Verdienst. Denn plötzlich brauchen diese Unternehmer Führungskräfte und zusätzliche Instanzen, um ihre »Gelddruckmaschine« am Laufen zu halten, ohne dass ihr Profit nennenswert steigt. Daher warne ich vor Wachstum um jeden Preis, womöglich getrieben durch den Wunsch nach Anerkennung. Um Multimillionär zu werden, brauchen Sie keine große Firma. Um Milliardär zu werden, schon. Weil Letzteres mit diesem Buch nicht funktionieren wird, schlage ich vor, dass wir uns auf das konzentrieren, was ich selbst erreicht habe und wobei ich Ihnen nachweislich helfen kann.
Falle 7: Eigene (Lebens-)Ziele verwirklichen
Ein Kind hat eigene Ziele und gute Eltern tun ihr Bestes, diese selbstlos zu unterstützen. Ihre Firma dagegen dient ausschließlich Ihren Zielen. Lassen Sie es nicht zu, dass sie ein Eigenleben entfaltet, das nicht mehr Ihren Interessen dient. Meine eigenen Ziele sind, unabhängig, selbstbestimmt und komfortabel zu leben. Ich wollte daher schon früh ein großes Haus in einer ruhigen Gegend, mit super Verkehrsanbindung und Nähe zum Wald, das bestenfalls bar bezahlt ist und mir immer als Rückzugsort dienen kann, egal, was im Leben passiert. Es war mir gleichgültig, dass ich wegen dieser Pläne im BWL-Studium mit Hinweis auf lukrativere Geldanlagen ausgelacht wurde. Ihre eigenen Ziele sind entscheidend, nicht das, was Ihr Umfeld denkt. Viele Jahre lang konnte ich mir kein besseres Leben vorstellen als das mit meiner IT-Firma. Doch irgendwann kam bei mir der Wunsch auf, standortunabhängig zu arbeiten, noch mehr reisen zu können und dabei weiter gutes Geld zu verdienen – meine Ziele hatten sich verändert. Durch den Verkauf meiner ersten Firma konnte ich auch das umsetzen. Und dank Corona hat die Welt erkannt, dass für viele Aufgaben keine persönlichen Treffen mehr nötig sind. So coache ich heute sehr viele Unternehmer erfolgreich per Videocall, was für den Kunden wie für mich den organisatorischen Aufwand erheblich senkt. Inzwischen kann ich wochenlang im Ausland sein und von dort arbeiten. Das meine ich damit, wenn ich sage: Eine Firma ist nicht das eigene Baby. Sie ist ein Instrument, um seine Ziele zu erreichen. Was sind Ihre Ziele?
Von Ihrem Baby werden Sie sich niemals trennen. Ihre Firma zu verkaufen kann jedoch eines Tages – wie in meinem Fall – eine Option sein. Und selbst wenn Sie das niemals (oder noch nicht) vorhaben, verschafft Ihnen eine gedankliche Exitstrategie die nüchterne Distanz für kluge unternehmerische Entscheidungen und mehr Profit. Rationale Distanz verbessert bei einem Verkauf zugleich Ihre Verhandlungsposition. Denn vielleicht müssen Sie mitansehen, wie Ihr Baby von nun an schlecht behandelt wird. Um es ganz deutlich zu sagen: Es muss Ihnen egal sein, was mit der Firma nach dem Verkauf passiert. Denn nur dann erzielen Sie den bestmöglichen Verkaufspreis, weil sie emotional neutral und rational auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind.
Nüchterne Distanz ist besser als emotionale Fehlentscheidungen.
Mehr Weitblick durch eine Exitstrategie
Eine Ausstiegsstrategie verändert Ihr unternehmerisches Mindset. Sie ist exakt das Gegenteil der häufig als selbstve...