Kann das wirklich weg?
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Kann das wirklich weg?

57 Interventionen für die Kultur

  1. 240 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Über dieses Buch

Kunst und Kultur sind elementar für jede humane, freiheitliche Gesellschaft und für die Demokratie. Sie ermöglichen die grundlegende Reflexion der Gegenwart, brechen mit Routinen unserer Wahrnehmung und bieten Räume für spekulative und ästhetische Alternativen. Doch das Wissen um diese sehr besondere Rolle ist nicht mehr selbstverständlich. Die gesellschaftlichen Verwundungen durch die Corona-Pandemie zeigen dringlich, dass wir uns die Bedeutung und die Kraft der Kultur aufs Neue scharf ins Bewusstsein rufen müssen. Die hier versammelten 50 Plädoyers aus Literatur, Musik, Theater, bildenden Künsten, Film, Museen, Clubs, Buchhandel, Bibliotheken und Archiven wollen Impulse dafür geben.
Mit Beiträgen von Onejiru Arfmann, Anne Bohnenkamp, Kirsten Boie, Sarah Bosetti, Bettina Böttinger, Uta Bretschneider, Simone Buchholz, Neco Çelik, Renan Demirkan, Hannah Dübgen, Friederike Emmerling, Christian Friedel, Arno Geiger, Christian Gerhaher, Kerstin Gleba, Laura Grosse, Kübra Gümüsay, Andreas Gursky, DJ Hell, Candida Höfer, Hauke Hückstädt, Caren Jeß, Sibel Kekilli, Ulrich Khuon, Burghart Klaußner, Karen Köhler, Sebastian Krumbiegel, Norbert Leisegang, Cesy Leonard, Igor Levit, Udo Lindenberg, Jonas Lüscher, Peggy Mädler, Léontine Meijer-van Mensch, Eva Menasse, Hans-Werner Meyer, Maria Milisavljevi?, Axel Pape, Gerhard Richter, Roland Schimmelpfennig, Karin Schmidt-Friedrich, Frank Scholze, Ingo Schulze, Margarete von Schwarzkopf, Shantel, Rainer Sigl, Frank Spilker, Klaus Staeck, Gabriele Stötzer, Wolfgang Tillmans, Regula Venske, Hilke Wagner, Donata Wenders, Wim Wenders, Feridun Zaimoglu.

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Gabriele Stötzer

KUNST ALS KASSIBER

Als ich im Januar 1978 nach einem Jahr Knast als politische Gefangene aus dem Gefängnis kam, dachte ich: »Jetzt gehst du in die Kunst, da wird man nicht sofort verhaftet!«
Was ich mitnahm aus Hoheneck war ein Erlebnis mit meiner Mitinsassin Tutu, die für mich ein Lichtblick in diesem ganzen Grau der Mauern, Kleidung und depressiven Gesichter war. In Hoheneck mussten alle Gefangenen im Dreischichtsystem arbeiten. Tutu war im Kommando Planet und nähte Bettwäsche. Ich war im Kommando Esda 1 und nähte Strumpfhosen. Alles Artikel, die in den Westen exportiert und dort als Billigartikel verkauft wurden. Die Kommandos durften untereinander keinen Kontakt haben, und wir sahen uns nur einmal in drei Wochen eine Stunde im Freihof nach dem Mittagessen. Unsere gemeinsame Kommunikation lief über Kunst, Bücher, Filme. Wir schickten uns Kassiber aus Comics und Abenteuergeschichten, kneteten aus roter Käseumhüllung Plastiken, schrieben Gedichte. Einmal zeichneten wir uns im Freihof gegenseitig, wobei uns die Zeichnungen sofort von den Wachteln entrissen wurden, weil keine ein Bild davon haben sollte, wer mit im Knast war.
