
- 127 Seiten
- German
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eBook - ePub
Die Häuser an der Dzamija
Über dieses Buch
Robert Michel war mit Hoffmansthal und Ludwig von Ficker befreundet und leitete 1918 gemeinsam mit Bahr und Devrient das Wiener Burgtheater. Populär wurde er mit dem Roman "Die Häuser an der Džamija", der auf den Eindrücken des Autors während seiner Zeit als Offizier in Bosnien-Herzegowina beruht. Michel gelingt es, anhand einer heiter-besinnlichen Geschichte einen tiefen Einblick in das Leben der muselmanischen Bosniaken und der katholischen Kroaten zur Zeit der K.u.K.-Monarchie zu geben.
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Information
Siebentes Kapitel
Als Nurija Sekirija nach Hause kam, hetzte ihn Memnuna gegen Muharrem auf. Ja, sie sagte, daß der unbotmäßige Junge nicht mehr die Schwelle des Hauses betreten dürfe. Nurija beschwichtigte sie aber und versprach ihr, selbst noch einmal mit Muharrem zu reden.
So ging Nurija zum erstenmal, seitdem Muharrem an dem Kreuz arbeitete, hinunter in die Werkstatt. Er trat gleich auf Muharrem zu und begann unvermittelt: „Hören meine Ohren recht? Die kleine Aiša willst du nicht zur Frau?“
Muharrem gab zurück, ohne ihm in die Augen zu blicken: „Ich kann nicht.“
„Wie ist es möglich, den Sinn anders zu lenken, wenn man die kindliche Aiša zur Frau bekommen kann? Bist du denn kein Mann, Muharrem?“
Muharrem fühlte, daß der Augenblick gekommen war, da er auch vor seinem Herrn das Geheimnis preisgeben mußte. Aber er sträubte sich noch: „Ich darf nicht Aiša nehmen, Meister.“
„Warum nicht dürfen? Weil du nur ein Diener bist? Aiša kommt als unsere Tochter ins Haus; Memnuna liebt sie wie ihr eigenes Auge.“
Muharrem warf ihm einen verzweifelten Blick zu: „So wahr ein Gott im Himmel ist, ich darf nicht!“
Nurija faßte ihn am Handgelenk: „Mir stockt das Blut, dich so zu hören.“
Niedergeschlagen und mit bebender Stimme gestand der junge Bursche: „Ich darf nicht die Tochter eines Moslem freien.“
Da ließ Nurija entsetzt seinen Arm frei: „Du hast … du bist …“
Muharrem sagte nun entschlossen und ruhig: „Ich bin ein Christ.“
Nurija rang nach Worten und schwang die Fäuste vor Muharrems Gesicht: „– Abtrünniger! –“
„Ich war seit je ein Christ.“
„Mich konntest du betrügen; wer aber Allah betrügen will, der betrügt nur sich selbst.“
„Ich dachte an keinen Betrug.“
„Du betest täglich nach Mekka hin; da spricht also dein Mund, was nicht in deinem Herzen ist. Wer Allah Götter zur Seite stellt, der ist weit abgeirrt.“
Muharrem sah ihn flehend an: „Ich will dir sagen, wie alles gekommen ist.“
„Ich möchte nur wissen, wo du den ehrlichen Namen Muharrem stahlst.“
„Das will ich dir eben sagen;“ und er sagte ihm dieselben Worte, wie sie ihm noch von der Mitteilung an Katica in den Ohren widerklangen: „Meinen Eltern starben fünf Kinder klein dahin. Da riet man ihnen, sie sollten dem nächsten einen Türkennamen geben; dies würde dem Kindersterben Einhalt tun. So kam ich zu dem Namen Muharrem.“
„Mir verrietest du nichts davon, als ich dich ins Haus nahm.“
„Du fragtest nicht. Bald fühlte ich mich so wohl geborgen bei dir und bei deinem Gott, daß ich gar nicht glaubte, ein Unrecht zu begehen, indem ich schwieg.“
„Es war ein abscheuliches Unrecht;“ und Nurija beschwor ihn: „Fürchte den Tag, an dem eine Seele für die andere nichts leisten kann; an dem kein Lösegeld von ihr angenommen wird; an dem ihr keine Fürbitte nützt und an dem sie keine Hilfe findet.“ Dann wurde seine Stimme vollends drohend: „Fürchte den Tag, da weiß werden Gesichter und schwarz werden Gesichter.“
Muharrem blickte wie vernichtet zu Boden: „Verzeih mir, Herr und Meister.“
Nurija machte einige Schritte und holte mehrmals tief Atem. Dann sprach er wieder milder. „Wir hielten dich wie ein Kind von unserem Fleisch und Blut. Wir wollten dich mit der schönen Aiša vereinen; die Morgengabe hielt ich selbst bereit in schwerem Gold.“ Nun kam aber doch wieder der frühere Zorn in seine Stimme: „Jetzt aber gebe ich mein Erbe lieber dem ersten besten Sohn des Weges, wenn er nur meines Glaubens ist.“
„Ich bitte um nichts anderes als um Verzeihung.“
Nurija ermannte sich: „Allah ist verzeihend und barmherzig. Wenn er dir verzeihen kann, dann sei dir auch von mir verziehen.“
Dem jungen Burschen wurde es wieder leichter ums Herz: „Und darf ich weiter in deinem Dienste bleiben?“
Nurija aber wehrte ab: „Ich denke noch an Gott, und du sprichst schon von weltlichen Dingen … erst muß ich wissen, was Memnuna dazu sagt.“ Er wandte sich von Muharrem ab und ging ins Haus.
