DIE VIER HISTAMINOSE-TYPEN
Histamin ist wie der Finger in der Wunde. Es zeigt uns, wo genau es in unserem Körper nicht rund läuft. Bei dem einem ist es eher der Magen-Darm-Trakt, bei dem anderen ist es eben die Hormonachse – je nachdem, wo bereits schon funktionelle Störungen vorhanden sind. Histamin meldet sich in jedem Fall irgendwann zu Wort und macht uns so auf sich aufmerksam. Bis wir es nicht mehr ignorieren können. Jeder Histaminose-Typ ist anders und benötigt eine andere Zusatz-Diagnostik und auch andere spezielle Unterstützung. Gerade bei den MCAD-Typen ist beispielsweise eine gute Schmerz- und antiallergische Notfallmedikation notwendig. Im Folgenden haben wir für jeden Typ unterstützende Hilfestellungen und Informationen zusammengefasst.
Der Darm-Lunge-Typ
Es ist kein Zufall, dass Menschen mit Darm-Histaminosen vom Typ B oder Typ M langfristig auch histaminbedingte Probleme auf der Haut und in der Lunge bekommen. Zum einen entstehen Lunge und Darm in der Embryonalentwicklung aus dem gleichen Keimblatt – bis heute gibt es dadurch zelluläre und funktionelle Verbindungen. Zum anderen zeigen sich Darmprobleme an sich häufig auf der Haut und der Schleimhaut. Daher muss ein hohes Histamin im Darm immer weiter abgeklärt werden, sonst entwickeln sich Folgeerkrankungen!
Wir wiederholen es an dieser Stelle gerne noch einmal: Eine niedrige DAO ist in der Regel die Folge, nicht die Ursache für einen erhöhten Histaminspiegel im Darm. Für Therapeuten beginnt an dieser Stelle die detektivische Detailarbeit, die leider oft den Geldbeutel des Patienten belastet, aber viel wertvolle Lebenszeit einspart, da wir ohne diese Diagnostik sonst zu lange im Nebel stochern.
Werner, 48 Jahre, Marktleiter, Darmkrämpfe: »Ich leite einen kleinen Lebensmittelmarkt mit ein paar Angestellten. Die Arbeit und das Team sind gut. Was mir zu schaffen macht, ist mein Darm. Ich habe regelmäßig Bauch-Darm-Schmerzen mit starken Krämpfen, Durchfall und zeitweise auch Sodbrennen und verstehe nicht warum. Die Beschwerden kommen plötzlich aus heiterem Himmel, dann habe ich wieder wochenlang Ruhe. Ich habe schon eine Magen- und Darmspiegelung bekommen, leider ohne Befund. Ich bin beim Essen schon sehr gehemmt, weil ich immer Angst vor den Nachwirkungen habe.«
Spezielle Labordiagnostik für den Darm-Lunge-Typ
Wer nur nach der DAO im Blut schaut, hat im Anatomieunterricht nicht aufgepasst. Denn eine Unmenge an Mastzellen sitzen in der Darmschleimhaut. Eine Fläche so groß wie ein Fußfallfeld voller Mastzellen!
Miriam, 13 Jahre, Schülerin, starker Juckreiz, Durchfälle und Migräne: »Meine Haut am Hals und Nacken ist immer rot und juckt ganz fürchterlich, das ist mir unangenehm. Wenn ich mich kratzen muss, denke ich immer, dass meine Klassenkameraden mich doof angucken. Die Schule fällt mir deswegen sehr schwer, auch weil ich ständig Kopfschmerzen habe. Meine Mama hat mich deswegen mal zu einem Arzt geschleppt, der mit mir einen Allergie-Test gemacht hat. Da gab es aber keinen Befund, sodass ich immer noch nicht weiß, woher das Jucken kommt und was ich dagegen tun kann.«
Wenn Mastzellen einmal gereizt sind – von E-Stoffen, von Fast Food mit Transfetten, durch einen Candida-Befall oder SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth/Dünndarmfehlbesiedlung) – reagieren sie auch mehr als deutlich: Sie schütten Histamin und andere Mediatoren aus, und ihr Besitzer bekommt entsprechend Krämpfe, Durchfälle, Blähungen. Im Grunde genommen wird bei jeder Entzündung, jeder Infektion im Darm und jeder Nahrungsmittelallergie, egal ob Sofort-Allergie (IgE) oder Spät-Allergie (IgG4/IgG), Histamin ausgeschüttet. Wenn wir nun bereits einen hohen Histaminspiegel im Darm festgestellt haben und wir Beschwerden haben, muss durch eine Stuhluntersuchung zunächst das Ausmaß der Entzündung begutachtet werden. Dafür benötigen wir folgende Werte:
• Dünndarm: Zonulin, Alpha-1-Antitrypsin, sekretorisches Immunglobulin A (sIgA)
• Dickdarm: Calprotectin
Anhand dieser Werte können wir die Entzündung schon einmal besser einschätzen. Zudem wissen wir bei einer Erhöhung von Zonulin und Alpha-1-Antitrysin, ob ein Leaky-Gut-Syndrom vorliegt und Histamin aufgrund dessen ungehindert in den Blutkreislauf gelangen kann.
