Mythen, Macht + Menschen durchschaut!
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Mythen, Macht + Menschen durchschaut!

Gegen Populismus und andere Eseleien; Kommentare 2013-1984

  1. 367 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Mythen, Macht + Menschen durchschaut!

Gegen Populismus und andere Eseleien; Kommentare 2013-1984

Über dieses Buch

Wie ist unsere Zeit des globalen Wandels zu verstehen? Warum lassen sich Mythen instrumentalisieren? Wann durchschauen wir die medial inszenierten Auftritte jener Menschen, die Macht haben? Warum zählen wir friends?Einsteins Rat: Wir können die Probleme nicht mit demselben Denken lösen, mit dem wir sie geschaffen haben. Deshalb: Trennen wir Wesentliches von Belanglosem! Engagieren wir uns! Empören wir uns!Damit schaffen wir persönliche Zuversicht. Statt Burnout erleben wir ein inneres Feuer. Die Moderne meistern zu wollen, erfordert Freiheit und Zeit - beides ist hierzulande gratis zu haben.Verstehen heißt durchschauen!

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100 × Internetkolumne durchschaut!
www.glaskugel-gesellschaft.ch (2013 – 2009)
www.journal21.ch (2013 – 2012)
Fokus
Schreiben ist meine Passion. Das Internet ist da eine exzellente Plattform, um – als Ergänzung zu den Printmedien und abseits des Mainstreams – Gedanken zu entwickeln, vornehmlich zur Lage der Nation, doch nicht nur. Die Leserschaft wuchs über die Jahre kontinuierlich und belieferte mich mit spannenden Rückmeldungen. Ab 2012 übernahm zudem die führende Internetzeitung der Schweiz, das »Journal 21«, viele meiner Kolumnen. So sind im Laufe der Jahre 100 Beiträge entstanden, von denen aus Platzgründen hier nicht alle aufgeführt sind.
Um die Lesbarkeit zu verbessern, sind alle Fußnoten der ursprünglichen Kolumnen weggelassen. Wer sich im Einzelnen für Präzisierungen interessiert, findet diese auf meiner Homepage www.glaskugel-gesellschaft.ch (unter der Rubrik durchschaut!).
23. Oktober 2013
Nr. 100
Mythen, Macht + Menschen durchschaut!
Unsere Lebensreise in die Zukunft ist spannend und überraschend. Ein lohnendes, gemeinsames Ziel: unsere Mitmenschen besser verstehen zu wollen.
Durchschaut! Es ist von entscheidender Bedeutung, diesen Begriff zwischen Leserschaft und Autor auf eine einheitliche Basis zu stellen: durchschaut! ist vergleichbar mit dem Aha-Erlebnis einer überraschenden Erkenntnis. Einen Menschen zu durchschauen heißt, dessen wahre Gestalt, getarnte Motivationen oder vertuschte Zielsetzungen durch den äußeren Schein hindurch aufzudecken. Dieser Mensch mag sich der Mythen bedienen, um seine Machtbasis zu stärken. Somit sind zwei weitere Erklärungen angebracht.
Mythen sind vergangenheitsgerichtete Geschichten oder Legenden. Jedes Land kennt seine eigenen Mythen. Wilhelm Tell, Rütlischwur, »Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern« – alle Schweizerinnen und Schweizer wissen sofort, was gemeint ist. Ohne Tell gäbe es keine Armbrust als Schweizer Marke. Ohne Rütli keine AUNS. Der Mythos ist eine Erzählung, mit der Menschen und Kulturen ihr Welt- und Selbstbildnis zum Ausdruck bringen. Allerdings verfälschen Mythen die Wahrnehmung der Realität. Mythos und Wirklichkeit haben wenig miteinander zu tun. Jene, die Mythen instrumentalisieren, sind in der Regel begnadete Geschichten- und Märchenerzähler.
