Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens
eBook - ePub

Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens

  1. 250 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens

Über dieses Buch

Memes dienen nicht nur der popkulturellen Unterhaltung oder der Kunst, sie werden auch in der Politik, in lokalen und internationalen Wahlkämpfen oder auf Demonstrationen verwendet. In ihrer typischsten Form sind sie Text-Bild-Gefüge, die sich digital mit viraler Geschwindigkeit verbreiten und transformieren.

Joanna Nowotny und Julian Reidy nehmen sich dieses Internetphänomens aus kulturwissenschaftlicher Perspektive an. Sie betreten Neuland, indem sie einzelne Memes kasuistisch analysieren und ihre Erkenntnisse systematisieren, um diese digitale Kommunikationsform definitorisch neu zu bestimmen – in stetem Bezug zu anderen digitalen Phänomenen wie dem trolling.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Memes – Formen und Folgen eines Internetphänomens von Joanna Nowotny,Julian Reidy im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Sozialwissenschaften & Genderforschung. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

1.Einleitung
»Der Multimediarausch findet nicht statt«1


1996 war die Welt noch in Ordnung. In einem Artikel mit dem Titel »Mythos Netz« fasste das Nachrichtenmagazin Der Spiegel die optimistischen Szenarien, naiven Hoffnungen und raunenden Befürchtungen zusammen, die sich an die nunmehr in den (bundesdeutschen) Mainstream eindringende »weltweite Datenverbindung Internet«2 knüpften – um zu resümieren, dass trotzdem alles irgendwie beim Alten bleiben werde, denn nur eine nerdige Minderheit habe doch überhaupt Lust, sich »auf den elektronischen Straßen« zu »tummeln«.3 Wollen sich Nutzer*innen wirklich individuelle Newsfeeds und Unterhaltungsprogramme aus einem »Online-Angebot« zusammenstellen, also beispielsweise den Spiegel »am Schirm lesen«?4 Rolf S. Müller, der Autor des Artikels, zeigt sich skeptisch. Er verweist dabei auf Autoritäten wie den »Freizeitforscher Horst W. Opaschowski«, der »Multimedia« für einen kurzlebigen Trend hält und darauf setzt, dass sich »Verbraucher« weiterhin vor dem Fernseher »passiv berieseln«5 lassen möchten. Zu Wort kommt auch ein »Josef Schäfer, Bereichsleiter für Multimedia beim Essener RWE-Konzern«, der »Multimedia« zwar als »interessante[n] Markt« betrachtet, aber nicht glaubt, dass »der Kunde« [sic!] auch bereit sei, »Geld dafür zu zahlen«.6
Dass das »Online-Angebot« dereinst nicht nur zu einem Wirtschaftsfaktor, sondern überhaupt zur medialen, ökonomischen, ja epistemischen Dominante im Leben der meisten Menschen werden könnte, gehört in diesem journalistischen Zeitzeugnis nicht zum Horizont des Vorstellbaren. Hier wird noch nicht antizipiert, was heute längst als »Disintermediation« Tatsache ist: So nennt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen den Bedeutungsverlust der »Gatekeeper alten Typs, […] [der] Wächter am Tor zur öffentlichen Welt in Gestalt von Journalistinnen und Journalisten«.7 Ebenso unvorstellbar ist für den Spiegel damals der begleitende Prozess der »Hyperintermediation«, also das Aufkommen neuartiger »Medien- und Netzwerkeffekte[] und neue[r] intransparent agierende[r] Gatekeeper[], die als weitgehend unsichtbare Instanzen der Vorfilterung, der Auswahl und Gewichtung sowie der potenziell epidemischen Verbreitung wirken«.8 Das Ineinandergreifen dieser beiden Tendenzen – der Machtverlust »klassische[r] Gatekeeper« und die Entstehung algorithmischer Informationsprismen – formt jedoch in den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts unsere Realität. Wir alle »agier[en]« nunmehr weitgehend »befreit von der Vorabkontrolle durch« Journalist*innen, »aber geprägt von den intransparenten Gatekeepern der digitalen Zeit« als Rezipient*innen und Produzent*innen von Bild, Text und Klang »in einem global vernetzten, hochsensiblen Kommunikationsuniversum«.9
Wenn sich noch vor einem Vierteljahrhundert der Bedeutungsverlust der Gatekeeper*innen der Vorstellungskraft eines ebensolchen entzog, so hängt das wohl nicht zuletzt mit einer kuriosen Setzung zusammen, die auch in aktuellen Debatten über das Internet und die Digitalkultur noch zuweilen hervorgekramt wird. Müller postuliert nämlich in seinem Spiegel-Artikel eine »unüberbrückbare Kluft zwischen Leben und der mechanischen Simulation von Prozessen«,10 also zwischen einer nicht näher definierten ›Realität‹ und einer angeblich immer nur mimetischen, künstlichen, simulativen und insofern nachgeordneten und vernachlässigbaren ›Digitalität‹. Diese behauptete »Kluft« rettet am Ende des Artikels die Deutungshoheit der mit der Beschreibung und Gestaltung des »Leben[s]« befassten Journalist*innen, und nur naive »Computergläubige[]« könnten auf die Idee kommen, besagte »Kluft« zu »negier[en]«.11
Nun mag man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte positiv oder negativ deuten, man mag das »demokratisierende[] Potential des Webs«12 feiern oder bestreiten13 – sicher ist in jedem Fall, dass es keine »Kluft« zwischen »Leben« und Digitalkultur mehr gibt, wenn es sie denn jemals gab. Wir leben längst in einer ›Kultur der Digitalität‹.14 Im digitalen Raum entstehen neue Handlungsräume, Weltbezüge und Deutungsmuster, geprägt von distinkten ästhetischen Verfahren, darunter insbesondere Referenzialität, Gemeinschaftlichkeit und schematisierend vorstrukturierende ›Algorithmizität‹:15
Referentialität […] [bezeichnet die] Nutzung bestehenden kulturellen Materials für die eigene Produktion […]. Im Kontext einer nicht zu überblickenden Masse von instabilen und bedeutungsoffenen Bezugspunkten werden Auswählen und Zusammenführen zu basalen Akten der Bedeutungsproduktion und Selbstkonstitution. Gemeinschaftlichkeit ist die zweite Eigenschaft, die diese Prozesse kennzeichnet. Nur über einen kollektiv getragenen Referenzrahmen können Bedeutungen stabilisiert, Handlungsoptionen generiert und Ressourcen zugänglich gemacht werden. Dabei entstehen gemeinschaftliche Formationen, die selbstbezogene Welten hervorbringen […]. Die dritte Eigenschaft der neuen kulturellen Landschaft ist ihre Algorithmizität, das heißt, sie ist geprägt durch automatisierte Entscheidungsverfahren, die den Informationsüberfluss reduzieren und formen, so dass sich aus den von Maschinen produzierten Datenmengen Informationen gewinnen lassen, die der menschlichen Wahrnehmung zugänglich sind und zu Grundlagen des singulären und gemeinschaftlichen Handelns werden können.16
Wenn in der so gearteten Kultur der Digitalität jede*r »zum Sender geworden« ist und »barrierefrei öffentlich machen« kann, »was ihn« oder sie »bewegt«,17 dann verschwinden auch alle »Schonräume der Intransparenz, Sphären der Unschärfe und Unbefangenheit, weil permanent beobachtet, gefilmt oder fotografiert wird, weil alle senden und posten […]«.18
Um das »Schwinden«19 dieser »Schonräume« oder eben die bald witzige, bald befreiende, bald aber auch bedrohliche, aufreibende und destruktive Überbrückung der einst Gewissheit spendenden »Kluft« zwischen ›Internet‹ und ›real life‹ geht es in diesem Buch. Und zwar befassen sich die folgenden Ausführungen mit sogenannten memes beziehungsweise – zu Deutsch – Memen, also mit meist humoristisch angelegten Bild-, Ton-, Text- oder Videobeiträgen (oder auch Kombinationen all dieser Elemente), die sich im Netz in Windeseile, das heißt ›viral‹, verbreiten und im Zuge dieses Verbreitungsprozesses vielfältige Modifikationen erfahren. In diesem Zusammenhang muss vom definitiven Ende des Medienzeitalters einer ›passiven Berieselung‹ gesprochen werden. Am Beispiel dieses Phänomens will das vorliegende Buch die von Felix Stalder ausgerufene Kultur der Digitalität genauer kartographieren – und ihren Bildern, Motiven, Narrativen sowie Rezeptionseffekten mit dem Rüstzeug der Kulturwissenschaften auf den Grund gehen.