Da kam Tutu auf die Idee, einen Antrag für einen Zeichenzirkel für beide Kommandos zu stellen, wo wir uns jeden Sonntagvormittag sehen könnten. Und dann kam sie auf Transport, was bedeutete, dass sie als politische Gefangene nach der Hälfte ihrer Knastzeit in den Westen entlassen bzw. verkauft wurde, denn die BRD zahlte horrende Summen für eine*n Gefangene*n aus der DDR. Zur gleichen Zeit bekam ich die Erlaubnis, einen Zeichenzirkel zu machen. Hoheneck war ein Gefängnis für Mörderinnen, Schwerverbrecherinnen und Langstraferinnen, zu denen in der DDR auch die politischen Gefangenen zählten. Wir wurden nur zur Arbeit und dem Essen aus den übervollen Zellen, wo 20 bis 30 Gefangene in Dreistockbetten schliefen, herausgeschlossen, sonst waren die Zellen, die Verwahrräume hießen, zu. Nun wurden Sonntagvormittag die Zellen geöffnet. Nicht nur diejenigen, die zum Kurs in den Verwahrraum kamen, durften sich auf dem Gang und von Zelle zu Zelle frei bewegen. Ich hatte Zeichenblöcke und Bleistifte beantragt, die wir bekamen, und begann, Steine und Architekturen zu zeichnen, dann legten wir die Blätter auf den Boden und redeten darüber. Und in diesen Stunden fühlte ich mich frei von der Umgebung und die anderen auch.
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Loch (1982)
Als erste Kunstaktion draußen leitete ich eine private Galerie am Angerbrunnen in Erfurt, die »Galerie im Flur«, die ich von einem Berliner Künstler, der seine Wohnung in einen Ausstellungsraum umorganisiert hatte, übernahm, als er wieder nach Berlin zog. Mit Freunden, die selber auch Kunst machen wollten, besetzten wir noch zwei Häuser in Erfurt, richteten dort Werkstätten ein und erklärten das Bauhaus in Weimar zu unserem Verbündeten, das mit seinen Ideen über Kunst ein anderer Lehrer als der geforderte sozialistische Realismus war. Neben Siebdruckwerkstätten und einer Holzwerkstatt hatte ich dort eine Webwerkstatt, mit der ich mich ernähren wollte. Dort war auch ein Fotolabor, mit dem wir die Werbung zur Galerie machten, und wir entwickelten ein gegenseitiges Aktzeichnen, indem wir uns selber zeichneten, Modell und Künstler*in in einem waren. Dazu gesellte sich ein Künstler aus dem Eichsfeld, der jährliche Pleinairs mit Ausstellungen im nahen Mühlhausen organisierte. Wir waren voller Tatendrang und Ideen auf Basis von Freundschaft und ungebrochenem Gestaltungswillen.
Was ich nicht wusste, war, dass diese Aktionen zwar der Kunst galten, aber wegen ihrer Öffentlichkeitswirkung – als Voraussetzung für das Entstehen und Rezipieren von Kunst – von der Staatssicherheit, dem MfS, als illegale Gruppenbildung gesehen wurden.
Das MfS eröffnete gegen mich 1979 einen Operativen Vorgang mit dem Titel »Toxin«. Da »… die K.1 umfangreiche Beziehungen zu Personen unterhält, bei denen ebenso wie bei ihr der Verdacht der Organisierung einer politischen Untergrundtätigkeit gegeben ist. Das Ziel der vorgangsmäßigen Bearbeitung besteht darin, Beweise gemäß § 106 StGB2 zu erarbeiten.«3
Operative Vorgänge (OV) waren ebenso wie Operative Persönlichkeitskontrollen (OPK) Geheimverfahren, mit denen auffällig gewordene Personen ähnlich wie in Kafkas Prozess vorverurteilt, Anklagepunkte initiiert und gesammelt wurden. Natürlich wusste ich nichts von den Dimensionen dieser Geheimverfahren, aber ich versuchte, mich so weit, wie ich es erlebt hatte, zu schützen. Denn ein anderes Vermächtnis des Gefängnisaufenthaltes war, dass ich da Frauen kennengelernt hatte, die wegen asozialen Verhaltens, das heißt u. a. Nicht-Arbeitens, eingesperrt waren, was in der DDR seit 1968, als im Westen die Jugend für ihre Freiheit auf die Straße ging, ein kriminelles Delikt war. In der DDR mussten alle Bürger*innen arbeiten. Gesellschaftliche Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Pleitesystems und gleichzeitig soziale Kontrolle. Wenn man sich der sozialistischen Produktion entzog, was die Voraussetzung für mein selbst erklärtes Künstlerinnentum als Arbeit war, riskierte ich, wieder ins Gefängnis zu kommen.
