Danksagung zur 1. Auflage
Viele Einflüsse kommen in diesem Buch zusammen. Es beruht auf einer jahrzehntelangen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Frauen und Männern, die unter einer Essstörung leiden oder litten. Grundlegende Erfahrungen konnten wir von 1988 bis 1999 an der Psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee sammeln. Ganz besonders danken wir dem Team, allen Ärzten, Psychologen, Pflegefachkräften, Ergotherapeuten und Sozialpädagogen der Borderline-Station der Universität zu Lübeck und den dort behandelten Patientinnen und Patienten. Dort haben wir beginnend im Jahr 1999 ein DBT-Behandlungskonzept für Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Essstörung etabliert. Ebenfalls an der Universität zu Lübeck entstand das Konzept des Selfish Brain, das großen Einfluss auf die Gestaltung der Essstörungsbehandlung hat. Namentlich erwähnen möchten wir Professor Fritz Hohagen, den Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Lübeck, der uns vertraut und uns stets bedingungslos gefördert hat, Professor Manfred Fichter, Pionier der verhaltenstherapeutischen Essstörungsbehandlung in Deutschland, Prof. Achim Peters, Leiter der klinischen Forschergruppe »Selfish Brain«, dessen Forschung zu einem neuen Verständnis des Zusammenhangs zwischen Metabolismus und Emotionen geführt hat, Prof. Martin Bohus, der DBT in Deutschland etabliert hat, sowie Prof. Christopher Fairburn, Entwickler der kognitiv-behavioralen Therapie der Essstörung, der unermüdlich an der Fortentwicklung kognitiver Therapien und an der Wissenschaftsbasierung der Essstörungsbehandlung arbeitet. Wir danken der Christina-Barz-Stiftung für die finanzielle Unterstützung bei der Erstellung und Erprobung des Manuals. Wichtige Personen unserer Arbeitsgruppe, die zu dem Buch beigetragen haben, waren Dr. Oliver Korn, Dr. Kristin Heinecke, Johanna Zabell, Dr. Eva Fassbinder, Dr. Niclas Wedemeyer, Dr. Sebastian Rudolf, Dr. Matthias Anlauf, Mirco Penshorn, Stephanie Friedrich, Dr. Alexia Friedrich, Katharina Burde, Nicole Bach, Stephanie Koglin, Sven Krüger sowie Doris Gressing, Silke Berg und das gesamte Pflegeteam. Sie haben mit ihrem Einsatz besonders die Umsetzung und Erprobung des Konzepts im stationären Bereich gefördert. Für kritische Lektüre danken wir Izabella Donczewski. Weiterhin danken wir Herrn Dr. Ruprecht Poensgen für die stets sehr wohlwollende verlegerische Betreuung.
Danksagung zur 2. Auflage
Viele Patientinnen und Patienten haben mit ihren Erfahrungen und Rückmeldungen dazu beigetragen, dieses Buch zu verbessern. Hierfür möchten wir uns herzlich bedanken. Prof. Hohagen möchten wir dafür danken, dass er uns die Möglichkeit gegeben hat, das Konzept auch in den teilstationären und ambulanten Kontext zu transferieren. Bedanken möchten wir uns ganz besonders beim akademischen Team der Station 4 der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck und dem Pflegeteam unter der Leitung von Silke Berg und Iris Wischnewski, die bei der praktischen Umsetzung des Manuals geholfen und es auf eine kontinuierliche Erfahrungsbasis gestellt haben. Wichtige Personen in unserem aktuellen akademischen Team sind Dr. Kristin Heinecke, Christina Beckers, Dr. Till Wagner, Dr. David Brandt, Marie Dettbarn, Laura Heikaus und Nora Dietrich. Sehr hilfreich ist auch das Feedback aus der DBT Community. Viele haben an unseren Workshops teilgenommen und uns an ihren Erfahrungen bei der Benutzung des Manuals teilhaben lassen. Ganz besonders erwähnen möchten wir hier Andreas Schnebel, den Leiter von ANAD in München, der das Konzept im Bereich intensivtherapeutischer Wohngruppen und Beratungsstellen anwendet.
Danksagung zur 3. Auflage
Ein Buch in der 3. Auflage ist etwas ganz Besonderes. Erneut haben viele Patientinnen und Patienten mit ihren Erfahrungen und Rückmeldungen dazu beigetragen, das Manual weiter zu verbessern. Hierfür möchten wir uns herzlich bedanken. Die Wissenschaft ist seit der letzten Auflage weitere Schritte gegangen. Von besonderer Bedeutung für unser Buch ist die »Theory of Constructed Emotions«, die von Lisa Feldman Barrett entwickelt wurde und von der wir annehmen, dass sie die Art, wie Emotionsregulation in der Psychotherapie vermittelt wird, deutlich beeinflussen wird. Bedanken möchten wir uns erneut bei den akademischen Teams und den Pflegeteams der Station 4 und der Tagesklinik der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universität zu Lübeck, die bei der praktischen Umsetzung des Manuals geholfen und es auf eine kontinuierliche Erfahrungsbasis gestellt haben. Wichtige Personen aus den aktuellen Teams, die neu erwähnt werden sollten, sind PD Dr. med. Jan Philipp Klein, Alisa Roller, Peter Westermair, Susanne Havemann, Wojciech Bahr, Andreas Fahs, Daniela Tegtmeyer, Christian Weißgerber, Annett Ahrens-Hahn, Simone Eifrig, Telse Ehlers-Belhadj, Andreas Antonia Rickmann, Ronja Hermanns, Bettina Besser, Svenja Orlowski, Svenja Haeger, Moritz von Iljin, Kristina Borchfeld und Miriam Trautmann.
