Filip
  1. 500 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Über dieses Buch

Sommer 1943: Der dreiundzwanzigjährige Filip, knapp aus sowjetischer Gefangenschaft entkommen und mit falscher Identität nach Deutschland geflohen, taucht als französischer Fremdarbeiter in Frankfurt am Main unter. Frech und von sich eingenommen, verschafft er sich eine Anstellung als Kellner im renommierten Parkhotel, das als Luxusherberge für Nazi-Bonzen gilt – in der Absicht, den Krieg "im Auge des Orkans" zu überleben.Filip ist ein temporeicher Schelmen- und Hotelroman über einen ›jüdischen Felix Krull‹, der leichthändig und aus einer wenig bekannten Perspektive ein lebendiges Stimmungsbild einer deutschen Großstadt während des Kriegs entwirft. Dieser fabelhafte wie wichtige autobiographische Roman des rebellischen polnischen Bestsellerautors, der nun erstmals auf Deutsch vorliegt, lädt dazu ein, einen weltoffenen europäischen Erzähler zu entdecken.

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1

»Weißt du schon? Blanca ist gekommen«, sagte Piotr und knöpfte sein Hemd über der Brust auf.
Ich lag auf Piotrs Bett und beobachtete mit Interesse, wie er das Ablegen des Fracks nach der Arbeit zelebrierte. Ich mochte Piotrs Gesten: die Art, wie er das Gesicht mit der Zigarette über das in den Fingern gehaltene Streichholz beugte, die Neigung des Kopfes und die Bewegungen der Hände beim Aufknöpfen des weißen Pikeehemdes, wie er es über den Kleiderbügel zog und in den Schrank hängte – all das war mir irgendwie teuer. Diese Freundschaft war wie ein Lächeln des Schicksals auf uns gekommen, wie ein Lottogewinn oder etwas in der Art. Es war gut, jemanden zu haben, dem man vertrauen konnte und für den man noch etwas mehr empfand, und gut war es, wenn dieser Jemand gleichaltrig war, ein junger, aufgeweckter Bursche mit hellem, boshaftem Lachen und starken Schultern.
»Ich habe nicht einmal gewusst, dass sie fort war«, sagte ich faul. Wir hatten Sommer, das heiße Ende des Junis dreiundvierzig, hinter dem Fenster von Piotrs Zimmer lag, erstarrt in der Hitze, Frankfurt.
»Sie war fort«, sagte Piotr, zog Hose und Schuhe aus und schüttete Wasser in eine Schüssel. »Was für eine Knochenarbeit heute«, beklagte er sich und goss das Wasser über seinen schlanken, kräftigen Torso. »Warum hast du heute nicht beim Mittagessen gearbeitet?«, fragte er. »Du warst doch schon zum Frühstück nicht da?«
»Doch, ich bin da gewesen. Es gab wenig Arbeit, also bin ich gegangen, ehe du so gnädig warst und dich zum Säubern des plattierten Geschirrs eingefunden hast. Brütsch hatte mir freigegeben. Doch vorhin hat er dich gesucht und verwünscht.«
»Weil er sich vom Morgen an hat volllaufen lassen. Während des Frühstücks haben sie neue Kisten mit Cognac hereingeschleppt. Wenn Brütsch anfängt, für Ordnung zu sorgen, dann weißt du, was kommt. Aber was geht mich das alles eigentlich an …«
Ich streckte mich zufrieden: In jedem Winkel meines Körpers spürte ich eine gesegnete, satte Müdigkeit, die meinen jugendlichen Kräften keinen Abbruch tat.
»Ich bin ja so müde.«
Piotr stand in einer Badehose in der Mitte des Zimmers und trocknete sich mit einem Handtuch die langen, schlanken Beine ab. Danach zog er ein sauberes Turntrikot und die Trainingshosen aus Baumwolle an und setzte sich auf die Bettkante.
»Wann hast du zum letzten Mal so richtig gebrettert?«, spöttelte er.
