TALENTE Vorarlberg
Heinzpeter Znoj und Gernot Jochum-Müller
Das Projekt
TALENTE-Vorarlberg12 schafft Rahmen und Möglichkeiten für fairen Tausch von Waren und Dienstleistungen. Dazu wird das Talent verwendet, ein Zahlungsmittel ohne Zinsdruck, Inflation, Schuldenkrise und Spekulation. Ziel des Vereins ist eine sozial und ökologisch vertretbare Wirtschaft. Regionale Kreisläufe zwischen Privatpersonen, Organisationen und Unternehmen werden gefördert. Die Mitglieder entfalten ihre Talente und begegnen sich mit Respekt.
1996 ist TALENTE-Vorarlberg als klassischer Tauschverein gestartet. Für eine Stunde Leistung werden 100 Talente verrechnet. Daraus ergeben sich Kreisläufe. Viele Menschen leben ihre Talente heute mehr, als sie dies ohne den Verein tun könnten. Im Vergleich mit anderen Tauschsystemen fällt der Verein durch die Anzahl der Mitglieder und die jährlich getätigten Umsätze auf. An jedem Arbeitstag werden etwa 50 Tauschgeschäfte verbucht. Hinzu kommen viele Austauschhandlungen, die aufgrund des Vertrauens auf einen späteren Austausch nicht verbucht werden. Der Verein versucht die Bedürfnisse seiner Mitglieder ernst zu nehmen, indem er seine Aktivitäten den Mitgliederbedürfnissen entlang entwickelt. So wurden auch kleine Unternehmen eingebunden, als diese Interesse gezeigt haben und die Mitglieder bei ihnen einkaufen wollten. Organisiert werden Aktivitäten wie Treffen, Onlinebanking, monatliche Zeitung, zwei grosse Märkte im Jahr etc. von einem Team mit über 25 engagierten Personen. TALENTE sind das Geld des Vereins. Es wird dezentral, demokratisch und frei von Zinsen geschöpft. Alle können so viele Talente schöpfen, wie sie brauchen.
(Gernot Jochum-Müller)
Das Gespräch
Dornbirn, 19. Februar 2014
Heinzpeter Znoj und Gernot Jochum-Müller unterhalten sich über verschiedene Komplementär-Währungssysteme. Sie beleuchten zu Beginn die eurogedeckten Systeme und zeigen den Unterschied zu einem zeitbasierten System wie die TALENTE auf.
Eurogedeckte und zeitbasierte Währungen
Heinzpeter Znoj (HZ): Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den Talenten und den eurogedeckten Systemen? Nicht nur die eurogedeckten Lokalwährungen, sondern auch die Talente sind ja durch einen Umrechnungskurs von 1 Stunde Arbeit = 100 Talente = 10 Euro an den Euro gebunden.
Gernot Jochum-Müller (GJ): Talente entstehen durch den Tausch von Leistungen. Man kann sie nicht gegen Euro kaufen. Wenn zwei Personen ein Talente-System beginnen, indem sie eine Stunde tauschen, dann ist der eine 100 Talente im Minus und der andere 100 Talente im Plus. Das ist, wenn man so will, ein dezentraler Geldschöpfungs-Akt. In diesem System werden Leistungen immer nach der Faustregel «100 Talente sind eine Stunde» getauscht.
Im Unterschied dazu kauft man in eurogedeckten Systemen die Lokalwährung mit Euros. Diese eurogedeckten Lokalwährungen haben die Aufgabe, den Euro für bestimmte Aufgaben und Ziele zu binden. In Langenegg beispielsweise war das ursprüngliche Ziel der Lokalwährung die Finanzierung des Dorfladens. Eurogedeckte Systeme taugen gut dazu, eine Kaufkraftbindung für bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn man so will bekommt der Euro eine Masche bzw. eine Kennzeichnung.
Talente entstehen demgegenüber ohne Beteiligung von Euros. In einem Talente-System können auch Personen mitmachen, die zu wenig Euros haben, um sie in eine eurogedeckte Lokalwährung zu investieren, die aber Zeit haben und Leistungen einbringen können. So kommen sie zu Talenten.
Ein weiterer grosser Unterschied besteht darin, dass eurogedeckte Systeme immer nur in dem Ausmass genutzt werden können, wie Euros zu ihrer Deckung vorhanden sind, während Talente aus einer regionalen Geldschöpfung entstehen und weitgehend an die Region ihres Ursprungs gebunden sind.
HZ: Aber auch die eurogedeckten Systeme versuchen ja, die Kaufkraft in der Region zu halten: Die VTaler, Klostertaler oder die Langenegger Talente tragen den Lokalbezug in ihrem Namen. Verwirrenderweise heisst die eurogedeckte Währung in Langenegg auch noch «Talente» …
GJ: Das erzeugt tatsächlich leichte Verwirrung.
HZ: Also, man kauft mit Euros eine dieser lokalen Talerwährungen und kann damit nur in der entsprechenden Region bezahlen. Die Taler sind ein Versuch, die Euros in der Region zu halten, indem man sie unter den Leuten, die sich dazu verpflichtet haben, sie anzunehmen, in lokalisierter Form zirkulieren lässt.
GJ: Genau.
HZ: Man wird also mit dem Erwerb lokaler Taler Mitglied einer Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gegenseitig verpflichtet haben, diese Währung wie Euros in Zahlung zu nehmen.
