Zen Weiße Jade, falsches Gold
eBook - ePub

Zen Weiße Jade, falsches Gold

Lobpreis und Kritik

  1. 224 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Zen Weiße Jade, falsches Gold

Lobpreis und Kritik

Über dieses Buch

Der greise Zhao-zhou! Der greise Zhao-zhou!Unruhe in den Chan-Klöstern zu stiften –noch im hohen Alter hört er nicht damit auf!Wieder einmal tritt hier Zhao-zhou hervor, mittlerweile 88 Jahre alt und notorischer Unruhestifter – um seine bisherigen Aufmüpfigkeiten fort-, vor allem aber, man staune, um sie zu Ende zu führen. Er will mit der Welt des Zen seinen Frieden schließen und nimmt dabei in Kauf, noch einmal anzuecken und vor den Kopf zu stoßen. Das aber nur, um umso deutlicher vor Augen zu stellen, warum und inwiefern Zen für ihn unverzichtbar geworden ist.Zhao-zhou bedient sich dazu der Antithese von Weißer Jade und falschem Gold. Weiße Jade, das ist ihm auch heute noch bewusst, hat im alten China als höchste Kostbarkeit gegolten und war allein dem Kaiser als dem Sohn des Himmels vorbehalten. Ebenso hegt unser Zhao-zhou keinen Zweifel daran, dass niemand, der echtes Gold in Händen halten möchte, sich mit falschem Gold zufrieden geben kann.Nun also 'Zen – Weiße Jade, falsches Gold': Die Geschichte des Chan/Zen weist bis hinein in die Gegenwart unserer persönlichen Praxis außergewöhnliche Stärken, aber auch erhebliche Schwächen auf. Die einen verdienen es, herausgestellt und gewürdigt zu werden; die anderen gilt es schonungslos beim Namen zu nennen: hier die Positionen, denen wir nicht nur unsere Zustimmung nicht versagen können, die wir vielmehr ganz entschieden für unabdingbar halten müssen, und dort diejenigen, die unsere gut begründbare Kritik auf sich ziehen und es sich gefallen lassen müssen, von uns verworfen zu werden.Gerade Letztere kommen oft mit einem Anschein unzweifelhafter Autorität daher, als seien sie, weil scheinbar selbstverständlich, aller Kritik enthoben. Was wir Heutigen gleichwohl als unhaltbar ansehen müssen, kann sich, so sicher es auch durch Tradition etabliert und geschützt sein mag, nicht dagegen wehren, die Einschätzung als falsches Gold hinnehmen zu müssen – wohingegen das, woran wir festhalten sollten, weil es unserem eigenen Zen-Weg neue und unerwartete Wendungen zu geben vermag, zu Recht den Ehrentitel Weiße Jade tragen darf.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Zen Weiße Jade, falsches Gold von Dietrich Roloff im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Filosofía & Filosofía de la religión. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Ist Dôgens Zen Fortschritt oder Rückschritt?

Welche Unverfrorenheit, eine solche Frage überhaupt zu äußern! Dôgen, einer der Giganten des japanischen Zen, der mit seinem Shôbôgenzô ein über die Jahrhunderte ausstrahlendes spirituelles Werk geschaffen hat! Doch gemach! Ob Lehrmeinungen und Maximen einen Fortschritt oder Rückschritt darstellen, hängt allein von der Bezugsgröße ab: wem gegenüber fort- oder rückschrittlich? Und in diesem Fall sei von vornherein klargestellt, dass die nachfolgenden Überlegungen ihre Bezugsgröße im chinesischen Chan der Song-Zeit haben.
