Radikalisierter Humanismus
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Radikalisierter Humanismus

  1. 120 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Radikalisierter Humanismus

Über dieses Buch

Der Autor motiviert radikalisierten Humanismus als Gegenentwurf zu klassischen, sachorientierten Ideologien.Eine grenzüberschreitende Verknüpfung von Wissenschaft, Sozialität und Wirtschaft. Eine Analyse der Dynamiken von uns und unserer Gesellschaft. Der Mensch natürlicherweise im Zentrum seiner Gesellschaft im Wandel.

Häufig gestellte Fragen

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1 Wer du bist

1.1 Humanist*in

Ich bin ein Mensch. Du bist ein Mensch. Ich respektiere dich. Du bist ein lebenswertes Geschöpf und verdienst ein Leben in Würde. Ich wünsche mir deine bestmögliche Entfaltung und Freiheit die deinige zu leben. Ich wünsche mir dies für alle Menschen. Ich empfinde alle Menschen verdienen mindestens dies. Ich lebe für eine bessere Menschheit. Ich lebe freie Entfaltung. Ich lebe Respekt. Ich lebe eine Utopie, die es zu verwirklichen gilt. Ich bin der Überzeugung, zusammen erreichen wir viel mehr als wir uns getrennt jemals vorstellen könnten. Du bist nicht Feind*in, nicht Konkurrent*in, nicht Nutznießer*in - du bist mein Bruder, meine Schwester, meine Familie. Von Mensch zu Mensch ist das meine Hoffnung und mein Antrieb.
Ich glaube an eine Welt, die so viel besser sein könnte, wenn wir jedem Menschen ein würdevolles Leben ermöglichen. Ich bin überzeugt von einem Harmoniebedürfnis eines jeden, und bin überzeugt von einem Schlag in die Fresse, wenn keine Wahl bleibt. Ich weiß den Menschen als ein Individuum in Bewusstsein. In einer humanistischen Gesellschaft steht der Mensch im Zentrum seiner selbst. Selbstbestimmung hat so viel mehr Richtungen als oben und unten. Wenn anders nicht mehr besser heißt und du dich nicht mehr einordnen musst. Wenn du so frei bist, wie es andere frei lässt. Wenn nicht Geld, Macht, Herkunft, Körper oder Alter wichtig ist, sondern du, weil du Mensch bist.
Ich sehe mich als Humanisten im obigen Sinne, weil ich Mensch bin und es als erstrebenswert erachte uns zu erhalten und unser Leben zu verbessern. Dazu gehört individuelles Glück, Hebung des Lebensstandards, permanente Erweiterung unserer Möglichkeiten, Selbstbestimmung und Wahrung eines jeden Menschen Würde. Ich behaupte, wir können uns das leisten, wenn jede*r einen gesellschaftlich fairen Beitrag leistet. Eine humanistische Gesellschaft nicht der Menschen, der Leute, der Gemeinschaft, sondern des Menschen, der Personen, der Individuen. Gemeinsam nicht im Gleichschritt maschinengleich, sondern jede*r wachsend im Verständnis eines besseren Lebens aller. Eine Gesellschaft, nicht mehr nur als evolutionärer Selbstzweck, sondern gedacht von und für ihre Teilhabenden. Eine Gesellschaft in der du zuallererst sein kannst, und der Rest in deinen Händen liegt. Gemeinsam helfend, kreierend, schaffend, verbindend, fühlend, gemeinsam, nicht gleich. Eine Gesellschaft, die menschlichen Wert nicht in Einheiten angibt. Diese Welt kommt nicht von alleine, aber wir können jetzt dafür streiten.

