Was tun, wenn Schüler den Unterricht stören, streiten, provozieren, die Mitarbeit verweigern oder dem Unterricht fernbleiben – drohen und bestrafen?Es gibt auch einen Weg des gewaltfreien Widerstands, den Lehrer, Schulen und Eltern gehen können. Martin Lemme und Bruno Körner wenden dafür das Konzept der "Neuen Autorität", das ursprünglich von Haim Omer erdacht wurde, auf die Schule an. Autorität wird hier nicht als Eigenschaft zum Zwecke der Machtdemonstration verstanden, sondern als Haltung: Durch Beziehungsgestaltung, Transparenz und die Bereitschaft, sich intensiv und demonstrativ auseinanderzusetzen, entsteht zwischen Lehrer und Schüler eine tragfähige Beziehung. Diese Präsenz stärkt die Autorität des Lehrers, des Kollegiums, der Schule und auch die der Eltern.Die Autoren erläutern das Konzept verständlich, praxisnah und anhand vieler eigener Erfahrungen. Ein Leitfaden rundet den Spickzettel ab, sodass im Schulalltag Hilfe schnell griffbereit ist.
Häufig gestellte Fragen
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In den letzten Jahren sind wir immer häufiger gebeten worden, Fortbildungen für die Lehrerkollegien von Schulen anzubieten. Die Lehrkräfte berichten dann, sie würden Antworten auf Situationen und Zusammenhänge benötigen, denen sie kaum mehr angemessen begegnen könnten. Durch das Verhalten der Schüler sei ein reibungsloser Unterricht häufig erschwert. Sie seien mit Konflikten unter den Schülern, verweigerndem und provozierendem Verhalten sowie Interesselosigkeit bis hin zu Abwesenheit konfrontiert. Außerdem sei die Zusammenarbeit mit Eltern kaum noch möglich – zunehmend auch wegen sprachlicher Schwierigkeiten. Wie lässt sich nun eine Veränderung initiieren?
Aus einer systemischen Perspektive gehen wir davon aus, dass ein System sich anhand von wechselwirkungsbedingten und zirkulären Zusammenhängen entwickelt. So kann aus dieser Sicht das Verhalten von Schülern und Eltern nicht unabhängig vom Leben und Alltag in der Schule und somit auch nicht von Verhalten und Interaktionen der Lehrer – also der gesamten Schule – gesehen werden. Dies führt uns zu der Überlegung, dass wir stärker auf die Faktoren schauen sollten, die ein erfolgreiches Lehren und Lernen ermöglichen.
Aus eigener Erfahrung sowie von einschlägigen Studien (u. a. Hattie-Studie: Hattie 2014) wissen wir, dass hierbei besonders die (anerkannte) Autorität des Lehrers in Verbindung mit einer tragfähigen Beziehung zu den Schülern zählt. Wir können ebenfalls davon ausgehen, dass es uns nicht möglich ist, andere Menschen zu etwas zu zwingen (und dies zu kontrollieren), was wir zwar als richtig und angemessen erachten, worüber aber kein Konsens besteht. Wenn wir dabei auf Zwangsmaßnahmen und Sanktionen verzichten wollen, müssen wir unser Augenmerk auf die Verstärkung der eigenen Überzeugung und des daraus folgenden Handelns richten. Aus diesen Überlegungen sowie Haltung und Anwendung des gewaltlosen Widerstands (nach Mahatma Gandhi und Martin Luther King) hat sich das Konzept der »»Neuen Autorität«« entwickelt.
Der Begriff »Neue Autorität« im Buchtitel kommt manchem möglicherweise anmaßend vor, andere reagieren vielleicht besonders neugierig. Tatsächlich beschreiben wir anhand der Entwicklung eines Konzepts sowie der damit verbundenen Handlungsoptionen und -möglichkeiten eine Auffassung von Autorität, die weder auf Macht und Kontrolle noch auf einer Laisser-faire-Haltung aufbaut, sondern auf Beziehungsgestaltung, Transparenz und der Bereitschaft, sich intensiv und demonstrativ auseinanderzusetzen. Der Begriff »Neue Autorität« ist von Haim Omer (Tel Aviv, Israel) geprägt worden. Insofern schreiben und sprechen wir nicht von einer tatsächlich neu entwickelten Autorität, sondern von einer, die im Kontext der aktuellen Entwicklung neu zu interpretieren und anzupassen ist.
Wir beschreiben in diesem Spickzettel für Lehrer ein Konzept, welches Haim Omer seit Mitte der 1980er Jahre in Israel schrittweise umgesetzt und seit 1999 gemeinsam mit Arist von Schlippe in den deutschsprachigen Raum gebracht hat. Ursprünglich als Unterstützungskonzept für hoch eskalierte Familiensysteme (»Eltern, die Angst vor ihren Kindern haben«) entwickelt, wurde das Konzept auf die Bereiche Jugendhilfe, Schule und Gemeinde übertragen.
