Die Kraft des Satyagraha
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Die Kraft des Satyagraha

Roman über die ersten Jahrzehnte des Bundesrepublik Deutschland

  1. 696 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Die Kraft des Satyagraha

Roman über die ersten Jahrzehnte des Bundesrepublik Deutschland

Über dieses Buch

Die Kraft des Satyagraha - Roman über die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland Rechtzeitig zur Vorbereitung auf das Jubiläum des 75-jährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland lässt dieser Roman die Aufbaujahre der jungen Republik, ihre Menschen, Kräfte und Ziele, die sie bewegten, noch einmal lebendig werden, und erweist sich damit auch für die heutige Zeit als aktuelle Orientierungshilfe.

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Information

Jahr
2022
ISBN drucken
9783740781842
eBook-ISBN:
9783740798246

1. Kapitel

Vereinzelte Schneeflocken fielen aus einem dunklen, wolkenverhangenen Dezemberhimmel auf ein kleines Häuflein von Menschen, das sich mitten im geschäftigen Vorweihnachtstreiben der Großstadt vor einem Kaufhaus um einen Straßenprediger geschart hatte.
Mit lauter, aber ruhiger Stimme redete er auf eine so seltsam eindringliche Weise zu seinen Hörern, dass sich in deren anfänglich nur neugierigen und spöttischen Mienen mehr und mehr gespannte Aufmerksamkeit zeigte.
Mit seiner schlanken, hohen Gestalt überragte er die meisten der Umstehenden, seine Augen waren hinter einer dunklen Brille verborgen, eine Armbinde wies ihn als Blinden aus.
Neben ihm stand eine Frau, im Gegensatz zu ihm war sie von mittlerer, etwas breiter Statur. Sie hatte ein ausgesprochen hübsches, ebenmäßiges Gesicht; ihre großen, braunen Augen, die wie ein Spiegel ihrer Seele waren, offenbarten große Leidenschaft und Sensibilität, sie hingen jetzt an den Lippen des Mannes, nur hin und wieder warf sie einen schnellen, besorgten Blick in die Schar der Zuhörer, wenn etwa ein Lachen oder ein höhnischer Zwischenruf laut wurde.
„Wir haben dieses Land und unsere Stadt, die in Schutt und Asche lag, nach dem Krieg wieder aufgebaut“, rief der Prediger seinen Hörern zu.
„Und ich durfte ein wenig dazu beitragen, dass dies gelang. In der Vorweihnachtszeit merken wir es in den Geschäften und Kaufhäusern mit ihrem reichen Warenangebot wieder, wie viel Wohlstand es gibt“.
Er hielt einen Augenblick inne. „Wir haben unser Land, unsere Stadt zwar äußerlich aufgebaut, aber wie ist es in uns, was sieht es in uns aus? Haben wir nicht in den Aufbaujahren nach dem Krieg die Weichen in unserer Gesellschaft und in unserem privaten Leben zu sehr auf den Materialismus ausgerichtet, haben wir uns nicht von der Jagd nach Geld und Gut versklaven lassen und sind nicht die ideologische und staatliche Spaltung unseres Landes, der heutige Terrorismus, die Rauschgiftszene auch in unserer Stadt, die Kriminalität und die Umweltzerstörung Spuren dieser verkehrten Weichenstellung, die bis in unsere Gegenwart reichen?
Wir haben nach Quantität, nach immer mehr Wirtschaftswachstum gestrebt, aber nicht nach Qualität, wir haben die Vergangenheit des Nationalsozialismus nicht wirklich verarbeitet, sondern verdrängt.
Wirtschaftliche Rekorde, Leistung und Konsum waren unsere Götter, immer mehr Umsatz auch an dem Weihnachtsfest in diesem Jahr.
