Tyrannenbilder
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Tyrannenbilder

Zur Polyvalenz des Erzählens von Tyrannis in Mittelalter und Früher Neuzeit

  1. 536 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Tyrannenbilder

Zur Polyvalenz des Erzählens von Tyrannis in Mittelalter und Früher Neuzeit

Über dieses Buch

Die geschichts- und literaturwissenschaftlichen Beiträge des vorliegenden Bandes gehen von einem spezifischen heuristischen Potential aus, das dem Erzählen von Tyrannis und der genauen Analyse der Tyrannenfigur eignet. In einem interdisziplinären Zugriff beschreiben und analysieren sie die Multifunktionalität und Polyvalenz der Tyrannis, die in einem reziproken Verhältnis zu je spezifischen Ordnungssystemen und diskursiven Rahmungen steht. Polyvalenz zeigt sich dabei weniger im Konzept der Tyrannis selbst, als vielmehr in Bezug auf dessen Deutung. Die präsentierten Fallstudien eruieren das breit angelegte Spektrum der textuellen Verhandlungen und zeigen außerdem die Querverbindungen zwischen Epochen, Gattungen und Diskursen auf. Damit bietet der Band gleichermaßen Anschauungsmaterial für textlich und epochal gebundene Einzelaspekte wie für eine gattungs- und zeitübergreifende Perspektivierung.

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II Tyrannenbilder im politischen Konflikt

Der Tyrann bei Walahfrid Strabo – ein programmatisches Leitmotiv?

Christian Stadelmaier

1 Einleitung

In seinem Gedicht De imagine Tetrici (829) beschreibt Walahfrid Strabo den Ostgotenkönig Theoderich ganz in der kirchlich-gelehrten Tradition als häretischen Tyrannen. Maßgeblich sind dabei die ihm zugeschriebenen Charaktereigenschaften avaritia und superbia. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang der Umstand zentral, dass Theoderich der homöischen Häresie anhängig war.1 Bei einer vergleichenden Betrachtung von Walahfrids hagiographischen Werken fällt auf, dass der Autor auch andernorts das Motiv des Tyrannen mit den genannten Charakteristika verwendet: In seinen Viten der Heiligen Gallus und Otmar aus den 830er-Jahren werden die beiden vom fränkischen König Pippin in Alemannien Mitte des 8. Jahrhunderts eingesetzten Statthalter Warin und Ruthard aufgrund von Angriffen auf das Kloster St. Gallen als tyrannisch handelnde Akteure dargestellt, wobei es auch in diesem Fall die Habgier (avaritia) ist, die als ausschlaggebender Charakterzug die Tyrannei definiert.2 In der Gallusvita tituliert Walahfrid den Konstanzer Bischof Sidonius aufgrund seiner Unterstützung der Missetaten der Grafen ebenfalls als Tyrannen. Auch in diesem Fall ist es die Habgier, die das Tyrannentum determiniert. Dies wird durch eine ihm unterstellte superbia ergänzt.3 Während die thematisierten Aspekte in De imagine Tetrici stark rezipiert und von unterschiedlichen Seiten untersucht worden sind,4 verwundert es, dass die Forschung die genannten Gesichtspunkte in den Heiligenviten in Bezug auf die narrative Motivik und damit verbundene Diskurse ihrer Entstehungszeit bisher kaum systematisch beachtete.5 Außerdem wurden die Viten und das Gedicht immer nur isoliert betrachtet und die intertextuellen Bezüge, die durch das Tyrannenmotiv evident sind, nicht in den Blick genommen. Dies erstaunt aufgrund der Tatsache, dass die Tyrannei und vor allem das Laster der Habgier gerade in der Karolingerzeit diskutiert wurden.6
In Anbetracht dessen stellt sich die zentrale Frage, inwiefern der Tyrann mit den ihm zugewiesenen Eigenschaften ein programmatisches Leitmotiv im Schaffen Walahfrids darstellt und wie dies aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive zu bewerten ist. Grundsätzlich muss deshalb erörtert werden, wer aus welchen Gründen und zu welchem Zweck als Tyrann dargestellt wird. Was intendiert Walahfrid damit? Inwiefern ist der Tyrann mit seinen Eigenschaften ein (narratives) Modell Walahfrids? In welchen Diskursen der Karolingerzeit ist dieses anzusiedeln? Gibt es spezifische historische Hintergründe für Walahfrids Ausführungen? Stellt er Bezüge zu anderen Entwicklungen seiner Zeit her? Im Folgenden werden daher zunächst die einschlägigen Quellenstellen präsentiert, worauf eine Einordnung des Tyrannenmotivs bei Walahfrid vorgenommen wird (Abschnitt 2). Auf dieser Basis wird im Anschluss daran den eben formulierten Detailfragen nachgegangen (Abschnitt 3).