Im Kontext Schule stehen dabei nicht der Schüler und sein Verhalten im Fokus, sondern die Haltung und Handlungen der Lehrkräfte.
Unstrittig wird mittlerweile die Behauptung sein, dass Autorität ein zweiseitiges Verhältnis beschreibt: Autorität kann als eine Art persönliche Eigenschaft begriffen werden und wird einem zugleich von anderen zugestanden. Lehrer verlieren ihre Präsenz manchmal oder dauerhaft durch verschiedene Aspekte, die noch näher zu beschreiben sein werden – und damit verlieren sie in der Folge auch ihre Autorität. In unserem Konzept werden Handlungsoptionen beschrieben, die Lehrkräfte in ihrer Präsenz stärken und sie wieder als Autorität wirksam und anerkannt sein lassen.
Der Begriff der »Neuen Autorität« wurde von Omer und von Schlippe 2010 publiziert und eingeführt. Während die Auffassung von Präsenz insbesondere die einzelne Person bzw. die jeweils Handelnden im Fokus hat, wird mit dem Begriff der »Neuen Autorität« eine umfassendere Haltung beschrieben, die auch komplexere Systeme einschließt.
Am Ende dieses Spickzettels beschreiben wir einen Leitfaden, nach dem wir in Fallreflexionen vorgehen. Neben spezifischen Fragestellungen liegt diesem Leitfaden die Logik unseres Vorgehens zugrunde:
Person, Verhalten und Bedürfnis muss man voneinander unterscheiden, wenn es um Entwicklung geht.
Das Verhalten von Schülern wirkt sich auf den gesamten Schulkontext aus, insbesondere hat es Rückwirkungen auf die Selbstwirksamkeit (Präsenz) des Lehrers.
Das Verhalten anderer Menschen ist nicht direkt beeinflussbar. Daher ist es notwendig, den Rahmen dieses Verhaltens so zu gestalten, dass eine gute Entwicklung darin eher möglich wird.
Durch die Handlungsaspekte wird die Präsenz (wieder) gestärkt und stabilisiert, damit der Lehrer und das gesamte Kollegium durch beziehungsgestaltende Autorität wirksamen Einfluss auf das Zusammenleben in der Schule haben.
Wir haben die Ideen und Gedanken von Haim Omer und Arist von Schlippe vor mehr als 13 Jahren kennenlernen dürfen. Gepaart mit der systemischen Haltung hat uns in der Vergangenheit kein Konzept derartig tief greifend beeinflusst wie das der »Neuen Autorität«. Wir wünschen Ihnen, dass Sie sich von diesem Konzept inspirieren lassen, dass es Sie in einem guten Sinne verstört, anregt und belebt.
Martin Lemme & Bruno Körner
2 Präsenz und Beziehung im Schulalltag
Fragt man Schüler, was eine gute Lehrkraft mit entsprechender Autorität ausmacht, antworten sie recht einhellig beziehungsorientiert. In spontanen Befragungen (Lemme et al. 2009) antworteten die Schüler auf die Frage, welche Kriterien Lehrer auszeichnen, die sie als Autoritäten ansehen:
Sie seien fair,
konsequent,
würden einen interessanten Unterricht gestalten,
die Beteiligung der Einzelnen bemerken,
seien bei der Sache und
aufmerksam.
Insbesondere hätten sie ein sichtbares Interesse an den Schülern – gerade auch außerhalb des Unterrichts – und
seien offen für deren Anfragen.
Als autoritätsmindernd wurden wahrgenommen:
unfaires, intransparentes Handeln,
»Labern«,
Kollektivstrafen,
verbale Abwertungen,
undurchsichtige Regeln und
wenig anspruchsvoller Unterricht.
Lehrer erleben den Schulalltag heute als zunehmend anstrengend und herausfordernd. Sie beschreiben lustlose, unmotivierte und in zunehmendem Maße auffällige Schüler. Die Belastungen seien sowohl zeitlich als auch persönlich enorm, die Erwartungen, die von allen Seiten an sie herangetragen würden, seien sehr hoch. Nicht selten neigen Lehrer zu eskalierendem Verhalten im Umgang mit den Schülern. Die Krankenstände sind auffallend hoch. All diese Faktoren bedingen, dass sich Lehrer an ihrem Arbeitsplatz oft als hilflos erleben und ihre »Präsenz« verloren zu gehen droht (Omer u. von Schlippe 2004, 2010; Lemme et al. 2009).
