
- 400 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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eBook - ePub
Leichte Sprache
Über dieses Buch
erzählt die Geschichte von vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben. Nati beschreibt ihre Symptomatik als »Schiebetüren-Syndrom«: Unter Druck verändert sich ihr Verhältnis zur Umwelt. Alle vier haben Lernschwierigkeiten. Marga ist Analphabetin und sexuell überaus aktiv, Àngels stottert, Patri hat Logorrhö. In integrativen Tanzgruppen und in der Hausbesetzerszene Barcelonas versuchen die Frauen, sich von der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und Justiz zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So scharfsinnig wie wütend demaskiert die Tänzerin Nati die Ideologie der nach den Vorstellungen der »neoliberalen Macho-Faschos« funktionierenden Gesellschaft, ihre Cousine Àngels entdeckt mit »leichter Sprache« ein Instrument der Teilhabe und verfasst ihre Lebensgeschichte auf WhatsApp mit erstaunlicher Poesie. Vielstimmig erzählt Cristina Morales vom Leben dieser Frauen und montiert dabei Gerichtsakten, Protokolle der anarchistischen Okupas und ein Fanzine zu einem großen Roman.
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Information
Ich habe Schiebetüren an den Schläfen. Sie schließen vertikal, wie am Eingang der Metrostation, und schotten mein Gesicht ab. Man kann sie mit den Händen darstellen, indem man das Kinderspiel Kuckuck-Da macht. »Wo ist Mama, wo ist Mama? Daaa!«, und beim Da gehen die Hände auseinander und das Kind lacht sich kaputt. Die Schiebetüren meiner Schläfen bestehen nicht aus Händen, sondern aus einem glatten und widerstandsfähigen, durchsichtigen Material, sie sind mit einer Gummileiste eingefasst, die für gedämpftes Öffnen und Schließen sorgt und für ihre hermetische Verschlossenheit. Genauso wie die Schiebetüren in der Metro. Zwar ist glasklar zu erkennen, was auf der anderen Seite geschieht, doch sind sie zu hoch und zu glatt, als dass du darüberspringen oder dich ducken und darunter durchkriechen könntest. Auf die gleiche Weise legt sich, wenn sich die Schiebetüren schließen, eine harte, transparente Maske auf mein Gesicht, die es mir zwar erlaubt, zu sehen und gesehen zu werden, und die wirkt, als würde nichts zwischen mir und der Außenwelt stehen, tatsächlich aber können keine Informationen mehr von der einen zur anderen Seite fließen, und es werden nur die grundlegendsten Reize zum Überleben ausgetauscht. Um die Schiebetüren der Metro zu überwinden, muss man auf den Automaten klettern, der die Fahrscheine entwertet und der als zugleich verbindendes und trennendes Element zwischen zwei benachbarten Türenpaaren dient. Oder aber einen Fahrschein bezahlen, klar.
Manchmal sind sie keine harte, transparente Maske, meine Schiebetüren, sondern ein Schaufenster, durch das ich etwas betrachte, was ich nicht kaufen kann, oder durch das ich von einem anderen mit dem Verlangen betrachtet werde, mich zu kaufen. Wenn ich von meinen Schiebetüren spreche, meine ich das nicht im übertragenen Sinne. Ich versuche ganz unbedingt wörtlich zu sein, ihre Mechanik zu erklären. Als ich klein war, habe ich viele Liedtexte nicht verstanden, weil sie so voller Euphemismen, Metaphern, Ellipsen, kurz gesagt voll ekelhafter Rhetorik waren, voll ekelhafter Redewendungen, wo »Frau gegen Frau« nicht bedeutet, zwei Frauen kämpfen miteinander, sondern zwei Frauen ficken. Wie verdreht, wie unterschwellig und verranzt. Wenn es wenigstens »Frau mit Frau« hieße … aber nein: Wehe, jemand merkt, dass sich da zwei Mädels die Möse lecken.
Meine Schiebetüren sind keine Metapher für irgendwas, für so was wie eine psychologische Barriere, die mich von der Welt fernhält. Meine Schiebetüren sind sichtbar. An jeder Schläfe ist ein versenkbares Scharnier. Von den Schläfen bis zum Kinn öffnen sich Schlitze, durch die die jeweilige Schiebetür ein- und ausfährt. Sind sie deaktiviert, lagern sie hinter meinem Gesicht, jede auf ihrer Seite: halbe Stirn, ein Auge, halbe Nasenscheidewand und ein Nasenloch, eine Wange, halber Mund und halbes Kinn.