1.2 Wir sind ein Automaton

Stelle dir vor du fährst ein Auto. Du sitzt am Steuer, Lenkrad in der Hand, Fuß auf dem Pedal, du steuerst die Maschine. Nun stelle dir vor diese Maschine könnte deutlich mehr, vielleicht hundert Jahre in der Zukunft, ein Sprachbefehl reicht, um dich an deinen Ort zu bringen. Wie genau das alles funktioniert wirst du nicht wissen. Brauchst du ja auch nicht. Genau genommen, weißt du jetzt auch nicht, wie genau dein Auto funktioniert. Du musst nicht deine Lenkachsgeometrie verstehen um Lenken zu können. Betrachtet man das fahrende Fortbewegungsmittel als Ganzes, so bist du als Fahrer*in nur ein kleiner, wenn auch entscheidender Teil. Wobei, hier anzumerken, ein Reifen ebenfalls entscheidend ist. Und der Antrieb natürlich auch. Und ohne Lenkrad wird Lenken schwierig. Du selbst bist also nur Teil des Systems, gemeinsam der Fortbewegung verpflichtet.
Worauf ich hinaus will: Sei nun das Auto ein komplexes biologisches System, vielleicht etwas wie eine "Seele" statt Fahrer*in, der Mensch, du. Irgendwie fühlst du dich in Kontrolle, je nach Persönlichkeit zumindest mehr oder weniger. Dem tut nichts ab, dass du gerade nicht genau weißt, was dein Magen macht. Musst du ja auch nicht. Wichtiger ist hier auch erst mal, dass du auch nicht weißt, wie dein Gehirn funktioniert - das weiß niemand, so wirklich wird das auch nie jemand wissen. Eine komplexe biologische Intelligenz, gewachsen auf Basis evolutionärer Grundrisse und individueller Erfahrung, erfüllt von äußeren Einflüssen. Wie willst du da erwarten zu verstehen wer du bist? Oder gar dein Gegenüber? Und warum ist Gesellschaft dann doch wieder so einfach? (Spoiler: die Physik ist für alle gleich)
Immerhin weißt du, dass du bist. Du musst für dieses Wissen nicht das "wie" verstehen - so wie du das Auto nicht verstehen musst um zu deinem Ziel zu kommen. Der bewusste Teil unseres Individuums ist nur die Spitze des Eisbergs. Unser Charakter, unsere Biologie, unser Unterbewusstsein sind prägend für unser Leben. Ohne das wir Herr*in dieser sind. Natürlich habe wir bewussten Einfluss auf diese, in welchem Umfeld wir uns bewegen, ob wir Sport machen, womit wir uns beschäftigen. Aber wie gering ist dieser Einfluss gegenüber dem, was uns ausmacht, unseren Gefühlen, unserer genetischen Prägung, der Synapsenbildung im Gehirn? Wir sind erst mal ein Produkt von uns und können schauen, was wir aus dieser Position heraus machen. Das Ich als Fahrer unser Selbst ohne jemals aussteigen zu können - nie losgelöst vom "Fahrzeug", und so auch nicht als getrennt zu betrachten. Wir sind ein biologisches Automaton und das Ich ist evolutionäres Beiprodukt. Ein komplexes System mit inhärentem Bewusstsein als Evolutionsstrategie. Keine Ahnung, ob das langfristig funktionieren wird. Aber was ist schon langfristig, wenn du all deine Zeit hast? Das ist hier aber nicht der Punkt.
Ich glaube, es würde uns allen gut tun, uns als das anzunehmen, wer wir sind. Es geht nicht darum, dass nicht immer verbessert werden kann, auch das ist Teil von uns (sinnvoll im Sinne von Evolution, Kreativität ist wichtig, braucht aber Zeit und Überfluss). Dein Unterbewusstsein macht dir meist eine ziemlich klare Ansage was Sache ist, genauso dein Körper. Dein Bewusstsein ist nun wie ein*e höchst beschäftigte*r Manager*in, nicht nur über Prioritäten entscheidend, sondern auch über das, was überhaupt angehört wird. Und so wie ein*e Manager*in, welche*r das Unternehmen für Quartalsprofite ausbeutet, so kannst auch du dich für fremdgesteckte Ziele kaputt machen. Langfristige Ziele sind dir übrigens nicht einmal nötig. Statt fixe Punkte in Vergangenheit und Zukunft zu suchen, ist hier eine Betrachtung der Dynamik hilfreich. Fühlst du, dass du dich in die richtige Richtung bewegst? Bist du grundsätzlich zufrieden, wie es bei dir läuft? Fühlst du dich bedrängt? Was bereitet Unbehagen? Ist die Ableitung positiv, geht es bergauf. Erfolg ist wichtig und wie willst du jemals am Ziel ankommen, wenn du entgegen deiner Richtung fährst?
Wir müssen nicht verstehen, wie wir funktionieren, solange wir funktionieren. Aber ein Gefühl für uns, unser "Fahrzeug", zu entwickeln ist wichtig für eine gute Fahrt - denn auch wenn das "Ich" eine Inhärenz ist, sind wir doch unser "Fahrzeug" (eine künstliche Spaltung kann sinnvoll sein, solange übergeordnet klar ist, dass diese künstlich ist). Und auch wenn Straßen meist unsere Bewegungen einschränken, sind diese letztlich doch nur Mittel zum Zweck. Nimm dich an, so wie du bist - was du dann daraus machst, ist deine eigene Geschichte.