Und dabei werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer, bei uns und in der Dritten Welt, in der wir Menschen verhungern lassen, während wir im Überfluss leben. Und nun werfen uns unsere Töchter und Söhne dies mit Recht vor, die meisten mit Worten und gewaltlosen Demonstrationen, leider einige auch mit Waffen und mit Gewalt und für eine andere Gesellschaftsordnung.
Haben wir beim Wiederaufbau unseres Landes übersehen, dass der Mensch auch eine Seele hat, haben wir gedacht, unsere seelischen und sozialen Bedürfnisse würden befriedigt, wenn unsere materiellen Wünsche erfüllt seien? Haben wir unseren Egoismus wichtiger genommen als die Nächstenliebe, die Gaben wichtiger als den Geber?
Dass es uns doch nicht geht wie den Menschen, denen der Prophet Jeremia sagen muss:
Siehe, sie halten des Herrn Wort für Spott und wollen es nicht haben.
Darum bin ich von des Herrn Zorn so voll, dass ich ihn nicht zurückhalten kann. Denn sie gieren alle, klein und groß, nach unrechtem Gewinn, und Propheten und Priester gehen alle mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volkes nur obenhin, indem sie sagen:
„Friede! Friede!“ und ist doch nicht Friede. Sie werden mit Schande dastehen, weil sie solche Gräuel getrieben haben; aber sie wollen sich nicht schämen und wissen nichts von Scham. Darum sollen sie fallen unter den Fallenden, und wenn ich sie heimsuchen werde, sollen sie stürzen, spricht der Herr.“
Ein Betrunkener, der im Eingang des Kaufhauses Schutz vor der Kälte gesucht hatte, machte es dem Straßenprediger durch sein unablässiges Lallen und Grölen schließlich unmöglich, weiterzusprechen.
Da versuchte die Frau, den Prediger mit sich fortzuziehen.
„Komm“, sage sie fürsorglich, als spräche sie zu einem Kind. „Wir müssen nun gehen.“ Etwas zutiefst Gütige, ja Demütiges lag in der Art, wie sie dabei ihren Arm unter den des Mannes schob.
„He, he“, grölte der Betrunkene und schwenkte seine Schnapsflasche.
„Lass ihn doch weiterreden, den Prediger. Lass ihn reden, wir wollen unseren Spaß haben. Bist wohl scharf auf ihn, deinen Prediger? Willst ihn wohl für dich alleine, du alte Hure.“
Einige der Umstehenden lachten, andere wandten sich – von der Szene angewidert – ab und gingen nun weiter, während der Betrunkene auf den Straßenprediger zu taumelte und ihm seine Flasche vor das Gesicht hielt.
„Trink, Prediger, trink, das gibt das richtige Feuer zum Predigen.“
Die Frau fuhr nicht etwa erschrocken zurück, sondern schob sich schützend zwischen den Betrunkenen und den Prediger, der unbeweglich in der Mitte der Gruppe stehen geblieben war, und in dessen hageres, blasses Gesicht jetzt ein entschlossener, feierlicher, ja fast verklärter Zug trat. Es leuchtete im heiligen Ernst der Worte, die es jetzt zu sagen galt im Vertrauen auf die Macht, für die er gekämpft hatte sein Leben lang bis zu diesem Tag, und die allein auch diesem betrunkenen Spötter helfen konnte, dessen war er sich gewiss.