Muharrem trat wieder an seine Arbeit. Eben wollte er den Hammer zum ersten Schlag niederfallen lassen, als jemand den Steinriegel neben ihm übersetzte. Er sah an seiner Seite Katica, die seltsam erregt sofort zu ihm zu reden begann: „Muharrem, ein ganzer Haufen von Schlangen.“
Muharrem war zwar äußerst verwundert, aber doch war er noch zu sehr unter dem Eindruck des Gespräches mit Nurija, als daß ihn ihre Erregung hätte mitreißen können; so wollte er sie beschwichtigen: „Ach, laß die Schlangen, Katica, weich ihnen aus.“
„Die Schlangen nicht töten?“
„Bleib bei mir, ich bin traurig.“
„So gib doch einen Stock her oder deinen Hammer, gleichviel. Ein gräßlicher Knoten liegen sie dort zwischen den sonnigen Steinen; das sah ich noch nie im Leben. Ich hätte sie am liebsten mit den Händen gewürgt oder mit Steinen zerschmissen.“
„In einem Knoten sind sie? Da sind sie in der Liebe.“
Das junge Mädchen hatte mittlerweile mit ihren suchenden Blikken im Hofe eine Sichel erspäht: „Dort die Sichel,“ und sprang schon auf sie zu, erfaßte sie und schwang sie durch die Luft: „Wie durch ein Büschel Gras durch alle die Leiber!“
Da sprach Muharrem eindringlicher zu ihr: „Du wirst sie doch nicht in ihrer Liebe töten wollen.“
Auf diese Worte hin besann sich Katica ein wenig: „Was sagst du? Das ist ihre Liebe?“
Muharrem trat ganz nahe zu ihr hin und blickte ihr in die Augen: „Ja, Katica, gerade so, wie wenn ich dich umarme;“ dabei schlang er die Arme wirklich um sie und preßte sie an sich.
Katica gab sich dieser Umarmung eine Weile willig hin, dann riß sie sich aber los: „Nein, Muharrem, das ist keine Liebe; es sind nicht zweie – ein ganzer ekler Haufen.“ Sie verbarg einen Augenblick lang ihr Gesicht in Scham; gleich aber sprang sie, die Sichel erregt schwingend, über den Steinriegel und lief davon.
Muharrem rief ihr nach: „Katica bleibe! Ich habe mit dir zu reden – bleibe!“ Als das nichts half, wollte er ihr nacheilen, um sie vor den Schlangen zu beschützen. Da öffnete sich aber gerade das Fenster im ersten Stockwerk, und er hörte Memnunas zornige Stimme: „Wo ist der Heide … der Abtrünnige?“ Da blieb Muharrem stehen und wandte sein Gesicht zu dem Fenster. Er hörte, wie Nurija seine Mutter besänftigte: „Beruhige dich, Mutter. Allah ist rings um alle Dinge, und er wird auch dieses zum Guten lenken.“
Und wieder hörte Muharrem Memnunas Stimme, gedämpft durch ein Tuch, das sie sich vors Gesicht hielt: „Ja, Allah nimmt Rechenschaft von allen Dingen und sieht in das Innerste der Brüste … und Allah rechnet schnell.“
Ihr Sohn suchte weiter sie zu beschwichtigen: „Jage dein gerechtes Herz nicht tiefer in den Zorn hinein … beruhige dich.“ Dann entfernte er sich von ihr.
