Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2020
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Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2020

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  1. 408 Seiten
  2. German
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Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2020

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Über dieses Buch

2008 wurde der erste Band der Reihe "Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen" im Studienverlag veröffentlicht. Das Ziel dieser jährlich erscheinenden Publikation ist es, die aktuellsten Forschungsergebnisse zu präsentieren, die aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Themenkreisen aus dem Umfeld der Tiroler Landesmuseen oder der Bestandsforschung im vergangenen Jahr hervorgegangen sind. Der heurige Band (Band 13) gliedert sich in drei große Themenbereiche: Die Texte im ersten Teil des Bandes beleuchten die COVID-19-Pandemie aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln. Der zweite Teil umfasst die Artikel der Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung "Die Kehrseite des Unsichtbaren", die im Zuge der Ausstellung "Vergessen. Fragmente der Erinnerung" am 31. Jänner 2020 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum stattgefunden hat. Im dritten und letzten Teil finden sich diverse Beiträge zu geistes- und naturwissenschaftlichen Themen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Tiroler Landesmuseen.

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Information

FORSCHUNGSERGEBNISSE AUS DEN TIROLER LANDESMUSEEN

KUNSTGESCHICHTLICHE SAMMLUNGEN

Illustration
Abb. 1: Elmar Peintner, OE Nr. JE 332 Ohne Titel, 2011, Bleistift auf grundierter Leinwand, Innsbruck, Tiroler Landesmuseen, Moderne Sammlungen, Inv.-Nr. Gem 4507

BERGE ZEICHNEN

Peter Assmann

ABSTRACT

The artistic development of mountain situations marks a special challenge in the context of the art-historical development of European landscape art. For centuries, mountains were reduced to schematic forms in landscape representations. Until the 16th century and finally at the beginning of the 18th century, graphic arts dealt with this topic in its own way. Based on examples from the Prints and Drawings Collection of the Tyrolean State Museums, this article outlines key stages in the art-historical development of this topic up to the present.