Macht wird gemeinhin definiert als »Befugnis, über Menschen und Verhältnisse zu bestimmen, Herrschaft auszuüben«. Schon das Wort Herrschaft weist diskret darauf hin, dass Machtausübung eine eher männliche Domäne darstellt. Personen, die Macht suchen und haben, sind – dank staatlicher Machtbefugnis oder großer privater, finanzieller Machtbasis – in der Lage, das Handeln von anderen zu steuern oder zumindest zu beeinflussen. Nachdem nun der gemeinsame Startort der Reise mithilfe dieser Klarstellungen bestimmt ist, bleibt das einheitliche Ziel festzulegen: Menschen verstehen wollen.
Vor 2500 Jahren erwachte der abendländische Mensch im antiken Griechenland zu einem neuartigen Denken und verabschiedete sich von der Götterwelt seiner Vorfahren. Seither haben sich die philosophischen Deutungsversuche unserer Welt und ihrer Bevölkerung wie Perlen auf der Kette zu einem wertvollen Schatz aneinandergereiht. Mit jener griechischen Wissensexplosion aus archaisch/mythisch geprägter Vorstellung begann sich das Streben nach Vernunft unaufhaltsam zu erweitern. Parallel dazu verfeinerte sich das menschliche Wissen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft formten und schliffen sich über die Jahrhunderte des mentalen Zeitraums. Geist, Vernunft und Verstand führten zu bemerkenswerten Entdeckungen. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, auf der Schwelle zum integralen Weltverständnis, erschüttern die Verwerfungen eines neuen Denkens einmal mehr die Menschheit. Doch wie steht es um dieses Wissen?
Wer auch wissenschaftliche Befunde als Leitplanken seines Denkprozesses akzeptiert, stellt fest, dass seit Anbruch des sogenannt integralen Zeitverständnisses bahnbrechende, neue Erkenntnisse jene wertvollen Arbeiten früherer Suchenden ergänzt und zum Teil neu formuliert haben. Mit integral ist hier übrigens ganzheitlich, auch Fokussierung auf das Ganze, gemeint. Gebieterisch drängen heute die äußerlichen Zeichen des Wandels – Globalisierung und Internet / Cloud Computing / Big Data, also die neue Erfahrung in Raum und Zeit – an die Oberfläche.
Die erste Wegmarke postierte Albert Einstein mit seinen Relativitätstheorien. Zweifellos kann sein Lebenswerk als Modell einer von der Ganzheit geprägten Weltsicht verstanden werden. Als Mathematiker und Physiker involvierte er sich in die Politik, die Wirtschaft und las seinen Mitmenschen gern und schalkhaft die Leviten.
Seither mehren sich die Anzeichen eines epochalen Neubeginns. Hier eine kleine, subjektive Auswahl aus der wissenschaftlichen Forschung:
– Der Zusammenhang zwischen Verstand und Gefühl, seit Descartes dualistisch definiert, wird neu interpretiert. Emotionen konditionieren die Ratio. Medizin und Neurowissenschaften sind sich (fast) einig.
– Die Hinterfragung des wissenschaftlichen Bildes des Menschen als rationales Wesen hat zu einer fundamentalen Neuformulierung in der Wirtschaft geführt. Deren Nutzentheorie, die auf der Annahme des rationalen Verhaltens der Teilnehmer fundiert, ist in sich zusammengebrochen. Diese Entdeckung wurde mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.
– Die Erkenntnis, dass unbewusste Gedanken unser Alltagsleben steuern, mag nicht so ganz revolutionär sein. Der Ausgangspunkt des Rationalismus, der Denken als bewussten Vorgang implizierte, ist jedoch widerlegt. Das jedenfalls meint die kognitive Wissenschaft. Denken geschieht größtenteils unbewusst. »Ich denke, also bin ich«, wirklich?