„Auch du kannst ihn gewinnen, den Kampf des Guten gegen das Böse“, rief er mit lauter, fester Stimme. „Wenn du in deiner Seele die Kraft des Satyagraha wirken lässt, dann kann sie dich von der Trunksucht befreien, diese Macht der Wahrheit und der Liebe. Du erkennst dann in Wahrheit, wie sehr dich deine Trunksucht in ihrer Gewalt hat, und wenn du dann der stärkeren Macht des Satyagraha vertraust, wird sie deine Seele weit machen. Du wirst aus Liebe zu den Menschen, die dich lieben, und aus Liebe und Achtung vor dir selber mit dem Trinken aufhören. Das verspreche ich dir, der ich jetzt vor dir stehe, äußerlich zwar ein Blinder, aber mit offenen Augen für diese Liebe, die stärker ist als alles andere auf dieser Welt, die auch dich heilen kann“.
„Was faselst du da?“ unterbrach ihn der Betrunkene, der den blinden Straßenprediger aus glasigen, rotgeränderten Augen anstierte. Einen Augenblick war er scheinbar verblüfft über dessen Worte.
„Du willst mir das Einzige nehmen, was ich noch habe, den Alkohol?
Dann will ich dir auch sagen, wer mich dazu gemacht hat: Meine Frau war das, diese Hure. Mit einem anderen Kerl hat sie es getrieben, und dann hat sie mir die Schuld gegeben. Ein Säufer bin ich, hat sie gesagt, und dabei hat sie mich erst dazu gemacht. Kommt mal her“, rief er aufgebracht seinen zwei Saufkumpanen zu, die sich der Gruppe genähert hatten.
„Hört euch doch einmal diesen Prediger, diesen Spinner hier an. Will uns hier etwas von Nächstenliebe, die kann er uns jetzt mal beweisen“, schrie er und schwenkte dabei die Schnapsflasche vor dem Gesicht des blinden Predigers hin und her, sodass dieser und die Frau neben ihm über und über vollspritzte. Ruhig wischte sich der Prediger mit der Hand durchs Gesicht, während die Frau nun heftig an seinem Arm zerrte. „Andreas, nun komm doch endlich“, flehte sie. „Du wirfst hier doch nur Perlen vor die Säue. Sie sind betrunken, sie wissen nicht mehr, was sagen.“
Sie sah, wie sich die zwei Gefährten des Betrunkenen torkelnd einen Weg durch die gaffende Menschenmenge bahnte, man versprach sich eine weitere Eskalation dieses Schauspiels und genoss sichtlich die ganze Szene. Durch das Gegröle des Betrunkenen waren noch weitere Passanten herbeigelockt worden, darunter ein kräftiger, breitschultriger, untersetzte Mann mittleren Alters. Auf seinem gutmütigem, etwas rundlichem Gesicht breitete sich mehr und mehr sich ungläubig-erstaunten Erstaunen aus, als er den Prediger und die Frau ins Auge fasste, und es ihm zur Gewissheit wurde: „Das ist doch Andreas Seelenbinder“, entfuhr es ihm. „und er macht seinem Namen wieder alle Ehre, meint immer noch, er müsste die Leute bekehren.“
Die umstehenden hörten den Namen, trugen ihn weiter, einer raunte es dem anderen zu: Seelenbinder stand dort vorne, „der Seeelenbinder“, als blinder Prediger der Macht der Liebe und Wahrheit.
„Seelenbinder, unser früherer Bürgermeister!“ Sie waren bestürzt, ja erschrocken auch über sich selbst, dass sie über ihn gelacht hatten, denn viele erinnerten sich noch an ihn, diesen Mann, der für das Wohl ihrer Stadt gearbeitet hatte, wie kein anderer, den Freund der Armen, der sozial Benachteiligten, den sie fertig gemacht hatten, die Reichen, die eben mächtiger waren, gegen die man zuletzt immer den Kürzeren zog, und das war eben sein Fehler gewesen, dies nicht erkannt zu haben, so wie sie es doch schon immer gewusst hatten.
Der untersetzte Herr, der Seelenbinder als erster wiedererkannt hatte, war durch die Menge nach vorne gegangen.
