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Schriften / Zeit, Geschichte, Zeitgeschichte. Schriften 8
Zeit-Fragmente, Hochschul-Texte
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Schriften / Zeit, Geschichte, Zeitgeschichte. Schriften 8
Zeit-Fragmente, Hochschul-Texte
Über dieses Buch
Aus dem Inhalt:
• Das bundesdeutsche Fernsehen in kritischanthropologischer Sicht
• Bremer Projektstudienplanung und Kritische Theorie
• Wissenschaftstheorie und Gesellschaftserkenntnis
• Möglichkeiten einer speziellen Kritischen Theorie
• Verhältnisse und Verhalten
• Apropos Georg Forster
• Ethik als Unterrichtsfach
• Klassische und subversive Vermächtnisse
• Die Rolle der Intellektuellen in unserer Gesellschaft
• Ereignis und Ablauf
• Zeitigende und verräumlichte Zeit
• Beyond Kant, or the Teleology Issue Revisited
• Zeitkonstitution, Zeitbewußtsein und Zeiterfahrung
• Zeit ist Anhörungsform
• Wenn das Anschauen endlich Urlaub braucht
• Gespräch über Zeit (mit Michael Wetzel)
• Vom Versagen der Bilder und der denkbaren Wiederkehr des Gehörs
• Der ohnmächtige Raum und der uneingestandene Fehlschlag der Zeitentmach tung
• Zur Aporetik des Staus
• Bildstörung
• Das sedierte Sensorium
• Das Akustische an Geschichte und das Verstopfte an den Ohren der Politik
• Zeitreise. Ein Exzeß. Miniroman
Häufig gestellte Fragen
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Information
Zweite Abteilung:
Unterwegs zur ›Transzendentalen Akustik‹
Zwei Daten aus Ulrich Sonnemanns ›Autobiographisches, tabellarisch‹1 – 1981: »erste Anfänge konzentrierterer – da thematisch gezielterer – erkenntniskritischer Untersuchungen zur Frage des Apriori der Zeit.« / 1991: »Entwurf (und erste Aufzeichnungen zur Verwirklichung) einer für 1992/93 in Aussicht genommenen Transzendentalen Akustik.«
Dem ersten Datum läßt sich, siehe das Folgende, zahlreich Ausgearbeitetes hinterdreinschicken; das zweite betreffend kann es nicht mehr heißen denn: es blieb bei der »Aussicht«.
Die hier folgenden Texte nun führen reichlich Überschneidungen, Doppelungen, Wiederholungen, Selbstzitate mit sich; von einem Versuch, derlei auszuschneiden, wurde abgesehen. Ohnehin kann auf Nuancierungen verwiesen werden; aufs unterschiedliche Drumherum, die wechselnden, hinzukommenden, weiter hinausführenden Zusammenhänge überdies. Die Ungeduld, die den Leser befallen mag, wenn er zumindest ähnliche Formulierungen wiederholt (›schon wieder!‹) vorgesetzt bekommt, mag getrost beim Herausgeber abgeladen werden. Die in den ›Zeit-Fragmenten‹ (fußnotenarm) versammelten Auszüge im übrigen erscheinen, aus naheliegenden Gründen jetzt, nicht selten auch in sich gekürzt. Die vom Herausgeber hinzugefügten Nachweise ergehen sich allemal nicht in Wiederholungen, stattdessen wird hier jetzt eine Literaturliste vorausgeschickt.