Zuletzt haben sie sich vorgestern in der Stunde für Zeitgenössischen Tanz aktiviert. Die Lehrerin tanzte sechs oder sieben genussvolle und kurze Sekunden lang für sich allein und markierte dann die Choreographie ein klein wenig langsamer für uns, damit wir sie uns einprägen und wiederholen konnten. Sie drückte auf Play und stellte sich in der ersten Position vor den Spiegel. Es fällt mir leicht, ihr zu folgen, wenn sie es langsam macht. Ich führe die Bewegungen mit einer Sekunde Verzögerung aus, oder noch weniger, diese Zeit brauche ich, um sie aus dem Augenwinkel nachzuahmen und mich zu erinnern, was als Nächstes kommt, aber ich führe die Bewegungen intensiv und vollständig aus, das erfüllt mich und ich fühle mich wie eine gute Tänzerin. Ich bin eine gute Tänzerin. Dieses Mal allerdings hatte die Lehrerin mehr Lust zu tanzen als Tanz zu unterrichten, und ich konnte ihr nicht folgen. Sie zählte fünf-sechs-sieben-acht und legte los, die Haare flatterten im von ihr selbst verursachten Wind, und über die Musik hinweg und ohne anzuhalten benannte sie die Schritte, die sie gerade machte. Versenkbare Scharniere, die sich aktivieren, Polyurethanplatten, die sauber und geräuschlos von der Rückseite des Gesichts auf dessen Vorderseite gleiten und sich schließen. Ich tanze nicht mehr, sondern brummele unwillig vor mich hin. Halbherzig mache ich ein paar Schritte, lasse andere aus, imitiere die glücklicheren Kameradinnen im Versuch, wieder reinzukommen, und schließlich bleibe ich stehen, während die anderen tanzen, lehne mich an die Wand und schaue zu. Es sieht aus, als würde ich mit höchster Aufmerksamkeit die Choreographie einstudieren, aber weit gefehlt. Weder dekonstruiere ich das Wollknäuel, das der Tanz ist, in einzelne Bewegungen, noch packe ich das Ende des Fadens, um mich nicht im Tanz zu verirren, diesem Labyrinth verschiedener Richtungen. Stattdessen spiele ich wie ein Kätzchen mit dem Faden, achte auf die Beschaffenheit der Körper und der Kleidung meiner Kameradinnen.
Unter den sieben oder acht Schülerinnen ist ein Schüler. Er ist ein Mann, aber vor allem ist er ein Macho, ein ständiger Zurschausteller seiner Männlichkeit in einer Gruppe von Frauen. Er trägt ausgeblichene Farben und langes Haar, er ist schlecht rasiert und sein Appell an die Gemeinschaft und die Kultur ist stets einsatzbereit. Mit anderen Worten, ein Faschist. Für mich sind Faschist und Macho Synonyme. Er tanzt sehr unbeholfen, er ist aus Holz. Letzteres ist keineswegs verwerflich, genauso wenig wie meine Schiebetüren, die alle Frauen bemerkt hatten und mich daher in Ruhe ließen. Der Macho aber tat so, als würde er sie nicht sehen, und als die Choreographie, aus der ich ausgestiegen war, zu Ende war, kam er zu mir, erklärte mir, was ich falsch gemacht hatte, und bot an, mich zu verbessern. Nicht nur sein Körper, auch sein Gehirn ist aus Holz, und das ist sehr wohl verwerflich. Ja, ja, gut, gut, antwortete ich, ohne mich vom Fleck zu rühren. Du kannst mich jederzeit fragen, wenn du unsicher bist, sagte er lächelnd. Meine Güte, nur gut, dass die Schiebetüren geschlossen waren und diese Machohaftigkeit dank meines vollständigen Desinteresses für die Außenwelt nur abgeschwächt zu mir durchdrang. Das ist ein gutes Beispiel für die Schiebetüren als Schaufenster, hinter dem ich ausgestellt und unberührbar bin.
Es ist ja nicht so, dass ich der Choreographie vorgestern nicht hätte folgen können, vielmehr wollte ich ihr nicht folgen, ich hatte keine Lust, im Gleichschritt mit sieben fremden Frauen und einem Macho zu tanzen, ich hatte keine Lust, die feuchten Choreographinnenträume der Tänzerin zu befriedigen, die als Tanzlehrerin in einem städtischen Bürgerzentrum geendet war, und ich hatte keine Lust, das Niveau einer professionellen Tanzkompanie vorzutäuschen, wenn wir in Wirklichkeit doch eine Gruppe Mädchen aus einer Tagesförderstätte für Erwachsene sind; und dass man willens ist, etwas nicht zu tun, das verstehen die Leute nicht.
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Widmung
- Inhalt
- Leichte Sprache
- DANKSAGUNGEN
- Impressum