Pathos – Skills, Methoden
Wer etwas erreichen will, braucht dazu andere Menschen. Meist gilt es, mehrere Schlüsselpersonen zu überzeugen, wenn man ganz konkrete Vorstellungen realisieren und durchsetzen will. Letztendlich ist es immer eine Mensch-zu-Mensch-Sache, die entscheidet, ob ein bestimmter Weg eingeschlagen, eine Massnahme getroffen oder eine wichtige Entscheidung gefällt werden kann. Immer wieder wird es notwendig, andere Menschen eingehend und nachhaltig zu überzeugen.
Die eigenen Vorstellungen von Ethik und die eigene, innere Einstellung nehmen einen entscheidenden Einfluss auf alles, was man mit anderen Menschen vorhat. Es kommt aber noch etwas Wichtiges hinzu: Bevor man mit der Überzeugungsarbeit beginnt und daran geht, konkrete Vorschläge zu machen, Argumente darzulegen und Begründungen dazu zu liefern, sollte man unbedingt versuchen, den zu überzeugenden Personen zu signalisieren, dass man sie schätzt, ernst nimmt und sich für sie als Mensch interessiert. Nach meiner Erfahrung kommt das in der heutigen, sehr schnellen und rationalen Geschäftswelt viel zu kurz. Man kommt sofort zur Sache, schiesst gleich los und überfällt so den oder die Menschen, die man überzeugen will. Diese fühlen sich überrollt, bedrängt und oft sogar beinahe vergewaltigt.
In diesem Kapitel zeige ich Soft Skills, Vorgehensweisen und Methoden auf, die helfen, andere Menschen für sich zu gewinnen, Sympathie und Vertrauen herzustellen und ein gewisses Interesse zu erzeugen, bevor man zur eigentlichen Sache kommt. Auch hier gilt die Regel der freien Wahl. Man nehme einfach die eine oder andere Idee auf und versuche, sie zu realisieren. Risiken sind praktisch keine zu erwarten, es könnte höchstens sein, dass die Gesprächsperson von sich aus früher zur Sache kommt, als man es erwartet hätte. Das wäre nicht schlimm, man könnte trotzdem davon ausgehen, dass die Person interessiert ist, sich die Vorschläge anzuhören, die man ihr machen will.
Ganz schlecht ist es jedenfalls, ohne jegliche Empathie einfach mit seiner Argumentation draufloszuschießen, bevor man überhaupt weiss, wo sich der Gesprächspartner momentan geistig noch befindet.
Argumente zu platzieren, ohne vorher das Interesse
dafür geweckt zu haben, ist etwa so aussichtsreich,
wie mitten in der Nacht mit einer Flinte herumzuschiessen,
in der Hoffnung, einen Hasen zu treffen.
Auf Menschen zugehen
Die ersten paar Sekunden einer Begegnung sind ganz entscheidend. Da wird eine Weiche gestellt. Der erste Eindruck ist ganz wichtig. Ist er eher negativ, wird das ganze Gespräch unter negativen Vorzeichen ablaufen. Ist er positiv, hat man einen unschätzbaren Vorteil erreicht für das anschließende Überzeugungsgespräch. Die nachfolgende Anregung hat sich in der Praxis sehr bewährt. Es sind mir keine Fälle bekannt, wo sich dieses Vorgehen nicht erfolgreich ausgewirkt hat, wenn es denn wirklich konsequent angewendet wurde.
Drei Schritte, wenn Sie auf Menschen zugehen:
1)Ich nehme mich ganz in den Augenblick hinein
2)Ich wende mich ganz dem Gesprächspartner zu
3)Ich interessiere mich für den Gesprächspartner als Mensch
1. Schritt: Ich nehme mich ganz in den Augenblick hinein.
Dazu stelle ich alle Gedanken für drei Sekunden lang ab. Das ist gar nicht so einfach. Man kann schwerlich an gar nichts denken. Ich überliste mich manchmal, indem ich drei zweistellige Zahlen aufzähle, dann sind die drei Sekunden vorbei (Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig). Wir haben die Tendenz, entweder in der Zukunft oder in der Vergangenheit zu leben. Wir denken voraus, was alles geschehen könnte. Wir machen uns Sorgen, wir haben Angst vor der Zukunft. Oder wir denken an Ereignisse in der Vergangenheit und projizieren diese auf die Gegenwart. Dabei ist es so, dass wir als kleine Kinder ausschließlich in der Gegenwart gelebt haben. Ein kleines Kind lebt ganz im Hier und Jetzt. Es hat kein Zeitgefühl. Es weiß nicht, was der Unterschied zwischen «morgen» und «nächstes Jahr» ist. Beides ist gleich weit entfernt. Es ist einfach nicht Jetzt. Auch Vergangenes ist einfach früher gewesen – wie lange es her war, kann es nicht abschätzen. Es kann nur unterscheiden zwischen Jetzt und Nicht-Jetzt. Ein kleines Kind kann im einen Augenblick tief traurig sein. Man kann es herausnehmen aus seiner Traurigkeit. Dann kann es im nächsten Augenblick überglücklich sein. Das Leben ist nicht was früher einmal war oder was morgen oder später einmal sein wird. Das Leben ist jetzt, dieser Moment, dieser Augenblick, das ist das Leben! Und wir können alle den Augenblick beeinflussen. Wir entscheiden, wie wir diesen jetzigen Augenblick erleben. Wenn wir uns also in diesem ersten Schritt «in den Augenblick hinein nehmen», leben wir ganz intensiv im Hier und Jetzt. Damit erstrahlt in uns ein Vulkanfeuer und wir werden gleichzeitig sehr sensibel auf alle momentan vorhandenen Eindrücke.
2. Schritt: Ich wende mich ganz dem Gesprächspartner zu.
Ich gebe ihm meine volle Zuwendung. Das ist nur möglich, wenn man den ersten Schritt getan hat. Sonst kann man keine volle, sondern nur partielle Zuwendung geben. Partielle Zuwendung ist bereits eine Strafe. Wenn man selbst erlebt und spürt, wie ein anderer Mensch «nicht ganz da ist», sondern mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz anderswo ist, hat man ein ganz schlechtes Gefühl (Der Körper steht zwar vor mir, aber Seele und Geist sind noch auf einer anderen Baustelle tätig).
3. Schritt: Ich interessiere mich für den Gesprächspartner als Mensch. Im Gegensatz zu den beiden ersten Schritten, die durchaus nicht leicht durchzuführen sind, fällt dieser dritte Schritt leicht. Ich interessiere mich für die Welt, die hinter diesem Menschen steht. Das ist ja auch sinnvoll, denn je mehr ich über den Menschen weiss, den ich überzeugen will, desto leichter wird mir die Überzeugungsarbeit fallen. Dieses Interesse, das ich für ihn habe, spürt er. Man spürt immer, wenn sich jemand für einen interessiert. Umgekehrt nimmt man auch wahr, wenn das Gegenteil der Fall ist und reagiert entsprechend negativ, wie das vorher beschrieben wurde.
Abraham Masl...