Omer und von Schlippe (2010) gehen davon aus, dass alle Beteiligten an einer »sicheren Schule« interessiert sind, die sich dadurch auszeichnet, dass
die Lehrkräfte den Schülern Schutz und Unterstützung bieten,
mit Nachdruck gegen Gewalt und Mobbing vorgehen,
jede Form von Gewalt und Erniedrigung vermeiden,
um eine Atmosphäre von Ordnung und Recht bemüht sind sowie
ein Unterstützungsnetzwerk von Eltern, Gemeindefunktionsträgern und der Mehrheit der Schülerschaft einrichten (ebd., S. 172).
»Eine der Grundvoraussetzungen für eine sichere Schule ist zuallererst das Vermögen der Lehrer … die Verhaltensregeln zu bestimmen. Diese Prämisse entspringt einer einfachen Tatsache: Wenn die Lehrer nicht fähig sind, die Verhaltensregeln zu bestimmen, so tun es die Mobber der Schule« (ebd., S. 172).
Wenn also ein Lehrer seine Autorität verliert, stellen sich viele Schüler auf die Seite derjenigen, die durch destruktives Verhalten die sozialen Regeln in der Schülerschaft bestimmen, oder sie entscheiden sich zu schweigen. Wie also kann die Autorität von Lehrern (wieder) hergestellt oder bestärkt werden, sodass deren Kraft nicht auf Drohungen, Bestrafungen, Furcht oder Gehorsam, sondern auf Präsenz, Beziehungsorientierung, Selbstkontrolle und entschiedener Anteilnahme aufbaut?
3 Von der elterlichen Präsenz zur »Neuen Autorität« in der Schule – ein Überblick
In dem Beratungszentrum an der Universität in Tel Aviv, in dem Haim Omer tätig ist, meldeten sich Eltern, die von ihren Kindern geschlagen wurden bzw. deren Kinder häufig abgängig waren, sich prostituierten oder Drogen konsumierten. Omers Idee war und ist, dass eine Wiederherstellung der elterlichen Präsenz ein wichtiger Schritt sein könnte, wieder in einen Beziehungskontakt zu kommen. Dabei ging es nicht um ein neues Erziehungsmodell, sondern um ein »Coaching« der Eltern, wieder ihren »Job als Eltern« gut leisten zu können (ebd., S. 20). Omer und von Schlippe (2010) stellten fest, dass sich diese Eltern durchaus bereits zuvor professionelle Hilfe in Form von Beratung und Therapie geholt hatten, diese allerdings offenbar nicht hilfreich genug gewesen war.
Als Grundlagen der elterlichen Präsenz wurden zunächst drei Aspekte unterschieden:
die Fähigkeit, wirksame Handlungen ausführen zu können,
das Bewusstsein, dass das eigene Handeln aus den eigenen moralischen und ethischen
Prinzipien heraus richtig ist, und
das Gefühl, dass andere die Anstrengungen unterstützen werden.
Mit anderen Worten: Wenn die Eltern fähig sind zu sagen »Ich kann handeln!«, »Dies ist richtig!« und »Ich bin nicht allein!«, dann basiert ihr Handeln auf elterlicher Präsenz (ebd., S. 35).
Für Haim Omer und sein Team wie auch für uns gerieten zunehmend andere Gruppen und Systeme in den Fokus (Omer u. von Schlippe 2004, 2012). Insbesondere stellte sich heraus, dass Eltern sowie Lehrer nicht selten mit den gleichen Verhaltensproblemen der Kinder zu tun haben, dass ihre Autorität auf vergleichbaren Grundlagen basieren und die Erwartungen wie auch die Kritik an ihnen ähnlich erscheinen (ebd., S. 163). Zudem bleibt aus der Praxis heraus festzustellen, dass die Kooperation von Lehrern und Eltern zum Schlüssel für die Verstärkung der Autorität des jeweils anderen werden kann. Seit 2004 gibt es auch in Deutschland Entwicklungen, dieses Konzept auf das System der Schule anzuwenden (s. Lemme et al. 2009; Lemme u. Eberding 2007).
4 »Lehrerliche Präsenz« und Wachsame Sorge
»Lehrerliche Präsenz«
Im Zentrum des Konzepts steht der Begriff der Präsenz, die als Quelle der Autorität verstanden werden kann.
Abb. 1: Diese 6 Dimensionen der Präsenz sind dynamisch und interaktiv miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Damit wird auch deutlich, dass es nicht um eine radikale Veränderung bestehender Strukturen und Abläufe geht, sondern um die kontinuierliche und dauerhafte Entwicklung einer Haltung, die die eigenen Handlungsoptionen erweitert.
Präsenz lässt sich beschreiben als die Möglichkeit des Erwachsenen, pädagogisch wirksam zu sein. Dies bezieht sich sowohl auf das eigene Erleben als a...
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Spickzettel für Lehrer – systemisch Schule machen
Inhalt
Spickzettel – bitte vorzeigen!
1 Einleitung und Anleitung
2 Präsenz und Beziehung im Schulalltag
3 Von der elterlichen Präsenz zur »Neuen Autorität« in der Schule – ein Überblick