Aber kann es denn einen nachvollziehbaren Anlass geben, Dôgen ausgerechnet am Songzeitlichen Chan zu messen? Nun, Dôgen hat bekanntlich in den Jahren 1223 bis 1227 einen mehrjährigen China-Aufenthalt absolviert, bei dem er sich insbesondere einem Meister der Cao-Dong-Schule angeschlossen hat. Dieser Aufenthalt fällt in die Blütezeit des Songzeitlichen Chan – sind doch in genau diesen Jahren zwei der drei bedeutendsten Gong-an-oder Kôan-Sammlungen entstanden, nämlich das Cong-rong-lu, die ›Aufzeichnungen aus der Klause der Gelassenheit‹, im Jahr 1224 aus eben der Cao-Dong-Schule hervorgegangen, und wenige Jahre später das Wu-men-guan, die ››Da ist nichts‹-Sperre vor dem Tor des Chan‹, von einem späten Angehörigen des ›Hauses Lin-ji‹ verfasst und 1229 mit einem Vorwort versehen dem Kaiser Li-zong zugesandt.
Und nicht nur das: Dôgen hat von seinem China-Aufenthalt obendrein eine komplette Abschrift der ältesten der drei Kôan-Sammlungen, des Bi-yan-lu von 1128, die sog. Abschrift der einen Nacht, mit nachhause gebracht und zusätzlich auch noch eine von ihm selbst zusammengestellte Sammlung von 300 Kôan, das Shôbôgenzô Sambyakuzoku. Schon das erweckt den Anschein, als sei Dôgen bei seiner Rückkehr nach Japan ganz vom Geist des Song-zeitlichen Chan durchtränkt gewesen. Oder täuscht dieser Eindruck? Wie also steht Dôgen da im Vergleich zu den Song-zeitlichen Tendenzen des chinesischen Chan?
Soviel fällt sofort ins Auge: Von dem umstürzlerischen Impetus der drei genannten Kôan-Sammlungen ist bei Dôgen nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: Dôgens Darlegungen sind durch und durch konservativ und verraten außerdem ein erhebliches Maß an einem magischen Denken, das zu dem aufklärerischen Gestus des Song-zeitlichen Chan, vorsichtig ausgedrückt, nicht so recht passen will!
Gehen wir in die Einzelheiten. Da wird der Mythos von den sechs Vorläufern des historischen Buddha, die in je einem der längst vergangenen Kalpas denselben Dharma verkündet haben, den Buddha Shâkyamuni im gegenwärtigen Weltalter gelehrt hat, als unumstößliche Wahrheit ausgegeben und obendrein immer wieder dazu benutzt, den unbedingten Wahrheitsanspruch des gegenwärtigen Buddha-Dharma, genauer gesagt, des von Dôgen propagierten, zu untermauern. Zusätzlich greift Dôgen nicht minder häufig auf die Lehre von einer authentischen Übertragung des Dharma zurück, bei der nicht die geringste Abweichung inhaltlicher und spiritueller Art eintritt und der Empfänger zu einem absolut identischen Buddha wird, wie es sein Vorgänger ist bzw. gewesen ist. Diese dogmatische Überhöhung der Dharma-Übertragung dient dem Nachweis, dass auch heute noch (und ebenso in Zukunft) die Lehrauffassung eines Meisters, der den Dharma von einem seinerseits als Buddha ausgewiesenen Lehrer erhalten hat, mit dem Dharma Buddha Shâkyamunis und aller ihm vorausgegangenen sechs Buddhas bis in die letzten Feinheiten identisch ist! Mit einem solchen Anspruch vertritt Dôgen einen radikalen Konservativismus, der ihn freilich nicht davon abhält, wissentlich oder unwissentlich allerlei Umdeutungen tradierter Lehrinhalte einzuführen. Das gilt allerdings nicht für Dôgens Vorliebe, sich immer wieder mit ausführlichen Zitaten auf altehrwürdige und ihm als uneingeschränkt autoritativ geltende Sûtren zu berufen.
Konservativ ist auch Dôgens Einstellung gegenüber der Geschichte des chinesischen Chan. Bodhidharma hat für ihn den Rang einer unumstrittenen Leitfigur, die mit ihrer Versenkungspraxis die authentische Lehre Buddha Shâkyamunis wieder zum Leben erweckt hat, und das ausgerechnet im weit abgelegenen China – die übrigen 27 indischen Patriarchen vor Bodhidharma haben sich in Dôgens Augen, mit Ausnahme Nâgârjunas und seines Schülers Kanadeva, der Entfremdung von der ursprünglichen Buddha-Lehre schuldig gemacht! (Dass Dôgen damit seiner eigenen Lehre von der identischen Übertragung widerspricht, sei hier nur am Rande erwähnt.)