1.3 Den Verstand verlieren im Informationszeitalter

Es wird gesagt, im Internet finde man alles. Umgedreht könnte heute auch schon gesagt werden, überall sei das Internet. Im Informationszeitalter verschiebt sich der Wert weg vom Physischen hin zum Psychischen, die Informationen sind mehr wert als der Computer, auf dem sie gespeichert werden. Das Internet ist für uns so bestimmend im Leben, dass sich unser Weltbild daraus definiert (Berufswahl, Partner*innenwahl, Kultur, Bildung und so viel mehr). Für uns als Menschen tritt dabei die einzelne Information in den Hintergrund und es wird entscheidender, Dinge zu finden und beurteilen zu können. Das ist ein Sprung in der Leistungsebene. Wie in Zeiten vor dem Taschenrechner, wo Kopfrechenkünste gefragt waren, ist nun deutlich wichtiger, die Bedienung eines Rechners zu beherrschen. Und genauso wie bei einem Taschenrechner, haben wir mit dem Internet Zugriff auf unglaublich viel mehr Informationen, als wir je hätten auswendig lernen können. Sicher, das Ersetzt keine handwerklichen Fähigkeiten, aber dient doch als Befähigungsbeschleuniger, sofern der Umgang mit der Informationslandschaft erlernt ist. Wenn wir diesen Denkansatz verstanden haben, können wir anfangen, dass zu lernen, was wichtig ist.
Dazu möchte ich mit einer kleinen Geschichte starten: Vielleicht haben Sie schon mal von Anon gehört, oder von mysteriösen Internetportalen, welche sicher schon zum dunklen Teil des Internets gehören. Vielleicht haben Sie davon schon mal etwas gesehen oder gar geteilt oder kommentiert, vielleicht sogar unbewusst, Sie haben einfach etwas gefunden oder zugeschickt bekommen, was sonst so nirgendwo geschrieben stand. Wie dem auch sei, jedenfalls gibt es Foren im Netz, auf welchen sich ungestört ausgetauscht werden kann, auch weit ab von gesellschaftlich anerkannten Meinungen. Es ist fast so, als gäbe es dort eigene Subkulturen, ermöglicht durch ein weitreichendes Netz, offen und frei. Aber zurück zu unserem Anon. Es ist nun oft, dass dieser Anon in besagten Foren etwas schreibt. "Schreiben" klingt hier gar zu trivial, "Predigen" trifft es häufig besser. Spezialisiert auf das Durchbrechen ethische Denkmuster, das Aufdecken von Verschwörungen und spezialisiert auf spieltheoretisches Experimentieren. Ich persönlich habe schon mit Anon diskutiert und bin dabei mindestens eben so oft entgegnet wie bestätigt worden. Anon wird mystifiziert, ist weltweit aktiv, ist tatsächlich gefährlich genug um von Staaten überwacht zu werden. Aber dennoch hat bisher niemand Anon identifizieren können, Anon ist komplett anonym. Und doch gibt es Anon. Vielen fehlt das Verständnis für Anon, unqualifizierte Meinungen werden in die Öffentlichkeit getragen, Funktionen und Mechanismen von Information unerkannt. Wer ist Anon? Anon bist du.
Anon ist nichts anderes als eine Abkürzung für anonym, jeder, der anonym irgendetwas schreibt, ist Anon. Diese ganze Spiel lässt sich zuspitzen, wenn hier nicht ein neutraler Alias, wie Anon, genutzt wird, sondern fiktive wie QAnon oder Anonymus. Jeder ist Anonymus. Aber es klingt nun mal wichtiger, wenn irgendwo steht, "QAnon hat geschrieben" anstelle von "jemand im Internet hat geschrieben". Das ganze sind Spielformen. Zuerst steht eine Erzählung, ob wahr oder falsch spielt keine Rolle. Es geht darum, Geschichten zu erzählen, die Reaktionen hervorrufen. In Höchstform auch Reaktionen außerhalb des virtuellen Raumes. Aus all dem Dreck überleben die Narrative, die sich gut verkaufen. Die Realität als Hintergrund, die Virtualität als Spielbrett. Trolle sollten nicht gefüttert werden, aber übersehen kann man sie nicht. Nicht alle Spieler*innen sind sich als Spielende bewusst. Und wenn deine eigene Informationsblase so klein wird, dass du die Übersicht verlierst, findest du dich in Echokammern, die dir mehr erzählen, als du je für möglich gehalten hast.
Amoklauf, Parlamentssturm, Suizid als Bestenlisten, die es zu toppen gilt. Auf Basis von Falschinformationen Menschenfelder prägen. Weil du deren Spiel nicht begriffen hast oder um dein Leben spielen wolltest. Information tötet. Wenn wir nicht bewerten, vergleichen und einordnen können.
Wir müssen als Gesellschaft ein Informationsbewusstsein schaffen, welches über die reine Information selbst hinausgeht. Die Information allein hat im (Meta-) Informationszeitalter keinen Wert mehr ohne Information über diese. Das reine Teilen von Information ist bereits ein aktives Prägen dieser, da deine Teilung Metainformationwird. Die klassische Informationsdefinitionverliert an Wert, wenn Information subjektiv wird. Somit ist es wichtig, Informationen auch als diese anzunehmen, sofern auch nur Minderheiten betroffen sind. Durch Faktenchecks, qualitativ und quantitativ wertvolle Informationen und einen funktionierenden Journalismus kann ein gesellschaftliches Verständnis erhalten bleiben. Gerade populismusanfällige Demokratien sind hier gefährdet, sofern sie nicht Systeme entwickeln, die Informationshoheit ihrer Bürger*innen zu gewährleisten. Auf persönlicher Ebene bleibt: Bevor du den Verstand verlierst, halt inne und überlege, ob du nicht die Realität verlierst.

