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Die Entdeckung der Gestaltbarkeit
Gesellschaftstheorien bei Alexis de Tocqueville, Karl Marx und Max Weber
- 400 Seiten
- German
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- Über iOS und Android verfügbar
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Die Entdeckung der Gestaltbarkeit
Gesellschaftstheorien bei Alexis de Tocqueville, Karl Marx und Max Weber
Über dieses Buch
Ein Bewusstsein von Gestaltungsfreiheiten gesellschaftlichen Fortschritts – das ist auch in der Zeit nach der Französischen Revolution im langen 19. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit. Felix Baumert zieht Alexis de Tocqueville, Karl Marx und Max Weber erstmals gemeinsam heran, um aus ihren verschiedenen Perspektiven zu zeigen, wie sich auch in der modernen Welt einschränkende Möglichkeitsräume oder gar die Erstarrung von Gestaltungsfreiheiten ergeben können. Damit zeigt er die fundamentale Bedeutung von Politik in der Moderne auf, und zwar als notwendiges Instrument der Bewusstwerdung sowie der Absicherung von Gestaltungsfreiheiten.
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Information
1.Einleitung
»Il faut une science politique nouvelle à un monde tout nouveau.«
(Alexis de Tocqueville)
Eine gänzlich neue Welt erkennt Alexis de Tocqueville. Diese Aussage aus seinem Buch De La Démocratie en Amérique bezieht er nicht nur auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Letztlich lässt sich diese Aussage auf die gesamte Zeit nach der Französischen Revolution beziehen, also auf das lange 19. Jahrhundert, wie der Historiker Eric J. Hobsbawm die Zeit von 1789 bis 1914 genannt hat. Und tatsächlich ist die Zeit nach der Französischen Revolution eine gänzlich neue Zeit oder ist eben die Welt eine neue Welt. Nicht etwa, weil unmittelbar und sofort Gesellschaften nach den Prinzipien oder den Forderungen dieser Revolution, nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit strukturiert werden. Sondern weil das Versprechen auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, diese »Grundprinzipien der modernen Welt«1, die gesellschaftliche Realität allmählich und unaufhaltsam durchdringen. Die Ideen von Demokratie und Individualismus breiten sich immer mehr aus, die Entwicklung eines modernen und darauf basierenden Kapitalismus nimmt an Fahrt auf.
Bis zur Französischen Revolution ist die Geschichte geprägt von starken Kontinuitäten, wie ein Gedankenexperiment von Conrad Waddington eindrucksvoll zeigt:
»Wenn ein alter Römer achtzehn Jahrhunderte später wieder auf die Welt gekommen wäre, hätte er sich in einer Gesellschaft wiedergefunden, die er ohne Schwierigkeit verstanden hätte. Horaz wäre sich als Gast bei Horace Walpole nicht deplatziert vorgekommen, und Catull hätte sich zwischen den Wagen, Damen und brennenden Lampen nachts in London des 18. Jahrhunderts zu Hause gefühlt.«2
In fast allen Bereichen sind solche Kontinuitäten zu beobachten, im Militärwesen, in der Landwirtschaft, in der Architektur oder der Medizin.3 Ein Bauer um 1725 konnte fast sein ganzes Leben lang mit einer Handvoll Grundvorstellungen über das Leben, die Welt und seine Position darin auskommen, die er sich in der Jugend angeeignet hatte. Darin unterscheidet sich das 14. vom 18. Jahrhundert kaum. Erst der industrielle Mensch ist einem Prozess ausgesetzt, der unnachgiebig dazu zwingt, ›auf dem Laufenden‹ zu bleiben. In der agrarisch-ständischen Gesellschaft sammelt sich das Wissen bei den Alten, die als Weise gelten. In der industriellen Gesellschaft hingegen werden die Alten schnell zu Gestrigen. Sind die sozialen Beziehung in jener meist persönlich, so stehen die Menschen sich in dieser zunehmend indifferent oder gar entfremdet gegenüber.4
Kontinuitäten lösen sich in der Nachfolge der Französischen Revolution zunehmend auf. Mit Claude Lefort lässt sich festhalten, dass durch die Französische Revolution also zunächst nichts anderes passiert, als der Wegfall alter Gewissheiten5 – das Altbekannte verliert an Wert und Orientierungskraft. Durch diese Auflösungsprozesse erscheinen am Horizont der Geschichte neue Spielräume und Freiheiten, die gesellschaftliche Entwicklung nun bewusst gestalten zu können; Fortschritt ist nicht mehr festgelegt auf Bahnen, die durch überzeitliche Prinzipien bestimmt werden. Gesellschaftliche Entwicklung muss nicht mehr zwangsläufig einer mehr oder minder allgemeingültigen Interpretation folgen oder nur einem und vermeintlich ›richtigen‹ oder ›wahren‹ Pfad folgen. Von nun an könnte die gesellschaftliche Entwicklung immer auch anders gestaltet werden.