Mit seiner Berufung auf die ›leuchtende Perle‹, die das ganze Universum erfüllt, stellt sich Dôgen unmissverständlich auf die Seite des Tang-zeitlichen Chan – Xuan-sha Shi-bei, der Urheber der axiomatischen Aussage ›Das ganze Universum ist eine leuchtende Perle‹, ist mit seinen Lebensdaten 835 – 908 ein jüngerer Zeitgenosse Huang-bos in den letzten Jahrzehnten der Tang-Dynastie, gleichwohl noch ganz vom Geist des Tang-zeitlichen Chan durchdrungen: Die für diese Phase des Chan typische Metaphysik einer höheren und wahren Wirklichkeit, hier gekleidet in die Metapher einer ›leuchtenden Perle‹, findet Dôgens ungeschmälerte Zustimmung: ›Das ganze Universum ist der wahre Körper der Wirklichkeit!‹ (Nishijima I, S. 64).
In der Standard-Ausgabe von Ôkubo Dôshû, Shôwa 44 (1969), lautet der betreffende Satz: zen shin kore shin jitsu tai nari, ›Der ganze Körper [shin] ist der wahre Körper [tai] der Wirklichkeit‹ (Ôkubo I, S. 61). Mit zumindest der gleichen Berechtigung kann dieser Satz auch als ›Der ganze Körper [shin] ist der Körper [tai] der wahren Wirklichkeit‹ übersetzt werden. Dann aber drängt sich sofort die Frage auf, was denn unter dem ›ganzen Körper [shin]‹, der da der ›Körper (tai) der wahren Wirklichkeit‹ sein soll, zu verstehen sei. Die Antwort kann nur lauten, dass der ›ganze Körper‹ auf die ›leuchtende Perle‹ zielt, was zu der durchaus sinnvollen Aussage führt, dass eben diese ›leuchtende Perle‹ als der ›ganze Körper‹ [hinter den Erscheinungen] der ›Körper der wahren Wirklichkeit‹ ist! Wenn Nishijima gleichwohl übersetzt: »Das ganze Universum ist der wahre Körper der Wirklichkeit!«, so legt das den Eindruck nahe, er wolle damit Dôgens Tendenz unterstreichen, die alte Mahâyâna-These der Einheit von Nirvâna und Samsâra, anders gesagt, von ›Prinzip‹ und ›Phänomenen‹, zu neuem Leben erwecken. Gerade das jedoch hat Xuan-sha mit seiner ›leuchtenden Perle‹ nicht gemeint: Geht es Dôgen um eine Aufwertung der Erscheinungen, so hat Xuan-sha es auf die umgekehrte Aufwertung des ›wahren Wesens‹ hinter den Erscheinungen abgesehen.
Dôgens Hinwendung zum Tang-zeitlichen Chan lässt sich auch mit seiner Übernahme des Axioms jí xīn shì fó, ›Also der Geist ist Buddha‹ belegen: Dieser Grundsatz gilt der Überlieferung nach als Wortschöpfung des Ma-zu Dao-yi und wurde in der Hong-zhou-Schule von einer Generation an die nächste weitergegeben; eine besondere Rolle spielt er bei Huang-bo, der ihn zur Grundlage seiner Lehräußerungen macht – im Song-zeitlichen Wu-men-guan hingegen wird das Bekenntnis zu ›Also der Geist ist Buddha‹ als Irreführung verworfen (Kôan 30). Dôgen jedoch stimmt in Soku shin ze butsu vorbehaltlos zu, wobei er obendrein genau die Schriftzeichen verwendet, die auf Chinesisch eben jí xīn shì fó lauten. Wenn Nishijima freilich formuliert: »Geist hier und jetzt ist Buddha«, so wäre es verfehlt, ihm das als Übersetzungsfehler vorzuhalten; im Gegenteil versucht Nishijima mit einer Umdeutung der chinesischen Schriftzeichen jí xīn gleich ›also der Geist‹ oder auch ›gerade/eben der Geist‹ zu »der Geist hier und jetzt« der besonderen Intention Dôgens gerecht zu werden, der seinerseits aus dem Axiom der Hong-zhou-Schule etwas anderes und Eigenes gemacht hat: ›Wenn alle Buddhas … Buddhas werden, werden sie zweifellos Shâkyamuni Buddha: dies ist nichts anderes als ›Geist hier und jetzt ist Buddha‹!‹ (Nishijima I, S. 78). Dôgen, so muss an dieser Stelle das Fazit lauten, greift hier eindeutig auf eine Formel des Tang-zeitlichen Chan zurück, gibt ihr jedoch eine Deutung, die der ursprünglichen diametral widerspricht.