1.4 PR steht für Propaganda

PR ist Öffentlichkeitsarbeit. Propaganda ist Manipulation öffentlicher Meinung. Zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit formt öffentliche Meinung, und auch wenn der Begriff "Propaganda" richtigerweise negativ belegt ist, ist moderne PR nichts anderes. Weil ein Unternehmen, Organisation, Staat natürlich nur das raus gibt, was diese auch draußen haben wollen, und so ein Weltbild prägen, welches ihnen genehm ist, dir aber Informationshoheit nimmt. Dagegen hilft ein möglichst freier, unabhängiger und hochwertiger Journalismus, weshalb dieser gerne von Akteuren geschwächt wird, die selber sehr auf ihr eigenes Narrativ festgelegt sind. Wenn du etwas erzählst und dir geglaubt wird, wer braucht dann noch die Realität? Ein Narrativ ist nichts anderes als eine Geschichte, hier ist egal, wie wahr oder erfunden etwas ist. Gute Geschichten haben mehr Macht, als auf den ersten Blick verständlich ist. Geschichten sind das, was uns logisch erscheint, Geschichten sind das, was wir sehen, wovon wir lernen, wonach wir streben, Geschichten sind das, was unsere Kultur definiert. Wir passieren auf dem Boden der Realität, aber Geschichten tun das auch. Und während Realität auch mal trocken und langweilig erscheint, sind gute Geschichten immer unterhaltsam. Physik mag weltfremd scheinen, aber Geschichten verstehen wir. Die Welt ist uns zugänglich über Geschichten.
Welche Geschichten bleiben uns im Kopf? Es reicht, wenn etwas oft genug erzählt wird, zumindest ähnlich viel wie Vergleichbares, besser mehr. Oder es wird so viel erzählt, dass unter Müll auch etwas für dich dabei ist, und den Müll so interessant macht. Überhaupt, wer oft erzählt oder erzählt wird, wird selbst zum Narrativ. Unsere beliebtesten Geschichten sind Menschen selbst. Eine Frisur als visuelle Geschichte, das Auftreten als Markenzeichen, eine Farbe als Identifikation. So wie gute Geschichten selten wahr sind, so sind populäre Figuren mehr Produkt als Mensch. Alles, um uns etwas zu erzählen, uns zu bewegen, uns zu beschäftigen, uns zu steuern. Es reicht, eine laute Geschichte zu haben und zu polarisieren. Denn Polarisation schwächt durch Zerteilung. Und allein die Schwächung Anderer macht deine Position stärker. Und solange du über unsere Köpfe herrscht, folgen auch unsere Körper. So werden Geschichten werden Realität.
Würdest du lieber Werbung anschauen oder eine wissenschaftliche Veröffentlichung lesen? Wir als Individuen können nichts dafür, dass Geschichten uns leichter erreichen als Fakten. Werbung ist dafür gemacht, bei uns anzukommen (nicht zwingend positiv, das ist nicht nötig um Bekanntheit zu schaffen). Und das ist auch nicht tragisch, solange wir uns dagegen wehren können. Wenn du die Geschichte eines essbaren Fertigproduktes zwar gerne hörst, aber dennoch na...

Inhaltsverzeichnis

  1. Widmung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort
  4. 1. Wer du bist
  5. 2. Warum andere Menschen anders denken
  6. 3. Wir in: Das Kapital
  7. 4. Und die Welt
  8. Impressum