– Darwins Theorien, »Kampf ums Überleben« oder »Krieg der Natur«, werden für den Menschen aus Sicht der Medizin, Molekular- und Neurobiologie erweitert: Die menschlichen Gene sind nicht egoistisch, sondern funktionieren als Kooperatoren. Der Mensch ist ein auf Resonanz und Kooperation angelegtes Wesen.
– Aus der Physik kommen neue Töne. Das Zeitalter der Emergenz, der Selbstorganisation der Natur, ersetzt den Mythos von der absoluten Macht der Mathematik. Es ist gleichzeitig das Ende des Reduktionismus und der falschen Ideologie der menschlichen Herrschaft über alle Dinge.
Anfang 2013 erreichte uns die Nachricht, dass die ETH Lausanne von der EU den Zuschlag für das Milliardenprojekt zur Simulation des Gehirns erhalten hat. Der Kopf hinter diesem gigantischen Vorhaben ist Henry Markram. Sein Ansatz ist neu. »Solange wir nicht verstehen, wie die vielen Einzelteile zusammenpassen, mühen wir uns vielleicht an den falschen Orten ab.«
»Solange wir nicht verstehen.« Diese beiläufige Bemerkung des Hirnforschers ist entscheidend. Weil im Gehirn alles mit allem zusammenhängt, weil »alles so unglaublich verwoben ist, dass jede Tat, jede Aktion, die jemand tut, einen immens tiefen Eindruck auf die Gesamtheit der Dinge hinterlässt«, deshalb kommt der Mediziner und Physiologe zur Einsicht, dass mit dem Human Brain Project entscheidend neues Wissen geschaffen werden könnte.
Der »Reisende durch den Kosmos des menschlichen Gehirns«, wie Markram auch genannt wird, präsentiert mit seinem neuen Denken eine moderne Analogie des Weltverständnisses. Im 21. Jahrhundert malt er mit seinem simulierten Bild des Gehirns eine Parallele zum neuen Weltbild: Nur wenn der Mensch die Gesamtheit seiner Aktivitäten in Betracht zieht, handelt er zeitgemäß.
Verstehen heißt nicht, einverstanden zu sein. Doch verstehen zu wollen, warum Mitmenschen gelegentlich für uns völlig unmögliche, ja unglaubliche Thesen vertreten – das ist spannend und gleichzeitig neues Denken. Heute brechen wir auf unserer persönlichen (Zeit-)Reise ganz selbstverständlich in Jets auf und programmieren nach Ankunft das GPS, um ohne Irrfahrten ans Ziel zu gelangen. Warum also nicht auch andere, weniger geläufige Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts akzeptieren? Hier zwei Beispiele.
Kooperation statt Krieg. Einige der oben zitierten, überraschenden Befunde lassen es ratsam erscheinen, Andersdenkende nicht instinktiv und stur zu bekämpfen, um zu »siegen«. Kampf und Sieg sind Techniken aus jener Zeit, als versucht wurde, Macht in blutigen Kämpfen und Kriegen zu erringen. Überreste dieser Denkart treffen wir noch immer bei jenen politischen und wirtschaftlichen »Leadern«, die rückwärtsblickend im Alten verhaftet sind und ihre Gegner bekämpfen. Heute treten Menschen innerhalb von Kooperationen weltweit an, um gemeinsam Resultate zu erreichen. Die EU, die NATO, die UNO – alles sind letztlich Bündnisse, um Kriege zu vermeiden.
Öffentliches Teamwork statt geheimen Einzelkampfs. Wurde in Wirtschaft und Wissenschaft früher hinter verschlossenen Türen geforscht und anschließend Entdecktes patentiert, sieht die Taktik der Erfolgreichsten heute oft anders aus: Probleme werden definiert und per Internet (Cloud Computing und Big Data) in die Welt hinaus geschickt; Interessierte nehmen die Herausforderung an und schicken ihre Lösungsvorschläge zurück an den Absender. Aus geheim wird öffentlich, statt jahrelang zu suchen, werden – dank Real Time und Teamwork oft in kurzer Zeit – die neuen Erfindungen abgeholt, überall auf der Welt. Global Village.