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Beschluss zur Einleitung des Operativen Vorgangs »Toxin« (1979)
Da ich in Hoheneck nicht wie die meisten politischen Gefangenen in den Westen wollte, hatte ich guten Kontakt zu den Kriminellen, die in den Osten entlassen wurden, und erfuhr von ihnen, was man alles nicht machen durfte, um nicht wieder einzufahren. Und ich dachte natürlich, dass die politischen Machthaber zwar alle Menschen kontrollieren wollten, aber nicht bis in den Bereich der Kunst hinein. So versuchte die Stasi zwar die »Veranlassung einer Prüfung des Arbeitsrechtsverhältnisses der im OV ›Toxin‹ bearbeiteten Person K., Gabriele durch die Abteilung Inneres unter dem Aspekt der Herausarbeitung von Voraussetzungen für eine strafrechtliche Verantwortung gem. § 249 StGB4«, musste aber letztendlich feststellen: »Generell muß bei den festzulegenden Zersetzungsmaßnahmen davon ausgegangen werden, daß ein direktes strafrechtlich-relevantes Auftreten der bearbeiteten Personen aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen nicht vordergründig zu erwarten ist. Vielmehr sind gezielte Maßnahmen zu wählen, die die bearbeiteten Personen unmittelbar und individuell treffen.«5
Verunsichern, isolieren, vereinsamen bis in den Selbstmord treiben, das waren Zersetzungs- und Disziplinierungsmaßnahmen. Persönlicher und gesellschaftlicher Misserfolg, Lügen, von der Stasi Legenden genannt, inszenierten Missgunst und Zwietracht. Spitzel wurden in die Freundesgruppen geschleust oder aus ihnen selbst durch Erpressung gewonnen. So wurde nach eineinhalb Jahren die »Galerie im Flur« von der Stasi »liquidiert«, die Eichsfelder Pleinairs wurden »liquidiert«, der Zeichen- und Malzirkel wurde »liquidiert«. Meine Freunde kamen zur Armee, Reserve oder in den Knast, reisten in den Westen aus, zogen sich zurück oder weiter nach Berlin.
Ich wollte nicht in den Westen. Dass mir als ehemals honorierter Schülerin und Studentin nach dem Knast jegliche gesellschaftliche Laufbahn unmöglich war, fand ich eine gute Voraussetzung für Kunst, die ich damals noch mit Armut, Randexistenz, aber auch mit Ekstase, Lust und Individualität verband. Ein Gebiet der Möglichkeiten, die mir mit mir selber alle Mittel in die Hand gab. Dazu gehörte auch mein Körper oder die Körperlichkeit der anderen. Und das war mein weiblicher Körper und die weiblichen Körper der anderen, deren Vielfältigkeit und innere Widerstandskraft ich aus dem Knast kannte. Am Anfang war mir das eine natürliche Logik, bis ich merkte, dass die Bilder ungewohnt waren, viele erschreckten. Sie waren an die Nichtsichtbarkeit der Frauen gewohnt. Was mich noch mehr anspornte, das als ein offenes Gebiet der künstlerischen Möglichkeiten zu betrachten.
Was mir innewohnte, ist, nicht aufzugeben. Eine aus Suche gewachsene Form der Entäußerung. Mir fielen die Ideen zum Kunstmachen wie damals in der Schule wie freischwebende Antworten in die Hände. Ich folgte den Themen, holte Unentdecktes und in Selbstbeschuldigungen versinkende Verletzungen nach außen. Ich wusste immer genau, wie ich das materialisieren konnte, mit Zeichnen oder Filmen oder Texten, in denen ich die deutsche Sprache wie die Körper als Experimentierfeld benutzte. Das Darzustellende war immer stärker als die Momente des Zweifels, der Versteinerung und der Angst. Es war ungewöhnlich und interessant. Über mich wurde in Erfurt geredet, immer mehr Frauen kamen und wollten dieses andere in sich und an sich erleben. Unsere Körperaktionen gingen immer an das Ende unserer gemeinsamen Kraft. Einmal fielen zwei Frauen fast in Ohnmacht, als ich sie zusammen übermalte, oder eine hatte das Gefühl des Sterbens, während ich Stück für Stück ein weißes Laken über ihren nackten Körper zog. Andererseits hatte ich auch Ideen, die nicht nur Frauen, sondern auch Männer anzogen. Als ich 1988 einen Super-8-Film drehte, für den ich meine Freund*innen bat, an bestimmten Plätzen in der Öffentlichkeit nach ihrer eigenen inneren Musik bis zur Ekstase zu tanzen, arbeiteten 15 Frauen und Männer mit.6