„Andreas Seelenbinder, was treibst du hier, bist du wieder einmal für dein Satyagraha im Einsatz?“, sagte er, während der den Betrunkenen mit der eine Hand bei Seite schob und mit der andern den Prediger mit sich fortzog. Die Frau, sichtlich erleichtert über diese unerwartete Hilfe, folgte ihnen.
„Ach, du bist es, Berthold“, sagte Andreas Seelenbinder, der seinen Freund aus vergangenen Tagen erst jetzt an seiner Stimme wiedererkannt hatte. „Immer ist einer von uns zur Stelle, wenn die Situation für den anderen brenzlig wird. Das war doch schon früher immer so, ich glaube, da hat dich uns doch wieder einmal einer als rettenden Engel geschickt.“
Ein Lächeln erhellte bei diesen Worten sein Gesicht.
„Das mit dem Engel kannst du glauben oder nicht, ganz wie du willst.
Du kennst ja meine Meinung dazu“, antwortete Berthold und seiner Stimme war deutlich anzuhören, was er von den Worten seines Freundes hielt. „Nur eines ist sicher: Sollte Ruth durch deine Hirngespinste einmal auch nur ein Haar gekrümmt werden, ziehe ich dich zur Rechenschaft. Das kannst du mir glauben, du Träumer. –Na, ja“, beruhigte er sich wieder, „das warst du ja schon immer, ein Phantast, und wirst es wohl ewig bleiben.“
Die unverblümte, leicht freche, übergriffige Art seines Freundes kränkte Andreas Seelenbinder wie früher auch jetzt zunächst wieder, aber schon immer hatte er gespürt, dass sich hinter dessen verächtlichen Ton ihm gegenüber auch Bewunderung, ja auch ein wenig Neid verbarg, dass er ihm geistig so weit überlegen war.
Andreas Seelenbinder seufzte, seufzte über seinen unverständigen Freund, der sich nicht geändert hatte, all die vielen Jahre über nicht, nichts hatte er gelernt, derselbe pragmatische Realist war er geblieben seit ihren gemeinsamen Kindheitstage bis ins Erwachsenenalter, als der Kampf um den „Glaspalast“, jenes Hochhaus, jene „Mietskaserne“ am Rande der Stadt, ihnen zum Schicksal werden sollte. Eigentlich waren sie vollkommene Gegensätze gewesen, aber immer wieder hatte sie das Leben gelehrt, dass sie einander brauchten: Andreas, der idealistische Utopist des „Satyagraha“ und Berthold, der nüchterne Wirklichkeitsmensch und Pragmatiker. Der eine empfand den anderen oft als zu kompliziert, der Zugang zur differenzierten, feinfühligen und tiefgründigen Gefühlslage Andreas Seelenbinders blieb dem schlichteren Gemüt seines Freundes Berthold zumeist verschlossen, für diesen waren die Situationen und Menschen sehr schnell und eindeutig zu beurteilen, alles reduzierte sich auf die beiden Fragen: Wer ist mein Freund, wer ist mein Feind, was ist jetzt zu tun? „Ihr beide habt doch bestimmt heute noch nichts Vernünftiges gegessen“, vermutete Berthold und wartete gar nicht erst auf eine Bestätigung. „Kommt, wir gehen in das Kaufhausrestaurant, man kann da ganz gut essen. Kein Widerspruch, unser Wiedersehen muss doch gefeiert werden, und ihr seid selbstverständlich meine Gäste!“.
Sie fuhren eine Rolltreppe hinauf, kurz vor Weihnachten herrschte jetzt großer Käuferandrang, die Ladentische waren festlich geschmückt, Weihnachtslieder sorgten als Hintergrundmusik zusätzlich für Stimmung und Kauflust. Das Restaurant befand sich im obersten Geschoss des Kaufhauses, sie setzen sich an einen Fenstertisch, von dem man auf den Marktplatz und in die Fußgängerpassage sehe konnte.
