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Warum Kinder getötet werden
Eine kleine Kulturgeschichte des Kindsmords
- 21 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
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Über dieses Buch
Mit der Figur des Gretchen hat Johann Wolfgang Goethe im "Faust" nicht nur einfach ein Mädchen, sondern eine Kindsmörderin unsterblich gemacht. Und orientierte sich dabei an einem realen Beispiel, derer in den Stadtarchiven des 18. und 19. Jahrhunderts etliche nachzulesen sind. Die Kulturwissenschaftlerin Marita Metz-Becker wagt in Kursbuch 201 einen tiefen Einblick in die ärmlichen Lebensumstände, die elenden Bedingungen, unter denen Frauen damals Kinder zur Welt brachten, ihre bedauernswerte Stellung und die Ambivalenz ihrer Entscheidungen.
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Information
Marita Metz-Becker
Warum Kinder getötet werden
Eine kleine Kulturgeschichte des Kindsmords
Warum Kinder getötet werden
Eine kleine Kulturgeschichte des Kindsmords
Als die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt am 14. Januar 1772 in Frankfurt am Main öffentlich enthauptet wurde, war die Stadt schon seit Monaten in heller Aufruhr. Eine in einem Wirtshaus beschäftigte Dienstmagd war von einem unbekannten holländischen Kaufmann zur Zeit der Messe verführt und geschwängert worden und hatte ihr Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt getötet. Der Prozess zog sich über Monate hin und hielt die Bürgerschaft in Atem, allen voran den jungen Juristen Johann Wolfgang Goethe, den das Schicksal der »Brandtin« so berührte, dass er sie in seinem Faust I in der Figur des »Gretchens« unsterblich machte.
Auch bei anderen Dichtern, nicht nur der Sturm-und-Drang-Zeit, findet sich das Kindsmordmotiv, wie etwa in Friedrich Schillers Gedicht Die Kindsmörderin von 1782, in Heinrich Leopold Wagners Trauerspiel Die Kindermörderin aus dem Jahr 1776 oder Gottfried August Bürgers Ballade Des Pfarrers Tochter von Taubenhain von 1781.
Die augenfällige Häufung der Kindsmordthematik gegen Ende des 18. Jahrhunderts, nicht nur in der Kriminalstatistik, sondern auch in Kunst, Kultur und Wissenschaft, beschäftigte weite Teile der Bevölkerung und rief die Aufklärer auf den Plan, die einen Diskurs entfachten, in dem Präventionsmaßnahmen erörtert und eine differenzierte Beurteilung der Motive, die zur Tat führten, gefordert wurde. Die Todesstrafe sollte abgeschafft werden und die Carolina – ein Gesetzeswerk Kaiser Karls V., das noch Säcken, Pfählen und lebendiges Begraben für Kindsmörderinnen vorsah – nicht mehr länger gelten.
Wie hoch die Kindsmordrate in früheren Jahrhunderten tatsächlich war, lässt sich schwer beurteilen, denn »neben der schwierigen Quellenlage«, so der Kulturhistoriker Richard van Dülmen, liegt das Problem vor allem darin, »dass sich ganz allgemein das öffentliche Verbrechen als Vorstellung und Kriterium zur rechtlichen Beurteilung und Abstrafung überhaupt erst in der Frühen Neuzeit, genauer vom 15. bis 17. Jahrhundert, herausbildete, dass also ein Phänomen wie die Kindstötung durchaus realiter existieren konnte, bevor es begrifflich erfasst und registriert wurde«.1
Die öffentliche Diskussion um das Delikt erreichte jedenfalls in der Zeit der Aufklärung ihren Höhepunkt, als der Mannheimer Regierungsrat Ferdinand Adrian von Lamezan (1741–1817) 1780 die mit 100 Dukaten prämierte Mannheimer Preisfrage ausschrieb: »Welches sind die besten ausführbarsten Mittel, dem Kindermorde Einhalt zu thun?« 2 Etwa 400 Schriften aus unterschiedlichen Disziplinen wurden eingereicht, wobei auch Vorschläge von namhaften Autoren eingingen, wie etwa dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) oder dem Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis (1717–1791). Der nun einsetzende Diskurs bewirkte in der Folgezeit sowohl die Abschaffung der staatlichen Fornikationsstrafen (Geldstrafen für unehelichen Beischlaf) als auch die Aufhebung der Todesstrafe bei Kindsmord. Ferner wurden Schandstrafen, wie die öffentliche Kirchenbuße, der Hurenkarren, Strohkranz oder Pranger für unehelich Schwangere, abgeschafft und auch die Folter zur Erpressung von Geständnissen verboten. Vielmehr setzte man auf Vorbeugung und war bedacht, Kindsmord zu verhüten, etwa durch den Ausbau von Findelhäusern und die Errichtung sogenannter Accouchieranstalten. Hierbei handelte es sich um öffentliche Gebärhäuser, für die man in Anlehnung an ihre französischen Vorläuferinstitute die fremdsprachige Benennung zunächst beibehielt.
Im Accouchierhaus sollte die Möglichkeit der anonymen Geburt Kindstötungen verhindern,3 das Findelhaus den Ausweg eröffnen, ein nicht gewolltes Neugeborenes dem Staat anzuvertrauen und es unerkannt in einer am Findelhaus angebrachten Drehlade abzulegen.4 Die Einrichtungen wollten sowohl die potenzielle Kindsmörderin vor Schande schützen als auch einen Zufluchtsort für in materielle Not geratene ledige Mütter darstellen. Darüber hinaus dienten sie aber auch der Lehre und Forschung, denn hier sollten die Grundsteine zu einer – ganz im Sinne der Aufklärung – wissenschaftlichen Geburtshilfe gelegt werden, die man in den Händen ausgebildeter Mediziner besser aufgehoben glaubte als bei den in der Hausgeburtshilfe tätigen Hebammen. All diese Maßnahmen wurden in zahlreichen Verordnungen festgehalten, wie sie beispielsweise in den »Vorschriften zur Verhütung des Kindermordes« zu finden sind.5
Bei näherem Hinsehen entpuppen sich diese in präventiver Absicht erlassenen Gesetze und Vorschriften jedoch auch als Überwachungs- und Disziplinierungsmaßnahmen für Mütter außerhalb einer Ehe. Einer ledigen Schwangeren, der kein Mann zur Seite sta...
Inhaltsverzeichnis
- Marita Metz-Becker | Warum Kinder getötet werden. Eine kleine Kulturgeschichte des Kindsmords
- Die Autorin
- Impressum