Interessant zu wissen: DAO aus der Schweineniere
Mittlerweile gibt es viele Firmen, die die Diaminoxidase (DAO) als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel anbieten. In der Regel handelt es sich dabei um die DAO aus Schweinenierenextrakt. Nach unserer Erfahrung beträgt die benötigte Mindestdosis drei Kapseln vor einer Mahlzeit. Die Pillen können nur wirken, wenn sie vor einer Mahlzeit eingenommen werden.
Macht die Einnahme von DAO Sinn? Wir halten die Pillen-DAO selbstverständlich nicht für einen Ersatz für eine gründliche Ursachenklärung. Zudem sind sie auf Dauer recht teuer und wirken nicht gegen Histaminliberatoren wie zum Beispiel E-Stoffe. Wir nutzen DAO-Präparaten vor allem zur Diagnostik, um zu sehen, ob Patienten eher ein Problem mit Mastzellen-Histamin haben oder mit Nahrungs-Histamin. Wir verordnen die DAO und schauen, ob sich die Beschwerden bessern. Bessern sich die Symptome dagegen deutlich unter der Einnahme des H1-Blockers, wie zum Beispiel Loratadin, dann ist klar, dass die DAO nicht das primäre Problem ist.
Wenn die Entzündungsparameter auffällig waren, macht es Sinn, auch auf mögliche Nahrungsmittelallergien zu untersuchen, im Speziellen:
• EPX (Screeningmarker für Nahrungsmittelallergien) im Stuhl
• Nahrungsmittelallergien vom Typ IgE (Soforttyp) im Blut
• Nahrungsmittelallergien vom Typ IgG/IgG4 (Spättyp) im Blut
Das konsequente Vermeiden der Nahrungsmittel, die eine Allergie auslösen und somit über IgE oder IgG zu einer Histaminausschüttung führen, entlastet unser »Fass«, so lange bis die Darmschleimhaut saniert ist. Oft sehen wir innerhalb von vier bis sechs Wochen positive »Fernwirkungen« auf der Haut und im Bereich von Lunge und Bronchien: Ein hartnäckiger Reizhusten verschwindet, oder ein Ekzem heilt ab. Hierfür ist aber wirklich eine konsequente Vermeidung von Nahrungsallergenen notwendig und gleichzeitig eine gründliche Darmsanierung.
Im nächsten Schritt sollte das Mikrobiom untersucht werden. Hier ist die Auswahl an Möglichkeiten in den letzten Jahren enorm gewachsen. Nicht alles macht Sinn, daher geben wir – auch mit dem Kosten-Nutzen-Aspekt im Blick – Empfehlungen für diese Untersuchungen:
• Candida albicans
• Klebsiellen
• histaminbildende Bakterien (zum Beispiel Hafniae, Morgenanellen, Serratiae)
• Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO)
• Clostridien
• bei Kontakt zu Tieren auch die gängigen Parasiten und Würmer
Bei der Mikrobiombestimmung wird auch immer der pH-Wert des Stuhls mitanalysiert. Er hat u. a. eine wichtige Aussagekraft für die Aktivität der DAO. Die allermeisten Darmstörungen gehen mit zu basischen Stühlen (pH 7,5 und höher) einher.
Histaminbedingtes Asthma
Bei schweren Verlaufsformen von Histaminosen, klassischen Allergien, (histaminbedingtem) Asthma und bei MCAS ist die Behandlung der Atemnot – zunächst – vorrangig. Da sind wir einfach froh und glücklich, dass wir Medikamente mit Wirkstoffen haben, die schnell Abhilfe schaffen und auch sehr oft Leben retten können:
• Cortison
• Salbutamol
• Terbutalin
Wer es durch das Buch bis hierhin geschafft hat, weiß jedoch, dass die Behandlung von Symptomen nicht gesund macht.