GJ: Es gibt zwei unterschiedliche Mitgliedschaften in solchen Systemen. Die einen Mitglieder verpflichten sich, monatlich für eine gewisse Summe Euros Lokalwährung zu kaufen. Die anderen, etwa Unternehmen und Vereine, verpflichten sich, die Lokalwährung an Zahlung zu nehmen.
HZ: Aber nicht jeder Langenegger oder Klostertaler wird die dortige Lokalwährung auch benützen. Es gibt keine Zwangsmitgliedschaft wie beim gesetzlichen Zahlungsmittel Euro.
GJ: Ja, die Mitgliedschaft bei diesen Lokalwährungs-Systemen ist vollkommen freiwillig. Jeder der Teilnehmer unterschreibt eine Vereinbarung, dass er auf freiwilliger Basis mitmacht. In beiden Systemen, bei den Talenten wie auch bei den eurogedeckten Lokalwährungen, gibt es keinerlei Zwang mitzumachen.
HZ: Aber sobald man sich zu einer Lokalwährung verpflichtet hat, muss man konsequent mitmachen – also je nach Vereinbarung beispielsweise jeden Monat für eine gewisse Summe Euros Klostertaler kaufen. Es handelt sich um eine starke Verpflichtung für Mitglieder, die diese Verpflichtung aber freiwillig eingegangen sind.
GJ: Ja, genau. Hinzu kommen Mitläufer, die die lokale Währung zwar benützen, aber selber steuern wollen, in welcher Situation sie diese annehmen oder nicht. Sie sind auch nicht bereit, beispielsweise eine jährliche Gebühr an das Währungssystem zu bezahlen. Aber inoffiziell wissen die Benützer der Lokalwährung, dass man in deren Betrieben die Lokalwährungs-Scheine ausgeben kann.
HZ: Das finde ich interessant: Es gibt gewissermassen zwei Stufen der Mitgliedschaft zur Lokalwährung – einen harten Kern, der sich verpflichtet, und Mitläufer, die den VTaler aus verschiedenen Gründen annehmen, beispielsweise weil ein Geschäft in VTalern besser ist als kein Geschäft in Euros.
GJ: Diese losen Mitglieder verzichten aber auf das Recht, die eurogedeckte Lokalwährung wieder in Euro umtauschen zu können. Dieses Recht ist den Mitgliedern vorbehalten. Aber sie wissen meist, wo sie sie ausgeben können – sie kennen das Netzwerk.
HZ: Sie haben nur ein leicht erhöhtes Risiko, das mit der ungedeckten Annahme der Lokalwährung verbunden ist, und sie tragen das Risiko nicht, das mit der Verpflichtung zum periodischen Kauf der Lokalwährung einhergeht.
GJ: Ja.
HZ: Für alle ist jedoch das Vertrauen der Teilnehmer ins System die Voraussetzung, dass es funktioniert.
GJ: Das wichtigste Motiv, das wir letztes Jahr bei der Befragung der Betriebe in Erfahrung gebracht haben, ist das Image, ein regional ausgerichteter Betrieb zu sein. Das zweitwichtigste ist die Idee, neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu binden.
HZ: Kann man sagen, dass die Verwender der Lokalwährung gewissermassen eine lokale wirtschaftliche Solidargemeinschaft sind?
GJ: Ja, genau. Das System lebt von der Verbindlichkeit. Letztes Jahr haben wir das System der VTaler auf eine Jahresgebühr umgestellt. Sie bewegt sich für Betriebe zwischen 100 und 600 Euro und finanziert verschiedene Werbemassnahmen. Die Kunden bezahlen keine Gebühr. Mit der Umstellung haben wir etwa die Hälfte der Betriebe verloren. Der Grund für die Umstellung waren Klagen von Kunden: «Der Betrieb wird von euch beworben, aber wenn man dort steht, sagt der Besitzer: Gib mir lieber Euro.» Mit der Einführung der Jahresgebühr sind jetzt nur noch Betriebe dabei, die von der Idee überzeugt sind, sich einbringen möchten und vom Imagenutzen profitieren wollen.
HZ: Das heisst, die Trittbrettfahrer sind durch die Einführung der Jahresgebühr ein Stück weit vergrämt worden.
GJ: Ja, genau.
HZ: Es entsteht nun eine abgeschlossenere Gemeinschaft, die mit dieser Währung bezahlt, wobei man sich aber darauf verlassen kann, dass diese tatsächlich in Zahlung genommen wird. Gibt es bei diesen Lokalwährungssystemen ein Problem mit der Verbindlichkeit?
GJ: Ja, das ist ein sehr grosser Punkt. Man ist als Systembetreiber verantwortlich dafür, diese Verbindlichkeit einzufordern und herzustellen. In dem Zusammenhang hat mir letztes Jahr eine Studie zur Frage, was Solidarität in einer Gemeinschaft langfristig aufrechterhält, geholfen. Verblüffenderweise waren es Sanktionen gegenüber denen, die sich nicht solidarisch verhalten. Dieser Punkt ist auch bei der Einführung der Jahresgebühr eingetreten. Wir führten zuvor eine Befragung zu verschiedenen Modellen durch, um herauszufinden, was tragfähig ist und was nicht. Wir erhielten von jenen, die jetzt weiter mitmachen, sehr viel Zuspruch für den Vorschlag, jene abzustrafen, die eh nicht ordentlich mitgemacht haben im System. Jene, die das System mittragen, wollt...