»Gestern«, sagte ich glückselig. »Die aus Mainz ist gekommen.«
»Ja und? Wo?«
»Stell dir vor, sie hat sich ein Hotelzimmer genommen, an der Ecke Karlstraße.«
»Im Imperial?«
»Genau. Sie hat angerufen, von der Rezeption, ich habe mich für den Nachmittag im Café Schumann[1] mit ihr verabredet. Es war leer dort. Sie sah sogar ganz hübsch aus. Aber für nichts in der Welt wollte sie zu uns nach oben. Sie sagte, sie sei gekommen, um mit mir Spaß zu haben, und nicht, um vor Angst zu sterben.«
»Du Idiot«, sagte Piotr besorgt, »und, bist du zu ihr gegangen? Du Trottel. Warte nur, du treibst es zu weit.«
»Was sollte ich tun? Am Abend in ihr Zimmer zu gelangen, war kein Problem, aber als ich am Morgen runterging, sprach mich der Portier wegen des Schlüssels an. Ich rief ihm zu, dass meine Frau noch oben sei, und zog Leine. Wenn er nicht so phlegmatisch gewesen wäre …«
»Du Trottel«, wiederholte Piotr und steckte sich mit einer bezaubernden, unvergleichlichen Bewegung eine Zigarette an. »Dir gefällt das, so ein Sprint, das Leineziehen, dass du ihn übers Ohr gehauen hast.«
»Mein lieber Piotr«, sagte ich, »sei nicht zornig. Ich bin so müde. Morgen ist Sonntag. Ich habe einen ganzen Tag lang frei.«
»Ich auch«, meinte Piotr.
»Wie?« Ich kam zur Besinnung.
»Was, wie?« Piotr lachte. »Ich habe einen Tag gut bei Vessely. Er will für mich den Sonntag übernehmen. Wir können aus der Stadt rausfahren. In den Taunus, ja? Lass uns Blanca mitnehmen.«
»Und Savino?«
»Mit Savino ist Schluss. Ich habe heute Morgen mit ihr geredet. Sie hat vor der Abreise aus Frankfurt mit ihm Schluss gemacht.«
»Oder er mit ihr?«
»Vielleicht«, sagte Piotr gleichgültig, »aber egal.«
»Das ist nicht so einfach«, sagte ich, etwas schien mir hier nicht in Ordnung zu sein. »Du kannst dich nicht so ohne weiteres an das Mädchen eines Kumpels heranmachen. Warte lieber ein bisschen. Schließlich waren sie und Savino so verliebt. Ich kann mich erinnern, dass Blanca eine Woche lang nicht aus dem Bett herausgekommen ist und Savino sich morgens nur den Frack überzog und um zehn Uhr wieder zurück im Bett war. Dasselbe um halb zwei, in den Frack und runter zum Mittagessen, um vier hoch und ins Bett gesprungen, um halb sieben in den Frack und zum Abendessen, um elf wieder ins Bett. Und das ging eine ganze Woche so, weißt du noch?«
»Ich weiß es noch«, sagte Piotr, »das ist Geschichte. Jetzt bedient Savino einen Gast im dritten Stock, die Frau des stellvertretenden Gauleiters. Er hat Karriere gemacht. Ich bin gespannt, wann sie das Zimmer wieder freigibt. Und in der Rezeption bibbern sie vor Angst.«
»Er ist Italiener«, seufzte ich vor Neid, »er darf alles. Und da er ansehnlich und adrett ist, klappt es. Es funktioniert.«
»Aber Blanca ist ausgerissen«, schloss Piotr. »Ganz schön ehrenhaft. Das ist überhaupt eine ganz außergewöhnliche Deutsche.«
»Hör auf«, ich musste lachen. »Hör mit diesem Gerede auf. Sie gefällt dir, und basta.«
»Ja, das tut sie«, sagte Piotr ruhig.
Das ist was Ernstes, dachte ich mir. Piotr sagte selten, dass ihm eine gefiel, Mädchen spielten in seinem zwanzigjährigen Leben nicht die wichtigste Rolle.