Die Mythen verblassen. Obwohl heute Klarheit besteht, dass die alten Mythen in die Kategorie der Märchen einzureihen sind, bedienen sich populäre Märchenonkel unbeirrbar ihrer Faszination. Außer den Ewiggestrigen lassen sich aufgeklärte Menschen nicht länger verführen. Besonders die Jugend hat längst spannendere mediale Orientierungsquellen. Freiheit und Sicherheit zu versprechen, also etwas, was nie garantiert werden kann – diese einst erfolgreiche Mythenpflege vergilbt täglich mehr.
Doch auch neue Mythen haben ihr Ablaufdatum überschritten. »Der Mensch, das rationale Wesen.« »Die Märkte, immer im Gleichgewicht.« »Ich denke, also bin ich.« »Krieg, der Vater aller Dinge.« »Glaube macht selig.« »Der Mensch, Beherrscher der Welt.«
Die Macht zerfällt. Nach den Kirchenfürsten und Generälen erfahren dies Staatschefs, Diktatoren und politische Parteien. Wie sagte es Jean Gebser: »Wer den Machtanspruch zurückstellt, entgeht der Ohnmacht.« Noch klammern sich Großbanken an ihre überholten, medial wirksam formulierten Grundsätze. »Größe = Macht.« Doch diese Gleichung stimmt nicht mehr. Die mächtige UBS in der kleinen Schweiz wurde 2008 mit einem Milliardenpaket vom Staat, respektive dem Steuerzahler, vor dem Untergang gerettet. Too big to fail – hilfloses Resultat falschen Machtgehabens.
Auch die Rolle der etablierten politischen Parteien schrumpft generell und weltweit in Demokratien. Die unflexibel und oft zu dualistisch ausgerichteten Großstrukturen des Gegeneinanders werden durch dynamisch vernetzte Denkstrategien des Miteinanders abgelöst.
Wenn Mythen verblassen und Macht zerfällt, verlieren Menschen, Projekte, Strategien, die auf Mythen oder Machterhalt beruhen, ihr Erfolgspotenzial. Vor den Augen involvierter Menschen zerrinnt – wie in der Sanduhr – die Substanz; übrig bleibt das leere, durchsichtige Glasröhrchen. Wie gewonnen, so zerronnen!
Weiter oben wurde die These vertreten, wonach Menschen, die sich der Mythen bedienen, um ihre Macht auszuspielen, die wahren Beweggründe verschleiern. Spätestens jetzt spielt es keine Rolle mehr, ob sie nur missionarisch getrieben sind oder ob sich hinter der Fassade der gut getarnte Versuch versteckt, überholte Privilegien zu retten. Still und leise ist auch das durchschaut!
Wer das zu verstehen versucht, ist gut unterwegs auf seiner Lebensreise in die Zukunft.
13. Oktober 2013
Nr. 99
Agora statt Arena: Platz für ganzheitliches Denken!
Kontroverse Meinungen können sich im interessanten Dialog widerspiegeln oder im sinnlosen Disput enden. Ob Lösungen angestrebt werden oder nur der Sieg über den Gegner gesucht wird, zeigt sich in unterschiedlichen Denkmustern involvierter Menschen.
Regelmäßig am Freitagabend um 22.20 Uhr wird die friedliche Wochenendstimmung in Schweizer Familien abrupt unterbrochen. Die »Arena« – die innenpolitische Diskussionsplattform auf SRF 1 – geht auf Sendung und (wo so gewollt) Empfang. Vorbei ist es mit der entspannten Atmosphäre. Jetzt ist Kampf angesagt. Politische Vorzeigenummern und gewichtige Spitzenvertreter von Verbänden, selbsternannte Experten und medienpräsente Opinion Leaders betreten den Ring.