Vorwort
Bereits seit der Antike ist bekannt, dass psychische Störungen und Auffälligkeiten des Essverhaltens eng zusammenhängen, beispielsweise Appetitlosigkeit und beeinträchtigte Stimmung (Melancholie). Die Anorexia nervosa als erste spezifische Essstörung wurde bereits im 19. Jahrhundert beschrieben (Gull, 1997; Lasegue, 1997), Bulimia nervosa (Russell, 1979) und Binge-Eating-Störung (Spitzer, 1991) erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Spezifische Therapieformen für Essstörungen wurden erstmals in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts entwickelt.
Das am besten evaluierte manualisierte verhaltenstherapeutische Konzept zur Therapie von Essstörungen ist die von Chris Fairburn entwickelte Cognitive-Behavioral Therapy – Expanded (CBT-E). Diese Therapiemethode verwendet ein Störungsmodell, bei dem das Phänomen, dass insbesondere restriktives Essverhalten die Funktion haben kann, gestörtes Selbstwertgefühl zu stabilisieren, im Mittelpunkt steht (Fairburn, 2011). CBT-E ist unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung erfolgreich in der Symptomreduktion. Bei kurzer Erkrankungsdauer, Fehlen von Komorbidität und günstigen psychosozialen Rahmenbedingungen ist es geeignet, auch global psychosoziale Funktionsfähigkeit und Lebensqualität wiederherzustellen. Warum also weitere verhaltenstherapeutische Methoden entwickeln? Zum einen lassen die Remissionsraten, die mit CBT-E erzielt werden, mit etwa 45 % erheblichen Spielraum nach oben. Deutliche Limitationen ergeben sich in der Behandlung von Essstörungen, wenn diese in komplexe Störungen der Emotionsregulation eingebettet sind.
Das vorliegende Manual setzt deshalb einen anderen Schwerpunkt. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass eine Störung der Emotionsregulation eine wesentliche Ursache von Psychopathologie und auch ein wesentlicher Aspekt von Essstörungen ist (Prefit et al., 2019). Im vorliegenden Manual gehen wir deshalb von der Grundannahme aus, dass unzureichende Fertigkeiten in der Emotionsregulation der wesentliche aufrechterhaltende Faktor der Störung sind. Für diesen Ansatzpunkt spricht, dass ein Training der Fertigkeiten der Emotionsregulation sich bereits bei Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Komorbidität bewährt hat. Weitere prominente Arbeitsgruppen im Bereich der Therapieentwicklung für Patienten mit Essstörung setzen in ihren Manualen mittlerweile ebenfalls einen Schwerpunkt im Bereich Emotionsregulation, und zwar die Gruppe um Ulrike Schmidt und Janet Treasure vom King’s College in London (Schmidt et al., 2019) und die Gruppe um Stephen Wonderlich und Jim Mitchell von der University of North Dakota in Fargo (Wonderlich et al., 2015).
Das vorliegende Manual sieht sich im Rahmen der Psychotherapieentwicklung der dritten Welle der Verhaltenstherapie. Gemeinsames Element dieser Entwicklung ist die Abkehr von einer abstrakten Auseinandersetzung mit Inhalten von sogenannten dysfunktionalen Kognitionen (beispielsweise der Kognition »Ich bin zu dick« bei einer Patientin mit Anorexia nervosa). Stattdessen setzen sich die Methoden der dritten Welle mit den Fertigkeitsdefiziten spezifischer Patientengruppen in interpersonellen, emotionalen und metakognitiven Bereichen auseinander. Psychotherapie widmet sich an dieser Stelle vermehrt prozeduralen und emotionalen Lernprozessen. Ein weiteres gemeinsames Merkmal ist, dass Themen wie Akzeptanz, Achtsamkeit, Dialektik, Werte, Spiritualität, Fusion–Defusion, Schemata, Beziehung, Metakognition und andere Fortentwicklungen der kognitiven Psychologie vermehrte Aufmerksamkeit bekommen und zunehmend integriert werden. Ein lerntheoretischer Rahmen wird dabei strikt beibehalten, kontextualistische Philosophie ist ein wichtiger Bezugsrahmen (Hayes et al., 2011).