Aristoteles, Φυσική άκρόασις (um 347 vor unserer Zeitrechnung). Deutsche Ausgabe (Physik. Uebersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Christian Hermann Weiße): Leipzig 1829
(Aurelius) Augustinus, Confessiones (397/98) / Bekenntnisse. Zweisprachige Ausgabe (eingeleitet, übersetzt und erläutert von Joseph Bernhart. Mit einem Vorwort von Ernst Ludwig Grasmück): Frankfurt am Main 1987 – S. 601–671 (Elftes Buch)
Henri Bergson, Essai sur les données immédiates de la conscience (1889). Deutsche Ausgabe (Zeit und Freiheit. Übersetzung: Paul Fohr [1911]): Frankfurt am Main 1989
Henri Bergson, Evolution créatrice (1907). Deutsche Ausgabe (Schöpferische Entwicklung. Berechtigte Übersetzung von Gertrud von Kantorowicz): Jena 1912
René Descartes, Meditationes de prima philosophia (1641/42) / Meditationen über die Grundlagen der Philosophie. Zweisprachige Ausgabe (auf Grund der Ausgaben von Artur Buchenau neu herausgegeben von Lüder Gäbe): Hamburg 1959
Kant’s gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin/Leipzig – Band I (1910): Vorkritische Schriften I / Band II (1905/12): Vorkritische Schriften II / Band III (1904/11): 2Kritik der reinen Vernunft / Band IV (1911): 1 Kritik der reinen Vernunft etc. / Band V (1913): Kritik der praktischen Vernunft. Kritik der Urteilskraft / Band VIII (1912): Abhandlungen nach 1781
Maurice Merleau-Ponty, Phénoménologie de la perception (1945). Deutsche Ausgabe (Phänomenologie der Wahrnehmung. Aus dem Französischen übersetzt und eingeführt durch eine Vorrede von Rudolf Boehm): Berlin 1966
Isaac Newton, Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (1687). Deutsche Ausgabe (Sir Isaac Newton’s Mathematische Principien der Naturlehre. Mit Bemerkungen und Erläuterungen herausgegeben von Jakob Philipp Wolfers): Berlin 1872 (Nachdruck Darmstadt 1963)
Platon, Τιμαίος (nach 360 vor unserer Zeitrechnung). Deutsche Ausgabe (Timaios. Übersetzung: Hieronymus Müller) in: Sämtliche Werke. Band 5. Reinbek 1959, S. 141–213
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Darstellung des Naturprocesses. Bruchstück einer Vorlesung über die Principien der Philosophie, gehalten in Berlin im Winter 1843–44. (Aus dem handschriftlichen Nachlaß.) In: Sämmtliche Werke. Erste Abtheilung. Zehnter Band. Stuttgart/Augsburg 1861, S. 301–390
John Archibald Wheeler, Genesis and Observership (1975). In: Robert E. Butts und Jaakko Hintikka (Hg.), Foundational Problems in the Special Sciences. Dordrecht/ Boston 1977, S. 3–33
Alfred North Whitehead, The Function of Reason (1929). Deutsche Ausgabe (Die Funktion der Vernunft. Übersetzt und herausgegeben von Eberhard Bubser): Stuttgart 1974
Alfred North Whitehead, Process and Reality. An Essay in Cosmology (1929; korrigiert 1978). Deutsche Ausgabe (Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie. Übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Hans Günter Holl [1979]): Frankfurt am Main 1987
Zeit-Fragmente I (1934–79)
Die erste ›Runde‹ bietet fünf von etlichen früheren Beispielen fürs immer schon wichtige ›Zeit‹-Thema [unberücksichtigt geblieben sind dabei, wenigstens beim Namen genannt werden wollen denn: die beiden Bücher ›Existenz und Therapie‹ (1954) und ›Negative Anthropologie‹ (1969), siehe Schriften 2 respektive 3].
(1) Aus: Der soziale Gedanke im Werk von H. G. Wells (1934). Berlin 1935 (S. 10):
Die Anschauung von der Zeit, die der Idee der ›Zeitmaschine‹, einem »Instrument zur Ermöglichung von Reisen in der Zeit, in die Vergangenheit und Zukunft, wie bisher im Raum …« zugrundeliegt, ist für Wells’ ganzes Denken, nicht zuletzt für seinen später entwickelten historischen Zeitbegriff, so charakteristisch, daß sie hier kurz skizziert sei. Sie ahnt auch die Relativitätstheorie voraus. Die Zeit ist als vierte, den räumlichen gleichgeordnete Dimension gefaßt, die vom menschlichen Bewußtsein bloß deshalb von jenen gesondert wird, weil es sich selbst in ihr und nur in ihr bewegt … Demnach müßte es grundsätzlich möglich sein, sich auch in dieser Dimension, wie in allen räumlichen, in beiden Richtungen frei zu bewegen. – Vom Technischen abgesehen (das auch Wells unausgeführt läßt), ist natürlich schon der metaphysische Kern dieser Schlußfolgerung leicht und mit vielen Gründen angreifbar; Bewegung, könnte man vor allem einwenden, ist selbst ein der Räumlichkeit und nur ihr zugeordneter Begriff. Da sie sich außerdem noch in der Zeit als ihrem festen Maßstab vollzieht, kann es keine Bewegung geben, die diesen Maßstab veränderte. Wells hat nicht bedacht, daß sein Zeitreisender die Jahrtausende wiederum in der Zeit – der normalen Zeit – durcheilen müßte. Das Wesen der Zeit ist hier verfehlt, freilich auf interessante Weise: es ist die »Wiederentdeckung der Alleinheit« – nach einem der Titel der frühesten Wellsschen Aufsätze –, jene Wiederentdeckung durch eine monistische Metaphysik, die Wells verführt hat. Ihren bemerkenswerten Grundgedanken zum Trotz wäre die ›Zeitmaschine‹, wären alle frühen Romane von Wells nicht mehr als aufklärerische, »populärwissenschaftliche« Phantasien eines kleinbürgerlichen Londoner Schulmeisters am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, erhöbe die in ihnen enthaltene soziologische Spekulation nicht auch sie schon darüber.