Das Wort »Arena« ist entlehnt aus dem lateinischen »[h]arena« und bedeutet so viel wie »Sand, Sandbahn; Kampfplatz im Amphitheater«. Arena verspricht Kampf. Der Gegner muss besiegt werden, diese Devise ist uralt. Sie basiert noch auf einem Menschenbild aus vorchristlicher Zeit, das auch durch die neurobiologische Forschung mittlerweile widerlegt ist. Die eigene Meinung als einzige »Wahrheit« zu verteidigen, ist letztlich zum Scheitern verurteilt. Diese Konstrukte sind eben … auf Sand gebaut.
Agora – Marktplatz der alten Griechen – und Schauplatz dialogischer Kultur hat hingegen keinen festen Sendeplatz mehr in unserer medial getriebenen Zeit. Obwohl dieses Gefäß vielleicht erfolgversprechender wäre. Die Agora diente einst als Plattform der Demokratie in ihren Anfängen. Einzelne Historiker haben sie als Ausdruck kollektiver Intelligenz beschrieben. Dieser Kultplatz war eine gesellschaftliche Institution und ihm kam eine herausragende Rolle für das geordnete Zusammenleben einer Gemeinschaft zu.
Die Fragmentierung unseres modernen Denkens, die Spezialisierung auf Teilbereiche, die Überbetonung eines kleinen Sektors des Ganzen, ist unsere Zivilisationskrankheit. Die telegene Mode, sich gegenseitig willkürlich erkorene Bruchstücke seines privaten Weltbilds an den Kopf zu werfen, ist Ausdruck des Verlusts des dialogischen, ganzheitlichen Denkens. Die Diskussionen zwischen »Experten«, denen das Zuhören längst abhandengekommen ist, sind Zeichen eines schleichenden Kulturverlusts: Der gegenseitige Respekt, das ehrliche Vertrauen, das geduldige Zuhören wie das Gehörtwerden, sie alle machten einst – gepaart mit Offenheit und Neugier – den erfolgreichen Dialog aus.
Wo das Vertrauen zum Gesprächsgegenüber fehlt, auch die Gewissheit, von ihm nicht persönlich verletzt zu werden, da endet die Show in einen offenen Disput. Angriff und Verteidigung – die Kriegsmetapher par excellence – münden in Sieg und Niederlage.
Das Produkt der Arena war und ist der kurzfristige Sieg über den Gegner. Das Produkt der Agora war die langfristige Lösungsfindung zusammen mit Andersdenkenden. Warum klaffen heute weltweit die Vorstellungen und Hoffnungen der Zivilgesellschaften und die tatsächlichen Resultate der Politik immer mehr auseinander? Könnte es sein, dass Politiker ihren Feind in erster Linie besiegen wollen, um an der Macht zu bleiben? Während die Gesellschaft darauf wartet, dass Lösungen für ihre Alltagsprobleme austariert werden? Manchmal scheint es, die Ziele der Politik und jene der Gesellschaft wären nicht mehr kompatibel.
Obige Feststellung führt zu einer interessanten Entdeckung. Das Fernsehprodukt »Arena« ist noch weitgehend im alten Denken verhaftet. Mit veralteten Vorstellungen die neuen Kräfte des 21. Jahrhunderts bändigen zu wollen, ist letztlich eine der Ursachen vieler heutiger gesellschaftlicher Schwierigkeiten. Dieser Ansicht sind keineswegs nur Philosophen. So plädiert der bekannte Physiker Hans-Peter Dürr (»Warum es ums Ganze geht«) für neues Denken...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Widmung
  4. Urheberrecht
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 100 × Internetkolumne durchschaut!
  8. Meine Bücher
  9. Zürichsee-Zeitungen
  10. 50× Kilchberger Gemeindeblatt
  11. Schweizerische Handelszeitung
  12. Nachwort
  13. Index (Auswahl)