Hin und wieder zitiert Dôgen, von seinem persönlichen Lehrer aus der Cao-Dong-Schule abgesehen, auch den einen oder anderen Chan-Meister der Song-Zeit beifällig-zustimmend. So im Kapitel Keisei sanshiki einen Vertreter des Hauses Lin-ji aus der Wende von 10. zum 11. Jahrhundert, und zwar Lang-ye Hui-jue. Die Begebenheit, auf die sich Dôgen dabei bezieht, macht das Kôan 100 des Cong-rong-lu aus. Dôgen zitiert, leicht verkürzt: ›Einst fragte ein Gelehrter … Meister Kôshô (gemeint ist eben Lang-ye): ›Wie kommt es, dass aus der ursprünglichen Reinheit plötzlich Berge, Flüsse und die Erde entstehen?‹ Darauf antwortete der Meister: ›Wie kommt es, dass aus der ursprünglichen Reinheit plötzlich Berge, Flüsse und die Erde entstehen?‹‹ Doch Dôgen interpretiert diesen Wortwechsel ganz im Sinne seiner Tang-zeitlichen Metaphysik: ›Hier wird uns gelehrt, dass wir die Berge, Flüsse und die Erde, die die ursprüngliche Reinheit sind, nicht mit [den Begriffen] verwechseln dürfen, die die Berge, Flüsse und die Erde [erklären]‹ – so Nishijima I, S. 111. Dôgen reduziert den Wortwechsel mithin auf die ausdrückliche Anerkenntnis einer wahren Wirklichkeit, hier als ›ursprüngliche Reinheit‹ umschrieben, der er lediglich die Begriffe des menschlichen Denkens als untaugliches Mittel einer Annäherung gegenüberstellt. Im Kôan 100 Cong-rong-lu erhält die Episode eine ganz andere Deutung, nämlich als Ausdruck einer Einstellung, die metaphysische Spekulationen als soteriologische Mittel der ›Befreiung‹ grundsätzlich verwirft und uns stattdessen – ganz im Sinne des Daoismus – auf die Hinwendung zum irdischen Leben als unsere rechtmäßige Bestimmung verweist. Der Einfluss des Daoismus auf das Song-zeitliche Chan tritt gerade in dieser Deutung deutlich zutage (›Sein [unser eigenes] als Nicht-Sein schauen [und zwar durch die Versenkung in MU], / Die Hände um und um wenden [aus dem Nicht-Sein ins Sein zurückkehren und umgekehrt]. / Der Mann auf dem Berg Lang-ye / Bleibt [sogar] hinter Gautama nicht zurück‹ – so der dortige Lobgesang). Dôgen jedoch hat für Chan-Meister, die sich dem Einfluss des Daoismus geöffnet haben, nur Verachtung übrig: ›Viele von ihnen wurden von den Lehren des DAO irregeleitet und schafften den Buddha-Dharma ab‹ – dies ein Satz, der sich, im Wortlaut auf einzelne Herrscher Chinas gemünzt, sinngemäß auch auf die Mehrzahl der Meister der Song-Zeit übertragen lässt.
