Nach der Kulturgeschichte
eBook - ePub

Nach der Kulturgeschichte

Perspektiven einer neuen Ideen- und Sozialgeschichte der deutschen Literatur

  1. 600 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Nach der Kulturgeschichte

Perspektiven einer neuen Ideen- und Sozialgeschichte der deutschen Literatur

Über dieses Buch

Das absehbare Ende des kulturgeschichtlichen Paradigmas in den Geistes- und Sozialwissenschaften eröffnet erneut die Chance auf substanzielle methodologische Debatten auch in der deutschen Literaturwissenschaft. Der Band versammelt mediävistische und neuphilologische Beiträge, die ideen- und sozialgeschichtliche Perspektiven auf die Zeit zwischen dem 12. und dem 21. Jahrhundert dergestalt zu werfen versuchen, dass eine behutsame Vermittlung zwischen Ideen und Realien als je unterschiedenen und doch sich ergänzenden Kontexten entwickelt werden kann. Dabei wird in 10 Sektionen je ein sozialgeschichtlicher Beitrag durch einen ideengeschichtlichen Beitrag sekundiert, um mögliche Überschneidungen, aber auch durch die andere Perspektive jeweils zu füllende Leerstellen am einzelnen literarischen Text zu ermitteln. Bewusst versammelt der Band Beiträge zur älteren und zur neueren deutschen Philologie, um die historischen Veränderungen der Korrelation von Ideen und Realien als Kontexten der Literatur zu skizzieren. Der hier vorgelegte Versuch einer post-kulturalistischen Methodendebatten stellt nur einen ersten Schritt dar, der in der Folge weiterentwickelt werden soll.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Nach der Kulturgeschichte von Maximilian Benz, Gideon Stiening, Maximilian Benz,Gideon Stiening im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Literaturkritik. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2021
ISBN drucken
9783110656510
eBook-ISBN:
9783110667394
Auflage
1

20. Jahrhundert

Text und Kontext

Bertolt Brechts Buckower Elegien als Provokation einer Ideen- und Sozialgeschichte der Literatur
Joachim Jacob
Gießen

1 Kontextbildung, ein Problem?

Die kulturwissenschaftlichen Akzentuierungen der Literaturwissenschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten haben zweifellos und nicht zu ihrem Schaden zu einer beträchtlichen Erweiterung literaturwissenschaftlicher Forschungsfragen und -perspektiven geführt. Sie haben allerdings auch ein methodisches Problem noch deutlicher hervortreten lassen, vor das sich bereits die ältere ideen- oder sozialgeschichtliche Orientierung der Literaturwissenschaft gestellt sah (und weiterhin sieht). Das Problem nämlich, wie literarische Texte plausibel auf Kontexte zu beziehen sind, seien sie etwa ideengeschichtlicher oder sozialgeschichtlicher, verbaltextueller oder nicht-verbaltextueller Art. Dass die Wahrheit bei diesem Problem im Auge des Betrachters liege, legt Katja Mellmanns Resümee ihres Beitrags für das Themenheft Context des Journal of Literary Theorie (2014) nahe: »Das sogenannte Text/Kontext-Problem ist eigentlich gar keins; es ist vielmehr eine Fragestellung.«1 Mellmanns zuvor entfalteter Vorschlag, das vermeintliche ›Problem‹ zu lösen, indem man es als eine empirisch analysierbare ›Fragestellung‹ versteht, verlagert jedoch das Problem bzw. jetzt die Frage nur. Kontexte sind demnach »empirisch, über die spezifischen Bezugsformulierungen in den Quellen« gegeben und »das sogenannte Hierarchisierungs- oder Relevanzproblem, d. h. die Frage, welche ›Kontexte‹ für einen Text überhaupt relevant und welche vielleicht relevanter als andere sind«, soll nicht diskutiert, sondern als Gegenstand von »weiteren Anschlusskommunikationen« im Rahmen einer »Rezeptionsanalyse […] neben der Werkanalyse« beobachtet werden.2 Abgesehen davon, dass auch so das methodische Problem erhalten bleibt, in welcher Weise und Gewichtung Werk- und Rezeptionsanalyse ›nebeneinander‹ treten können, bliebe einer solchen, die Deutung vorliegender Texte nur beobachtenden Literaturwissenschaft die kritische Stellungnahme verwehrt, ob und welche »Bezugsformulierungen in den Quellen« gegeben sind und welche »Kontextevokationen« angesichts »prinzipiell allerlei [möglicher; J.J.] ›Kontexte‹« der Validierung »in weiteren Anschlusskommunikationen« übergeben werden sollten.3
So interessant gewiss eine solche, sich selbst noch einmal historisierende Betrachtung von empirischen ›Anschlusskommunikationen‹ sein könnte (die dann natürlich auch die Wissenschaftlichkeit einer Beschäftigung mit einem Text nur als Phänomen der Selbst- oder Zuschreibung behandeln würde), soll im Folgenden gleichwohl an einem konkreten literarischen Beispiel, Brechts Buckower Elegien, die Frage nach »spezifischen Bezugsformulierungen« in Quellen und an sie herangetragenen »Kontextevokationen« diskutiert und d. h. erwogen werden, ob nicht doch einige dieser plausibler für das Verstehen des Textes heranzuziehen sind als andere (5.–8.). Hierfür erübrigt sich eine methodische Vorüberlegung (2.–4.) weiterhin nicht.