1.1Digitalität und Realität:
memes als Paradigma der Kultur der Digitalität

Das ›Digitale‹ interessiert uns also weniger als medientechnologisches denn als kulturelles Phänomen, eingedenk Hannes Bajohrs Feststellung, dass digitale Technologien nur »das materiale Substrat eines neuen Wirklichkeitsbegriffes« bilden: An der Kultur der Digitalität ist für uns nicht so sehr das »technische[] Fundament«20 von Belang (wobei von der perfiden Funktionsweise von Algorithmen und den handfesten ökonomischen Interessen hinter den bekanntesten Online-Plattformen immer wieder die Rede sein wird). Einschlägig für die Kultur der Digitalität sind uns...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1. Einleitung »Der Multimediarausch findet nicht statt«
  6. 2. Referenzialität Lokale Meme-Kultur global vernetzt
  7. 3. Humor Von Pandememes und Wortwitzen, Humortheorien und Subversion
  8. 4. Politik Das ›politische‹ meme zwischen Aktivismus und Sabotage, Aktivität und Passivität, ›links‹ und ›rechts‹
  9. 5. Intermezzo: Memes und der (politische) Mainstream Kriegsverbrecher und Nobelpreisträger
  10. 6. Kanonisierung Know your meme I: Die Memesis und der Kanonbegriff
  11. 7. Fazit
  12. Bibliographie
  13. Abbildungsverzeichnis