Apropos Fehlhaltungen im Song-zeitlichen Chan: Im Kapitel Sansui gyô kommt Dôgen auf die Selbstcharakterisierung des Song-zeitlichen Chan zu sprechen: ›In der heutigen Großen Song-Dynastie gibt es eine Gruppe leichtfertiger Menschen, die jetzt so viele sind, dass die wenigen Wahrhaftigen nicht mehr gegen sie ankommen. … [Diese Männer sagen:] ›… eine Zen-Geschichte der Buddhas und Patriarchen ist nicht mit der Logik zu begreifen. Deshalb sind [Huang-bos] Schläge und [Lin-jis] Schreie nicht mit der Logik zu begreifen und haben nichts mit gedanklichen Erwägungen zu tun. Sie sind als das große Erwachen vor dem Entstehen aller Dinge zu sehen. Viele vergangene Meister haben geschickt die Knoten der Verwirrung aufgelöst, indem sie Aussagen jenseits logischer Erwägungen gemacht haben.‹ Diejenigen, die so reden, sind noch niemals einem wahren Lehrer begegnet. … In den letzten zwei- oder dreihundert Jahren gab es im Land der Song viele [solche] Dämonen und sogenannte Mönche. … Sie sind törichter als die Menschen außerhalb des Weges, … sie sind beschränkter als Tiere, die die Buddha-Wahrheit lernen. … Als ich in China war, lachte ich über sie, aber sie konnten nicht antworten und blieben stumm. Dass sie gegenwärtig das logische Verstehen ablehnen, ist ein Irrtum!‹ (Nishijima I, S. 196f.) Für Dôgen selbst ist das logische Verstehen des Buddha-Dharma zentral und unverzichtbar, und so muss er das Song-zeitliche Chan, insofern es sich alogischer Verfahren (etwa des sog. non-sequitur, bei dem die Antwort nicht zur Frage passt) bedient, radikal verwerfen – wobei allerdings anzumerken ist, dass sich Dôgen bei seinen eigenen ›logischen Erwägungen‹ auch selbst einer bizarren und durchaus alogischen Logik befleißigt. So steht er in dieser Hinsicht gleichsam wider Willen in der Tradition des von ihm bekämpften Song-zeitlichen Chan. (Interessant für uns heutige Anhänger einer historisch-kritischen Sicht auf die Geschichte des Chan ist die hier fällige Schlussfolgerung, dass die Erhebung alogischer Verfahren zum Markenzeichen des Song-zeitlichen Chan nicht erst das Ergebnis zeitgenössischer Forschung darstellt, sondern uns bereits als ein wesentlicher Bestandteil im Selbstbild der Song-zeitlichen Chan-Meister entgegentritt.)
Und schließlich noch ein Wort zu Dôgens magischem Denken: Im Zusammenhang seiner Darlegungen zu dem als Kesa bezeichneten Mönchsgewand legt Dôgen eine Denkweise an den Tag, wie sie in einem aufgeklärten China des 11., 12. und 13. Jahrhunderts, das durch jahrhundertelangen Streit der Philosophenschulen und Glaubensrichtungen hindurchgegangen ist, schlechterdings obsolet wäre. Hier nur ein knappes Beispiel: ›Ihr müsst tief darauf vertrauen, dass, wenn ihr euren Körper auch nur einmal mit diesem Kesa bedeckt, es zu einem umfassenden Schutz wird, der euch mit Sicherheit zur Verwirklichung der Wahrheit führt‹ (Nishijima I, S. 183). Dieselbe magische Wirkung spricht Dôgen immer wieder auch der rituell vollzogenen Verehrung der Buddhas und Patriarchen zu.
Soweit der erste Teil meines Versuchs, mich auf Dôgen, diesen Giganten des japanischen Zen überhaupt, einzulassen. Abgerundet sei dieser Teil (bei dem ich mich im Übrigen wie auch bei den nachfolgenden auf die bei Kristkeitz erschienene vierbändige Shôbôgenzô-Übersetzung von Nishijima beziehe) mit einem persönlichen Geständnis: Die Metapher von der ›leuchtenden Perle‹ hat sich auch mir persönlich in meiner Zen-Vita aufgedrängt, in jener mittleren Etappe des Zen-Weges, da ›die Berge keine Berge und die Flüsse keine Flüsse mehr sind‹:
Perle Dôgen's, Du!