2 Erfrischende, evidente, gute und plausible Kontexte

Die für die Praxis der Interpretation entscheidende Frage, wie sich Kontexte zu Texten plausibel bestimmen bzw. um unplausible reduzieren lassen, ist, soweit ich sehe, bislang erstaunlich wenig erörtert worden. In Umberto Ecos Diskussion von »Ökonomiekriterien«4 für die Interpretation in Die Grenzen der Interpretation (1990) spielen ›Kontexte‹ eine untergeordnete Rolle. Das Heranziehen von außertextuellen Kontexten wird empfohlen, um zu bestimmen, wovon in einem Text überhaupt die Rede ist (ob von Besen oder von Handgranaten).5 Der innertextuelle Kontext dagegen (der Kotext wie man auch sagen könnte) spielt eine Rolle, um die unplausible Deutung etwa eines Wortes (als Anspielung auf den Stalinisten Berija oder auf den alttestamentlichen Joseph) abzuwehren.6 Im spezifischen Fall der Deutung von Metaphern ist dagegen nach Eco – analog der »sehr weiten« Bezüge, die eine »gelungene« Metapher stifte – von einem »sehr weiten Kontext« Gebrauch zu machen,7 in dessen »Licht« der begabte Interpret
ein Spiel von Schlußfolgerungen in Gang zu setzen [weiß; J.J.], vermittelst dessen auch die »geschlossenste« Metapher eine neue Frische erlangt und eine Kette metaphorischer Schlußfolgerungen hervorbringt.8
Neben der Aufgabe der Bedeutungsklärung muss sich der Bezug auf ›Kontexte‹ in Ecos Interpretationslehre demnach vor allem durch die Textkohärenz des Ausgangstextes legitimieren. Extra- und intratextuelle Kontexte dienen eher der Einhegung von Interpretationshypothesen als deren Ausweitung, außer wenn eine solche, wie im Fall der Metapher, durch ein spezifisch sprachliches Gestaltungmittel des Textes selbst als die ›Auffrischung‹ konventioneller Bedeutungsgebung verlangt wird.
In Angelika Corbineau-Hoffmanns literaturwissenschaftlicher Propädeutik Kontextualität. Einführung in eine literaturwissenschaftliche Basiskategorie (2013) erscheint dagegen die »Reduktion von Kontexten« vor allem als Merkmal einer nicht-literarischen Kommunikation pragmatisch gebundenen, eindeutigen Sprechens.9 Im Umkehrschluss zeigt sich der literarische Text als ein maximal kontextreicher Text.10 In der Bestimmung dessen, was ein für die Interpretation relevanter Kontext ist, setzt dagegen auch Corbineau-Hoffmann auf die Selbstevidenz des literarischen Textes. »Kontextmarkierungen« (contextualization cues) – die Begrifflichkeit ist bezeichnenderweise der pragmatischen Soziolinguistik, also einer vor allem mit nicht-literarischer Kommunikation befassten Disziplin, entlehnt –, im literarischen Text sollen »›sagen‹ […], an welcher Stelle sich ein Kontext dem Text anschließen soll, und signalisieren […], um welche Art von Kontext es sich dabei handeln müsste.«11 Auch der literarische Text enthielte demnach die Pragmatik seiner Deutung letztlich in sich.