Das Manual basiert auf der mittlerweile über 30-jährigen Erfahrung der beiden Autoren in der Behandlung von Patientinnen mit einer Essstörung, die wir am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, an der Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee und in unserer Spezialstation für Patientinnen mit einer Essstörung und einer Persönlichkeitsstörung sowie durch die ambulante Behandlung von Patientinnen mit Essstörung erwerben konnten. Ideen zu diesem Manual und psychotherapeutische Techniken wurden im Laufe dieser Zeit aus einer Vielzahl von Quellen, durch den Besuch von Workshops und die Lektüre von Büchern sowie persönliche Gespräche aufgenommen und für die Behandlung der Patientinnen mit Essstörung modifiziert. Besonders erwähnen möchten wir Frederic Kanfer (Kanfer et al., 2011), Karl-Martin Pirke (Pirke et al., 1986), Manfred Fichter (Fichter, 1989), Marsha Linehan (Linehan, 2014), Martin Bohus (Bohus und Wolf, 2018), Matthew McKay (McKay et al., 2019), Steven Hayes (Hofmann und Hayes, 2018), James McCullough (McCullough Jr et al., 2012), Adrian Wells (Wells et al., 2011), Mark Williams und Zindel Segal (Segal et al., 2018), Jon Kabat-Zinn (Kabat-Zinn, 2020), Christopher Fairburn (Fairburn, 2011), Achim Peters (Peters und McEwen, 2015; Peters et al., 2007; Peters et al., 2004), David Barlow (Barlow et al., 2017), Thomas Joiner (Hames et al., 2013) sowie als Meditationsmeister die ehrwürdige Ayya Khema (Khema, 1988) und den ehrwürdigen Nyanabodhi. Eine wichtige philosophische Quelle war das Buch von Peter Sloterdijk: »Du musst dein Leben ändern« (Sloterdijk, 2010).
Das vorliegende Manual beschreibt eine Therapieoption für Patientinnen mit Essstörung – Anorexia nervosa (AN), Bulimia nervosa (BN), Binge-Eating-Störung (BED) oder nicht näher bezeichnete Essstörung (EDNOS) –, insbesondere dann, wenn komorbide eine Borderline-Persönlichkeitsstörung oder weitere psychische Störungen vorliegen.
Zum Umgang mit dem Manual
Das Manual sollte der Patientin schrittweise oder im Ganzen ausgehändigt und von ihr durchgearbeitet werden. Es ist die gemeinsame Arbeitsgrundlage der Patientin und ihres Therapeuten. Das Manual kann entweder systematisch von vorne durchgearbeitet oder es kann individuell, ausgehend von der Problematik der Patientin, eine Auswahl getroffen werden. Eine solche Schwerpunktsetzung ist typischerweise erforderlich, wenn das Manual im Rahmen eines zeitlich begrenzten stationären Aufenthalts genutzt wird. Das Manual kann im Rahmen stationärer oder ambulanter intensivtherapeutischer Angebote eingesetzt werden. In diesen Rahmen ist es naheliegend, Gruppentherapie, Einzeltherapie, therapeutisch begleitetes Essen, Sport- und Bewegungstherapie, Achtsamkeitsübungen, Aufbau sozialer Kompetenz sowie weitere komplementäre Angebote zu integrieren. Es ist aber auch im ausschließlich einzeltherapeutischen Setting oder als Selbsthilfemanual anwendbar.
Das Manual enthält Informationsmaterialien und Arbeitsblätter, es sollte trotzdem nicht als Kochbuch missverstanden werden. Im Mittelpunkt bleiben das individuelle Störungsmodell der einzelnen Patientin und die Frage, welche Fertigkeiten die Patientin braucht, um langfristig dem Teufelskreis der Essstörung zu entkommen. Der Therapeut wählt die zu bearbeitenden Arbeitsblätter ausgehend von diesem Ziel aus. Alle Arbeitsblätter1 dieses Buchs können Sie als PDF-Datei kostenfrei unter folgendem Link herunterladen: https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-038120-9
Der erste Teil des Manuals wendet sich mehr an Patientinnen als Arbeitsgrundlage für Selbststudium und die Zusammenarbeit mit einem Therapeuten. Der zweite Teil wendet sich mehr an Fachleute und enthält auch manchmal schwer verständliches Fachwissen. Wenn Sie als Patientin etwas nicht verstehen, fragen Sie Ihren Therapeuten nach genaueren Erklärungen.
Teil 1 Therapiemodule
1 Modul Symptome der Essstörung
1.1 Für wen ist das Manual geeignet?
Die Therapie einer Essstörung durch Emotionsregulation richtet sich an Patientinnen, die unter einer Essstörung und damit verbundenen weiteren Problemen leiden. Ziel dieses Moduls ist, Experte in eigener Sache zu werden. Essstörung hat vielfältige individuelle Varianten. Um ihre Behandlung genau planen zu können, ist es wichtig, dass Sie wissen, welche Symptome vorliegen und welche nicht. Wenn Sie unsicher sind, ob eine Essstörung bei Ihnen ein wesentliches Problem ist, arbeiten Sie das Modul genau durch und...