(2) Aus: Erkennen und Sein (1939/40). In: Schriften 2. Springe 2011 (S. 24/25):
Existenz ist also Zeitlichkeit, sie ist, insofern wir die Zeit als ein Verfließendes, statt als dessen Bett, fassen, selbst Zeit; ihr Grundwesen ist Spontaneität, und da kein Spontanes sich weiß, bedurfte es der Reflexion unserer Seele, mithin des Bewußtseins, eines sehr hohen und späten Stadiums der Phylogenese, Zeitwissen in die Welt zu bringen. Es ist der gleiche Vorgang, den der Mythus Sündenfall heißt, der gleiche, von dem ich eingangs sagte, daß er das Wissen vom Nichts gezeitigt habe. In der Tat hat die Zeit, als das schlechthin (und einzig) Vernichtende, mit dem Nichts einiges zu tun: jedoch die Zeit als »Flußbett«, als Bahn der Zeitbewegung, als welche unser Zeitwissen sie gegenständlich erkennt, – als eben jenes Spurenfeld, das unsere Erinnerung und dessen Projektion auf die dahineilende Gegenwart unser Ich ist. Die Zeit, insofern wir sie selbst als Bewegung im Sinne der Bergsonschen »Dauer« oder richtiger als das Zeitbewegte meinen, diese, welche wir selbst sind (denn alles Selbst ist Spontaneität), ist im Gegenteil andauernde Schöpfung: womit wir, anderswoher kommend, wieder bei unserer Einsicht des ersten Abschnittes halten, daß Bewußtsein – in seiner »zentrifugalen« Form – eine Extrapolation des Seienden ins Nichts darstelle.
(3) Aus: Handschriftenanalyse im Dienste der Psychodiagnostik. Eine Darstellung der allgemeinen und klinischen Graphologie (1950). Aus dem Englischen von Claus-Volker Klenke. In: Schriften 1. Springe 2005 (S. 23/24):
Persönlichkeit fungiert diesem Konzept [der »Isomorphismen« oder Analogien von Systemeigenschaften] zufolge als ein konfiguratives Ganzes, das in der Dimension der Zeit ausgedehnt ist, innerhalb dessen aber die Teile in erster Linie nicht durch ihre Abfolge in der Zeit bestimmt sind (kausative Determination) und auch nicht durch irgendwelche anderen unmittelbar wechselseitigen Beziehungen zwischen zweien von ihnen; ebensowenig gibt es das kontinuierliche Wirken eines zugrundeliegenden gemeinsamen Prinzips der Systemaktivität, auf das die individuellen Verhaltenstatbestände (in ihren physiologischen wie psychologischen Aspekten) zurückgeführt werden können und, um verstanden zu werden, auch müssen. Ein Prinzip der Systemaktivität wie jenes, das den organismischen Gesamtprozeß regelt, ist nicht die Gesamtmenge mehrerer Zwei-Faktoren-Beziehungen, sondern stellt eine grundsätzlich andere logische Kategorie dar: In Zwei-Faktoren-Beziehungen und ihren Aggregaten sind die Relata, und zwar beide, unabhängig von der Dimension ihrer Verteilung; in Systemen dagegen sind die Komponenten stets das, was immer ihre Position im System sie zu sein bestimmt; ihre Verteilungsdimension wird somit selbst konstitutiv für das System. Zwei-Faktoren-Beziehungen und ihre Aggregate kommen zwar in der Tätigkeit des Organischen vor, sie betreffen jedoch nie den gesamten Organismus; vielmehr müssen sie als besondere und äußerst vereinfachte Manifestationen eines Prinzips von Systemaktivität verstanden werden, das relativ unabhängig von demjenigen ist, das den organismischen Gesamtprozeß regiert und das sich auf seine zeitliche Dimension beschränkt.