Da steckte Memnuna den verhüllten Kopf aus dem Fenster und schrie: „Muharrem, du Ungeheuer, wo bist du?“
„Da bin ich, Mutter Memnuna.“
„All die Jahre habe ich mein Antlitz unverhüllt vor dir sehen lassen – o Schmach –“ dann hob sie die Stimme in ihrem Zorne so stark, daß manche Silben durch die wenigen Zähne wie durch eine Pfeife gingen: „Allah möge dafür dein Gesicht auslöschen und es gleich machen dem Hinterteil!“ Ihr Kopf verschwand, und das Fenster schlug dröhnend zu.
Bald darauf kam Nurija wieder in den Hof, rascher ausschreitend als gewöhnlich. Er hatte den Fluch, den seine Mutter auf Muharrem geschleudert hatte, nicht gehört, weil er schon auf der Stiege gewesen war. Er glaubte den Wartenden erst selbst mit der Auffassung Memnunas bekannt machen zu müssen: „Noch nie sah ich die Mutter so erregt; und meine Ruhe selbst war auch noch nie so gräßlich zerstört.“
Muharrem war schon vollends verzagt: „Was habe ich nur getan – ist meine Schuld so groß?“
„Ich vermag es nicht zu überblicken, wie weit deine Schuld reicht, und ich vertraue auf Allah, daß er dich auf den richtigen Weg führen wird.“
Da mußte Muharrem verwundert fragen: „Wie sollte Allah einen Christen führen?“
Nurija aber wehrte ab: „Seit deiner Kindheit hast du dein Antlitz Allah zugewendet – du kannst ihm nicht fremd sein. Sicher ist Allah um all dein Tun.“
„Wenn mich aber die Verhältnisse zwingen, mich als Christ zu bekennen –“
„Du kannst jederzeit auch vor der Welt den Glauben Mohammeds annehmen.“
„Wie sollte ich das wollen, wenn mir dann kein Weg bleibt …“
Nurija unterbrach ihn und sprach ihm eindringlich zu: „Sage nicht nein. Siehe, in der Schöpfung der sieben Himmel und der Erde; und in dem Wechsel der Nacht und des Tages; und in den Karawanen, welche über unsere Berge ziehen, beladen mit dem, was den Menschen nützt; und in dem, was Allah niedersendet an Wasser, damit er die Erde belebe nach ihrem Tode; und in dem, was er auf ihr ausbreitet an Getier; und in dem Wechsel der Winde und der Wolken; wahrlich in all dem sind Zeichen genug für einen Menschen von Verstand.“
Muharrem wollte seinen Meister nicht wieder erzürnen, aber er erkannte, daß er bekennen müsse: „Verschwende nicht deine gütigen Worte … für mich gibt es keine Rückkehr. Ich liebe Jelenas Tochter und will sie zum Weib.“
Nurija kam wieder aus der Ruhe: „So hat dich nur sinnliche Gier verführt.“ Er beherrschte sich aber alsbald: „Auch da wird der Prophet einen Ausweg wissen. Meine Kenntnisse gehen nicht so weit; ich werde den korankundigen Adem um Rat fragen, gib nur dein Angesicht Allah hin.“
Gerade war Adem über den Hof der Džamija gegangen; da er aber nicht zu ihnen herüber schaute, wollte ihn Nurija nicht aufhalten. Schon schickte sich Nurija an, ins Haus zu gehen, um die Waschung für die Andacht zu vollziehen, als er eine klagende Frauenstimme vernahm. Katica schleppte sich mühsam an die Steinriegel der Hofeinfassung und brachte nur schwer einzelne Worte hervor: „Wehe! – Muharrem – ich sterbe.“ Sie hatte in der Tat die verknoteten Schlangen wiedergefunden und mit der Sichel den lebendigen Knäuel durchgeschlagen. Gleich nach dem ersten Hieb hatte sie sich aber noch gegen zwei unversehrte Schlangen zu verteidigen. Der einen zerdrückte sie geschickt den Kopf zwischen den Fingern. Die andere hatte sich aber emporgeschnellt und biß sie durch das Hemd in die Brust. Freilich verlor sie dabei fast alles Gift in die Leinwand hinein. Es gelang ihr aber noch ein zweiter Angriff, bei dem sie sich am Halse des jungen Mädchens festbiß. Da wäre die Wirkung allerdings furchtbar gewesen, aber nach dem ersten Biß hatte die Schlange kein Gift mehr bereit. Vom Schreck und Todesgrauen gejagt, war dann Katica wie eine Rasende über die Steine des Hanges gesprungen, war einigemal gestürzt und hatte sich immer wieder emporgerafft. So waren nun die Folgen des Schreckens und des Laufens verheerender gewesen als die des Giftes selbst. Aber auch die Einimpfung des Giftes war nicht so gering, daß sie ohne Wirkung geblieben wäre. Ja, infolge der Hitze und des Laufens war das Blut für die Einwirkung des Giftes besonders empfänglich.