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Verschmelzung (1982)
Ich wollte über Grenzen gehen mit mir und den anderen. Grenzen der Selbstzurücknahme und des Zurückziehens, wollte meinen Raum bestimmen, diese Stadt und ihren Glauben durch körperliche Aktionen erfahren und abstecken. Im »Sachstandsbericht zum OV ›Toxin‹« vom 14. Mai 1985 steht:
»Im Rahmen einer durch die K. geplanten Fotoserie wurde der Punk F. I. (op. Bearbeitung XX/) an das zur Martinsfeier aufgestellte Kreuz7 gebunden und die Freundin des F. …A. M. lief kostümiert in einem Trikot mit einem Kerzenleuchter in der Hand um das Kreuz herum. In der Befragung beim VPKA Erfurt, gab die K. an, daß es sich dabei um ein Beispiel sogenannter ›Aktionskunst‹ gehandelt habe, wie es bei ›avantgardistischen westlichen Künstlern‹ bereits praktiziert würde. Auch hier wirkte das Eingreifen der VP zeitweilig disziplinierend auf derartige Verhaltensweisen der K.«8
Es ging immer um Öffentlichkeit. In der DDR konnte ich meine Texte nicht veröffentlichen und gab sie an Zeitschriften des sich in den 80er-Jahren etablierenden Untergrundes. Ich las in Privaträumen bei meiner Schwester und Freundinnen, bei als Familienfeten getarnten Ausstellungen. Wir zeigten meine und andere Super-8-Filme bei Gartenfeiern und in Kellerpartys. Einmal erwarb ich im Kinoklub Erfurt, der anspruchsvolle Filme zeigte, alle Karten und verkaufte sie für 5 Mark weiter an Bekannte. Als die Stasi dahinterkam und für sich den Raum beanspruchte, weigerte sich die Kinoklub-Leiterin, das abzusagen, und ich konnte drei Super-8-Filme zeigen. Dafür gab es dann zum wiederholten Male ein Ordnungsstrafverfahren (OSV) mit Strafen von 200 Ostmark.
Ein OSV erhielt ich auch 1981 für die »mißbräuchliche Nutzung von Wohnraum« bei dem Verbot der »Galerie im Flur« und 1984 bei einer Ausstellung mit Punks als »den Konzentrationspunkt von negativ-dekadenten Personen in Erfurt, Kürschnergasse 7«. Inzwischen waren in allen Bekanntenkreisen IMs9 eingeschmuggelt, und da ich offen über alles redete – letztendlich war die Devise des Untergrundes »Die Flucht in die Öffentlichkeit« –, schrieb ein IM »Konrad«: »Die K. nimmt den Fakt des OSV gelassen und als normal hin und drückte in etwa aus, daß derartige Konfrontationen mit dem Staat für sie reizvoll wären. Es kann davon ausgegangen werden, daß die K. auch nicht mit einer Freiheitsstrafe zu schocken ist.«10
Andererseits schrieb der IMB11 Lutz Müller: »Die gegenwärtige psychische Verfassung der K. ist durch ein Maximum an Hektik und Nervosität gekennzeichnet. Ihre ursprüngliche Absicht, Erfurt zu verlassen, da keine ihrer Aktionen erfolgreich waren, hat sie gegenwärtig aufgegeben (zurückzuführen offenbar auf die negative Resonanz bei vielen Szenemitgliedern aus Berlin bezüglich ihrer Person, hervorgerufen aus ihrem offensichtlichen Unvermögen, Aktionen problemlos durchzuführen). Bewußtseinsmäßig entwickelt die K. Bestrebungen, aus dem Drang nach einer Selbstbestätigung heraus, militant und zugleich vorsichtig ein neues ›Zentrum‹ zu schaffen. Diese Aktivitäten sind jedoch gleichzeitig verbunden mit einem gewissen Verfolgungswahn, der selbst anderen Szenemitgliedern auffällt. …«12
Ich kratzte an den Grenzen einer männlichen Macht. Denn die Männer, die auch im künstlerischen Untergrund dominierten, verhielten sich ebenso wie die staatlichen Stellen ablehnend gegen meine Kunst. Ich durfte in bestimmten Untergrundzeitungen nicht veröffentlichen und suchte immer wieder neue Verbündete. 1984 initiierte ich mit anderen Frauen die erste Künstlerinnengruppe in der DDR. So hatten wir es schon in der »Galerie im Flur« gelebt: Jede*r kann Kunst machen, jede*r kann anteilig werden an dem unermesslichen Reichtum der Kreativität. Es ist in uns und nährt unseren Körper und Geist. Kunst war wie Brot.