(4) Aus: Brief an Viktor E. Frankl, 7. Januar 1957 – in Reaktion auf ein vom Wiener Logotherapeuten Frankl gemeinsam mit der Wiener Psychologin Edith Weisskopf-Joelson während beider amerikanischer Emigrationszeit verfaßtes Manuskript (ungedruckt):
Ich glaube überhaupt nicht, daß ohne phänomenologisch-ontologische »Zurückdenkung« von Begriffen wie Wert, Glück, Geist, Zeit, Sinn die neue Therapie praktisch möglich wird; die bloße »Spiritualisierung« der Psychoanalyse als Theorie ändert gar nichts am Selbstverständnis einer solchen Behandlungsmethode als einer instrumentellen, nichts am Verständnis des Patienten als eines Gegenstandes von Therapie; es gibt da keine Kompromisse, weil es von der Sache selbst her keine Übergänge gibt – nicht aus irgendeinem vorgefaßten Radikalismus heraus. Daher glaube ich auch nicht, daß das Zeiterleben sich durch Uminterpretierung abgelaufener Zeit überreden lassen wird; es wird nur zum Schweigen gebracht, solange die Überredung selbst andauert. Beide Arten von Zeitinterpretation finden innerhalb des Horizontes der reflektiv mathematisierten Zeit statt – die »optimistische« nicht minder als die scheinbar-spontane – nicht innerhalb des Horizontes der ursprünglichen Zeit. Dieser ist die Präokkupation mit der verlorenen Jugend etc. von vornherein und auf echte Weise fremd, und eben diese »ursprüngliche« Zeit gilt es reflektiv zurückzugewinnen.
Abschließend, fürs erste, ein (in sich leicht gekürzter) Ausschnitt aus dem Memorandum ›Inhaltliche Nachbemerkungen zur Seminarsitzung vom 8. November 1979‹ (es geht um das zusammen mit Wolfdietrich Schmied-Kowarzik im Wintersemester 1979/80 an der Gesamthochschule Kassel ausgerichtete Seminar ›Philosophie der Naturerkenntnis bei Kant und im Deutschen Idealismus‹), datiert: Kassel, 12. November 1979 (ungedruckt):
Vorerst sollte daran erinnert werden, daß die apriorischen »Anschauungsformen der Sinnlichkeit« (Raum und Zeit) nicht Kategorien sind, auch nicht diejenigen ihrer selber; es sind die Konstitutionsbedingungen aller Sinneserfahrung, unter denen daher im Ansatz auch die für alle mathematische Begriffsbildung und ihre Anwendung in den Naturwissenschaften unentbehrliche Anschauung vor sich geht, daher kann nichts, was im Aufbau einschlägiger Theorien in ihnen selber an Strittigkeiten oder an Fortschritten auftreten kann, im geringsten eine Erschütterung dieses Ansatzes sein, den es im Gegenteil selbst voraussetzt. Um diese kantische Entdekkung – daß Raum und Zeit nicht primär Begriffsbildungsprodukte, sondern Konstituentien unserer Existenz als Erfahrende sind – erschüttern zu können, müßte es mindestens eine zitierbare Erfahrung geben, die dieser ihrer Definition widerspricht; müßten mathematische oder metamathematische Theorien sich nicht auf Raum und Zeit in ihrer Begrifflichkeit: ihr auf diese Begrifflichkeit eben für seine Theoretisierung bereits angewiesenes mathematisch-physikalisches Verhältnis beziehen, sondern auf das, was nach besagter Existenzeinrichtung auch jeder Möglichkeit solcher Theoretisierung als die eine ihrer beiden Prämissen (die andere ist die Synthesis des Verstandes) zugrundeliegt und in den eingebauten Rollen besteht, die Raum und Zeit in der Ordnung des menschlichen Wesens als eines erkennenden innehaben. Theorien des fraglichen Wissensbereiches können das schon deswegen nicht, weil das gar nicht ihr Thema ist, ja von dem, worum es in ihnen geht, nicht berührt wird.