Muharrem sprang entsetzt zu ihr hin und stützte sie. Dann hob er sie über den Steinriegel und führte sie auf einen Rasenfleck, wo er sie achtsam niederlegte. Dabei wußte er nichts anderes zu sagen, als wehvoll immer wieder ihren Namen zu nennen: „Katica – Katica.“
Katica stammelte: „Die Schlangen – “
Muharrem fragte, schreckensbleich: „Wo? Ich saug es aus.“
Das junge Mädchen zeigte auf die Brust, und Muharrem riß ihr das Hemd auf und fand gleich die leichtgerötete Stelle des Bisses. Dort saugte er mit aller Kraft. Katica zeigte dann die zweite Wunde: „Hier … eine sprang … bis an den Hals.“
Muharrem saugte sich nun an der Halswunde fest. Dann ging er in seinem Schmerze in sinnlose Liebkosungen über, unter denen Katica einigemal laut aufstöhnte. Dazwischen ächzte er abgerissene Worte hervor: „Teure Katica … unser ganzes Leben … du darfst nicht sterben … Kata … bei unserer Liebe … Katica!“ Plötzlich sprang er auf und schrie Nurija, der regungslos zugesehen hatte, an: „Hilf doch! Bring Kräuter! Hol Ärzte, hol Zauberer!“ Dann wandte er sich ab und rief verzweifelt aus Leibeskräften gegen das Dorf hin: „Hilfe! … Um eures Gottes willen, Hilfe!“ Darauf ließ er sich über dem jungen Mädchen nieder und horchte nach ihrem Leben.
Nurijas Gesicht erhellte sich wie unter einer Vision. Mit bewegter Stimme sagte er kraftvoll vor sich hin: „Gelobt sei Allah. Weit reicht sein Thron über die Himmel und die Erde und nichts beschwert ihn bei der Behütung. Denn er ist der Hohe, der Erhabene.“
Muharrem rang die Hände gegen den Himmel: „Welcher Gott darf solches zulassen!“ Dann ließ er wie vernichtet den Kopf auf die Brust der Geliebten sinken.
Vom Minarett erscholl der Ruf Adems zum Gebet. Nurija mischte seine Stimme in den Ruf des Muezzins: „Muharrem! Allah ruft! Dies war ein Zeichen von seiner mächtigen Hand. Gib dein Angesicht Allah hin, er wird dirs lohnen, und nicht wirst du traurig sein – Muharrem!“
Muharrem hob den Kopf und schaute mit stumpfen Blick auf Nurija und dann auf Katica. Gerade schlug Katica die Augen auf, und indem sie ein wenig den Kopf hochhielt, lächelte sie Muharrem zu. Dann sprang Muharrem ermutigt auf, hob seine Geliebte auf die Schulter und trug sie davon.
Vor den Häusern an der Džamija traf er seinen Freund Muzir. Der war ihm gleich behilflich; und teils gemeinsam, teils abwechselnd trugen sie Katica hinunter in die Hütte ihrer Mutter. Unterwegs brach einmal Muharrem vor Müdigkeit zusammen und begann laut zu schluchzen. Muzir sprach ihm aber gleich zu: „Wie kannst du weinen, wenn du dein Mädel trägst. Ich werde nicht weinen, bis ich Aiša tragen werde und müßte es bis ans Meer sein.“ Er hatte es aber nur leise gesagt, denn Katica war bei vollem Bewußtsein; freilich war sie von dem Erlebnis und von der Einwirkung des Giftes in einem Zustand, der ihr jedwede Bewegung und auch das Sprechen unmöglich machte.
Kaum daß sie Katica zu ihrer Mutter in die Hütte gebracht hatten, war die alte Hatidža nachgekommen. Bei ihrem Auftauchen faßte Mutter Jelena, die anfangs sehr erschrocken war, wieder Zuversicht: „Du wirst ihr helfen, Mutter Hatidža, du weißt in allem Rat. Schlangen haben sie gebissen … wenn du nur da bist.“ Gegen die zwei jungen Burschen wandte sie sich aber unwirsch: „Ihr könnt jetzt gehen. Aber wo sind die Schafe? He, Muharrem, du wirst wohl noch die Schafe hertreiben können.“
Muzir und Muharrem verließen die Hütte, und Muharrem schickte sich gleich an, die Schafherde der Katica zu suchen. Vorher aber beschwor er seinen Freund: „Muzir, ich bitte dich, verlaß mich nicht. Hilf noch. Hole jemanden von Mostar; ich glaube nicht an diese alte Hexe, die Ha...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Einleitung
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- Siebentes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Glossar