2 Die Quellenstellen und ihre Einordnung

2.1 Die Quellenstellen

In Walahfrids 829 in Dialogform verfasstem Gedicht De imagine Tetrici ist die gängige negative Darstellung des ostgotischen Königs Theoderich zentral. Die kritische Darstellung Theoderichs entwickelt Walahfrid aus der Betrachtung des Reiterstandbildes des Königs in Aachen:7 Bereits eingangs wird Theoderich (Tetricus) als avarus bezeichnet, der viel Besitz anhäufte (V. 30f.). Dann befasst sich Walahfrid in Bezug auf das Reiterstandbild mit Theoderichs Hochmut, indem er ihm unterstellt, dass er selbst den Befehl gegeben habe, die simulacra, also die Reiterstatue, darzubringen (V. 40f.),8 quod saepe superbia dictat (V. 41: »was der Hochmut oft diktiert«). Kurz darauf führt Walahfrid Theoderich dann als Tyrannen ein. Auf die Feststellung [c]ernimus aerias simul adventare columbas, / Terque die exorta, media et vergente venire (V. 46f.: »Wir sehen gleichzeitig, dass himmlische Tauben erscheinen und dass sie dreimal am Tag, am Morgen, am Mittag und abends kommen«), wird erwidert: Nonne vides humiles saevos quasi amare tyrannos / Non ex corde tamen, sed enim pro temporis huius / Pace (V. 49–51: »Siehst du nicht, dass die Demütigen [also die Tauben, C. S.] die schrecklichen Tyrannen gewissermaßen lieben, doch nicht aus dem Herzen, jedoch aber für den Frieden des Augenblicks«). Dann macht Walahfrid die Habsucht des Tyrannen am Beispiel der Statue fest:9 Fulget avaritia exornatis aurea membris (V. 60: »Habsucht blitzt von den golden ausstaffierten Gliedern«). Die Habsucht wird nachfolgend weiter thematisiert und mündet in ein programmatisches Horaz-Zitat:10 Semper avarus eget (V. 68: »Der Habgierige leidet immer Not«). Daraufhin findet wieder die superbia Erwähnung (V. 71). In Gegenüberstellung mit Ludwig dem Frommen entlarvt Walahfrid Theoderich schließlich nochmals als Tyrannen: Tu bonitate places, aliique tyrannide gaudent (V. 98: »Du gefällst durch Güte, andere haben Freude an der Tyrannei«). Dementsprechend stellt Walahfrid Ludwig, so eine gängige Interpretation, als frommen christlichen Herrscher und damit als Gegenpol zu Theoderich dar.11 Ludwig soll also gerühmt werden, was über den konstruierten Gegensatz zu Theoderich erzielt wird.12 Dazu wird letzterer »zur Epiphanie von Lastern oder einer Ausdrucksform des Bösen schlechthin, der sich gegen Adel und Kirche erheben will«.13 MAYKE DE JONG hat vor einiger Zeit die Frage der Herrscherkritik zur Zeit Ludwigs auch unter kritischer Beachtung bisheriger Thesen zum Gedicht relativiert und diesen Punkt sowie das Gedicht in den Kontext der admonitio und den diesbezüglichen Diskurs gerückt.14 Dies wird durch den Umstand unterstützt, dass die avaritia bereits in der Admonitio generalis Karls des Großen in Bezugnahme auf die Bibel als Dienst an den Götzen bezeichnet und damit als von der christlichen correctio abweichend definiert wird (Kap. 65, S. 218, Z. 276–78).15 Gegen Ende des Gedichts konstatiert Walahfrid in De imagine Tetrici ebenfalls in Anlehnung an dieselben Bibelstellen (Eph 5,5 und Kol 3,5)16 im Abschnitt über den Erzkaplan am Hof, Hilduin (S. 376):17 Idola avarus habet (V. 218: »Der Habgierige hat Götzen«). Hilduins Darstellung als Götzendiener und die damit verbundenen Implikationen in Bezug auf die Habsucht mögen damit durchaus an jene Theoderichs erinnern.18 Die Interpretation MICHAEL W. HERRENs geht aufgrund des Abschnitts insgesamt in eine andere Richtung, indem Ludwig der Fromme als falscher Mose gedeutet wird, da er das Reiterstandbild nicht entfernt.19 Nach HERREN hält Hilduin als falscher Aaron der Idolatrie Stand, während Ludwig seinen Hof von dem Übel der Idolatrie in Form der Statue, als goldenes Kalb gedeutet, eben nicht befreien kann.20 Er geht soweit, den Mose im Gedicht als Götzendiener zu deuten.21 Dabei muss jedoch Folgendes im Blick bleiben: Bereits früh im Gedicht wird Theoderich als »zu den ewigen Feuern« (V. 37: Ignibus aeternis) der Hölle verdammter Blasphemiker (Blasphemus dei) eingeführt (V. 36f.). Für die Reiterstatue verwendet Walahfrid, wie erwähnt, den Terminus simulacra. Simulacrum kann unter anderem mi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Tyrannenbilder Eine Einleitung
  5. I Tyrannenfiguren in normativen und narrativen Texten
  6. II Tyrannenbilder im politischen Konflikt
  7. III Begriffsgeschichtliche Ansätze in der Frühen Neuzeit