Ruth nahm Andreas Hand und streichelte sie.
„Überall hängen Weihnachtsgirlanden“, sagte sie, „es sieht sehr romantisch aus. Über den Schaufenstern haben sie Sterne aus Tannenzweigen und bunte Glühbirnen angebracht, über allen Straßen hängen Weihnachtsgirlanden und Lichterketten.“
Andreas Seelenbinder lächelte und legte seinen Arm um Ruth.
„Es sieht gewiss sehr festlich und romantisch aus“, sagte er.
„Warum lässt du dich nur von solchen Pennern fertigmachen“, schimpfte Berthold, der sich noch immer über den weltfremden Idealismus seines Freundes ärgerte.
„Es sind keine Penner, es sind Obdachlose“, wies ihn Andreas Seelenbinder zurecht. „Sie haben irgendwann irgendwie den Boden unter den Füßen verloren und brauchen jetzt Hilfe. Ich habe einmal mit einem gesprochen, dessen Name mir sehr bekannt vorkam. Er stammte aus einer der reichsten Familien unserer Stadt, hatte aber Pech gehabt bei seinen Geschäften und machte Konkurs. Da verließ ihn auch noch seine Frau und er begann zu trinken, jetzt lebt er auf der Straße, ist ohne festen Wohnsitz und geht „auf die Rolle“, wie er sagt. Weißt du noch, wie ich damals für die Streetworker gekämpft habe, bald hätte ich auch die Geschäftsleute so weit gehabt, sich an den Kosten zu beteiligen.“ – Berthold lachte, lachte seinen Freund aus, wie er ihn immer ausgelacht hatte, wenn ihm dessen Idealismus allzu weltfremd erschienen war. „Glaubst du im Ernst, die hätten sich jemals daran beteiligt? Nein, wer arm ist und am Boden liegt, dem gibt man noch einen Tritt, dass er da auch liegen bleibt, wer oben ist, wer Geld und Macht hat, vor dem kriecht man. Geld regiert die Welt, das ist eben so. Weißt du noch, wie sie uns im Glaspalast Gas und Strom fast einmal abgedreht hätten? Weil Herrmann Simon uns beinahe in den Bankrott getrieben hätte. „Herr-Mann“, er trägt ihn ja mit recht, seinen Namen, er ist der „Herr“ und mächtigste „Mann“ in dieser Stadt, der Große und Allmächtige, vor dem sie gekuscht haben, alle wie sie da saßen im Stadtrat, wenn ihm etwas missfiel und er andeutete, er könne seine Produktion auch ins Ausland verlegen.
Es ist schon merkwürdig, dass gerade ihr beide ihn zu Fall gebracht habt. Du, Andreas, hast ihn dann doch gewonnen, diesen Kampf gegen den großen Herrmann Simon, damals in deiner Zeit als Bürgermeister!“
„Wie man es nimmt“, wehrte Andreas Seelenbinder ab, es zuckte seltsam um seine Mundwinkel, seine Stimme klang nicht etwa resigniert oder gleichgültig, sondern eher...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über das Buch
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. 1. Kapitel
  4. 2. Kapitel
  5. 3. Kapitel
  6. 4. Kapitel
  7. 5. Kapitel
  8. 6. Kapitel
  9. 7. Kapitel
  10. 8. Kapitel
  11. 9. Kapitel
  12. 10. Kapitel
  13. 11. Kapitel
  14. 12. Kapitel
  15. 13. Kapitel
  16. 14. Kapitel
  17. 15. Kapitel
  18. 16. Kapitel
  19. 17. Kapitel
  20. 18. Kapitel
  21. 19. Kapitel
  22. 20. Kapitel
  23. 21. Kapitel
  24. 22. Kapitel
  25. 23. Kapitel
  26. 24. Kapitel
  27. 25. Kapitel
  28. 26. Kapitel
  29. 27. Kapitel
  30. 28. Kapitel
  31. 29. Kapitel
  32. 30. Kapitel
  33. 31. Kapitel
  34. 32. Kapitel
  35. 33. Kapitel
  36. 34. Kapitel
  37. 35. Kapitel
  38. 36. Kapitel
  39. Impressum