Mit der Devise »Frauen – geht in die Kunst, da sind noch Arbeitsstellen frei« und »Wir sind nicht gegen Männer, aber für Frauen« etablierte sich die Künstlerinnengruppe und begann ihren Weg in die gesellschaftliche Öffentlichkeit. Zuerst traten wir in Räumen der Kirche auf, später in Klubhäusern und Galerien. Wir machten Malerei und Super-8-Filme, traten mit Performances und Mode-Objektshows auf,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Halbtitel
  3. Titelseite
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Kann das Wirklich Weg? Geleitwort
  7. Kultura
  8. Tipp aus Köln
  9. Lebenswichtig
  10. Sahnehäubchen für die Pusselchen
  11. Natürlich Lieben Wir Kultur!
  12. Nicht Nur in Krisenzeiten: Museen als Kulturelle Lebens-Mittel
  13. #Truthinsong – Tröstliches in Corona-Zeiten
  14. Dann Vergessen Wir Uns
  15. Ein Kleiner Essay, von der Naunyn-Street
  16. Hört Endlich auf, Das »Hohelied Der Kultur« Zu Besingen!
  17. Clubs Sind Kultur
  18. KKKKKK
  19. Works When it Works #60 (2017)
  20. Warum Das System Theater Relevant Ist
  21. Alles Gesagt?
  22. Nachdenken Über den Rechenstift
  23. Zur Notwendigen Freiheit Der Künste
  24. Grosse Worte, Kleine Wirkung Oder: Wider die Sonntagsrede
  25. »Nach Der Krise Ist Leider Irgendwie Auch Vor Der Krise …« Ein Dialog
  26. Das Herz, Intakt, Im Takt
  27. Sich In Relation Setzen
  28. Sehen
  29. »Formuliere Scharf!«
  30. Hemerophile
  31. Kunsterleben
  32. Monsieur Bougran Und Wir
  33. Mehr als Systemrelevant
  34. Wir Leuchten Für Euch
  35. Wenn Wir Aufhören Zu Lachen
  36. O. T.
  37. Radikale Töchter Really Nice To Have
  38. »Wir Könnten, Wenn Wir Denn Wollten.« Ein E-Mail-Wechsel
  39. Ein Hoch Auf All Die Unerschütterlichen Musiker*Innen
  40. Unverzichtbar . Unverzichtbarer . Am Allerunverzichtbarsten …
  41. »Formulieren Sie Einen Kurzen Beitrag. (…) Er Sollte Zeigen, Was Das Heisst: Kultur!«
  42. Das Zürcher Manifest 2020: Let’S Move Our Asses
  43. Im Koma Der Systemrelevanz
  44. Kultur als Freizeitvergnügen? Eine Zumutung
  45. Vor Dem System. Eine Ungehaltene Rede Auf Die Relevanz Des Theaters
  46. Forever Young …
  47. O. T.
  48. Achte Reihe, Parkett Mitte
  49. Der Mensch Braucht Kulturelle Resonanzräume
  50. Ist Das Kultur Oder Kann Das Weg?
  51. Du Und Descartes Oder Der Bewahrte Widerspruch
  52. Seelenreisen
  53. Reclaim the Cities!
  54. Pandemie in Vier Spielen
  55. System Und Relevanz und das Andere
  56. Nichts Ist Erledigt
  57. Kunst als Kassiber
  58. Kunst als Ziellose Forschung
  59. »We Will Meet Again … « Oder: Was Bleibt.
  60. Wo Man Über Kunst (Noch) Streitet – Erkenntnisse Aus Dem »Dresdner Bilderstreit«
  61. Ode an das Handwerk
  62. Kultur in Anführungsstrichelchen
  63. Die Fabel Von Dem Mann,
  64. Die Herausgeberinnen Und Herausgeber