Interview mit dem Lungenarzt Dr. Hermann Teutemacher
Asthma-Therapie ganzheitlich
Herr Dr. Hermann Teutemacher ist Lungenfacharzt, Allergologe und Präventivmediziner. Er bezeichnet sich als »Ursachenmediziner« und ist für sein erfolgreiches Konzept zur Behandlung von Asthma bronchiale (möglichst) ohne Cortison bekannt. Wir haben uns mit ihm über einen anderen Ansatz der Asthma-Therapie unterhalten.
Unterscheidet sich ein allergisches Asthma von einem Asthma bei einer Histaminose?
Dr. Hermann Teutemacher: Wenn man nur die kleinen Bronchien betrachtet, in denen sich das Asthma ja abspielt, sind die Vorgänge in beiden Fällen ähnlich: Histamin führt dort zur Schwellung der Schleimhaut und Verkrampfung der Bronchialmuskulatur, die dann Husten, Luftnot, Brustenge und pfeifende Atemgeräusche zur Folge haben. Recht unterschiedlich sind dagegen die Wege, wie der Histaminüberschuss im Detail zustande kommt: Beim rein allergischen Asthma führt nur der Kontakt des Allergens mit dem entsprechenden Antikörper auf der Oberfläche der Mastzellen und der basophilen Granulozyten zur Freisetzung von Histamin aus deren Depots. Beim Histaminungleichgewicht dagegen sind die Wege zur gesteigerten Histaminkonzentration im Bereich der Bronchien sehr viel komplexer und von den auslösenden Faktoren her vielfältiger und daher oft für den Patienten und den Arzt schwieriger nachzuvollziehen und zu behandeln.
Wie ist die Standardtherapie bei Asthma bronchiale?
Dr. Hermann Teutemacher: Die Schulmedizin betrachtet Asthma als quasi überflüssige Entzündung der Bronchien, die zu einer Überempfindlichkeit und in der Folge durch eine Verengung der Bronchien zu den typischen Beschwerden (Luftnot, Husten und Brustenge) führt. Gemäß diesem Krankheitsverständnis werden auch die im Vordergrund der Behandlung stehenden Medikamente eingeteilt in solche, die die Entzündung unterdrücken (in erster Linie Cortison), und solche, die die Enge der Bronchien und damit die Luftnot beseitigen sollen. Ein »gut eingestellter« Asthmatiker sollte möglichst wenig Beschwerden haben und auch keine langfristigen Einschränkungen seiner Lungenfunktion. Die Medikamente und deren Dosierungen werden den Leitlinien zufolge schrittweise so lange gesteigert, bis dieses Ziel für den einzelnen Asthmatiker erreicht ist. Bei Beschwerdefreiheit kann die Dosis eventuell reduziert werden. Da Asthma aus der Sicht der Schulmedizin unheilbar ist, bedarf es in der Regel einer lebenslangen medikamentösen Therapie. Im Einzelfall wird diese Therapie durch weitere Maßnahmen wie Raucherentwöhnung, Hyposensibilisierung bei Allergien, Empfehlung zu Sport, Normalgewicht etc. ergänzt. Eine ursächliche Behandlung ist in den Leitlinien nicht vorgesehen.
Ist es möglich, Asthma bronchiale auch naturheilkundlich zu behandeln?
Dr. Hermann Teutemacher: Im Gegensatz zur Schulmedizin, die sich definitionsgemäß in erster Linie damit beschäftigt, das Asthma dauerhaft mit Medizin einzustellen, sprich: zu unterdrücken, folgt die Naturheilkunde – wo immer möglich – dem Prinzip des Hippokrates: »Nicht der Arzt heilt, sondern der Körper bzw. die Natur!« Die Aufgabe von Arzt und Patient kann in der Naturheilkunde nur darin bestehen, die Bedingungen herzustellen, unter denen die Selbstheilung gelingen kann. Dieses hippokratische Vorgehen ist uns bei akuten Erkrankungen wie zum Beispiel einem Beinbruch bestens bekannt: Weder der Arzt, noch Gips oder Schraube heilen den gebrochenen Knochen, sondern nur der Körper selbst! Grundsätzlich kann dieses einfache und logische Prinzip der Naturheilkun...