Der Glanz, der sonst nur außen ist,
Geht ganz durch Dich hindurch,
Macht alles gleich, wie sonst der Tod
Nur, macht Dir alles gleich – zu Glanz.
Auch den Tod, den Schmerz:
Dein Leben reicht dur...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Zur Einstimmung
  3. Das Lin-ji Lu oder Die seltsame Wandlung des Lin-ji Yi-Xuan
  4. Ist Dôgens Zen Fortschritt oder Rückschritt?
  5. Radikales Zen = Nihilismus?
  6. Was ist und was soll uns buddhistische Ethik?
  7. Erfüllter Augenblick – und kein ›Verweile doch …‹
  8. Zen überholt sich selbst
  9. Die Unverständlichkeit der Gedichte
  10. Zur Wirkkraft des Kôan MU
  11. Zen und das ›absolute Nichts‹
  12. Selbstmodellierung und ›tektonisches Beben‹
  13. Ein letzter Versuch zu klären, was es mit der ›Buddha-Natur‹ auf sich hat.
  14. SHUJÔ MUHEN SEIGAN DO oder Die Ohnmacht der Bodhisattvas
  15. »Wie steht's mit deinen Augenlidern beim Zazen?«
  16. Das Kôan des Monats: Bi-yan-lu 39
  17. »Er hat seinen Glauben verloren« – ein Missverständnis
  18. Parmenides (wer ist das?) und Zen – eine unmögliche Kombination?
  19. Zen – Lebensfreude, Gelassenheit und Tod
  20. ZEN und das Spiel der Paradoxien
  21. Die ›Große Angelegenheit‹ – ein Fragezeichen
  22. Die acht Monate eines Küchengehilfen
  23. Identität und Krise
  24. ›Geh eine Schale Tee trinken‹ versus ›Trink eine Schale Tee und geh!‹
  25. Teezeremonie – ein Übungsweg des Zen?
  26. Zen ohne Buddha-Natur – eine Rückkehr zum Theravâda?
  27. Zen und die ›Schöpfung‹
  28. DAO – Zen – DAO
  29. Was soll denn nun gelten: ›Honlai mu ichi motsu‹ oder ›Buddha-Natur‹?
  30. Womit ZEN uns für sich einnehmen kann – zu Recht, zu Unrecht?
  31. Abendfrieden – damals und heute
  32. Ein Nachtrag zu ›Zen und Zeit‹
  33. Gewissensbisse?
  34. Das Epikur-Experiment …
  35. Zen und Platon – war da was?
  36. »Was gelten die Fünf Kaiser uns, und was die Drei Erlauchten?«
  37. Asymmetrie im Zen – ein unaufhebbares Übel?
  38. Das Hannyashingyô, unter die Lupe nüchterner Betrachtung genommen
  39. Was kann ein Zen-Lehrer denn noch lehren, wenn …
  40. Die Botschaft des Bi-yan-lu
  41. Was es heißt, ein ›Lauschender‹ zu sein
  42. Tradition und Verankerung
  43. Kôan-Kommentare und Kôan-Arbeit
  44. »NO QUESTIONS, NO ANSWERS!«
  45. Hamlets ›Sperling‹ oder die Wahrscheinlichkeit des Unwahrscheinlichen
  46. ›Anders leben‹
  47. Heidegger und Zen, ZEN und Heidegger
  48. ›Nón omnís moriár‹
  49. Ein letztes Kôan
  50. Aus dem Nähkästchen geplaudert
  51. Ein Abschluss- und Abschiedswort
  52. Vorerst aber: Der Autor über sich selbst, allerdings in der 3. Person
  53. Anhang I: Verzeichnis der Eigennamen
  54. Anhang II: Verzeichnis der Anspielungen und Zitate
  55. Impressum