ZUSAMMENFASSUNG

Die bildkünstlerische Erarbeitung von Gebirgssituationen markiert im Rahmen der kunstgeschichtlichen Entwicklung der Europäischen Landschaftskunst eine besondere Herausforderung. Jahrhundertelang wurden Berge in der Landschaftsdarstellung auf schematische Formen reduziert. Erst ansatzweise im 16. Jahrhundert, letztlich dann zu Beginn des 18. Jahrhundert wird dieses Thema in der Grafik in eigenständiger Form bearbeitet. Ausgehend von prägnanten Beispielen der Grafischen Sammlung der Tiroler Landesmuseen zeigt dieser Artikel wesentliche Stationen der kunsthistorischen Entwicklung dieses Themenfeldes bis in die Gegenwart auf.
„Manchmal frage ich mich, wenn ich so die Berge sehe, wozu überhaupt noch die ganze Kultur da ist, aber man denkt noch nicht daran, wie sehr einen die Kultur (und sogar die Über-Kultur) zum Naturgenuss befähigt.“ (Walter Benjamin an Herbert Blumenthal, 22. Juli 1910)1
Berge sind dem europäischen Menschen vor allem Herausforderung, eine massive Infragestellung der menschlichen (Kultur-)Existenz – sie sind ihm zuvorderst ein Hindernis für seine Geh- und Sehbewegungen. Jahrhundertelang ist dieses Hindernis in der europäischen Gedankenwelt künstlerisch stilisiert und damit gleichsam ornamental eingeebnet und letztlich negiert worden. Die literarische Schilderung der (selbst-)erfahrungsorientierten Erstbesteigung eines Berges durch Francesco Petrarca (1304–1374) ist daher ein Erkenntnisschritt von massiver Bedeutung – und dieser findet, wie nicht zuletzt das Eingangszitat von Walter Benjamin (1892–1940) belegt, jahrhundertelange Fortsetzung. Sein 1336 beschriebener Aufstieg des Mont Ventoux in den französischen Alpen ist von absoluter erkenntnisgeschichtlicher Nachhaltigkeit geprägt. Im bewussten Aufstieg auf den Berg ist sich der Mensch, kulturgeschichtlich gesehen, nicht nur der faktischen, sondern vor allem der ästhetischen Erweiterung seines Sehvermögens auf sich und die Welt bewusst geworden. „Auf dem Gipfel ist er überwältigt von der Erweiterung des Gesichtsfeldes in der Vogelperspektive, die es ihm ermöglicht, das bisher durch großräumliche Distanz Getrennte zusammenzuschauen. Während des Aufstiegs aber, entwickelt sich bei ihm viel stärker ein zweites Motiv: Je größer die Anstrengungen werden, desto intensiver wird seine Selbstwahrnehmung; [...]“.2
Bis zur Entwicklung der Landschaftsmalerei als selbständige künstlerische Gattung in der Europäischen Kunstgeschichte (mit besonderer Berücksichtigung des bildhaften Gestaltungsmomentes eines Berges) dauerte es allerdings noch Jahrhunderte. Gerade in der Entwicklung dieser europäischen Landschaftsmalerei nimmt die Wahrnehmung und die künstlerische Gestaltung eines Berges jedoch stets eine zentrale Position ein. Der Berg changiert begrifflich zwischen einem Großgefüge von Steinen und der noch größer dimensionierten Positionierung als Bestandteil eines Gebirges, was ihm eine ähnliche Konglomerat-Situation zuschreibt wie dem Landschaftsbegriff selbst: Der Berg ist auch unter diesen zwischen Makro und Mikro wechselnden Gesichtspunkten einmal mehr eine ganz spezifische bildkünstlerische Herausforderung. Er ist stets mehr als die Summe seiner Einzelelemente.
Innerhalb der bildhaften Auseinandersetzung mit dem Thema „Landschaft“ nimmt die Zeichnung eines Berges eine seltsame Zwischenposition ein. Ein so komplexes Gebilde wie einen Berg mithilfe von Liniensystemen, zudem durch unterschiedlich eng gesetzte Schraffuren verdichtet zu Hell-Dunkel-Strukturen, bildkünstlerisch zu gestalten, ist eine besondere Herausforderung für jede Künstlerpersönlichkeit – bis heute.
Die aus gegenwärtiger Sicht wohl früheste erhaltene Landschaftszeichnung – sie stammt von Leonardo da Vinci (1452–1519) aus dem Jahr 14733 – zeigt einen Blick in die Flusslandschaft des Arno von einem erhöhten Standpunkt aus betrachtet. Also ist auch Leonardo auf einen „Berg“ gestiegen, um den Blick ins Gelände zeichnerisch zu gestalten. Ihm, der als Maler durch sein „Sfumato“ neben der Farbperspektive eine weitere gestalterische Komponente in die Darstellung komplexer Raumstrukturen in die Europäische Kunstgeschichte eingebracht hat, ist in dieser Zeichnung das Gebirge seltsam fremd geblieben. Einige vage Zacken im Hintergrund verweisen auf dessen Existenz, jedoch ohne nähere individuelle Bestimmung. Der Berg bleibt auch noch in den Jahrhunderten nach Leonardo in der Europäischen Kunstgeschichte eine vor allem stilisierte Erscheinung, fern von Individualisierung oder adäquater Proportionierung im Zusammenhang mit dem restlichen Bildgeschehen. Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind Städtelandschaften, insbesondere des 17. Jahrhunderts, wie etwa die Serie der berühmten Merian-Stiche. Auch bei Städten, die in dominanter Weise durch ihre gebirgige Umgebung in ihrer vedutenhaften Wirkung geprägt sind, nimmt das Gebirge in dieser Bildgestaltung bestenfalls eine großzügig gesetzte Staffagesituation im Unterschied zur detailreichen Gestaltung der sonstigen Bildelemente ein.
Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts sind frühe Hinwendungen zu einer individuellen, auf die gestalterischen Elemente der Zeichnung ausgerichteten Auseinandersetzung mit dem Thema des Berges in der Europäischen Kunstgeschichte beobachtbar. Die Aufgabe „Berge zeichnen“ emanzipiert sich nun zunehmend von ihrer ausschließlich ein Landschaftsgemälde vorbereitenden künstlerisc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Vorwort
  5. COVID-19
  6. Die kehrseite des unsichtbaren Beiträge zur tagung am 31. jänner 2020 im tiroler landesmuseum ferdinandeum im rahmen der ausstellung „vergessen. fragmente der erinnerung“
  7. Forschungsergebnisse aus den tiroler landesmuseen
  8. Abbildungsnachweis
  9. Impressum