»Wenn sie dir so gefällt«, sagte ich und gab dem Wörtchen so eine überaus ironische Färbung, »dann weiß ich nicht, was ich noch sagen soll. Moralische Bedenken haben für dich also keine Bedeutung.«
»Zumindest weiß ich«, sagte Piotr, »dass sie mir nicht übel mitspielt. Dass sie mich nicht in ein Hotel zerrt, aus dem man mich mit einem Gestapowagen abholt.«
»Mein lieber Piotr«, sagte ich etwas pathetisch, »die aus Mainz hat Bruder und Mann an der Front. Du vergisst, dass Krieg ist und dass es unsere Pflicht ist, zu kämpfen. Jeder geht sein Risiko ein.«
»Du hast komische Methoden«, lachte Piotr heiter, »du kämpfst mit merkwürdigen Waffen.«
»Hier«, ich täuschte Wut vor, »direkt in der Mitte von Deutschland. Ich ziehe meine Methode jederzeit deiner vor. Mir würde es schwerfallen, einen Schrank voller gestohlener Weinflaschen als Beweis unseres Siegs anzusehen.«
»Ich führe einen Wirtschaftskrieg«, sagte Piotr lachend, »und zwar äußerst erfolgreich.«
»Denkst du«, murmelte ich. »Du weißt doch selbst nicht mehr, was du mit dem Geld anstellen sollst.« Was eine schreiende Ungerechtigkeit war, denn Piotr war in Geldsachen stets sehr loyal, er gab mir was, wenn ich es brauchte. Er tat es nicht allzu gerne und ersparte mir seine taktlosen Sticheleien nicht, doch er gab es mir trotzdem.
*
Und so lagen wir also am nächsten Tag mit Blanca am Fuße des Taunus im Gras. Wir waren am Bahnhof Oberursel ausgestiegen und hatten vergeblich versucht, der sonntäglichen Menge der Deutschen mit Kindern und Essenskörben zu entkommen. Die Ufer des erbärmlichen Baches waren von deutschen Frauen in Büstenhaltern und Sommerröcken belegt, da in dieser Umgebung ein Badekostüm nicht angemessen erschien.
»Was für ein Schwachsinn«, klagte ich, »anstatt zum Strand bei Mosler[2] zu gehen, im Juni einen idiotischen Maiausflug zu machen.«
Piotr schleppte wortlos eine Ledertasche mit Proviant und Wein; er passte irgendwie in diese Menschenmenge, und wäre er nicht groß und gutaussehend gewesen, was unter den männlichen Auserwählten hier die Ausnahme bedeutete, so hätte er sich kaum von ihnen abgehoben. Er war ein europäischer Spießer, und wenig unterschied ihn von den Soldaten auf Urlaub aus Hessen, dem Rheinland oder der Pfalz.
»Wir müssen uns von dieser beschissenen Meute absondern«, sagte Blanca, »wenn ihr hier die Flaschen herausholt, werden euch die Leute mit Blicken töten. So sind sie eben heute.«
Wir schleppten uns auf eine Anhöhe und legten uns nebeneinander in die Sonne. Wir hatten vergessen, eine Decke mitzunehmen, und das trockene Gras war schon brüchig und pikste, weshalb wir uns nicht bis auf unsere Badesachen ausziehen konnten. Piotr öffnete die Ledertasche und holte Butterbrote mit Salami und Limburger sowie zwei Flaschen Moselwein heraus.
»Es gab nichts Besseres als diesen Trarbacher«, meinte er beiläufig.
»Nichts Besseres...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Titel
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 | Weißt du schon? …
  6. 2 | Die Liebe ist, wenn man …
  7. 3 | Zuweilen habe ich den Endruck …
  8. 4 | Pjotr, Marcel und Pierre trafen ein …
  9. 5 | Meistens erwachte ich mit merkwürdig …
  10. 6 | Ich wusste, dass ich nicht …
  11. 7 | Wer kann das sein? …
  12. 8 | Am nächsten Tag sprang Hella …
  13. 9 | So wie vor ein paar Stunden …
  14. 10 | Die ganze Nacht lang quälten mich …
  15. 11 | Ich wachte früh auf …
  16. Nachwort | Ein Pole in der Mainmetropole
  17. Anmerkungen
  18. Impressum
  19. Über den Autor