Dagegen könnten sie, was etwas ganz anderes ist, den philosophischen Erkenntnisstand, soweit er auf Kant sich zurückführen läßt, revidieren oder zu solcher Revision beitragen. Es änderte nichts an der genannten Entdekkung, die auch in die Revision wieder einginge. Durcheinandergeworfen wurde also auch die Geschichtlichkeit der kantischen Theoriebildung – einerseits; und anderseits diejenige der von dieser auf ihren Begriff gebrachten Konstitution von Erfahrung. Insofern letztere schlicht Entdeckung ist, kann sie von Änderungen in der Theoriebildung sowenig berührt oder verändert werden wie Erkenntnisfortschritte seit 1770 über den menschlichen Kehlkopf dessen sich nicht ihnen verdankende Wirklichkeit oder auch nur die Konstanz seiner naturwüchsigen Beschaffenheit reduziert haben. Was Geschichte ermöglicht, die Menschen nämlich instandsetzt, überhaupt welche werden zu können, unterliegt nicht der Geschichte.
Zu besagter Entdeckung gehört nicht nur, daß Raum und Zeit apriorische Anschauungsformen sind, sondern auch umgekehrt, daß es die einzigen sind, die sich finden lassen. Das schließt nicht prinzipiell aus, daß es uns unbekannte Subjektivitäten geben kann, die uns ebenso unbekannte andere haben, da Kant aber völlig unzweideutig von den Erkenntnisverhältnissen des menschlichen Wesens spricht, ergibt sich auch daraus kein Widerspruch. Spekulationen über uns verschlossene Anschauungsformen von Sinneserfahrung arbeiteten unvermeidlich mit einem seiner eigenen Bestimmung nach leeren – nämlich anschauungslosen – Begriff (»Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauung ohne Begriffe ist blind«1).
Die Unabgeschlossenheit der Welt und die Sucht nach Abschlüssen oder Ereignis und Ablauf1
Über den Zeitbegriff und sein Unbegriffenes,
den Lichtbedarf in cartesischer Dämmerung
und die Konstitution einer praktischen Vernunft,
mit der Natur in ihre Verwirtschaftung eingriffe (1981)
den Lichtbedarf in cartesischer Dämmerung
und die Konstitution einer praktischen Vernunft,
mit der Natur in ihre Verwirtschaftung eingriffe (1981)
Ich bin in diesen Tagen stutzig geworden, spätestens als nach Gottfried Heinemanns Vortrag2 nach Natur im Singular und Natur im Plural gefragt und dabei das Dritte vergessen wurde – auch von mir –, daß man traditionell nach Natur auch als nach der einer Sache, also als nach ihrer Unverwechselbarkeit, ihrem Wesen fragt: ob es überhaupt sinnvoll ist, nach philosophischen Fachgewohnheiten von Natur und Geschichte zu reden, was für beider Begriffe Gehalte eine von vornherein vielleicht falsche Perspektive ergibt, wenn diese auch gewiß Tradition hat. Sie stehen in keiner äußerlichen, umfangslogischen Relation zueinander, und selbst eine Rede wie, daß sie einander durchdringen oder ineinander verschränkt seien, scheint im Prinzip eine solche immer noch irreführenderweise vorauszusetzen. Unter allen nachkritischen Philosophen des Kontinents ist das Bemerkenswerte an Schelling, das mag seine fällige Renaissance jetzt begreiflicher machen, daß es bei ihm eher um ein Verhältnis reziproker Genitive: um die Geschichte von Natur und die Natur von Geschichte geht3. Dem gedenke ich in diesem Vortrag zu folgen. Im Zentrum steht die These, daß wir nicht weiterkommen, auch nicht über Hegel hinaus, wenn wir nicht die kantische Einordnung von Teleologischem4 und in ihrem Hintergrund Kants Zeitbegriff5 überprüfen; eventuell umwälzen. Der Anstoß dazu dürfte sich aus dem, was an Aporetischem auf dieser Tagung schon anklang, von selbst ergeben. Ich beginne mit einer Erinnerung.
Es war 1941 in New York, ...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- Geleitwort
- Erste Abteilung: Hochschul-Texte
- Anhang zur ersten Abteilung
- Zweite Abteilung: Unterwegs zur ›Transzendentalen Akustik‹
- Anhang zur zweiten Abteilung
- Editorische Nachbemerkung
- Glossar
- Personenregister