Evidenzbasiert operiert mit Hinblick auf den Kontext schließlich auch Moritz Baßlers als »literaturwissenschaftliche Text-Kontext-Theorie« ausgewiesene methodologische Studie Die kulturpoetische Funktion und das Archiv (2005). In diesem ersten umfassenden Versuch, die Anregungen des New Historicism in die deutsche literaturwissenschaftliche Praxis zu vermitteln, steht zunächst die Aufforderung im Mittelpunkt, das unendliche textuelle ›Archiv‹ der Kultur als möglichen und damit unendlichen Kontext eines literarischen Textes zu nutzen. Gleichwohl beharrt Baßler ausdrücklich – »auf diese Prämisse wird man schwerlich verzichten wollen« – auf dem »gute[n] Kontext«, der auch »immer ein wahrer sein« müsse.12 ›Wahr‹ ist ein Kontext dann, wenn er ›interessant‹ ist und das individuelle Interesse des Forschenden mit dem Versprechen verbindet, »Zugang zu umfassenderen kulturellen Mustern« zu stiften,13 »auf knapper Auswahl und erhellenden Konstellationen beruht«14 und schließlich eben darin Evidenz und Erkenntnis erzeugt.15 Damit ist immerhin als Erwartung an eine überzeugende Kontextbildung formuliert, was ansonsten in der vermeintlichen Evidenz des Textes verborgen bleibt. Den ›guten Kontext‹ zu finden (und den schlechten zu verwerfen), ist demnach eine ›Kunst‹, die man – wie seit der antiken Rhetorik üblich – durch das Schulen an guten Vorbildern einübt.16
Letzteres kann schließlich zur praxeologischen Perspektive überleiten, in der Ralf Klausnitzer im eingangs genannten Themenheft Context des Journal of Literary Theorie das Problem der Selektion von Kontexten in historischer und systematischer Perspektive rekonstruiert.17 »Angesichts der per se unlimitierten Möglichkeiten zur Herstellung von Text-Kontext-Relationen« plädiert Klausnitzer für Selektionsregeln, »die den konkreten Text in seinen generischen Manifestation [sic] und in seinen Entstehungsbedingungen als konditionierende Größe für die Bildung von Kontexten auszeichnen«,18 um zu »produktive[n] und plausible[n] Verknüpfungen von Texten und Kontext(element)en« zu gelangen. Auf den Aspekt der ›Konditionierung‹ von Texten durch ihre »Entstehungsbedingungen« soll im folgenden Abschnitt noch eigens eingegangen werden (siehe 3.), als Selektionsr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Open-Access-Transformation in der Literaturwissenschaft
  5. Nach der Kulturgeschichte Einleitende Perspektiven
  6. I Grundlegung
  7. II Fallstudien 12. Jahrhundert
  8. 13. Jahrhundert
  9. 14. Jahrhundert
  10. 15. Jahrhundert
  11. 16. Jahrhundert
  12. 17. Jahrhundert
  13. 18. Jahrhundert
  14. 19. Jahrhundert
  15. 20. Jahrhundert
  16. 21. Jahrhundert
  17. Personenregister
  18. Werkregister