Doch wie steht es tatsächlich um das gesellschaftliche Bewusstsein dieser neuen Gestaltungsspielräume? Was ist mit den neuen Gestaltungsfreiheiten in der dieser neuen Zeit? Ist dieses Bewusstsein bereits tatsächliche Erfahrung und Grundlage gesellschaftlicher Selbstbestimmung im langen 19. Jahrhundert?6
Alexis de Tocqueville (1805 bis 1859), Karl Marx (1818 bis 1883) und Max Weber (1864 bis 1920) prägten die intellektuellen Diskurse in dieser und über diese Zeit sicherlich mit am stärksten. Nach Julia Adams und anderen sind gerade Alexis de Tocqueville, Karl Marx und Max Weber angetrieben durch das Interesse an gesellschaftlichem Wandel beziehungsweise daran, wie sich gesellschaftliche Strukturen und Akteure durch die Transformation von dezidiert traditionellen oder feudalen zu distinktiv modernen Gesellschaften gestalten und verändern.7
Skadi Krause will mit ihrem aktuellen Buch zu Tocquevilles Theorie seine Bedeutung »als ersten bedeutenden Theoretiker der modernen [Herv. FB] Demokratie«8 unterstreichen. Es geht ihr darum, sein politisches Denken vor dem Hintergrund der neuen Welt nachzuzeichnen. Denn angesichts dieser neuen Welt sieht Tocqueville eine Notwendigkeit einer neuen politischen Wissenschaft, denn Machiavellis Florenz oder das antike Athen helfen nur noch bedingt weiter angesichts dieser neuen Welt. Sie baut damit auf zahlreichen Arbeiten auf, die den Anspruch geäußert haben, sich stärker dieser neuen politischen Wissenschaft zu widmen9 und dem auch nachgegangen sind. Nicht nur in diesem Werk, sondern auch zusammen mit Harald Bluhm behandelt Skadi Krause Tocquevilles neue politische Wissenschaft vor dem historischen Hintergrund seiner Zeit. Schon das frühe Werk von George W. Pierson setzt diesen Fokus. Skadi Krause, Harald Bluhm und George W. Pierson geht es also darum, Tocquevilles politische Theorie vor dem Hintergrund des historischen Kontextes, und zwar sowohl französischer als auch US-amerikanischer Debatten, nachzuvollziehen.10 Cheryl B. Welch hält den Zusammenhang zwischen politischer Theorie und politischem Handeln für ein grundlegendes Motiv in Tocquevilles gesamtem Werk.11 Tocqueville gilt als moderner politischer Theoretiker oder Theoretiker der modernen Demokratie, weil er in einer Zeit schreibt, die am Beginn der Moderne steht – so könnte eine erste Bewertung lauten.
Marx gilt den einen als Philosoph, anderen als Wirtschaftstheoretiker und wieder anderen als Soziologe. Aus Teilen der umfassenden Marx-Literatur ergibt sich der Anschein, dass im Marx’schen Werk überhaupt nichts über Politik als Gestaltungsmittel gesellschaftlicher Entwicklung zu finden sei.12 Eine andere Sichtweise steht in Verbindung mit der sogenannten ›Staatsableitungsdebatte‹, welche sich allerdings mehrfach auf Das Kapital bezieht beziehungsweise wenn überhaupt in Marx’ Kritik der Politischen Ökonomie Aussagen über den Zusammenhang zwischen Gesellschaftsanalyse und Politik findet.13 Hinsichtlich des Marx’schen Gesamtwerkes ist bisher oftmals davon die Rede, dass es dort durchaus eine Ausführung über die Politik gibt, die allerdings »eng mit der Kritik der politischen Ökonomie verknüpft ist und [dieser] letztlich untergeordnet wird«14. Mit diesem Urteil folgt Miguel Abensour vielen Ansätzen, die dem Marx’schen Denken insgesamt einen Mangel an der Beschäftigung mit Politik attestieren. Dieses Urteil drückt sich auch in der Kritik am vermeintlichen Ökonomismus15 oder auch der Spannung zwischen der Theorie des Klassenkampfs und Marx’ politischen Ökonomie aus.16 In der Absicht ähnlich, allerdings mit einem anderen Zugriff, sieht Jacques Rancière bei Marx im Proletariat als Träger eines finalen Klassenkampfes einen Hinweis auf ein »Jenseits von Politik«17.
Oliver Flügel-Martinsen kritisiert an allen diesen Ansätzen jedoch die Überfokussierung auf Marx’ ökonomische Gesellschaftstheorie.18 In ihrem Vorwort zum Sammelband Kritik im Handgemenge stellen auch Matthias Bohlender und andere fest, dass gerade die »Stimme« der Marx’schen Kritik als »politischer Einsatz« lange und »allzu gerne überhört und vergessen« wurde.19 Damit legen sie den Finger in die Wunde. Marx’ Hinterlassenschaft hat im Laufe der Kanonisierung und wiss...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titelseite
- Impressum
- Inhalt
- Widmung
- 1. Einleitung
- 2. Historischer Kontext
- 3. Demokratische Revolution – Tocquevilles Analyse
- 4. Die bürgerliche Mittelstandsgesellschaft als despotisme démocratique – Tocquevilles Kritik
- 5. Politik als bürgerliches Eigeninteresse – Tocquevilles Vision
- 6. Historischer Gegensatz und historische Entwicklung – Marx’ Analyse
- 7. Bürgerliche Gesellschaft und Despotie des Kapitals – Marx’ Kritik
- 8. Radikal-revolutionäre Politik – Marx’ Vision
- 9. Historische Entwicklung der Rationalisierung – Webers Analyse
- 10. Die moderne bürgerliche Gesellschaft als stählernes Gehäuse – Webers Kritik
- 11. Elitäre Politik – Webers Vision
- 12. Schluss
- Danksagung
- Literatur